18698.
_ 228.
Maunhei:
Sonntag, 26. September.
er Abendzeitung.
Organ der deutſchen Volksparlei in Paden.
Die „Wannheimer Abendzeitung? wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage — täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementzpreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition CQ 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten. :
M E Bestellungen auf die Mann-:
g heimer Abendzeitung pro
I V. Ouartal werden auswärts von
allen Poſtboten und Poſtanſtalten, in
Heidelberg von unſerer Filiale weſt-
liche Hauptſtraße 113 und in Mann-
heim von der Expedition Lit. C L
Mr. 15 und der Zweigexrpedition F 5
Mr. 14 entgegengenommen. .
Abonnementspreis vierteljährlich Ei-
nen Gulden.
Inserate 3 kr. die einſpaltige Petit-
zeile. Lokalanzeigen 2 kr.
Die denutjſche Volkspartei in Bayern.
D. O. Der geschäftsleitende Ausſchuß der hier ge-
nannten Partei, welcher seinen Sitz in Nürnberg-Fürth
hat, iſt kürzlich mit einer Ansprache an die Parteigenossen
hervorgetreten, die wir in vieler Beziehung als muſter-
gültig bezeichnen dürfen. In der handlichen Form. einer
Broſchüre von einem Druckbogen behandelt die Ansprache
die Entstehung, das Streben und die Ziele der deutſchen
Volkspartei, um den mit einem Male an verſchiedenen
Orten des baheriſchen Landes gleichzeiig zu Tage ge-
kommenen Bestrebungen im volksparteilichen Sinne einen
Anhalt und geiſtigen Sammelpunkt zu geben. In knappen
Zügen ist zunächſt die Entſtehungsgeschichte der Volkspartei
im Gegenſaß zu Nationalverein und Reformbverein dar-
gelegt, vom 19. Sept. 1865 ab, wo zuerſt in Darm-
ſiadt der föderative Gedanke ausgesprochen und ,mit
wahrhafter Sehergabe" die Forderung aufgestellt wurde,
„daß die bedrohten Regierungen der deutschen Mittel-
und Kleinstaaten, mit aufrichtiger Anerkennung des demo-
kratiſchen Fortschritts auf das Volk gestützt, um ihrer
selbſt wie um Schleswig-Holſteins willen ſich vereinigen
ſolllen, um den Anfang zu einer bundesſtaatlichen Einigung
Deutschlands zu machen“ ~ eine Reminiszenz nebenbei,
deren Stachel gewiß jezt von manchem bitter empfunden
wird, der damals zu so gutem Rath hochmüthig die
Nase rümpfte. Im Weiteren wird der Frankfurter Ver-
ſammlung vom 20. Mai 1866, des Jakoby'ſchen Pro-
gramms, der Bamberger Besprechung (22. Dezbr. 1867)
und des Stuttgarter Kongresses (19. u. 20. Sept. 1868)
gedacht, in deſſen Beſchlüſſen der Boden gewonnen ward,
auf welchem die Volkspartei zur gemeinſchaftlichen Thätig-
keit mit den deutschen Arbeitervereinen sich verbinden
konnte und verbunden hat. Speziell in Bayern iſt der
ſog. Fortſchrittspartei, welche im Auguſt 1866 unter dem
erſten Eindruck der preußiſchen Siege ihr bettelpreußiſches
Haupt erhob, von Franken ausgehend die Volkspartei
entgegengetreten, die am 16. Anguſt 1868 zu Jorchheim
ihre erſte Landesverſammlung hielt.
Im Anschluß an die bekannten Stuttgarter Beſchlüſsſe
vom September vorigen Jahres werden dann die beiden
Hauptrichtungen des Programms der Volkspartei, 1) die
demoktratiſche Grundlage und 2) die föderative Geſtaltung
der vaterländiſchen Dinge ſehr verständig und verſtänd-
lich dahin erläutert:
„I) Die großen Gebrechen, an welchen unser gegen-
wärtiges Staatsleben krankt, ſind vorzüglich dadurch be-
dingt, daß faſt die ganze Macht, welche über das Wohl
und Weh des Landes entscheidet, in den Händen der Re-
gierenden und nur ein vertümmerter Bruchtheil von ihr
in denen der Regierten liegt. Die Regierung allein iſt's,
welche in jeder Frage faſt ausſchließlich den Ausſchlag
gieblt.. Denn das Volk iſt in der Verwaltung der Ge-
meinden, Distrikte und Kreiſe, wie bei der Gesetzgebung
des Landes in Folge von Wahlgeseßen, welche gegen das
Gleichheitsprinzip verstoßen, so ungenügend vertreten, daß
der eigentliche Wille und das wahre Bedürfniß der Maſſe
î gar nicht zum Ausdrucke gelangen , geſchweige denn die
entsprechende Berücksichtigung finden kann. Die Folge
davon ist, daß alle Beſchlüiſſe der verschiedenen Vertre-
tungsktörper unter der Herrſchaft von Gesetzen gefaßt
werden, welche entweder ganz nach dem Gutdünken der
Regierung oder höchſtens nach den Abänderungsvorſchlä-
gen von bevorrechteten Auserwählten, keinesfalls aber unter
Mitwirkung des Volkes erlaſſen werden.“ Dazu die erſten
Kammern, das Veto der Krone. „Sind somit ſchon die
Geſehe ſelbſt zum größten Theile als Ausflüſſe des Re-
gierungswillens zu betrachten, so müssen ihre Ausführung
und die ganze staatliche Verwaltung erst recht als die
Lebensäußerungen dieses nämlichen Willens erſcheinen.
Denn an der großen Pyramide des Staatsdiensſtes ſteht
ein ganzes Heer von Beamten, von denen keiner eine
einzige der zahlloſen Stufen zu erſteigen vermag, ohne
daß er von den Händen jener Miniſter hinaufgezogen
wird, welche nach dem Gutdünken des Staatsoberhauptes
auf die oberſte Stufe gestellt wurden. Nicht genug, daß
dieses große Beamtenheer ~ jeder einzelne ſogar lebens-
länglich ohne Rückſicht auf seine Leiſtungen und noch
überdieß nach seinem Abſterben deſjen Hinterlaſſene +
auf Kosten der Staatsangehörigen ernährt und erhalten
werden müſſen, iſt es durch ſeine Abhängigkeit noch der
Verſuchung preisgegeben , bei der Cniſcheidung über die
Forderungen und Bedürfnisse der Staatsangehörigen in
zieifelhaften Fällen mehr nach der Gunſt der Regierung
als nach den Grundſätzen der Freiheit und Gleichberech-
tigung zu verfahren. Solche Zuſtände müſſen durch die
Angewöhnung einer tief eingreifenden Bevormundung alle
politiſche Reife , menschenwürdige Selbſtſtändigkeit und
jeden opferwilligen Bürgerſinn , ſomit alle jene Tugenden
in ihren erſten Keimen vernichten, ohne welche ein ge-
ſundes Staatsleben weder sich entwickeln, noch gedeihen
kann.“
2) In Bezug auf die föderative Geſtaltung des Ge-
sammtvaterlandes wird unter anderm die große Lüge
„durch Cinheit zur Freiheit“ sehr gut mit folgenden Sätzen
abgethan: „Durch die Uebermacht des preußiſechen Herr-
ſcherhauſes iſt dem Volke jeder entscheidende Einfluß auf
die Gestaltung seiner Geschicke entzogen. Erringen könnte
das deutsche Volk diese Macht nur durch einen gewaltigen
Durchbruch des Freiheitsdranges. Cin ſolcher wird aber
um so unmùöglicher, je weiter das preußiſche Regiment
mit seiner ausgedehnten Beamtenwirthſchaft , seinem ab-
hängigen Richterſtand, seinem bevorzugten Adel, seiner
vom Volke abgelöſten Soldatenkaſte und seinen tief ein-
greifenden Beschränkungen aller öffentlichen Geistesregungen
ſich über die übrigen deutschen Gauen ausbreitet. Viel
größer ist die Aussicht auf ein Erwachen des Freiheits-
gefühles, wenn die gesonderten Staatengruppen bis zur
Schaffung eines in Freiheit geeinigten Gesammtdeutſch-
landes erhalten bleiben, damit durch die Gegensätze der
nationale Geiſt vor dem Versinken in eine willenloſe Ge-
fügigkeit bewahrt werde. Die Volkspartei muß , weil sie
die Freiheit fordert, jedem Volksstamme, wie jeder einzel-
nen Nation das Recht der Selbstbestimmung gewahrt ſehen
wollen, darf für keinen Volksſtamm und für keine Nation
Rechte in Anshruch nehmen, welche nicht in gleicher Weiſe
auch allen anderen Volkssſtämmen und Nationen gewährt
werden sollen, und will durch keine Macht der Erde sich
von dem Loſungsworte abbringen laſſen, daß nur auf
Freiheit, d. h. auf Volksherrſchaft ein Bundesstaat aus
allen deutschen Volkssſtämmen mit Einschluß Deutſch-Oeſter-
reichs gegründet und nur durch die Freiheit der Friede
unter den verschiedenen Völkern erhalten werden kann.“
~– Und an einer andern Stelle wird der prinzipielle
Gegenſatz, in dem wir ſtehen, ſehr richtig dahin angegeben :
„Von der mit friſcher Macht ausgeſtatteten Gnade eines
Fürsten iſt das Wohl und Weh des deutſchen Volkes
abhängig gemacht und der beschränkte Unterthanenverſtand
muß ſich begnügen, unter den ihm auferlegten Laſten
nicht vollſtändig zu erliegen. In einer Zeit, in der die
ſtaatliche Geſellſchaft froh sein muß , aus der Hand der
Gnade wenn auch nur augenblickliche und unentbehrliche
Erleichterungen zu erlangen, iſt es mehr als Pflicht, die
Grundsätze immer und immer zu verkünden, durch deren
Verwirklichung allein die hohen Zwecke der staatlichen Ge-
ſellſchaft erreicht werden können."
Auf der Grundlage dieser Ueberzeugungen erhebt sich
dann der eigentlich programmatische Theil der Anſprache:
freie Vereinigung aller deutschen Stämme zu einem auf
Volkssouveränetät beruhenden Bundesſtaate, kein offener
oder ergaunerter Anschluß an den Bollernbund; ~ im
Innern: allgemeines und direktes Wahlrecht mit geheimer
Abstimmung ; Reviſion der Staatsverfassung nach den
Grundſätzen der Selbſtregierung und Selbstverwaltung;
vollständige Trennung des Staats, mithin auch der Schule
von der Kirche; Verweigerung aller Mittel für ſtehende
Heere, Einführung des Milizſhſtems, und andere, mehr
grundrechtliche Forderungen. ~ Endlich „Besſerung der ma-
teriellen Lage der Arbeiter verlangt die Volkspartei: 1)
durch gerechte Vertheilung der Steuern, nämlich Aufhe-
bung der indirekten Steuern, Einführung einer progreſſiven
Einkommen- und Kapitalſteuer; 2) durch unentgeltlichm
Unterricht in allen öffentlichen Bildungsanſtalten ; 3) voll-
kommene Koalitionsfreiheit, Feſtſeßung eines Normal-Ar-
beitstages , Fabrikgeſeß zum Schute der Geſundheit der
1uzius. Durchführung dieses Programms qoll „auf keine
andere Weiſe und durch keine andere Macht, als durch
die Arbeit des Volkes ſelbſt“ geſchehen, wie sie in Verei-
nen und der Presse ſich bethätigt.
Badiſcher Landtag.
* Narlsruhe, 24. Sept, Die feierliche Eröff-
nung des Landtags hat heute in vorgeſchriebener Weise
ſtattgefunden. Der Großherzog wohnte dem um 10 Uhr
in der Schloßkirche von Hrn. Hofprediger Doll abgehal-
tenen Gottesdienste an. In der katholiſchen Kirche hielt
Herr Bischof Kübel das Hochamt. Die Auffahrt des
Großherzogs am Ständehaus geſchah in feierlicher Weise.
Eine Schwadron Dragoner mit der Muſik ritt voran ;
den Schluß des Zuges bildete eine weitere Schwadron.
Die Abgeordneten beider Kammern waren zahlreich ver-
treten. Heute Nachmittag sind die Mitglieder der Kam-
mern zur großh. Tafel geladen. ;
Die beiden Kammern hielten geſtern Nachmittag ein-
leitende Sitzungen. Die zweite Kammer wurde von
Herrn Staatsminister Dr. Jolly begrüßt. Herr Abg. Hoff
aus Mannheim führte als Alterspräſident den Vorsit.
Jugendsekretäre sind die Herren Abgg. v. Gulat, Kayſer
und Schmeyher.
Die zweite Kammer hält morgen, Samſtag, Vormittags
9 Uhr ihre erſte Sizung. Tagesordnung : Anzeige neuer
Eingaben. Vorlagen der Gr. Regierung. Vorlage der
Wahlatten. Bildung der proviſoriſchen Abtheilungen.
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 25. September.
"* Der Leitartikel der gestrigen Nummer der Abend-
zeitung gab uns nicht allein Aufschluß über das, was
man in Frankreich druckt, sondern auch darüber, .
wie man in Frankreich d enk t. Und hiezu wollen wir heute
einen weitern Beitrag geben. Im Pariſer „Figaro“ ſteht klar
ohne Verbrämung : „Wir rathen dem Kaiſer Napoleon IM.,
uns die Republik zu geben, bevor ihn die Nothwendig-
keit, das Verhängniß, ein unvorhergesehener Anlaß, oder
wie man das Ding noch nennen will, dazu drängen
wird. Das ist vielleicht das beſte Mittel, die Zukunft
Napoleons IV. zu sichern. Was ist denn eine M
Wenn sie unter dem Prätext des Ansehens herrschen will,
läßt sie eben keine Definition zu. Wenn fäzaſte ni j
herrſcht, iſt ſie ein Neſt voll von Prätendenten. Der Titel
alſo will für eine Dynastie nichts bedeuten , die thatſäch-
liche Beſchäftigung mit der Sache wäre Alles. Es iſt
jedenfalls für einen Fürſten besser, König ohne perſönliche
Gewalt zn sein, als in ganz Europa, wenn ſelbſt in einem
Salonwagen, herumzufahren.“ /
Das Volk in Frankreich iſt wieder zum Bewußtsein
seiner ſelbſt gekommen. Hierin liegt für daſſelbe die
beſte Bürgschaft einer beſſeren Zukunft und nicht für das
Volk in Frantreich allein. Dieß seheint der Berliner feu-
daléen „Kreuzzeitung! nicht unbekannt . . . aber auch
nicht angenehm und so beklagt denn dieſelbe, daß das
„persönliche Regiment“ in Frankreich zur Reige geht, daß
vaſſelbe im Lande bereits ſoweit auf die Seite geſett
werde, daß die Parteien nicht bloß die Regentſchaftsfrage
erörtern, sondern auch die dynaſtiſche gewiſſermaßen als
offene behandeln! „Ein paar Monate haben hinge-
reicht,“ sagt die „Kreuzzeitung“ mik kummervolem Rike !!
blicke auf die Situation, „Frankreich in diese Lage hin-
einzuſtürzen. Ein paar Monate haben genügt, um zu
beweisen, wie richtig Kaiſer Rapoleon seine Lage beur-
theilte, als er an Baron Mackau (noch im Juni) ſchrieb,
daß Zugeſtändnisſe in den Prinzipien oder Aufopferungen
von Perſonen den Volksbewegungen gegenüber immer un-
wirkſame Mittel wären. Er hat Prinzipien und Per-
jeues pechictt .de uf V ru tn. P
zipien und Perſonen zu opfern! ! ]
Das mehrgenannte Wolff'ſche Norreſhondenz-Bureau
erhält aus Wien die folgende telegraphiſche Meldung:
An unterrichteter Stelle wird die Auffassung verſchiedener
Blätter, als wäre dem Besuche des Reichskanzlers Grafen
Beuſt bei der Königin von Preußen eine politiſche Be-
deutung unterzulegen, als irrig bezeichnet. Graf Beuſt
Y
I
J
.
H
i p
Ir E
u U. .
9 [ E M
I |
' at Sû
U
J 17
iq
1 ]
!
I.
|
H "UB
w .
.. U ;
|! .
MH .: N
tt
Ul .. :;
nu
iki [i
ifi j
m. j
y \
n Ha_ |
.. |
qt
f. 1.1 [H
[1:1 |
iu |
v
HI.] [
. [!
11 |
I!! .
it: |
a. |
wn k
w |
m
uA
; |
, |
tik EJ
i [|
|
Ö
[
|
n
A §. §
- W . c
_ 228.
Maunhei:
Sonntag, 26. September.
er Abendzeitung.
Organ der deutſchen Volksparlei in Paden.
Die „Wannheimer Abendzeitung? wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage — täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementzpreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition CQ 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten. :
M E Bestellungen auf die Mann-:
g heimer Abendzeitung pro
I V. Ouartal werden auswärts von
allen Poſtboten und Poſtanſtalten, in
Heidelberg von unſerer Filiale weſt-
liche Hauptſtraße 113 und in Mann-
heim von der Expedition Lit. C L
Mr. 15 und der Zweigexrpedition F 5
Mr. 14 entgegengenommen. .
Abonnementspreis vierteljährlich Ei-
nen Gulden.
Inserate 3 kr. die einſpaltige Petit-
zeile. Lokalanzeigen 2 kr.
Die denutjſche Volkspartei in Bayern.
D. O. Der geschäftsleitende Ausſchuß der hier ge-
nannten Partei, welcher seinen Sitz in Nürnberg-Fürth
hat, iſt kürzlich mit einer Ansprache an die Parteigenossen
hervorgetreten, die wir in vieler Beziehung als muſter-
gültig bezeichnen dürfen. In der handlichen Form. einer
Broſchüre von einem Druckbogen behandelt die Ansprache
die Entstehung, das Streben und die Ziele der deutſchen
Volkspartei, um den mit einem Male an verſchiedenen
Orten des baheriſchen Landes gleichzeiig zu Tage ge-
kommenen Bestrebungen im volksparteilichen Sinne einen
Anhalt und geiſtigen Sammelpunkt zu geben. In knappen
Zügen ist zunächſt die Entſtehungsgeschichte der Volkspartei
im Gegenſaß zu Nationalverein und Reformbverein dar-
gelegt, vom 19. Sept. 1865 ab, wo zuerſt in Darm-
ſiadt der föderative Gedanke ausgesprochen und ,mit
wahrhafter Sehergabe" die Forderung aufgestellt wurde,
„daß die bedrohten Regierungen der deutschen Mittel-
und Kleinstaaten, mit aufrichtiger Anerkennung des demo-
kratiſchen Fortschritts auf das Volk gestützt, um ihrer
selbſt wie um Schleswig-Holſteins willen ſich vereinigen
ſolllen, um den Anfang zu einer bundesſtaatlichen Einigung
Deutschlands zu machen“ ~ eine Reminiszenz nebenbei,
deren Stachel gewiß jezt von manchem bitter empfunden
wird, der damals zu so gutem Rath hochmüthig die
Nase rümpfte. Im Weiteren wird der Frankfurter Ver-
ſammlung vom 20. Mai 1866, des Jakoby'ſchen Pro-
gramms, der Bamberger Besprechung (22. Dezbr. 1867)
und des Stuttgarter Kongresses (19. u. 20. Sept. 1868)
gedacht, in deſſen Beſchlüſſen der Boden gewonnen ward,
auf welchem die Volkspartei zur gemeinſchaftlichen Thätig-
keit mit den deutschen Arbeitervereinen sich verbinden
konnte und verbunden hat. Speziell in Bayern iſt der
ſog. Fortſchrittspartei, welche im Auguſt 1866 unter dem
erſten Eindruck der preußiſchen Siege ihr bettelpreußiſches
Haupt erhob, von Franken ausgehend die Volkspartei
entgegengetreten, die am 16. Anguſt 1868 zu Jorchheim
ihre erſte Landesverſammlung hielt.
Im Anschluß an die bekannten Stuttgarter Beſchlüſsſe
vom September vorigen Jahres werden dann die beiden
Hauptrichtungen des Programms der Volkspartei, 1) die
demoktratiſche Grundlage und 2) die föderative Geſtaltung
der vaterländiſchen Dinge ſehr verständig und verſtänd-
lich dahin erläutert:
„I) Die großen Gebrechen, an welchen unser gegen-
wärtiges Staatsleben krankt, ſind vorzüglich dadurch be-
dingt, daß faſt die ganze Macht, welche über das Wohl
und Weh des Landes entscheidet, in den Händen der Re-
gierenden und nur ein vertümmerter Bruchtheil von ihr
in denen der Regierten liegt. Die Regierung allein iſt's,
welche in jeder Frage faſt ausſchließlich den Ausſchlag
gieblt.. Denn das Volk iſt in der Verwaltung der Ge-
meinden, Distrikte und Kreiſe, wie bei der Gesetzgebung
des Landes in Folge von Wahlgeseßen, welche gegen das
Gleichheitsprinzip verstoßen, so ungenügend vertreten, daß
der eigentliche Wille und das wahre Bedürfniß der Maſſe
î gar nicht zum Ausdrucke gelangen , geſchweige denn die
entsprechende Berücksichtigung finden kann. Die Folge
davon ist, daß alle Beſchlüiſſe der verschiedenen Vertre-
tungsktörper unter der Herrſchaft von Gesetzen gefaßt
werden, welche entweder ganz nach dem Gutdünken der
Regierung oder höchſtens nach den Abänderungsvorſchlä-
gen von bevorrechteten Auserwählten, keinesfalls aber unter
Mitwirkung des Volkes erlaſſen werden.“ Dazu die erſten
Kammern, das Veto der Krone. „Sind somit ſchon die
Geſehe ſelbſt zum größten Theile als Ausflüſſe des Re-
gierungswillens zu betrachten, so müssen ihre Ausführung
und die ganze staatliche Verwaltung erst recht als die
Lebensäußerungen dieses nämlichen Willens erſcheinen.
Denn an der großen Pyramide des Staatsdiensſtes ſteht
ein ganzes Heer von Beamten, von denen keiner eine
einzige der zahlloſen Stufen zu erſteigen vermag, ohne
daß er von den Händen jener Miniſter hinaufgezogen
wird, welche nach dem Gutdünken des Staatsoberhauptes
auf die oberſte Stufe gestellt wurden. Nicht genug, daß
dieses große Beamtenheer ~ jeder einzelne ſogar lebens-
länglich ohne Rückſicht auf seine Leiſtungen und noch
überdieß nach seinem Abſterben deſjen Hinterlaſſene +
auf Kosten der Staatsangehörigen ernährt und erhalten
werden müſſen, iſt es durch ſeine Abhängigkeit noch der
Verſuchung preisgegeben , bei der Cniſcheidung über die
Forderungen und Bedürfnisse der Staatsangehörigen in
zieifelhaften Fällen mehr nach der Gunſt der Regierung
als nach den Grundſätzen der Freiheit und Gleichberech-
tigung zu verfahren. Solche Zuſtände müſſen durch die
Angewöhnung einer tief eingreifenden Bevormundung alle
politiſche Reife , menschenwürdige Selbſtſtändigkeit und
jeden opferwilligen Bürgerſinn , ſomit alle jene Tugenden
in ihren erſten Keimen vernichten, ohne welche ein ge-
ſundes Staatsleben weder sich entwickeln, noch gedeihen
kann.“
2) In Bezug auf die föderative Geſtaltung des Ge-
sammtvaterlandes wird unter anderm die große Lüge
„durch Cinheit zur Freiheit“ sehr gut mit folgenden Sätzen
abgethan: „Durch die Uebermacht des preußiſechen Herr-
ſcherhauſes iſt dem Volke jeder entscheidende Einfluß auf
die Gestaltung seiner Geschicke entzogen. Erringen könnte
das deutsche Volk diese Macht nur durch einen gewaltigen
Durchbruch des Freiheitsdranges. Cin ſolcher wird aber
um so unmùöglicher, je weiter das preußiſche Regiment
mit seiner ausgedehnten Beamtenwirthſchaft , seinem ab-
hängigen Richterſtand, seinem bevorzugten Adel, seiner
vom Volke abgelöſten Soldatenkaſte und seinen tief ein-
greifenden Beschränkungen aller öffentlichen Geistesregungen
ſich über die übrigen deutschen Gauen ausbreitet. Viel
größer ist die Aussicht auf ein Erwachen des Freiheits-
gefühles, wenn die gesonderten Staatengruppen bis zur
Schaffung eines in Freiheit geeinigten Gesammtdeutſch-
landes erhalten bleiben, damit durch die Gegensätze der
nationale Geiſt vor dem Versinken in eine willenloſe Ge-
fügigkeit bewahrt werde. Die Volkspartei muß , weil sie
die Freiheit fordert, jedem Volksstamme, wie jeder einzel-
nen Nation das Recht der Selbstbestimmung gewahrt ſehen
wollen, darf für keinen Volksſtamm und für keine Nation
Rechte in Anshruch nehmen, welche nicht in gleicher Weiſe
auch allen anderen Volkssſtämmen und Nationen gewährt
werden sollen, und will durch keine Macht der Erde sich
von dem Loſungsworte abbringen laſſen, daß nur auf
Freiheit, d. h. auf Volksherrſchaft ein Bundesstaat aus
allen deutschen Volkssſtämmen mit Einschluß Deutſch-Oeſter-
reichs gegründet und nur durch die Freiheit der Friede
unter den verschiedenen Völkern erhalten werden kann.“
~– Und an einer andern Stelle wird der prinzipielle
Gegenſatz, in dem wir ſtehen, ſehr richtig dahin angegeben :
„Von der mit friſcher Macht ausgeſtatteten Gnade eines
Fürsten iſt das Wohl und Weh des deutſchen Volkes
abhängig gemacht und der beschränkte Unterthanenverſtand
muß ſich begnügen, unter den ihm auferlegten Laſten
nicht vollſtändig zu erliegen. In einer Zeit, in der die
ſtaatliche Geſellſchaft froh sein muß , aus der Hand der
Gnade wenn auch nur augenblickliche und unentbehrliche
Erleichterungen zu erlangen, iſt es mehr als Pflicht, die
Grundsätze immer und immer zu verkünden, durch deren
Verwirklichung allein die hohen Zwecke der staatlichen Ge-
ſellſchaft erreicht werden können."
Auf der Grundlage dieser Ueberzeugungen erhebt sich
dann der eigentlich programmatische Theil der Anſprache:
freie Vereinigung aller deutschen Stämme zu einem auf
Volkssouveränetät beruhenden Bundesſtaate, kein offener
oder ergaunerter Anschluß an den Bollernbund; ~ im
Innern: allgemeines und direktes Wahlrecht mit geheimer
Abstimmung ; Reviſion der Staatsverfassung nach den
Grundſätzen der Selbſtregierung und Selbstverwaltung;
vollständige Trennung des Staats, mithin auch der Schule
von der Kirche; Verweigerung aller Mittel für ſtehende
Heere, Einführung des Milizſhſtems, und andere, mehr
grundrechtliche Forderungen. ~ Endlich „Besſerung der ma-
teriellen Lage der Arbeiter verlangt die Volkspartei: 1)
durch gerechte Vertheilung der Steuern, nämlich Aufhe-
bung der indirekten Steuern, Einführung einer progreſſiven
Einkommen- und Kapitalſteuer; 2) durch unentgeltlichm
Unterricht in allen öffentlichen Bildungsanſtalten ; 3) voll-
kommene Koalitionsfreiheit, Feſtſeßung eines Normal-Ar-
beitstages , Fabrikgeſeß zum Schute der Geſundheit der
1uzius. Durchführung dieses Programms qoll „auf keine
andere Weiſe und durch keine andere Macht, als durch
die Arbeit des Volkes ſelbſt“ geſchehen, wie sie in Verei-
nen und der Presse ſich bethätigt.
Badiſcher Landtag.
* Narlsruhe, 24. Sept, Die feierliche Eröff-
nung des Landtags hat heute in vorgeſchriebener Weise
ſtattgefunden. Der Großherzog wohnte dem um 10 Uhr
in der Schloßkirche von Hrn. Hofprediger Doll abgehal-
tenen Gottesdienste an. In der katholiſchen Kirche hielt
Herr Bischof Kübel das Hochamt. Die Auffahrt des
Großherzogs am Ständehaus geſchah in feierlicher Weise.
Eine Schwadron Dragoner mit der Muſik ritt voran ;
den Schluß des Zuges bildete eine weitere Schwadron.
Die Abgeordneten beider Kammern waren zahlreich ver-
treten. Heute Nachmittag sind die Mitglieder der Kam-
mern zur großh. Tafel geladen. ;
Die beiden Kammern hielten geſtern Nachmittag ein-
leitende Sitzungen. Die zweite Kammer wurde von
Herrn Staatsminister Dr. Jolly begrüßt. Herr Abg. Hoff
aus Mannheim führte als Alterspräſident den Vorsit.
Jugendsekretäre sind die Herren Abgg. v. Gulat, Kayſer
und Schmeyher.
Die zweite Kammer hält morgen, Samſtag, Vormittags
9 Uhr ihre erſte Sizung. Tagesordnung : Anzeige neuer
Eingaben. Vorlagen der Gr. Regierung. Vorlage der
Wahlatten. Bildung der proviſoriſchen Abtheilungen.
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 25. September.
"* Der Leitartikel der gestrigen Nummer der Abend-
zeitung gab uns nicht allein Aufschluß über das, was
man in Frankreich druckt, sondern auch darüber, .
wie man in Frankreich d enk t. Und hiezu wollen wir heute
einen weitern Beitrag geben. Im Pariſer „Figaro“ ſteht klar
ohne Verbrämung : „Wir rathen dem Kaiſer Napoleon IM.,
uns die Republik zu geben, bevor ihn die Nothwendig-
keit, das Verhängniß, ein unvorhergesehener Anlaß, oder
wie man das Ding noch nennen will, dazu drängen
wird. Das ist vielleicht das beſte Mittel, die Zukunft
Napoleons IV. zu sichern. Was ist denn eine M
Wenn sie unter dem Prätext des Ansehens herrschen will,
läßt sie eben keine Definition zu. Wenn fäzaſte ni j
herrſcht, iſt ſie ein Neſt voll von Prätendenten. Der Titel
alſo will für eine Dynastie nichts bedeuten , die thatſäch-
liche Beſchäftigung mit der Sache wäre Alles. Es iſt
jedenfalls für einen Fürſten besser, König ohne perſönliche
Gewalt zn sein, als in ganz Europa, wenn ſelbſt in einem
Salonwagen, herumzufahren.“ /
Das Volk in Frankreich iſt wieder zum Bewußtsein
seiner ſelbſt gekommen. Hierin liegt für daſſelbe die
beſte Bürgschaft einer beſſeren Zukunft und nicht für das
Volk in Frantreich allein. Dieß seheint der Berliner feu-
daléen „Kreuzzeitung! nicht unbekannt . . . aber auch
nicht angenehm und so beklagt denn dieſelbe, daß das
„persönliche Regiment“ in Frankreich zur Reige geht, daß
vaſſelbe im Lande bereits ſoweit auf die Seite geſett
werde, daß die Parteien nicht bloß die Regentſchaftsfrage
erörtern, sondern auch die dynaſtiſche gewiſſermaßen als
offene behandeln! „Ein paar Monate haben hinge-
reicht,“ sagt die „Kreuzzeitung“ mik kummervolem Rike !!
blicke auf die Situation, „Frankreich in diese Lage hin-
einzuſtürzen. Ein paar Monate haben genügt, um zu
beweisen, wie richtig Kaiſer Rapoleon seine Lage beur-
theilte, als er an Baron Mackau (noch im Juni) ſchrieb,
daß Zugeſtändnisſe in den Prinzipien oder Aufopferungen
von Perſonen den Volksbewegungen gegenüber immer un-
wirkſame Mittel wären. Er hat Prinzipien und Per-
jeues pechictt .de uf V ru tn. P
zipien und Perſonen zu opfern! ! ]
Das mehrgenannte Wolff'ſche Norreſhondenz-Bureau
erhält aus Wien die folgende telegraphiſche Meldung:
An unterrichteter Stelle wird die Auffassung verſchiedener
Blätter, als wäre dem Besuche des Reichskanzlers Grafen
Beuſt bei der Königin von Preußen eine politiſche Be-
deutung unterzulegen, als irrig bezeichnet. Graf Beuſt
Y
I
J
.
H
i p
Ir E
u U. .
9 [ E M
I |
' at Sû
U
J 17
iq
1 ]
!
I.
|
H "UB
w .
.. U ;
|! .
MH .: N
tt
Ul .. :;
nu
iki [i
ifi j
m. j
y \
n Ha_ |
.. |
qt
f. 1.1 [H
[1:1 |
iu |
v
HI.] [
. [!
11 |
I!! .
it: |
a. |
wn k
w |
m
uA
; |
, |
tik EJ
i [|
|
Ö
[
|
n
A §. §
- W . c