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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 206 - No. 231 (1. September - 30. September)
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Organ der deulſchen Vollspartei in Vaden.







Pie „Wannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage + tä
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Vetitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 tr.

glich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.











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w Beſtellungen auf die Mann-
q heimer Abendzeitung pro
IV. Quartal werden auswärts von
allen Poſtboten und Poſtanſtalten, in
Heidelberg von unſerer Filiale west:
liche Hauptſtraße 1195 und in Mann-
Heim von der Erpedition Lit. C L
Mr. 15 und der Zweigerpedition P 5
Mr. 14 entgegengenommen.
HAlbonmnemientspreis vierteljährlich Ei-
nen Gulden. jr ft
JInfgerate 3 kr. die einſpaltige Petit-
zeile. Lokalanzeigen 2 kr.



Der Friedenskongreß.

** Die Bedeutung dieses Kongrésſes wird, wie
Alles, überſchäßt und unterſchätt werden. Die Enthu-
ſiaſten, die Idealiſten von der einen Seite , die Aengst-
lichen von der andern Seite werden ihn überſchätzen;
die „ſogenannte n“ Realpolitiker, die Philiſter, die
eigentlich die meiſte Angst vor dieſer großen Bethätigung
des europäischen Republikanismus haben, werden Allem
aufbieten, ihn todtzuſchweigen, ſeine Ergebnisse zu fälschen,
zu beschneiden, zu verkleineen. Die Dentenden, die
wirklichen Realbolitiker in den europäischen Kabineten
und auch in den Kreiſen der . politiſchen Parteien sie
fühlen die tiefe Bedeutung eines solchen Kongresses , zu
dem aus allen Weltgegenden, aus allen Ländern Europas
eine Menge denkender Köpfe , feuriger Herzen zuſammen-
ſirömen , um hier sich vor der ganzen Welt offen und
rüctſichtslos als Republitaner zu bekennen und die Grund-
säte aufzuſtellen, die ſie in der Republit verwirklichen
zu wollen sich verpflichten. '

Wenn ein paar hundert junger Brauſeköpfe zuſammen-
treten und die Republik proklamiren , ſo kann dies der
Gefahr gegenüber, welcher ſie Trotz bieten, ein erhebender
Alt, unter Umständen aber auch ein frevelhaftes Ge-
bahren sein. Wenn aber mehrere hundert Männer, im
Nambpfe für die Freiheit der Völker ergraut , durch ihre
Studien und ihre Arbeiten, durch ihre Opfer und ihre
Leiden erprobt , im Vereine mit ten Söhnen ihrer ein-
stigen Kampfgenoſjen, die für die Freiheit geblutet, ge-
fallen, in Kerkern und Sttrafkolonien verkümmert, in
Gram ob der Schmach ihres Vaterlandes ins Grab
geſunken sind, zuſammentreten und ruhig, würdig, ſtolz
und doch bescheiden ſich die Hände reichen und Einer
dem Andern Treue ins Herz hineinſchwört, Treue für die
Ideale der Jungen , Treue für die letzten Hoffnungen,

der Greiſe, +~ dann bekommt eine ſolche Verſammlung

eine Art Heiligenschein, den ihr auch ihre klugſten,
tückiſchſten, und gewisſensloſeſten Feinde nicht entreißen
werden. Die Welt sieht und staunt , sie beugt sich und

vermehrt dieſe Schaar unerſchrockener Kämpfer für ~

ein Ideal, für eine Zukunft, von der ſie alle feſt glauben,

daß ſie kommen wird, mit raſchen Schritten naht, deren aufs |

gehende Sonne für sie den Himmel bereits zu röthen ſcheint.

Und wenn nun dieſe Verſammlung während acht Tagen
die Grundsätze der Republik beſpricht und dabei ſich von
Stunde zu Stunde, von einer Rede zur andern bekun-
det, daß hier in der That eine Schaar ganz ausgezeich-

neter Talente, voll Geiſt und Muth, voll klaren Bewußt-

ſeins und feſten Vertrauens, voll Hingebung und Opfer-
willigkeit, vereinigt ſind; + wenn ſich in den Verhand-
lungen der brennendſten Fragen der Frecheit, der sozialen
Bedürfniſſe, der Völkerſtellung gegen einander unter den
Verſammelten dann ein Geiſt der tiefen Einsicht, der kla-

_ ren Durchdringung, der vollſten Duldung, der bewußteſten

Brüderlichkeit troß Partei- und Völkergegenſätßen bewährt,
dann wird Freund und Feind einer ſolchen Verſammlung
die gebührende Achtung nicht versagen können.

In diesen Tagen, wo die Mächtigen der Welt, die
ihre Throne bedroht glauben mögen, das höchſte Interesse
_ haben, die Freunde der Republik sich in feindlichen Par-
teien gegenübertreten zu sehen, wo wir nicht zweifeln kön-
nen, daß ſie ganz beſonders die Arbeiter durch ihre be-
zahlten Agenten zum Widerſpruch, zur Feindschaft, zum
Angriff und Kampfe gegen andere Volksklaſſen, andere
Parteien, gegen die maßhaltende Demokratie insbesondere
treiben laſſene; ~ in dieſen Tagen standen die verschie-

denen demotratiſchen Parteien des Kongresses, die Arbei-





ter und die Demokraten der Mittelklaſſen einander gegen-
über, boten sie die Hand zum gemeinſchaftlichen Kampfe für
die sozialen, wie für die politischen Verbesſſerungen, und wie-
sen mit Bewußtsein und klarem Verſtändniß gemeinſam
die Verlockungen überſchwänglicher Theorien, die zum Zwie-
spalt in der Partei der Demoktratie ſelbſt führen müſsen,
die stets und zu allen Zeiten und ganz besonders 1848
zum Unheil der Freiheit, zum Besten der Uſurpation aus-
gebeutet wurden, von sich ab.

Eine solche Versammlung in unseren Tagen iſt eine
Art Probehalten, ein Vorparlament zukünftiger Gestal-
tungen. Die Einen werden sich mit Schrecken, die An-
dern mit Freute und Vertrauen in die Zukunft sagen:
Der Kongreß zu Lausanne hatte in dieſen Tagen des
Zwiespalts und der allgemeinen Zerriſſenheit und Auf-
regung eine ſchwere Probe zu beſtehen; er hat sie beſtan-
den! Darin liegt seine Bedeutung!

Und diejenigen, die am keckſten die „Ideen“ und die
„Idealisten“ zu verhöhnen sich den Anschein geben, wer-
den ihren Schlaf und ihr Wachen am durchgreifendſten

von dem Bilde dieses Kongresses geſtört fühlen.



Badiſcher Landtag.

* Karlsruhe, 27. Sept. 2. Sitzung der Zwei-
ten Kammer. Das Ergebniß der Wahlen zur Präsidenten-
stelle und der Setretäre haben wir telegraphiſch mitgetheilt.
Nachträglich sei bemerkt, daß nach Ankündigung der Mo-
tion des Abg. Lindau ein störendes Lächeln bemerkbar
wurde.

Abend sit ung. Bei Fortsſezung der Sitzung theilt
der Herr Regierungskommissär mit , daß der Großherzog
unter den drei für die Präſidentenstelle gewählten Kan-
didaten den Abg. Hildebrandt bestätigt hat. ;

Der Alterspräsident, Abg. Hoff, erklärt hierauf seine
Mission für beendet, indem er noch ferner bemerkt, daß
er das Präsidium in erfahrenere Hände lege und für die
Nachsicht des Hauſes während seiner Amtsführung dantt.
Auf Anregung des Abg. Kirsner erheben ſich die Mit-
glieder von ihren Sitzen zum Dank für die umsichtige
Leitung der Geschäfte durch den Alterspräsidenten.

Hierauf nimmt der neuernannte Präsident Hr. Hilde-
brandt seinen Platz ein und hält eine Ansprache, in der
er für die ihm zu Theil gewordene Ehre dankt, ſeine Un-
parteilichkeit verſichert, neben der freimüthigen Beſprechung
zu einer würdevollen Mäßigung auffordert und ſchließlich
darauf hinweiſt, daß das hohe Haus in allen Fragen,
die das Wohl unseres lieben engeren, wie des großen
deutſchen Vaterlands betreffen, stets seine kräftige Unter-
ſtütung finden werde.

Sodann wurde zur Walhl der Abtheilungen geſchritten,
die solgendes Ergebniß lieferte :

1. Abtheilung: Abgg. Biſſing, Buſch, Conrad, v. Fe-
der, Fiſcher, Frank, Hebting, Henne, Hildebrandt, Mor-
stadt, v. Rottect, Schupp, Seit.

2. Abtheilung: Eckhard, Eiſenlohr, Frey, v. Freydorff,
Fröhlich, Grimm , Lamey, Lenz, Lichtenberger, Poppen,
Tritſcheller, Turban, Weber.

3. Abtheilung : Eſchbacher, Gerbel, v. Gulat, Heiden-
reich, Heilig, Holzmann, Hufschmid, Hummel, Jolly, Lin-
dau, Nokk, Roßhirt.

4. Abtheilung: Baumſtark, Friderich, Kiefer, Kirsner,
Kölle, Kuſel, Bender, Nikolai, Paravicini, Richter, Roder,
Schmezer, Schuſter.

5. Abtheilung: Blum, v. Dusch, Gerber, Gerwig,
Hoff, Kayſer, Mühlhäuſsſer, Müller, Näff, Renk, Wundt
und der Abgeordnete des 13. Aemterwahlbezirks.

î Zu Vizepräsidenten werden hierauf erwählt die Herren
Mg: Kirsner mit 44 Stimmen und Eckhard mit 41
timmen.

In Folge dieſes Ergebniſſes proklamirte der Präsident
den Abg. Kirsner als 1. u. Eckhard als 2. Vizeprä-
ſidenten. Dieselben danken in kurzen Ansprachen.

Dem Abg. Eckhard wird von dem Präsidenten das
Wort gegeben. Derſelbe beabsichtigt in der nächsten

Sitzung in Bezug auf § 49 der Geschäftsordnung einen

Vorschlag zur Geschäftsoronung zu machen, der ſich zu-
tu is die Berichterſtattung der Budget - Kommission
erſtreckt. .

Der Präsident beraumt auf morgen Vormittag 9 Uhr
die nächſte Sizung an.

Ta ges ordnung :

Vorlagen der Gr. Regierung, Bildung mehrerer Kom-

missionen, sodann Begründung des Vorschlags durch den



Abg. Eckhard, und, wenn noch Zeit vorhanden, Begrün-
dung der durch den Abg. Lindau angezeigten Motion.

NVolitiſche Ueberſicht.





M annheim, 28. Sephtemble. "

* In Wien zweifelt man nicht daran, daß Graf Beuſt
während seiner Reise politiſche Gespräche geführt und die
Ansichten anderer Diplomaten ang: hört habe; nur erlaubt
man ſich beſcheidene Bedenken gegen den Umfang der Ur-
laubsbeſchäftigung des Grafen, wie er von den verschie-
denſten Seiten bemessen wird. Die „N. fr. Pr." würde
es mit Freuden begrüßen, wenn die Reiſe auf die Aus-
ſöhnung mit Preußen sich bezogen hätte; wenn Preußen
— der preußiſche Hof ~+ in ein aufrichtiges Freund-
ſchaftsverhältniß zu Oesterreich treten wollte. „Wir ha-
ben –ô o ſpricht das genannte Blatt ~ von Preußen
nichts gefordert als Ehrlichkeit, nichts als den Verzicht
auf den Gedanken, Oesterreich bei guter Gelegenheit neuer-
dings anzufallen und zu zerſtückeln. Will Preußen dieſe

Bedingung eingehen, so iſt uns die preußiſche Freundſchat. | !

willklommen. Wir fühlen uns daher durchaus nicht veran-
laßt, den Reichskanzler zu tadeln, wenn er wirklich Schritte
gethan hat, um die Beziehungen zwiſchen Wien und
Berlin herzlich zu geſtalten. Im Gegentheil, wir werden
uns freuen, wenn er in ſolcher Art die Behauptung Jei-
ner Gegner widerlegte, er sbinne die Fäden einer öſter-
reichiſch-franzöſiſchen Intrigue. Vorläufig halten wir je-
doch mit Lob und Tadel zurück, denn wir wissen nichts
Sicheres über die preußiſch-öſterreichiſche Annäherung, als
daß der Reichskanzler bei Königin Auguſte gespeiſt hat;
und da haben ſchon manche Leute gespeiſt, deren politi-
sches Programm in Preußen nictt zur Geltung gekom-
men iſt.“ s :

Ein zu London am Samstage von Handwerkern
abgehaltenes Meeting bestätigt, daß in England ein
Umſchwung der Ideen zu Ungunſten des Freihandels
und zu Gunsten des Sch utzz oll es ſich vollziehe. Die
Versammlung war zahlreich besucht und wurde von der-
selben die folgende Resolution einſtimmig angenommen:
„Da das Freihandelssyſtem auf internationale Gegenseitig-
keit baſirt ſein sollte, andere Nationen aber dies Prinzip
nicht adoptirt haben, iſt dasselbe den engliſchen Interessen
verderblich geworden und als Ursache der gegenwärtigen
Handelsstockung, der Arbeitsloſigkeit und der Armuthszu-
nahme anzuſehen. Dieſes Meeting erachtet es daher als
die Pflicht der Regierung, unverzüglich eine Prüfung der
Handhabung unserer Handelspolitik anzuſtelen und zu
ermitteln, inwieweit dieser nichtreprozirte Freihandel zur
Erzeugung der Handelsſtockung beitrage,, und in welcher
Art derselbe in wirsamer Weiſe begrenzt werden könne."

Der Vizekönig von Egypten hat Cherif Paſcha nach
Konstantinopel gesendet, um die Unterhandlungen weiter
zu leiten. Nach der „Turgie“ dürften dieſelben zu keinem
Resultate führen. Das genannte Blatt enthält einen
heftigen Artikel gegen den Vizekönig wegen der Weigerung, die
zwei wichtigen in dem Briefe des Großveziers enthaltenen
Bedingungen anzunehmen und wegen des Vorſchlags, die
gesammte Frage dem Forum der Mächte vorzulegen. Die
Pforte weiſe dieſe Proposition zurück und verwerfe die-
selbe. Die „Turquie" empfiehlt die Zurücknahme der
Privilegien und schließlich die Entlaſſung Jsmaels und
die Ernennung Mustapha Fazyl’'s zum Vizekönig.

Deutſchland.

Karlsruhe, 27. Sept. Das heute erschienene
Geſetßes- und Verordnungsblatt Nr. 21 enthält eine Ver-
ordnung des Handelsminiſteriums : die RheinſchifferzPa-
tente und die Dienstbücher der Schiffsmannſchaften betreffend.

* Aus Baden, 28. Sept. Vom Standgerichte
zu Freiburg wurde heute vor 20 Jahren Johann Peter
Jahnle, Buchdruckerlehrling aus Schwäbisch-Hall, zu
10 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Das Kriegsminiſterium
hat die Strafe auf 5 Jahre Arbeitshaus gemirtdert. ,

Die Nachrichten aus dem Lande ſind heute dürftiger
Natur. Das hauptsächlichſte Intereſſe nehmen die Kam-
mern in Anspruch. Die erſte Kammer zählt 31 Mits-
glieder; die zweite Kammer 62 Mitglieder. Die Wahl
eines Mitglieds der letzteren hat im Landamt Freiburg
noch zu erfolgen. Von den Mitgliedern der erſten Kam-
mer rechnet man 6 zur Opposition; von den Mitgliedern
der zweiten Kammer höchſtens 9. Die Jog. Offenburger
ſind ja bekanntlich miniſteriell geworden. In der heuti-
gen Sitzung wird Herr Abg. Eckhard einen Antrag auf
Vereinfachung der Geschäflsoronung der Kammer ſfeellen





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