_ Sanmtſtag, 19. Juni.
AH. 143.
Y Ft z § : (
Sd E ; F _ W ; ' §
M. > A Vé> ) : M-
t t: r o E g. Fà . E
t Ee.nèet—B BU t H E E P
& B o E EH E BH Es M
z: . | 3 w H > ;
. . E s E ;
z I
J :
D u H
| (l
. . f!
Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.
1869.
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage .und Feſttage ~
. hqnzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
täglich als Abendblatt ausge, even. ~ Der :
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poftanfſtalten.
Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
EE EZ.
„Oesterreich's Schwierigkeiten.
Hh Vie leicht wäre es, dieses Deutſchland zu regieren,
oder vielmehr ſich ſelbſt regieren zu laſſen; und welche
Schwierigkeiten bietet dagegen der Staatskunſt die Zu-
sammenſetzung Obeſterreichs dar ! Wir Deutſchen brauchen
eigentlich nur die paar Grundrechte, um uns von Unten
nach Oben zu organisſiten oder nur zu gruppiren, und so
einen der blühendſten Bundesstaaten zu bilden. Aber die
Zu ammenſetßung Oeſterreichs, das Schachbrett der „Natio-
nalitäten,“ bietet den Grundgeseten, der Verfaſſung und
den organischen Geſeßen Troß, und wenn die Neider und
Feinde die gesetzgeberiſche Thätigkeit Zisleithaniens nicht
überbieten können, ja nicht anerkennen mögen, ſo h zen
sie dafür deſto resoluter in Ungarn, in Böhmen, bei Slaven,
Italienern und Rumänen. ;
Ale diese Nationalitäten: Magyaren, Czechen, Slaven
und Rumänen liegen förmlich noch im Banne der Natur,
an den Ketten der unfreien Bestimmt h eit oder der
Animal:tät; ihr Stammesthum ſetzen ſie hoch über jeden
Segen arbeitsvoller Zivilisation; ſie wollen weder lernen
noch eigentlich arbeiten, ſondern nur im Paradeanzug
der „Nationalität“ Reden halten. Sie träumen ſämmt-
lich von einer ungeheuer erhabenen Bestimmung, die
Weltgeschichte iſt nur ihrethalben da , und die einfache
Bestimmung: freie Menschen mit Anderen zu ſein, weiſen
ſie entrüſtet von sich..
_ Vie wenig hat in Ungarn die Regierung und der
Landtag seit dem Ausgleich an der inneren Gesſeßgebung
gethan, welche namhafte Resorm iſt troß der vertommenſten
Zuſtände auch nur angebahnt worden ? Das Land der
Steyhanskrone gehört ſich seit zwei Jahren ſelbſt an, iſt
vortrefflich bei den Reichsfinanzgen und dem Reichsheere
bavongekommen; die Delegationen bilden das lockerſte Band
von der Welt, welches Niemand auch nur ein Glied drückt;
iroßdem thun die Ungarn nichts als von ihr.r „Unabs
hängigkeit,“ von ihrem ,tauſendjährigen Rechte! reden,
Dalmatien begehren, den Ausgleich betritteln ec. Sie,
deren Bevölkerung durch eine asiatiſche Sterblichkeit bestän-
dig reduzirt wird, haben noch nicht einmal ein Cin-
wanderungsgeset fertig gebracht, um fremden Händen
und fremdem Kunſtfleiß die nothdürftigſte Sicherheit im
Lande zu gewähren. ſ
Die Cz.chen in Böhmen , die allerdings gegen die
Deutschen, deren aber immer noch 2 Millionen vorhanden
ſind, eine kleine Mehrheit bilden, geberden ſich als die
abſoluten Herren in dem alten deutſchen Kurlande, lieb-
äugeln mit Rußland und Preußen und weigern ſich hart-
näctig, an der Reichsverfaſſung irgend einen attiven Theil
zu nehmen. Als wären sie das unte.drückteſte Volk der
Erde, als hätte man ſie an die Waſſer Babels verbannt,
treiben sie die tollſte Agitation, revoltiren in der tindiſch-
ſten Weiſe, werfen Petarden in der Hauptstadt Prag und
jubeln darüber! ; ]
Wenn ein durch nichts gerechtfertigtes Bubengftück
vollbracht ist, ſo ruft eines ihrer Organe, der „Protrot“
aus : „Die Petarden-Feuerta uf e iſt bereits vollzogen,
wir gehen. der Zukunft getroſt entgegen!“ Welcher Zu-
kunft ? fragt man erſtaunt. „Die Unabhängigtkeit
der Länder des böhmiſchen St aa t s !“ antworten „Norodny
Liſty “. Wahrscheinlich zum Futter für den großpreußischen
Magen oder den unerſättlichen ruſſiſchen Schlund, ſett
man ſofort hinzu. ..
Sie sind guten Muthes, die Thoren, und triumphiren: j
„Wegen unſeres Zieles haben wir keine Sorge mehr. So
viel tönnen wir ſchon als sicher ansehen, daß ſelbſt durch
den bloßen paſſiven Widerſtand unserer Nation die gegen-
wärtige Staatsform Zisleithaniens vernichtet
werden wird.“ Das träumen sie und Das darf in Oster-
reich ſtraflos gedruckt werden. Die Ungefährlichkeit solcher
Rodomontaden scheint uns gerade darin zu beſtehen, daß ſie
ans Licht kommen. Ö î
Die Galizier, welche so fürchterlich „unterdrückt“ sind,
daß die polnische Sprache soeben zur V er wal tu n g s-
und G erichtsſprache dekretirt wurde, beginnen Volks-
verſammlungen zu halten und zu ,beschtießen“, daß das -
Land sich nicht fürder am Reichsrathe betheiligen dürfe!
Die slaviſchen Bauern in Krain fallen meuehlings über
deutsſche Turner her. Die Jtalianissimi in Triest ſchmollen
mit Wien und ſchielen nach dem stets bankerotteren König-
reich Italien, wo die Defizits mit den Budgets wetteifern,
während das zisleithaniſche Defizit an der glücklichen
Auszehrung krantt.
In dicſes Konvolut von Nationalitäten und Wider-
. Die allenfallſige Beſorgniß ,
ſprüchen seße man die beſte Regierung der Welt ; dieſem
Wirrwar von Cigenſucht und Cigenſinn g.be man die
freieſten Gescte; ihre Wirkung wird ſtets gegen die Geber
ausfallen, und Undank wird noch geraume Zeit der Lohn
der Wohlthat sein. Wie bequem iſt dagegen Preußen im
Inuern zu hal en, wie getuldig läßt ſich der Norddeutsche
Bund führen! Wie wohlfeil sind die Angriffe auf einen
Staat, ver immerfort als zuſammenbrechend geschildert
und qn deſſen Unfrieden aus sicherem Verſteck heraus
geschürt wird! P
Und dennoch arbeitet das regenerirte Oesterreich für uns,
für deutsches Intereſſe, für deutſche Kultur;
dennoch iſt Oesterreich jeßkt mehr als je die Vormauer
gegen Rußl and , das Bollwerk des Oſtens. Mit
Ignoranz und Blindheit geschlagen sind die Kläffer, die
mit dem „Untergange Obeſterreichs" unter den jetzigen
europäischen Verhältnissen, wie die Kinder mit dem Feuer
im Petrolmagazin spielen! Die ungeheure Arbeit, eine
Föderation von Entgegengeseßem auf der Baſis der Freiheit
zuſammenzuhalten, wie ſie Österreich ſeit 1866 in Angriff
genommen hat, wird ihm hoch angerechnet werden auf
der Tabelle der Geschichte, wenn arderwärtiges Zwangs-
und Flicktwerk längſt in die Fetzentuch-Fabrik gewandert
sein wird. ;
Politische Uebersicht. /
Mannheim, 18. Juni.
* Durch den geſtern gemeldeten Beſchluk, Serrano
mit dem Titel „Hoheit“ zum Regenten einzuſeten, haben
die Kortes in Spanien einen neuen Begriff in das
Staatsrecht eingeführt. Bisher hat man von Regent-
schaft und Regent nur dort zu hören gehabt, wo ein
König vorhanden , aber die königliche Gewalt auszuüben
entweder noch nicht alt genug oder durch Abwesenheit
oder Krankheit verhindert geweſen iſt. Ein Regent war
bis jetzt immer nur der Stellvertreter des Königs, in
deſſen Namen er regierte und in deſſen Hände er mit
dem Aufhören des Verhinderungsgrundes die volle Ge-
walt niederzulegen hatte. In wesſen Hände wird Ser-
rano die Königsgewalt niederlegen ? Hören wir, was
Caſtelar in seiner berühmten Rede®vom 20. Mai ~ und
zwar, wie die Berichte beifügen, unter lebhaftem Beifall
Serrano'’s ſelbſt, ausgeſprochen hat: „Ein Regent ohne
König, was heißt Das ? Die Repubhlit erſchreckt Sie,
und statt dem General Serrano den Titel eines Präfi-
denten der Republik zu verleihen, ernennen Sie ihn dazu
unter dem Titel eines Regenten, derart, daß er ein
Regent sein wird, der die Großjährigkeit der Re-
puhlit ahwartet.“
Alles an meinem Regiment iſt gut und schön; ich
denke weder an Syſtems- noch an Perſonenwechſel : Das
iſt der Grundgedanke des geſtern. mitgetheilten Briefes,
worin der Kaiſer von Frantreich in der Form einer Er-
widerung auf das rechtzeitig beſtellte Schreiben eines ſer-
vilen Abgeordneten den Pariſer Wählern antwortet. Von
den verurtheilenden Wahlergebniſſen in den großen Siten
der Intelligenz und der Induſtrie appellirt der aus ge-
mißbrauchtem allgemeinen Wahlrechte hervorgegangene
Cäſar an die Zuſtimmung der ländlichen, allen Beein-
fluſſungen der Gewalt zugänglichen und vom Waynsinn
des napoleonischen Kultus befangenen Bevölkerung, deren
Stimmen ihm die Mehrheit im geſet gebenden Körper zu-
geführt haben. Den Unzufriedenen gegenüber kündigt er
Wachſamkit an und Stärke. Man weiß , was der
Mann des zweiten Dezembers darunter verſteht, und
wer's noch nicht wüßte, Der hat jetzt nur nach St.
Etienne das Auge zu richten, wo ~ wie zur Illuſtrirung
des kaiſerlichen Briefes + die Chaſsepotsgewehre die Ar-
the beruhigen, indem sie ihnen zur ewigen Ruhe ver-
helfen.
daß die franzöſiſchen
Chaſſepots auch in China zu thun bekommen könnten,
um die Ohrfeige wegzublaſen, die der dortige franzö;iſche
Geſandtſchaftssekretär von einem hohen Würdenträger in
Empfang genommen hat, iſt durch die Nachricht, daß die
chinesiſche Regierung sich zu den verlangten Entsſchuldi-
gungen herbeigelasſen habe, beseitigt.
Zu all’ dem Schmutz, mit welchem die vom Abge-
ordnetenhaus Italiens gegenwärtig in Unterſuchung
gezogene Angelegenheit der Tabakgefälle - Verpachtung be-
reits so überreich behaftet iſt, hat ſich noch eine blutige
Besudelung gesellt. Der Deputirte Lobbia , desſen auf
meuchleriſche Weiſe erfolgte Verwundung der Telegraph
zu melden gehabt hat, iſt Derſelbe, der dem Abgeordneten-
hauſe die Dokumente vorgelegt hat, aus denen in Ver-
bindung mit mündlichen Aussagen die bei der fraglichen
Verpachtung vorgefallene Beſtechung zweier Mitglieder der
Rechten hervorgehen soll. Die Sache der Angeschuldigten
it + mag auch , was wir gerne glauben, das Attentat
ganz ohne ihr Wisſſen und Zuthun erfolgt sein ~ durch
diesen Versuch, einen Ankläger aus dem Wege zu ſchaffen,
ſchwer kompromittirt.
Die Erhöhung der Zuckerſteuer (von 7 "]- auf 8 Slbgr.
für den Zentner Runkelrüben) iſt vom Z ollparla-
mente gestern genehmigt worden.. In glücklicher Nach-
ahmung des Zollbundeskommissärs, von welchem die Ge-
nehmigung der Zollermößigungen von der Beyoailligung
der Petroleumsteuer abhängig gemacht worden , iſt aber
der Zuſtimmung. zur Zuckerſteuervorlage der Zusatz bei-
gefügt worden, deß die Steuererhöhung für Zucker erſt
gleichzeitig mit den für andere Artikel beſchloſſenen Zoll-
ermäßigungen einzutreten habe. In Bezug auf die vor-
geſtrige Ablehnung der Petroleumſteuer mag noch nach-
getragen werden, daß die Abgeordneten Bluntſchli, Fauler,
Freih. Göler von Ravensburg und Hebting f ür die
Steuer geſtimmt haben.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 17. Juni. Das Geſeßz- und Ber-
ordnungsblatt Nr. 14 enthält eine Verordnung, nach
welcher die revidirte Rheinſchifffahrts a kte mit
dem 1. Juli d. J. in Wirtſamkeit, tritt. Die durch
höchſte Entſchliezung vom 26. Nov. 1864 als Rheinzall-
gerichte erſter und zweiter Inſtanz beſtelllen badiſchen
Justizbehörden werden vom 1.Juli d. IJ. an als Rhein-
ſchifffahrtsgerichte im, Sinne der Artikel 32240
der revidirten Jtheinſchifffahrtsakte beſtätigt. Die unterm
12. Mai 1864 verkündetete „Neue Schifffahrts-Polizei-
ordnung für den Rhein“ t itt mit dem 1. Juli d.. J.
außer. Wirkſamkeit und an Stelle derſelben die unter den
Rheinuferſtaaten vereinbarte neue Schi f f fa hrts- Poli-
zei- und Floß - Ordnung für den Rhein. Ebenſo
tritt mit dem 1. Juli d. J. die vereinbarte Verordnung
über den Transport. von entzündlichen,
äß enden und giftigen Stoffen in Kreft, welcher
Vereinbarung die Niederlande jedoch vorerſt nur bezüglich
der ätzenden und gisſtigen Stoffe beigetreten ſind.
Prem.-Lieut. RK. v. Schalberg wurde vom Feld- Art.
Reg in das Feſt.-Art.-Bat. und Prem.-Lieut. K. Kühlenthal
vom Feſt.-Art.-Bat. in das Feld.: Art.-Reg. versett. Nach-
benannte Vize-Feldwebel wurden zu Sekondx-Lieutenants
der Landwehr ernannt, als : A. Keller, H. Müller und
O. Protſcher vom b. Inf.~Reg. beim 7. Landw.-Bat. ;
A. Stüber vom 5. Inf.-Reg. beim 4. Landw.-Bat.;
Ch. Haas, .vom ; 2. | Inf.sReg. . beim 1. Landw.-Bat. ;
I., Höfer vom , 5. . Inf.-Reg. beim 7. Landw.-Bat.;
I. Hofheinz vom 2. Inf.-Reg. beim 4. Landw.-Bat. ;
Portepeetähnrich L. v. Babo wird vom 5. zum 3. Inf.-Reg.
verſett; die Gefreiter L. Hochweber im Feld- Art.-Reg.,
Dragoner H. Grabert im (1) Leib-Drag.-Reg., Unter-
offizier A. Prey im 4. Inf.-Reg. und Gefreiter W. Will
im 5. Inf.-Reg. werden zu Portepeefähnrichen ernannt.
* Aus Baden, 18. Juni. Unsere Bismärcker
fahren fort, die Unwahrheit eines Bundes der Demotratie
mit den Ultramontanen aufzutiſchen, um Schwächlinge
und Gimpel zu ködern. Ueberhaupt ſuchen dieselben
mittelſt kirchlicher Fragen politisch zu wirken und hält
beispielsweiſe das Regierungsorgan „eine politische
Partei ohne kirchliche Tendenzen für unmöglich." Alſo
hie Schenkel-Blunſschli-Jolly + hie Syllabus ! Das iſt,
ſo schreibt die „Frf. Ztg.“, die Zwangsjacke, in welche
das Regierungsorgan alle politiſche Parteien hinein-
zwängen möchte. Wer ſich nicht einer tyeotogiſchen Partei
unterordnet, iſt nach ihm ein ſchaler Nihiliſt. Das offi-
ziöſe Blatt vergißt, daß in keinem'Lande, in welchem eine
gewiſſe Staatsraison herrſcht , die politiſchen Parteien sich
gefliſſentlich mit kirchlichen Fragen beſchäftigen und daß
die religiöſen Anschauungen Sache der individuellen Frei-
heit, nicht Gegenstand eines politischen Parteiprogrammes
und. einer Parteiverpflichtung sind und sein können.
Anders freilich in unserm Lande. Hier müſſen und dürfen
alle Mittel“ zur Anwendung gebracht werden, um den .
"Zwect“ der Verbreußung des Landes zu fördern , und
wo die alten vorhandenen Mittel nicht ausreichen, da
ſucht man nach neuen. Ein solches Mittel iſt der Auf-
ruf an die ,freiſinnigen" Katholiken, dafür thätig einzu-
treten, daß unser katholisches, „in kirchlicher Hinſichi völlig
AH. 143.
Y Ft z § : (
Sd E ; F _ W ; ' §
M. > A Vé> ) : M-
t t: r o E g. Fà . E
t Ee.nèet—B BU t H E E P
& B o E EH E BH Es M
z: . | 3 w H > ;
. . E s E ;
z I
J :
D u H
| (l
. . f!
Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.
1869.
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage .und Feſttage ~
. hqnzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
täglich als Abendblatt ausge, even. ~ Der :
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poftanfſtalten.
Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
EE EZ.
„Oesterreich's Schwierigkeiten.
Hh Vie leicht wäre es, dieses Deutſchland zu regieren,
oder vielmehr ſich ſelbſt regieren zu laſſen; und welche
Schwierigkeiten bietet dagegen der Staatskunſt die Zu-
sammenſetzung Obeſterreichs dar ! Wir Deutſchen brauchen
eigentlich nur die paar Grundrechte, um uns von Unten
nach Oben zu organisſiten oder nur zu gruppiren, und so
einen der blühendſten Bundesstaaten zu bilden. Aber die
Zu ammenſetßung Oeſterreichs, das Schachbrett der „Natio-
nalitäten,“ bietet den Grundgeseten, der Verfaſſung und
den organischen Geſeßen Troß, und wenn die Neider und
Feinde die gesetzgeberiſche Thätigkeit Zisleithaniens nicht
überbieten können, ja nicht anerkennen mögen, ſo h zen
sie dafür deſto resoluter in Ungarn, in Böhmen, bei Slaven,
Italienern und Rumänen. ;
Ale diese Nationalitäten: Magyaren, Czechen, Slaven
und Rumänen liegen förmlich noch im Banne der Natur,
an den Ketten der unfreien Bestimmt h eit oder der
Animal:tät; ihr Stammesthum ſetzen ſie hoch über jeden
Segen arbeitsvoller Zivilisation; ſie wollen weder lernen
noch eigentlich arbeiten, ſondern nur im Paradeanzug
der „Nationalität“ Reden halten. Sie träumen ſämmt-
lich von einer ungeheuer erhabenen Bestimmung, die
Weltgeschichte iſt nur ihrethalben da , und die einfache
Bestimmung: freie Menschen mit Anderen zu ſein, weiſen
ſie entrüſtet von sich..
_ Vie wenig hat in Ungarn die Regierung und der
Landtag seit dem Ausgleich an der inneren Gesſeßgebung
gethan, welche namhafte Resorm iſt troß der vertommenſten
Zuſtände auch nur angebahnt worden ? Das Land der
Steyhanskrone gehört ſich seit zwei Jahren ſelbſt an, iſt
vortrefflich bei den Reichsfinanzgen und dem Reichsheere
bavongekommen; die Delegationen bilden das lockerſte Band
von der Welt, welches Niemand auch nur ein Glied drückt;
iroßdem thun die Ungarn nichts als von ihr.r „Unabs
hängigkeit,“ von ihrem ,tauſendjährigen Rechte! reden,
Dalmatien begehren, den Ausgleich betritteln ec. Sie,
deren Bevölkerung durch eine asiatiſche Sterblichkeit bestän-
dig reduzirt wird, haben noch nicht einmal ein Cin-
wanderungsgeset fertig gebracht, um fremden Händen
und fremdem Kunſtfleiß die nothdürftigſte Sicherheit im
Lande zu gewähren. ſ
Die Cz.chen in Böhmen , die allerdings gegen die
Deutschen, deren aber immer noch 2 Millionen vorhanden
ſind, eine kleine Mehrheit bilden, geberden ſich als die
abſoluten Herren in dem alten deutſchen Kurlande, lieb-
äugeln mit Rußland und Preußen und weigern ſich hart-
näctig, an der Reichsverfaſſung irgend einen attiven Theil
zu nehmen. Als wären sie das unte.drückteſte Volk der
Erde, als hätte man ſie an die Waſſer Babels verbannt,
treiben sie die tollſte Agitation, revoltiren in der tindiſch-
ſten Weiſe, werfen Petarden in der Hauptstadt Prag und
jubeln darüber! ; ]
Wenn ein durch nichts gerechtfertigtes Bubengftück
vollbracht ist, ſo ruft eines ihrer Organe, der „Protrot“
aus : „Die Petarden-Feuerta uf e iſt bereits vollzogen,
wir gehen. der Zukunft getroſt entgegen!“ Welcher Zu-
kunft ? fragt man erſtaunt. „Die Unabhängigtkeit
der Länder des böhmiſchen St aa t s !“ antworten „Norodny
Liſty “. Wahrscheinlich zum Futter für den großpreußischen
Magen oder den unerſättlichen ruſſiſchen Schlund, ſett
man ſofort hinzu. ..
Sie sind guten Muthes, die Thoren, und triumphiren: j
„Wegen unſeres Zieles haben wir keine Sorge mehr. So
viel tönnen wir ſchon als sicher ansehen, daß ſelbſt durch
den bloßen paſſiven Widerſtand unserer Nation die gegen-
wärtige Staatsform Zisleithaniens vernichtet
werden wird.“ Das träumen sie und Das darf in Oster-
reich ſtraflos gedruckt werden. Die Ungefährlichkeit solcher
Rodomontaden scheint uns gerade darin zu beſtehen, daß ſie
ans Licht kommen. Ö î
Die Galizier, welche so fürchterlich „unterdrückt“ sind,
daß die polnische Sprache soeben zur V er wal tu n g s-
und G erichtsſprache dekretirt wurde, beginnen Volks-
verſammlungen zu halten und zu ,beschtießen“, daß das -
Land sich nicht fürder am Reichsrathe betheiligen dürfe!
Die slaviſchen Bauern in Krain fallen meuehlings über
deutsſche Turner her. Die Jtalianissimi in Triest ſchmollen
mit Wien und ſchielen nach dem stets bankerotteren König-
reich Italien, wo die Defizits mit den Budgets wetteifern,
während das zisleithaniſche Defizit an der glücklichen
Auszehrung krantt.
In dicſes Konvolut von Nationalitäten und Wider-
. Die allenfallſige Beſorgniß ,
ſprüchen seße man die beſte Regierung der Welt ; dieſem
Wirrwar von Cigenſucht und Cigenſinn g.be man die
freieſten Gescte; ihre Wirkung wird ſtets gegen die Geber
ausfallen, und Undank wird noch geraume Zeit der Lohn
der Wohlthat sein. Wie bequem iſt dagegen Preußen im
Inuern zu hal en, wie getuldig läßt ſich der Norddeutsche
Bund führen! Wie wohlfeil sind die Angriffe auf einen
Staat, ver immerfort als zuſammenbrechend geschildert
und qn deſſen Unfrieden aus sicherem Verſteck heraus
geschürt wird! P
Und dennoch arbeitet das regenerirte Oesterreich für uns,
für deutsches Intereſſe, für deutſche Kultur;
dennoch iſt Oesterreich jeßkt mehr als je die Vormauer
gegen Rußl and , das Bollwerk des Oſtens. Mit
Ignoranz und Blindheit geschlagen sind die Kläffer, die
mit dem „Untergange Obeſterreichs" unter den jetzigen
europäischen Verhältnissen, wie die Kinder mit dem Feuer
im Petrolmagazin spielen! Die ungeheure Arbeit, eine
Föderation von Entgegengeseßem auf der Baſis der Freiheit
zuſammenzuhalten, wie ſie Österreich ſeit 1866 in Angriff
genommen hat, wird ihm hoch angerechnet werden auf
der Tabelle der Geschichte, wenn arderwärtiges Zwangs-
und Flicktwerk längſt in die Fetzentuch-Fabrik gewandert
sein wird. ;
Politische Uebersicht. /
Mannheim, 18. Juni.
* Durch den geſtern gemeldeten Beſchluk, Serrano
mit dem Titel „Hoheit“ zum Regenten einzuſeten, haben
die Kortes in Spanien einen neuen Begriff in das
Staatsrecht eingeführt. Bisher hat man von Regent-
schaft und Regent nur dort zu hören gehabt, wo ein
König vorhanden , aber die königliche Gewalt auszuüben
entweder noch nicht alt genug oder durch Abwesenheit
oder Krankheit verhindert geweſen iſt. Ein Regent war
bis jetzt immer nur der Stellvertreter des Königs, in
deſſen Namen er regierte und in deſſen Hände er mit
dem Aufhören des Verhinderungsgrundes die volle Ge-
walt niederzulegen hatte. In wesſen Hände wird Ser-
rano die Königsgewalt niederlegen ? Hören wir, was
Caſtelar in seiner berühmten Rede®vom 20. Mai ~ und
zwar, wie die Berichte beifügen, unter lebhaftem Beifall
Serrano'’s ſelbſt, ausgeſprochen hat: „Ein Regent ohne
König, was heißt Das ? Die Repubhlit erſchreckt Sie,
und statt dem General Serrano den Titel eines Präfi-
denten der Republik zu verleihen, ernennen Sie ihn dazu
unter dem Titel eines Regenten, derart, daß er ein
Regent sein wird, der die Großjährigkeit der Re-
puhlit ahwartet.“
Alles an meinem Regiment iſt gut und schön; ich
denke weder an Syſtems- noch an Perſonenwechſel : Das
iſt der Grundgedanke des geſtern. mitgetheilten Briefes,
worin der Kaiſer von Frantreich in der Form einer Er-
widerung auf das rechtzeitig beſtellte Schreiben eines ſer-
vilen Abgeordneten den Pariſer Wählern antwortet. Von
den verurtheilenden Wahlergebniſſen in den großen Siten
der Intelligenz und der Induſtrie appellirt der aus ge-
mißbrauchtem allgemeinen Wahlrechte hervorgegangene
Cäſar an die Zuſtimmung der ländlichen, allen Beein-
fluſſungen der Gewalt zugänglichen und vom Waynsinn
des napoleonischen Kultus befangenen Bevölkerung, deren
Stimmen ihm die Mehrheit im geſet gebenden Körper zu-
geführt haben. Den Unzufriedenen gegenüber kündigt er
Wachſamkit an und Stärke. Man weiß , was der
Mann des zweiten Dezembers darunter verſteht, und
wer's noch nicht wüßte, Der hat jetzt nur nach St.
Etienne das Auge zu richten, wo ~ wie zur Illuſtrirung
des kaiſerlichen Briefes + die Chaſsepotsgewehre die Ar-
the beruhigen, indem sie ihnen zur ewigen Ruhe ver-
helfen.
daß die franzöſiſchen
Chaſſepots auch in China zu thun bekommen könnten,
um die Ohrfeige wegzublaſen, die der dortige franzö;iſche
Geſandtſchaftssekretär von einem hohen Würdenträger in
Empfang genommen hat, iſt durch die Nachricht, daß die
chinesiſche Regierung sich zu den verlangten Entsſchuldi-
gungen herbeigelasſen habe, beseitigt.
Zu all’ dem Schmutz, mit welchem die vom Abge-
ordnetenhaus Italiens gegenwärtig in Unterſuchung
gezogene Angelegenheit der Tabakgefälle - Verpachtung be-
reits so überreich behaftet iſt, hat ſich noch eine blutige
Besudelung gesellt. Der Deputirte Lobbia , desſen auf
meuchleriſche Weiſe erfolgte Verwundung der Telegraph
zu melden gehabt hat, iſt Derſelbe, der dem Abgeordneten-
hauſe die Dokumente vorgelegt hat, aus denen in Ver-
bindung mit mündlichen Aussagen die bei der fraglichen
Verpachtung vorgefallene Beſtechung zweier Mitglieder der
Rechten hervorgehen soll. Die Sache der Angeschuldigten
it + mag auch , was wir gerne glauben, das Attentat
ganz ohne ihr Wisſſen und Zuthun erfolgt sein ~ durch
diesen Versuch, einen Ankläger aus dem Wege zu ſchaffen,
ſchwer kompromittirt.
Die Erhöhung der Zuckerſteuer (von 7 "]- auf 8 Slbgr.
für den Zentner Runkelrüben) iſt vom Z ollparla-
mente gestern genehmigt worden.. In glücklicher Nach-
ahmung des Zollbundeskommissärs, von welchem die Ge-
nehmigung der Zollermößigungen von der Beyoailligung
der Petroleumsteuer abhängig gemacht worden , iſt aber
der Zuſtimmung. zur Zuckerſteuervorlage der Zusatz bei-
gefügt worden, deß die Steuererhöhung für Zucker erſt
gleichzeitig mit den für andere Artikel beſchloſſenen Zoll-
ermäßigungen einzutreten habe. In Bezug auf die vor-
geſtrige Ablehnung der Petroleumſteuer mag noch nach-
getragen werden, daß die Abgeordneten Bluntſchli, Fauler,
Freih. Göler von Ravensburg und Hebting f ür die
Steuer geſtimmt haben.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 17. Juni. Das Geſeßz- und Ber-
ordnungsblatt Nr. 14 enthält eine Verordnung, nach
welcher die revidirte Rheinſchifffahrts a kte mit
dem 1. Juli d. J. in Wirtſamkeit, tritt. Die durch
höchſte Entſchliezung vom 26. Nov. 1864 als Rheinzall-
gerichte erſter und zweiter Inſtanz beſtelllen badiſchen
Justizbehörden werden vom 1.Juli d. IJ. an als Rhein-
ſchifffahrtsgerichte im, Sinne der Artikel 32240
der revidirten Jtheinſchifffahrtsakte beſtätigt. Die unterm
12. Mai 1864 verkündetete „Neue Schifffahrts-Polizei-
ordnung für den Rhein“ t itt mit dem 1. Juli d.. J.
außer. Wirkſamkeit und an Stelle derſelben die unter den
Rheinuferſtaaten vereinbarte neue Schi f f fa hrts- Poli-
zei- und Floß - Ordnung für den Rhein. Ebenſo
tritt mit dem 1. Juli d. J. die vereinbarte Verordnung
über den Transport. von entzündlichen,
äß enden und giftigen Stoffen in Kreft, welcher
Vereinbarung die Niederlande jedoch vorerſt nur bezüglich
der ätzenden und gisſtigen Stoffe beigetreten ſind.
Prem.-Lieut. RK. v. Schalberg wurde vom Feld- Art.
Reg in das Feſt.-Art.-Bat. und Prem.-Lieut. K. Kühlenthal
vom Feſt.-Art.-Bat. in das Feld.: Art.-Reg. versett. Nach-
benannte Vize-Feldwebel wurden zu Sekondx-Lieutenants
der Landwehr ernannt, als : A. Keller, H. Müller und
O. Protſcher vom b. Inf.~Reg. beim 7. Landw.-Bat. ;
A. Stüber vom 5. Inf.-Reg. beim 4. Landw.-Bat.;
Ch. Haas, .vom ; 2. | Inf.sReg. . beim 1. Landw.-Bat. ;
I., Höfer vom , 5. . Inf.-Reg. beim 7. Landw.-Bat.;
I. Hofheinz vom 2. Inf.-Reg. beim 4. Landw.-Bat. ;
Portepeetähnrich L. v. Babo wird vom 5. zum 3. Inf.-Reg.
verſett; die Gefreiter L. Hochweber im Feld- Art.-Reg.,
Dragoner H. Grabert im (1) Leib-Drag.-Reg., Unter-
offizier A. Prey im 4. Inf.-Reg. und Gefreiter W. Will
im 5. Inf.-Reg. werden zu Portepeefähnrichen ernannt.
* Aus Baden, 18. Juni. Unsere Bismärcker
fahren fort, die Unwahrheit eines Bundes der Demotratie
mit den Ultramontanen aufzutiſchen, um Schwächlinge
und Gimpel zu ködern. Ueberhaupt ſuchen dieselben
mittelſt kirchlicher Fragen politisch zu wirken und hält
beispielsweiſe das Regierungsorgan „eine politische
Partei ohne kirchliche Tendenzen für unmöglich." Alſo
hie Schenkel-Blunſschli-Jolly + hie Syllabus ! Das iſt,
ſo schreibt die „Frf. Ztg.“, die Zwangsjacke, in welche
das Regierungsorgan alle politiſche Parteien hinein-
zwängen möchte. Wer ſich nicht einer tyeotogiſchen Partei
unterordnet, iſt nach ihm ein ſchaler Nihiliſt. Das offi-
ziöſe Blatt vergißt, daß in keinem'Lande, in welchem eine
gewiſſe Staatsraison herrſcht , die politiſchen Parteien sich
gefliſſentlich mit kirchlichen Fragen beſchäftigen und daß
die religiöſen Anschauungen Sache der individuellen Frei-
heit, nicht Gegenstand eines politischen Parteiprogrammes
und. einer Parteiverpflichtung sind und sein können.
Anders freilich in unserm Lande. Hier müſſen und dürfen
alle Mittel“ zur Anwendung gebracht werden, um den .
"Zwect“ der Verbreußung des Landes zu fördern , und
wo die alten vorhandenen Mittel nicht ausreichen, da
ſucht man nach neuen. Ein solches Mittel iſt der Auf-
ruf an die ,freiſinnigen" Katholiken, dafür thätig einzu-
treten, daß unser katholisches, „in kirchlicher Hinſichi völlig