Dienſtag, 14. Dezember
§
) . U
Ü w
[ §û hit s
V
Die „Mannheirter Abendzeitung? wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage täglich als Abend kf
inſyaltige Petitzeile 8 kr., bel Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei
Anzeigen-Sebühr : die einſpaltige ß
t Aber
Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.
att ausgegeben. + Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
der Expedition 0 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſianſtalten.
Einladung zur Beſtellung.
Mit Ende Dezember ſchließſtt der er st e
Jahrgang der . Mannheimer Abendzeitung."
Sie hat fich in dem kurzen Zeitraum ihres
Erſcheinens zahlreiche Freunde in Nah und
Fern erworben. Durch treues Festhalten
an der Sache des Volkes will sie ferner die
Theilnahme und Unterſtützung verdienen,
die ihr in reichem Maße geworden.
In den letzten Tagen des ablaufenden
Ouartals laden wir unſere alten Freunde
zur rechtzeitigen Erneuerung der Beſtel-
lung ein. An Diejenigen, welche die
„Mannheimer Abendzeitung.“ bisher nicht
bestellt haben, richten wir das freundliche
Erſuchen, den Kreis unſerer Abnehmer zu
vermehren. Ebenſo empfehlen wir die
freundliche Benützung der „Mannheimer
Abendzeitung“ zur Veröffentlichung von
Anzeigeu aller Art.
Beſtellnngen werden von allen Voſterpe-
ditionon, auf dem Lande von den VBoſt-
boten entgegengenommen; in Mannheinr
von den Austrägern und der Expedition
vet. Eyyhvver Abendzeitnng.“ Litera
Der Hort des Proteſtantismus.
«*4 Es iſt jetzt ein offenkundiges Geheimniß, daß die
hayeriſchen Wahlen ein unumwundener Proteſt gegen
jeden weitern Schritt zur Verpreußung des Landes sind,
daß die Annäherungs- oder verſchämte Annexionspartei
glänzend geschlagen iſt, und.daß die Mehrheit des baye-
riſchen Volkes anders geführt sein will als bisher.
Lamentiren über „Ultramontan“, „Schwanrzröcke, ,„Vers-
dummung des Landes“ tc. iſt eitel preußiſcher Wind |_
und Wasser aus die Mühle des sog. „Hortes des Proteſtan-
tismus." - Man weiß, wer der Mühtler dieser Mühle ist
und der Hort hat ſich jekt ganz kürzlich wieder klar und
deutlich über seine Ziele wahrnehmen lassen.
Im gelobten Lande Preußen tagen augenblicklich die
evangeliſchen Synoden, lauter kleine Provinzialkonzile, die
ſich im Lichte des 19. Jahrhunderts um so widerlicher
gebärden, als sie nicht eine alte Autorität anzurufen
haben, wie das Papſtthum , sondern ſich einfach von der
Befreiung des religiöſen Gewissens aus dem Banne der
Tradition herſchreiben, alſo revolutionären Ursprungs ſind.
Nun empfing dieſer Tage Wilhelm der Adler, Chef aller
preußiſchen Freimaurer und aus prinzlichen Zeiten als
Muckerfeind und Peietiſtenhaſſer bekannt, den Vorſtand der
Brandendurgiſchen Synode und erwiderte auf die übliche :
Kniebeugung vor dem summus episcopus oder protesſtan-
tiſchen Zäſar-Papſt, die ſehr wenig geflügelten Worte,
bh allen Boruſſomanen bleiſchwer auf der Seele liegen
ollten: |
„Es that der Kirche dringeyd noth, daß etwas ge-
ſchah zur Beruhigung der Geiſter. Denn wir haben viele
Feinde; ich denke nicht an die Katholiken. Wenn
wir nicht mehr den Glauben haben an den Heiland, daß
er it der Sohn Gottes, was ſoll dann werden?
Dann wären auch ſeine Ausſprüche nur Menſchen-
ſatzungen.“
Alſo der Hort des „Protestantismus“, von dem es
anno 1866 hieß, er müſſe das Schwert ziehen gegen
das kat holi ſche Oesterreich; der Bundes- und Bürger-
Irieg ſei lediglich die Fortſegung des dreißigjährigen.
Hätten doch die katholiſchen Geiſtlichen schon von der
Kanzel herab verkündigt, im Falle des Sieges der
Öeſterreichex werde ein allgemeiner Proteſtantenmord be-
ginnen!
. Jett aber hören wir aus dem Munde des hreußiſchen
Königs, daß die Katholiken nicht seine Feinde ſind, daß
er nicht an sie denkt, wenn ihn die Bedrängniß der
Kirche beunruhigt. Wie ſollte auch der das Geringste
gegen das ökumenische Konzil einzuwenden h ben, der die
Provinzalkonzile ſelber eingeſeßt hat, und hoffen kann
von der Unfehlbarkeit des 1 !
auf ihn hinüberleuchten! i
Venn der länderloſe Papſt nach Befeſtigung und Er-
weiterung ſeines Cinfluſſes ſtrebt, wenr er das hi mm-
li ſche Reich um so höher ſtelt, je mehr das irdiſche
: ihm eniſchwand , so iſt das durchaus natürlich. Wenn
Papſtes werde ein Strahlchen
Das |
der Papſt nicht mehr dire kte Politik treiben kann, so
trachtet er nach i ndirekter und hält um ſo feſter
“an ſeiner geist li ch en Autorität. Daß aber ein welt-
licher Fürſt offiziel den Betbruder abgibt, den Kopf
hangen läßt und der ängſtlichen Seelsorge verfällt;. daß
dieser Fürſt dem sog. Staate der Intelligenz, der Ges
wisſensfreiheit vorsteht, ein Nachfolger des alten Fritz iſt,
daß er endlich gerade das Gegentheil von muthmaßlichen
früheren Ansichten mit Emphaſe kundthut: das gehört
wieder zu den hohenzollern’schen „Eigenthümlichteiten“" und
ſollte billigerweiſe zu denken geben.
Wer ſeinen politischen Standpunkt außerhalb und ober-
halb der religiösen Bekenntniſſe genommen hat, wer ſchon
jet in der Theorie die vollſtändige Trennung von Staat
und Kir e vollzieht, dem iſt es absolut gleichgiltig, wie
die Majorität der bayeriſchen Wähler religiös gesinnt
iſt; er konsſtatirt nur den Cinen Punkt : Bayern will nicht
verpreußt fein. Machen aber Andere großes Aussehen
von den bayerischen „Ultramontanen und Schwarzröcken“
in der Kammer,, und fürchten ſie die Verfinſterung des
Landes, so weiſt er nach Berlin hin und fragt, wo dort
die geiſtige Freiheit zu finden sei und ob die Fortſchritt-
ler im Geringſten berechtigt ſind , unter die Flügel des
Mucker-Aares kriechen zu wollen.
Ultramontan oder Pietiſt, wir ſehen ſchlechterdings
den Unterschied nicht; wir kennen auch das Mitroskop
nicht, unter welchem dieser Unterschied ersichtlich werden
könnte. Knechtung des Geiſtes hüben wie drüben, Ent-
mannung des Geſschlechtes zum Vortheil derer /} die nur
über Entmannte zu herrſchen vermögen, doppelt widrig
da, wo eine andere Fahne ſtets mit Oſtentation heraus-
gehängt wird, wo geschichtliche Ueberlieferungen ſchamlos
verrathen werden. Im Papſtthum iſt doch wenigstens
Konsequenz, im Hohenzollernthum eitel Plusmacherei.
Badiſcher Landtag.
* Karlsruhe, 12. Dez. In der Sitzung der
Zweiten Ka m mer vom Freitag Abend beantragte
der Abg. v. Fe de r die Öffentlichkeit der Gemeinde-
rathsſikungen. Der Abg. H u ff ſchm id unterstützte den
Antrag. Die Abgg. Kölle, Kiefer, Hoff, Paravicini und
Friderich haben Bedenken gegenüber dem Antrage ; ebenſo
Staats-M. Jolly ; ſo daß der Antrag abg ele h nt wird.
Es lebe die Heimlichkeit.
Auf Antrag des Abg. Köll e wurde beſchloſſen, daß
nur solche Gemeinden zur Wahl eines Aussſchuſſes ver-
pflichtet sein sollten, die mehr als 150 Bürger haben.
Der Abg. Lindau hatte die Zahl 300 Bürger beantragt:
um das Koterieweſen in den Gemeinden und die Vetter-
schaften, die Nadler im „Brand im Huyelwald“ so ſcharf
gezeichnet, zu brechen.
Der Antrag des Abg. Len der, den Ausschuß alle
3 Jahre in der Geſammtheit durch Wahl zu erneuern,
wird nur von Lindau unterſtütt und abgelehnt. Zu § 42
bemerkt der Abg. v. F ed er, es sei ein Mißſtand, daß
der zu ernennende Ausschuß weder Vorsteher noch Jnitia-
tive habe; es ſsei ein Leib ohne Kopf. Der Abg. Fri-
derich verweiſt auf § 31, der hier abhelfe und der Be-
richterſtatter auf die Geſchäſtsoronung des Ausschusses,
die ſicher einen Obmann vorſehen werde.
In der Erſten K ammer, Sitzung vom Samſltage,
wurde der Bericht über die Nachweiſung der in 1867
und 1868 eingegangenen Staatsgelder, welcher Geneh-
migung beantragt, angenommen; ebenſo die Bethei-
ligung des Domiänengrundsſtücs an der Murngthal-
Ciſenbahn, durch Uebernahme von Aktien im Betrage
von 86,000 fl.
Die Budgetdes Großh. Staatsministeriums (901.339Ffl.)
des Ministeriums des Großh. Hauſes und der auswärtigen
Angelegenheiten (107,110 fl.) für 1870 und 1871 wer-
den gegen die Stimme des Grafen v. Berlichingen ange-
nommen.
tit Ebenso der Geſetzentwurf über die Verlandungen im
heine und
der Geseßentwurf über die bekannten Abänderungen
der Verfaſſung nach den Besſchlüſſen der zweiten Kammer.
PWuolitiſche Ueberficht.
Mannheim, 18. Dezember.
* Heute kommt in dem preuß. iſch en Abgeordneten-
hauſe die Vorlage des neuen Finanzministers zur Be-
rathung, welche zur Beseitigung des Defizits vorsſchlägt :
Die gesetzliche Pflicht alljährlich von den Staatsſchulden
mg TK
einen bestimmten Theil abzutragen , einfach aufzuheben
und die Tilgung der Staatsſchulden auf die Jahre zu
beschränken, wo ein Ueberſchuß vorhanden ist.
Anläßlich deſſen wurde von verschiedenen Berline
Blättern mitgetheilt: Graf Bis ma rt ſei nach Berlin
gekommen, um an den Verhandlungen im Abgeordneenn 1
hauſe Theil zu nehmen urd zu verſuchen, die dem Vor-
ſchlage des Finanzministers entgegenſtehenden Schwierig-
teiten zu überwinden. Indessen hat bei der anfänglichen
Ohpoſsition sich der Wind gedreht und das Organ des
Grafen bemerkt in greifbarer Ironie: Das Eintreten des
Grafen Bismarck für die Vorlage ſei um ſo weniger er-
forderlich, „als die Annahme der Vorlage nach zuverläſ-
ſigen Anzeichen ohnehin durchaus gesichert“ erſcheine. Zu-
gleich erfährt man durch daſſelbe Organ: daß die Be-
rufung des neuen Finanzminiſters und deſſen Vorlage
über bezeichnete Finanzmaßregel nur „unter Billigung
und Zuſtimmung des Grafen Bismarck erfolgt" sei.
Wie sehr verſtändlicc)h Zu dem bekannten geflügelten
Worte des Finanzminiſters: „Wir nehmen das Geld,
wo wir es finden“ = gesellt ſich einfach der bis jetzt
verſchwiegene folgerichtige Nachhaz: Und wir behalten
das Geld, so lange wir es gebrauchen!
Bei der Schlußberathung im preuß if he n Age.
ordnetenhauſe über den Antrag : die Befugnisse des Nords -
bundes auf das Zivilrecht auszudehnen, nahm Virchow
Veranlaſſung , die Einrichtungen des Nordbundes , insbe-
sondere die konstitutionelle Verantwortlichkeit der höchſten
Bundesbeamten, einer ſcharfen Kritik zu unterziehen.
Wenn man jett Herrn Delbrück den Miniſtertitel verleiht,
führte Virchow aus, so iſt das eine neue Form der
Uebertünchung für an ſsich unhaltbare Zuſtände. Soll
Herrn Delbrück damit zugleich ein Stimmrecht im preußi-
schen Miniſterrathe gegeben ſein, ſo müsſſen wir uns gegen
eine derartige Einſchiebung einer uns nicht verantwortlichen
Perſon als gegen eine verfaſſungswidrige Maßregel ver-
wahyen . . .
ordnetenhaus nahm den Antrag auf Erweiterung der
Bundeskompetenz an. Ob nun das Präsidium Sorge
tragen wird , dem Antrage im Bundesrathe mehr An-
hänger zu erwerben, als dieß bisher der Fall wer? Das
Bundespräsſidium + ſagt ein Berliner Korreſpondent der
„Köln. Ztg." ~ ist weit entfernt von einer Herausfor-
derung der Erweiterung und Steigerung der Macht des
Bundes gegenüber den Einzelſtaaten; a b er darauf können
die Herren von der Anſchauung des ſächſiſchen Grafen
Hohenthal in den Landtagen ſich verlaſſen, daß der Nord-
bund auch nicht den Schein eines Zurückweichens der
CEinzelſtaaten hinter die dem Bunde ,verfaſſungsmäßig“
zuſtehenden (dehnbaren) Befugniſſen d uld e n wird. Der
ſächſiſche Graf Hohenthal hat nämlich in der Erſten säch-
siſchen Kammer in Begründung ſeines Antrags auf Aus-
ſchluß der Bestimmungen des gemeinen Polizei-Strafrechts
aus dem Entwurfe eines Strafgeſeßbuches für den Nord-
deutſchen Bund die Anſicht vertreten, daß die Erweiterung
der Kompetenz des Bundes nur durch den neuen Vertrag
sämmtlicher Kontrahenten ſtattfinden könne . . ÿ Die Ber-
liner Regierung hält dagegen an der Auffassung fest, der
Bundesrath und Reichstag könne über die Erwerbung der
Bundesbefugniſſe ~ bis zum glücklichen Einheitsſtaate +
beſchliegen. Hieraus ergibt ſich alles.
Die sb an iſche n Kortes haben die Geseße über die
Aufhebung des Belagerungszuſtandes, über die zu leiſtende
Entschädigung an die Familien der in den Ausſtänden
von 1866 und 1867 Gefallenen, Verwundeten und Ver-
bannten angenommen; ebenſo das Geſeß , welches der
Stadt Barcellona das Terrain der Zitadelle für 200
Millionen Realen überläßt. Hierauf wurde das Militär-
kontingentsgesetß für 1870 in Berathung genommen. Das-
ſelbe fordert 80,000 Mann. Die Republikaner betämpfen
die Aushrbung zum ſtehenden Heere.
Das Großkreuz des ruſſiſchen St. Georgen-Ordens
wird statutengemäß nur an Heerführer verliehen, welche
eine für den betreffenden Feldzug entſcheidende Schlacht
gewonnen haben. Die National-Liberalen in Pre uß e n
haben dies glücklich herausgebracht und o ſinden ſie denn,
daß die Verleihung dieses Ordens an König Wilhelm den
Adler in dem preußiſchen Könige den Sieger von König-
gräß ehre ~ und daher auf das gründlichſte die Hoſtw. !
nung derer vernichte, welche von jener Schlacht und der
in ihrem Gefolge ſtattgehabten Machtvergrößerung Preu-
ßens Rußland eine neidiſche und mißtrauiſche Hallunn_
gegen Preußen zuſchrieben. . . Die Glücklichen! Mögen
ſie dem Kaiſer von Rußland vorſchlagen, in ihre Reihen
Damit war's aber genug und das Abge- s
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[ §û hit s
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Die „Mannheirter Abendzeitung? wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage täglich als Abend kf
inſyaltige Petitzeile 8 kr., bel Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei
Anzeigen-Sebühr : die einſpaltige ß
t Aber
Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.
att ausgegeben. + Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
der Expedition 0 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſianſtalten.
Einladung zur Beſtellung.
Mit Ende Dezember ſchließſtt der er st e
Jahrgang der . Mannheimer Abendzeitung."
Sie hat fich in dem kurzen Zeitraum ihres
Erſcheinens zahlreiche Freunde in Nah und
Fern erworben. Durch treues Festhalten
an der Sache des Volkes will sie ferner die
Theilnahme und Unterſtützung verdienen,
die ihr in reichem Maße geworden.
In den letzten Tagen des ablaufenden
Ouartals laden wir unſere alten Freunde
zur rechtzeitigen Erneuerung der Beſtel-
lung ein. An Diejenigen, welche die
„Mannheimer Abendzeitung.“ bisher nicht
bestellt haben, richten wir das freundliche
Erſuchen, den Kreis unſerer Abnehmer zu
vermehren. Ebenſo empfehlen wir die
freundliche Benützung der „Mannheimer
Abendzeitung“ zur Veröffentlichung von
Anzeigeu aller Art.
Beſtellnngen werden von allen Voſterpe-
ditionon, auf dem Lande von den VBoſt-
boten entgegengenommen; in Mannheinr
von den Austrägern und der Expedition
vet. Eyyhvver Abendzeitnng.“ Litera
Der Hort des Proteſtantismus.
«*4 Es iſt jetzt ein offenkundiges Geheimniß, daß die
hayeriſchen Wahlen ein unumwundener Proteſt gegen
jeden weitern Schritt zur Verpreußung des Landes sind,
daß die Annäherungs- oder verſchämte Annexionspartei
glänzend geschlagen iſt, und.daß die Mehrheit des baye-
riſchen Volkes anders geführt sein will als bisher.
Lamentiren über „Ultramontan“, „Schwanrzröcke, ,„Vers-
dummung des Landes“ tc. iſt eitel preußiſcher Wind |_
und Wasser aus die Mühle des sog. „Hortes des Proteſtan-
tismus." - Man weiß, wer der Mühtler dieser Mühle ist
und der Hort hat ſich jekt ganz kürzlich wieder klar und
deutlich über seine Ziele wahrnehmen lassen.
Im gelobten Lande Preußen tagen augenblicklich die
evangeliſchen Synoden, lauter kleine Provinzialkonzile, die
ſich im Lichte des 19. Jahrhunderts um so widerlicher
gebärden, als sie nicht eine alte Autorität anzurufen
haben, wie das Papſtthum , sondern ſich einfach von der
Befreiung des religiöſen Gewissens aus dem Banne der
Tradition herſchreiben, alſo revolutionären Ursprungs ſind.
Nun empfing dieſer Tage Wilhelm der Adler, Chef aller
preußiſchen Freimaurer und aus prinzlichen Zeiten als
Muckerfeind und Peietiſtenhaſſer bekannt, den Vorſtand der
Brandendurgiſchen Synode und erwiderte auf die übliche :
Kniebeugung vor dem summus episcopus oder protesſtan-
tiſchen Zäſar-Papſt, die ſehr wenig geflügelten Worte,
bh allen Boruſſomanen bleiſchwer auf der Seele liegen
ollten: |
„Es that der Kirche dringeyd noth, daß etwas ge-
ſchah zur Beruhigung der Geiſter. Denn wir haben viele
Feinde; ich denke nicht an die Katholiken. Wenn
wir nicht mehr den Glauben haben an den Heiland, daß
er it der Sohn Gottes, was ſoll dann werden?
Dann wären auch ſeine Ausſprüche nur Menſchen-
ſatzungen.“
Alſo der Hort des „Protestantismus“, von dem es
anno 1866 hieß, er müſſe das Schwert ziehen gegen
das kat holi ſche Oesterreich; der Bundes- und Bürger-
Irieg ſei lediglich die Fortſegung des dreißigjährigen.
Hätten doch die katholiſchen Geiſtlichen schon von der
Kanzel herab verkündigt, im Falle des Sieges der
Öeſterreichex werde ein allgemeiner Proteſtantenmord be-
ginnen!
. Jett aber hören wir aus dem Munde des hreußiſchen
Königs, daß die Katholiken nicht seine Feinde ſind, daß
er nicht an sie denkt, wenn ihn die Bedrängniß der
Kirche beunruhigt. Wie ſollte auch der das Geringste
gegen das ökumenische Konzil einzuwenden h ben, der die
Provinzalkonzile ſelber eingeſeßt hat, und hoffen kann
von der Unfehlbarkeit des 1 !
auf ihn hinüberleuchten! i
Venn der länderloſe Papſt nach Befeſtigung und Er-
weiterung ſeines Cinfluſſes ſtrebt, wenr er das hi mm-
li ſche Reich um so höher ſtelt, je mehr das irdiſche
: ihm eniſchwand , so iſt das durchaus natürlich. Wenn
Papſtes werde ein Strahlchen
Das |
der Papſt nicht mehr dire kte Politik treiben kann, so
trachtet er nach i ndirekter und hält um ſo feſter
“an ſeiner geist li ch en Autorität. Daß aber ein welt-
licher Fürſt offiziel den Betbruder abgibt, den Kopf
hangen läßt und der ängſtlichen Seelsorge verfällt;. daß
dieser Fürſt dem sog. Staate der Intelligenz, der Ges
wisſensfreiheit vorsteht, ein Nachfolger des alten Fritz iſt,
daß er endlich gerade das Gegentheil von muthmaßlichen
früheren Ansichten mit Emphaſe kundthut: das gehört
wieder zu den hohenzollern’schen „Eigenthümlichteiten“" und
ſollte billigerweiſe zu denken geben.
Wer ſeinen politischen Standpunkt außerhalb und ober-
halb der religiösen Bekenntniſſe genommen hat, wer ſchon
jet in der Theorie die vollſtändige Trennung von Staat
und Kir e vollzieht, dem iſt es absolut gleichgiltig, wie
die Majorität der bayeriſchen Wähler religiös gesinnt
iſt; er konsſtatirt nur den Cinen Punkt : Bayern will nicht
verpreußt fein. Machen aber Andere großes Aussehen
von den bayerischen „Ultramontanen und Schwarzröcken“
in der Kammer,, und fürchten ſie die Verfinſterung des
Landes, so weiſt er nach Berlin hin und fragt, wo dort
die geiſtige Freiheit zu finden sei und ob die Fortſchritt-
ler im Geringſten berechtigt ſind , unter die Flügel des
Mucker-Aares kriechen zu wollen.
Ultramontan oder Pietiſt, wir ſehen ſchlechterdings
den Unterschied nicht; wir kennen auch das Mitroskop
nicht, unter welchem dieser Unterschied ersichtlich werden
könnte. Knechtung des Geiſtes hüben wie drüben, Ent-
mannung des Geſschlechtes zum Vortheil derer /} die nur
über Entmannte zu herrſchen vermögen, doppelt widrig
da, wo eine andere Fahne ſtets mit Oſtentation heraus-
gehängt wird, wo geschichtliche Ueberlieferungen ſchamlos
verrathen werden. Im Papſtthum iſt doch wenigstens
Konsequenz, im Hohenzollernthum eitel Plusmacherei.
Badiſcher Landtag.
* Karlsruhe, 12. Dez. In der Sitzung der
Zweiten Ka m mer vom Freitag Abend beantragte
der Abg. v. Fe de r die Öffentlichkeit der Gemeinde-
rathsſikungen. Der Abg. H u ff ſchm id unterstützte den
Antrag. Die Abgg. Kölle, Kiefer, Hoff, Paravicini und
Friderich haben Bedenken gegenüber dem Antrage ; ebenſo
Staats-M. Jolly ; ſo daß der Antrag abg ele h nt wird.
Es lebe die Heimlichkeit.
Auf Antrag des Abg. Köll e wurde beſchloſſen, daß
nur solche Gemeinden zur Wahl eines Aussſchuſſes ver-
pflichtet sein sollten, die mehr als 150 Bürger haben.
Der Abg. Lindau hatte die Zahl 300 Bürger beantragt:
um das Koterieweſen in den Gemeinden und die Vetter-
schaften, die Nadler im „Brand im Huyelwald“ so ſcharf
gezeichnet, zu brechen.
Der Antrag des Abg. Len der, den Ausschuß alle
3 Jahre in der Geſammtheit durch Wahl zu erneuern,
wird nur von Lindau unterſtütt und abgelehnt. Zu § 42
bemerkt der Abg. v. F ed er, es sei ein Mißſtand, daß
der zu ernennende Ausschuß weder Vorsteher noch Jnitia-
tive habe; es ſsei ein Leib ohne Kopf. Der Abg. Fri-
derich verweiſt auf § 31, der hier abhelfe und der Be-
richterſtatter auf die Geſchäſtsoronung des Ausschusses,
die ſicher einen Obmann vorſehen werde.
In der Erſten K ammer, Sitzung vom Samſltage,
wurde der Bericht über die Nachweiſung der in 1867
und 1868 eingegangenen Staatsgelder, welcher Geneh-
migung beantragt, angenommen; ebenſo die Bethei-
ligung des Domiänengrundsſtücs an der Murngthal-
Ciſenbahn, durch Uebernahme von Aktien im Betrage
von 86,000 fl.
Die Budgetdes Großh. Staatsministeriums (901.339Ffl.)
des Ministeriums des Großh. Hauſes und der auswärtigen
Angelegenheiten (107,110 fl.) für 1870 und 1871 wer-
den gegen die Stimme des Grafen v. Berlichingen ange-
nommen.
tit Ebenso der Geſetzentwurf über die Verlandungen im
heine und
der Geseßentwurf über die bekannten Abänderungen
der Verfaſſung nach den Besſchlüſſen der zweiten Kammer.
PWuolitiſche Ueberficht.
Mannheim, 18. Dezember.
* Heute kommt in dem preuß. iſch en Abgeordneten-
hauſe die Vorlage des neuen Finanzministers zur Be-
rathung, welche zur Beseitigung des Defizits vorsſchlägt :
Die gesetzliche Pflicht alljährlich von den Staatsſchulden
mg TK
einen bestimmten Theil abzutragen , einfach aufzuheben
und die Tilgung der Staatsſchulden auf die Jahre zu
beschränken, wo ein Ueberſchuß vorhanden ist.
Anläßlich deſſen wurde von verschiedenen Berline
Blättern mitgetheilt: Graf Bis ma rt ſei nach Berlin
gekommen, um an den Verhandlungen im Abgeordneenn 1
hauſe Theil zu nehmen urd zu verſuchen, die dem Vor-
ſchlage des Finanzministers entgegenſtehenden Schwierig-
teiten zu überwinden. Indessen hat bei der anfänglichen
Ohpoſsition sich der Wind gedreht und das Organ des
Grafen bemerkt in greifbarer Ironie: Das Eintreten des
Grafen Bismarck für die Vorlage ſei um ſo weniger er-
forderlich, „als die Annahme der Vorlage nach zuverläſ-
ſigen Anzeichen ohnehin durchaus gesichert“ erſcheine. Zu-
gleich erfährt man durch daſſelbe Organ: daß die Be-
rufung des neuen Finanzminiſters und deſſen Vorlage
über bezeichnete Finanzmaßregel nur „unter Billigung
und Zuſtimmung des Grafen Bismarck erfolgt" sei.
Wie sehr verſtändlicc)h Zu dem bekannten geflügelten
Worte des Finanzminiſters: „Wir nehmen das Geld,
wo wir es finden“ = gesellt ſich einfach der bis jetzt
verſchwiegene folgerichtige Nachhaz: Und wir behalten
das Geld, so lange wir es gebrauchen!
Bei der Schlußberathung im preuß if he n Age.
ordnetenhauſe über den Antrag : die Befugnisse des Nords -
bundes auf das Zivilrecht auszudehnen, nahm Virchow
Veranlaſſung , die Einrichtungen des Nordbundes , insbe-
sondere die konstitutionelle Verantwortlichkeit der höchſten
Bundesbeamten, einer ſcharfen Kritik zu unterziehen.
Wenn man jett Herrn Delbrück den Miniſtertitel verleiht,
führte Virchow aus, so iſt das eine neue Form der
Uebertünchung für an ſsich unhaltbare Zuſtände. Soll
Herrn Delbrück damit zugleich ein Stimmrecht im preußi-
schen Miniſterrathe gegeben ſein, ſo müsſſen wir uns gegen
eine derartige Einſchiebung einer uns nicht verantwortlichen
Perſon als gegen eine verfaſſungswidrige Maßregel ver-
wahyen . . .
ordnetenhaus nahm den Antrag auf Erweiterung der
Bundeskompetenz an. Ob nun das Präsidium Sorge
tragen wird , dem Antrage im Bundesrathe mehr An-
hänger zu erwerben, als dieß bisher der Fall wer? Das
Bundespräsſidium + ſagt ein Berliner Korreſpondent der
„Köln. Ztg." ~ ist weit entfernt von einer Herausfor-
derung der Erweiterung und Steigerung der Macht des
Bundes gegenüber den Einzelſtaaten; a b er darauf können
die Herren von der Anſchauung des ſächſiſchen Grafen
Hohenthal in den Landtagen ſich verlaſſen, daß der Nord-
bund auch nicht den Schein eines Zurückweichens der
CEinzelſtaaten hinter die dem Bunde ,verfaſſungsmäßig“
zuſtehenden (dehnbaren) Befugniſſen d uld e n wird. Der
ſächſiſche Graf Hohenthal hat nämlich in der Erſten säch-
siſchen Kammer in Begründung ſeines Antrags auf Aus-
ſchluß der Bestimmungen des gemeinen Polizei-Strafrechts
aus dem Entwurfe eines Strafgeſeßbuches für den Nord-
deutſchen Bund die Anſicht vertreten, daß die Erweiterung
der Kompetenz des Bundes nur durch den neuen Vertrag
sämmtlicher Kontrahenten ſtattfinden könne . . ÿ Die Ber-
liner Regierung hält dagegen an der Auffassung fest, der
Bundesrath und Reichstag könne über die Erwerbung der
Bundesbefugniſſe ~ bis zum glücklichen Einheitsſtaate +
beſchliegen. Hieraus ergibt ſich alles.
Die sb an iſche n Kortes haben die Geseße über die
Aufhebung des Belagerungszuſtandes, über die zu leiſtende
Entschädigung an die Familien der in den Ausſtänden
von 1866 und 1867 Gefallenen, Verwundeten und Ver-
bannten angenommen; ebenſo das Geſeß , welches der
Stadt Barcellona das Terrain der Zitadelle für 200
Millionen Realen überläßt. Hierauf wurde das Militär-
kontingentsgesetß für 1870 in Berathung genommen. Das-
ſelbe fordert 80,000 Mann. Die Republikaner betämpfen
die Aushrbung zum ſtehenden Heere.
Das Großkreuz des ruſſiſchen St. Georgen-Ordens
wird statutengemäß nur an Heerführer verliehen, welche
eine für den betreffenden Feldzug entſcheidende Schlacht
gewonnen haben. Die National-Liberalen in Pre uß e n
haben dies glücklich herausgebracht und o ſinden ſie denn,
daß die Verleihung dieses Ordens an König Wilhelm den
Adler in dem preußiſchen Könige den Sieger von König-
gräß ehre ~ und daher auf das gründlichſte die Hoſtw. !
nung derer vernichte, welche von jener Schlacht und der
in ihrem Gefolge ſtattgehabten Machtvergrößerung Preu-
ßens Rußland eine neidiſche und mißtrauiſche Hallunn_
gegen Preußen zuſchrieben. . . Die Glücklichen! Mögen
ſie dem Kaiſer von Rußland vorſchlagen, in ihre Reihen
Damit war's aber genug und das Abge- s