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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 1 – No. 26 (1. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0103

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F. 25.



Die „Mannheimer





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Organ der deulſchen Vollsparlei in

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1869



Paden.



Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlicß Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.









Bestellungen auf die „Mannheimer
Abendzeitung‘“ für die Monate Februar
uud März werden bei allen Poſtanſtalten
und bei der Expedition, C. 1. 15 in Mann-
heim, angenommen.

Der Tod des Kronprinzen von Belgien.

Das Kind, welches den Namen Prinz Leopold, Graf von
Hennegau, Herzog zu Sachsen führte, hat an einer unheil-
_ baren Krankheit \ lange und viel gelitten. Die Nachricht
ſeines Todes tonnte deshalb die menſchliche Theilnahme zu-
nächſt nur zu dem Ausrufe bewegen: „Wohl ihm, daß es
das lebensmüde Auge geſschloſſen!“. Hat man dann den
Eltern, die den einzigen Sohn verloren, den Tribut der
Mittrauer gezollt, so erinnert man sich, daß an das Leben
jenes Kindes die Zukunft eines Staates , vielleicht der
Friede Europa’s getnüpfſt ſcheint.

Der thronberechtigte Erbe des Königs Leopolds Il. ist
ſein Bruder Philipp, Graf von Flandern. Bliebe dieser,
wie er es bis jetzt iſt, kinderlos, ſo würde mit ihm der
Mannesſtamm des belgiſchen Königshauſes ausſterben, und
nach der Landesverfaſſung würde das Recht, den Thron
neu zu besezen, an das belgiſche Volk zurückfallen. Nicht
ohne scheinbaren Grund iſt die Befürchtung laut geworden,
daß, bevor die Belgier jenes Recht geübt haben würden,
ſchon Frankreich ihr Land beſett und deſſen Aunexion
durch die bekannte freie Volksabſtimmung, die immer ſo
ausfallen muß, wie es der Machthaber wünscht, ausge-
ſprochen sein könnte. Damit wären die Pforten für einen
friſchen und fröhlichen europäischen Krieg weit geöffnet.

Aber wozu ſtelltt man überhaupt solche Erwägungen in
einer Zeit an, die innerhalb sieben Jahren zwei Königreiche,
ein Nurfürſtenthum, ein Großherzogthum und vier Herzog-
ihümer von der Karte Europa'’s verſchwinden ſah? Wenn
die Kronen, wie überreifes Obſt von den Bäumen, abge-
ſchüttelt werden, iſt es thöricht, politiſche Berechnungen auch
nur über wenige Jahre hinaus zu machen. Wer mag ſich
uermeſſen, zu ſagen, welche Dynaſtien nach zehn Jahren
noch auf ihren Thronen ſißzen, und was aus ihren Län-
dern geworden?. Ob diese annektirt oder republikanisirt,
ob ſie gewaltsam zerriſſen oder friedlich getheilt worden,
ob sie beſiegt am Boden liegen oder ſiegreich sich er-
hoben haben?

Steht der Krieg nicht ſchon längſt in Millionen von

donnernden Einzug halten und wie ein verheerender Strom
über unſere Felder, Dörfer und Städte sich ergießen. Wir
ſtehen inzwiſchen an dem Ufer, heften den starren Blick auf

unſern Häuptern zuſammenſchlagen.

Es ist freilich kein beneidenswerthes Loos, das uns
da gefallen. Aber als die großen Staatsmänner das Rad
der großen Weltgeſchichte ſchwangen, um uns d i e s Loos
zu bereiten, da jubelten Millionen, wie Kinder über ein
hohes Weinachtspferd, auf welches ſie ſich stolz setzen
durften. Und vertrauend und schwach wie Kiuder blicken
ſie noch jetzt auf die großen Staatsmänner und knüpfen
an dieſe, an einzelne Männer, alle ihre Hoffnungen auf die
Erfüllung ihrer politischen Wünsche. Wie kläglich und zu-
gleich wie blödſichtig! Sehen ſie nicht, daß jenes Kinder
geſchenk ſich in eine Ruthe verwandelte zur Züchtigung ihrer
lindiſchen Gelüſte im Frieden, wie im Kriege? Wäre Dem
nicht ſo, und wären die Millionen diesseits und jenseits des
Rheines nicht wie die Kinder: sie brauchten nicht an den
Tod eines Kindes Befürchtungen für die Zukunft zu
knüpfen; und wir blickten nicht auf die Gegenwart wie
auf einen heranbrauſenden Wogenſchwall der Verwü-
ſiung. (Deutſche Volksztg ) i

Politiſche Ueberſicht.

Mannheim, 29. Januar.

* Nach den heute vorliegenden Nachrichten aus Shpa-
nien ſcheint man dort geneigt, den Mord in Burgos als

Frucht eines verzweigten politiſchen Komplottes zn betrach-
ten. Das amtliche Blatt meldet, daß die Frevelthat und
die darauf erfolgte gräßliche Verſtümmelung des Leichnams
unter den Augen von Domherren verübt worden sei, ohne
daß diese versucht hätten, sie zu hindern, und fügt den
Ausspruch bei, daß die That ,schon lange vorbereitet“ gewe-
ſen sei. Seitdem ſind den Verhaftungen in Burgos andere



11 ; : . ; . „[ſchen Annäherungsverſuchen an Oebeſterreich erzählt, will
nd was kümmert uns ein europäischer Krieg, der sich|.j1 ofsiziöser Wiener Korrespondent der Karlsr. Ztg. Aehn-
an das Aussterben der belgiſchen Dynaſtie knüpfen könnte! liches von Seiten Rußlands wiſsſen.
Soldaten gewaffnet da? Er kann täglich ausbrechen, seinen ut u sctus a i htgtset sſſebeuen. 4.06
von Heſſen (Schwager des Czaaren) während ſeiner jüng-
ſten Anwesenheit in Wien „auf ruſſiſche Veranlaſſung hin
die Wogen, die sich höher und immer höher aufthü.men, Judt für die Wiederherſtellung freundlicher
und wir sind machtlos, ihnen zu wehren, daß ſie überſycher dei! Val
fiziöſe sodann weiter: Der Prinz habe die Gewißheit er-
langt, daß man in Wien die zur Verständigung dargebotene

in anderen Städten des Landes gefolgt, so in Madrid
ſelbſt, wo der Redakteur, der Drucker und mehrere Ange-
ſtelle des klerikalen Blattes „Pensiamiento" gefänglich
eingezogen wurden. Wie die Bevölkerung der Hauptſtadt
die Nachricht des Mordes aufgenommen hat, iſt bereits
mitgetheilt. „Fort mit dem päpſtlichen Nuntius! Es lebe
die Kultusfreiheitl“ war der Ruf der Madrider Bevölke-
rung. Denselben Rückſchlag prophezeit das Pariſer „Siecle“
dem Ereignißk. „Wenn = so ſchreibt es – der Mord
auf Rechnung des klerikalen Fanatismus geschrieben wer-
den muß, so stehen wir nicht an, den Anhängern der Ver-
gangenheit zu sagen, daß solche Frevel ſich gar bald gegen
ſie ſelbſt gewendet haben werden. Mögen sie es wohl er-
wägen! Spanien befindet sich in einer politischen und
moralischen Lage, in welcher das geringste Ereigniß genügen
würde, um es außerhalb der Arche der Kirche zu werfen.
Wir erwähnten gestern der Einweihung einer protestanti-
ſchen Kirche in Madrid, der Hauptſtadt der Inquisition.
Heute lesen wir im Imparcial, daß der Gebrauch der Zi-
vil-Ehe sich in Spanien verallgemeinert und daß ſie z.
B. in Katalonien bald allgemein eingeführt sein wird.
Die Freiheit der Glaubensbekenntniſſe und die Zivilehe:
was denkſt Du von dieſen beiden Ketereien, Schatten
Philipps N. ?“ §

Zu den drei bisherigen Angaben über die Ursache der
plötzlichen Einstellung der preußiſchen Zeitungshegte
gegen Oesterreich –~ deren eine dem Herrn v. Lavallette,
deren zweite dem Lord Clarendon und deren dritte dem
Kaiser von Rußland dieß Verdienst zuſchrieb ~ iſt jetzt
eine vierte gekommen. Der „Alg. Ztg.“ wird aus Vien
geschrieben: „Als wahre Ursache stellt ſich nun die Absicht
Preußens heraus, hier An erbiet un g en zu machen,
zu welchen man sich in Folge der auf der Konfscrenz ge-
machten Crfahrungen über die Gruppirung der Mächte ver-
anlaßt fühlen mochte. Man hat in der That in den letz-
ten Tagen hier sondirt, ob Oeſterreich dafür zu gewinnen
wäre, Preußeu im Weſten freie Hand zu lassen, wenn Vor-
theile im Orient als Preis dafür geboten würden. Daß
derlei Insinuationen hier kein geneigtes Ohr gefunden, ver-
ſteht ſich von ſelbſt.! Die Verantwortlichkeit für diese
Use; tf dem Gewährsmann der „Allg. Ztg“. über-
aſsen bleiben.

Während die vorstehende Mittheilung von preußi-

Er beharrt, trotz

schen Oesterreich und Rußland geſucht habe.“
auf dieſer Versuche berichtet der Wiener Of-

Hand freudig zu erfassen bereit ſei, worauf derſelbe es nicht
an Andeutungen habe fehlen laſſen, daß „Rußland, falls
es ſich der Zuſtimmung Obſterreichs versichert halten dürfe,
demnächſt speziell in der Lage sein werde, den übrigen
Mächten eine Lösung der größten der schwebenden Fragen
vorzuſ lagen, welche, insofern sie wesentlich die bestehende
Ordnung der Dinge zur Grundlage nehme, dem Frieden
der Welt eine neue und verstärkte Bürgschaſt zu bieten ge-
eignet erscheinen. Auch von dieser Mittheilnng gilt, was
am Schlusse der ihr voranstehenden bemerkt iſt.

In unserem gestrigen Blatte ist berichtet worden, daß
mehrere Blätter in Rumänien ſich mißvergnügt über die
Einführung preußiſcher Einrichtungen äußern. In welchem
Umfange es dem Vetter des Königs von Preußen auf
dem rumänischen Fürstenstuhl bereits gelungen iſt, preußi-
ſches Wesen einzuſchmuggeln, zeigt eine Bucharester Korre-
ſPondenz des Wiener „Wanderer“, worin ſich folgende An-
gaben finden: „Den Anfang machte die Verleihung einer
Eiſenbahnkonzeſſion an den Berliner Strousberg; darauf
folgte die Besezung fast sämmtlicher Hofstellen durch preu-
ßiſches Militärperſonal, die Anschaffung von preußischen
Waffen, die Bedienſtung von preußischen Arbeitern im hie-
ſigen Arſenale; die Einführung des preußischen Militär-
reglements in der Armee, die Stellung derſelben unter die
oberſten Befehle des Oberſten Krentki u. ſ. w. Fattiſch
beherrschen heut zu Tage Graf Kaiſerling und Oberſt
Krentki nicht nur den Fürsten, sondern auch das ganze

Wallachen werden zu thun haben, wenn sie dem Weiter-
umſichgreiken des preußiſchen Krebsgeſchwüres vorbeugen
wollen. Auch an ihnen rächt sich die Nichtbefolgung der
f q. daß man die Uebel gleich in ihrem Beginne
ersticken muß.



Deutſchland.

* Mannheim, 29. Jan. „In der Feſtesfreude
über den errungenen Sieg, die Cinführung gemischter
Schulen in Mannheim, reichen wir dem Ausgeschloſsenen
die Bruderhand“ ~ Dieß iſt der Inhalt eines Teles
gramms, welches die Herren P. Dann, M. Rickert und
Cichelsdörfer im Namen vieler hieſiger Bürger und Ein-
wohner an Hrn. Bürgermeiſter Stromeyer in Konſtanz
gerichtet haben. Wie wir hören, hat der hiesige Gemeinde-
rath und kleine Bürgerausſchuß v eine Adreſſe an Hrn.
Stromeyer beſschloſſen. Dasselbe geſchah Seitens der Ge-
meindebehörde in Heidelberg. Hieran knüpfen wir die Mit-
theilung, daß Großh. Ministerium des Innern in der Ex-
kommunikations- Angelegenheit den folgenden Erlaß dem Ge-
maßregelten eröffnet hat: „Die Verfügung des Pfarramts
St. Stefen vom 28. l. M., Nr. 55, worin ausgesprochen
iſt, daß Bürgermeiſter Stromeyer nicht mehr Mitglied der
kathol. Stiftungskommission Konstanz ſein könne, erscheint
im Hinblick auf die Beſtimmung des §. 2 der in diesseiti=-
gem Cinverſtändniß ergangenen Verordnung vom 18. Mai
1868 als unzuſtändig erlaſſen und daher ohne alle rechts
liche Wirkung. Bürgermeiſter Max Stromeyer iſt demge-
mäß nach wie vor Mitglied der Stiftungskommission und
iſt nach §. 29 der vereinbarten Dienſtinſtruktion sofort,
wenn nöthig, durch Anfertigung eines neuen Schchloſſes
und Schlüssels zur Depositenkiſte in die Lage zu versetzen,
der ihm durch den erwähnten g. 29 auferlegten Verpflich-
tung nachkommen zu können.“

* Freiburg, 28. Januar. Der Staatssekretär des
Papſtes hat an den Herrn Erzbisthumsverweser Biſchof
Lothar Kübel ein Reskript folgenden Inhaltes gerichtet:
„Da die Erledigung der dortseitigen Freiburger Metropoli-
tankirche ſich in die Länge zieht, ſo hat Se. Heiligkeit, eifs-
rig bestrebt, für das geiſtliche Wohl der dortigen Gläubigen
zu sorgen, Dir, erlauchter hochwürdigster Herr, außer jeden
und allen Ermächtigungen, welche ſchon nach dem gewöhn-
lichen kirchlichen Rechte Dir als Kapitels-Vikar zuſtehen,
auch noch die Ermächtigung zu ertheilen geruht, während

der Dauer Deines jetzigen Amtes den dazu geeigneten M. ¡1.1

Geistlichen, mit Beobachtung jedoch alles Deſſen, was nach
dem Rechte zu beobachten iſt, Pfarreien zu verleihen, welche
in dem genannten Erzbisthum wirklich erledigt ſind, oder
noch tünftig erledigt werden, nicht minder auch geiſtliche
Benefizien, deren Verleihung unter irgend einem Titel dem
Erzbiſchofe zuſteht. Ich ergreife dieſe Gelegenheit mit Ver-
gnügen, um Dir die Gejinnungen meiner größten Wohl-
geneigtheit zu bezeugen und zu bekräftigene. Rom, aus

dem Staakssekretariat, 56. Januar 1869. Ergebenſter Dies
ner J. Card. Antonelli.“

* Waldshut, 27. Januar. Der Kreisausſchuß hat

zur Förderung des Beſuchs der landwirthſchaftlichen

Winterſchule die Errichtung einer Anſtalt beſchloſſen, in
ivelcher die auswärtigen Schüler neben billiger Koſt und
Wohnung auch die erforderliche Aufsicht und Ueberwachung

finden können; ärmeren Schülern, namentlich den Söhnen
der sogen. Kleinbauern, soll, um auch diesen die Wolhlthat
des Unterrichts zu Thril werden zu laffen, das feſtgeſette
Entgelt ganz nachgelaſſen werden. Auch Behufs Förderung
des Beſuchs der Obſtbaumſschule in Karlsruhe wurden die

entsprechenden Mittel ausgeworfen. Es wurde ferner die
Errichtung einer Kreisverſicherungsanſtalt in Aussicht ge-

nommen, um den Landleuten Entschädigung für das zu

Grunde gegangene Vieh, so weit nicht die Staatskasse hier
einzutreten verpflichtet iſt, zu gewähren. Die Versicherungs-

kaſſe soll auf Gegenseitigkeit gegründet werden, je für einen
einzelnen Ort, jedoch unter Bürgschaft des Kreises, welcher
die Rückversicherung im Falle einer ausbrechenden Seuche
übernehmen würde.

* Stuttgart, 27. Jan. Nach einer königlichen

Entſchliezung vom Geſstrigen soll hier die evangelische
Landessynode am 13. Februar zum erſten Male zuſam-
mentreten. + Dem , Beobachter" wird aus Friedrichshafen
geschrieben, daß im Süden des Landes ‘demnächſt durch
Sendlinge des Herrn v. Schweiter, welcher der preußi-
ſchen Regierung als Agent zur Verhetung der Arbeiter
dient, der erſte Versuch gemacht werden wird, die Laſalle-





Land." Wie iſt's uns denn? Sind Das nicht theilweise
bekannte Töne? Nur die Namen klingen anders. Die

ſche Spaltung in die Arbeiterwelt Württembergs einzu-
führen.

„Mit dem für schlichte Menſchen, die zunächſt an


 
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