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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. [259] - No. 283 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#1065

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f Anzeigen-Gebühr : vie einſpaltige §

;zime der Sonntage und heſtage täglich
etitzelle 8 kr., bei Lokslanzeic en 2 kr. Bestellungen bei der

deulſchen

äglich als Abendblatt

ausgegeben. –ö Her Abo
Expedition C 1 Nr. 15 in

nnezentspreis vierteljährlich Gin Gulven, ohne Boſtauſſchlag

Mannheim und. bei allen Noſtanſtalten.





Die Anträge auf Avrüſtung.

*) In dem preuß;ſchen Abgeordnetenhauſe und der
sächsischen Abgeordnetentammer wurden von der Fort-
ſchrittspartei Anträge gestellt : die betreffenden Regierungen
möchten bei dem Nordbunde dahin wirken, daß die Aus-
gaben für das Militär verringert werden und der Ar-
meebeſtand auf ein geringeres Maß zurückgeführt werde.

Die Anträge bezwecken die Beſchränkung des Militär-
h.! im Nordbunde und allgemeine Abrüſtung in

uropa.

Die „Demokratische Korreſpondenz“ geht der Sache

bezüglich des im preußiſchen Abgeordnetenhauſe geſtellten
Antrages auf den Grund und ſagt: Bei allgemeiner
Wehrpflicht den Militäretat ſo zu beſchränken, daß es die
Finanzen austeichend und dauernd erleichtert, iſt nur
möglich durch Einführung der kurzen Dienſfktzeit;
denn die größten und bleibenden Ausgaben sind die per-
sönlichen, die für das lebendige Material, für Ausrüstung,
Bekleidung, Verpflegung der Mannſchaft. Zwei Ziffern
genügen, das zu vergegenwärtigen. Im altpreußiſchen,
noch nicht auf die annektirten Provinzen berechneten Mi-
litäretat für 1867 waren veranſchlagt im Ganzen 44
Millionen bei einem Gesammtbudget von 169 Millionen,
alſo über ein viertel der Bruttoeinnahme für Militär-
zwecke und dabei machte eine Erhöhung des Soldes der
Mannschaft um 6 Pfg. pro Mann und Tag eine Mehr-
ausgabe von rund einer Million Thaler; für den gan-
zen Nordbund wird die gleicheErhöhung gewiß rund
anderthalb Millionen Thaler (faſt 22/3 Mill. Gulden) be-
tragen. Nimmt man hinzu, daß mit der allgemeinen
Steigerung der Preiſe auch dieſe Ausgaben naturgemäß
ſteigen müſſen, sowie daß der Sold für Unteroffiziere,
Feldwebel und Subalternoffiziere ſchon längst der Auf-
beſſerung dringend bedarf, ſo bekommt man einen unge-
_ fähren Begriff, wie ſehr der Kern der Finanzfrage beim
Militärwesen in dieſen persönlichen Ausgaben ſstectt. Ge-
nau aber dieſe größten, dauernden, allmälig sicher wachſen-
den Ausgaben beruhen auf der geſetlichen Grundlage
der „dreijährigen Dienstzeit‘. Die ist es, die den Staat
finanziell auffrißt. Daß dieselbe dreijährige Dienſtzeit
zugleich den Staat volkswirthſchaftlich verarmt, iſt ebenso
bekannt. Sie iſt beides: Unter-Produktion und Ueber-
Konſumtion. Ohne Abſtellung dieses doppelten Grund-
übels keine Abſtellung der gerügten Nöthe. Alles andre,
trhguul Äh Cinſchränkungen dort, sind trügeriſche
alliativmittel.

; Dieß iſt der sachliche Zuſammenhang, in welchem die
in Berlin und in Dresden gestellte Abrüſtungsbitte auf-
gefaßt werden muß. Die Bitte iſt wohl ernsthaft gestellt.
Iſt ſie dieß aber, ſo kann ſie nur den Sinn haben einer
Bitte um Einführung kurzer Präſenzzeit. ;

König Wilhelm ſoll durch BismarckzRoon beim Nord-
Mordbund einbringen ein Gesetß auf kurze Präſenz, auf
Besſeitgung des Militarismus, auf gründlichſte Umgestal-
tung zoller ſcher Staatsart — je ernſthafter das gemeint
iſt, deſto weniger ernſthaft kann man's anhören. Es iſt

der Hülferuf, aber des Unvermögens; es iſt der Noth-

ſchre, aber des moraliſchen Banterotts. Feſtgesiegt
in Knechtſchaft, so ſteht der Liberalismus in Preußen
und Sachſen; feſtgeſeßt in Knechtſchaft durch eigene
Schuld, so kommt er nicht wieder auf.

Wenigstens nicht in Form q,dieſes“ Parlamentaris-
mus. Dieser verhilſt dem Volke nimmer zu Freiheit
Recht und Wohlſtand. Auch die „Zukunft“ spricht das
offen aus und ſucht die Entſcheidung über den Jnhalt
der Virchow ſchen Petition nicht mehr in der Kammer.
Sie hat freilich ihre Information aus erſter Hand. Sie
hört den Kriegsminiſter als unersſchütterlichen Grundsatz
in Zollernland verkünden, daß ſelbſt in Friedenszeit, ſelbſt
in den allerbürgerlichſten Fragen des Eigenthums. die
Militärbehörden nicht gebunden ſind an Gericht und
j Gesetz, ja auf Befehl ihrer Oberen gebunden sind gegen
Gericht und Gesetz - und sie weiß, daß in solchem
Vort enthalten iſt das A und O aller Zollern, dem mit
einem r„Parlamentarisſchen Votum“ natürlich nicht beizu-
kommen iſt. Sie hört andererseits diesen ohnmächtigen
Parlamentarismus bei Gelegenheit der Waldeckfeier ſich
L es unbescheidener und
unwahrer nicht gedacht werden kann ~ denn , Großes
geleiſtet zu haben“ wird aus dem Munde der Geschichte
als Nachruhm dem verheißen, dem nichts als cin großes
Minus von Leiſtung an Vaterland und Freiheit die Ge-
gentvart schon jetzt nachrechnet. ;







I §§

Die Frage ist: wird man aus dem Material, mit
welchem ſich der preußiſche Parlamentarismus so über-
reichlich als hoffnungslos erweist, die praktische Nutzan-
wendung endlich offen und allgemein ziehen in Preußen
~ in Sachſen + überall !! werden die wenigen Männer
und Organe, die außerhalb des parlamentariſchen Bann-
kreiſes stehen, endlich nicht blos für sich brechen mit den
alten Parlamentariern, sondern den Bruch rückhaltslos
und rückſichtslos hineintragen in das Volk ?! Das Volk
muß aufkommen . . . soll das Ziel erreicht werden.

HBadiſcher Landtag.

* Karlsruhe, 3. Nov. Aus der 17. Sizung der
Zweiten Kammer haben wir noch nachzutragen den
Bericht über die Beantwortung der von dem Abg. v.
Fe d er gestellten vier Fragen bezüglich der Konzession
von Lebensverſicherungsgeſ ellſchaf ten.

Handels-Min. v. Duſch beantwortet die vier Fragen
dahin : Was die erſte Frage betreffe :

„Nach welchen Grundsätßen verfährt das Ministe-
rium bei Ertheilung von Konzessionen an Lebensver-
sicherungsanſtalten ?"

so ertheile die Regierung, nachdem die Staatsgenehmigung
als nothwendig für Alktiengeſellſchaften, die ſich mit
Lebensversicherungsverträgen befaſſen, durch die Art. 32
und 33 des Cinf.-Geſ. zum allgem. deutschen Handels-
geſeßbuch eingeführt wurde, diese Konzeſſion nue auf
Grund ſorgfältiger Prüfung der Verhältnisse dieſer Ge-
ſellſchaften, die aus den Statuten, aus den Instruktionen
an die Agenten, aus den Policen und den Bilanzver-
hältniſſen erſichtlich ſind; auch laſſe ſich die Regierung
ſtets von zuverlässigen Stellen Mittheilung machen über
den Stand dieſer Gesſellſchaften und verlange Mittheilung
der Geschäftsnachweiſe, der Namen der Generalagenten
u. s. w., so daß sie immer genau über jede Geſellſchaſt
unterrichtet ſei.
Hingichtlich der zweiten Frage:

„Beabsichtigt das Miniſterium, das System der
Kzuutrs auch fortan beizubehalten, oder es
aufzugeben?“ j

habe das Miniſterium vorerſt keinen Grund, von dem
jeßzigen Syſtem abzugehen, da ja andernfalls auch der
Art. 33 des H.-G.-B. aufgehoben werden müßte und
dieß nicht thunlich erscheint.
Zur dritten Frage :
„Glaubt das Miniſterium im Falle der Beibe-

q



haltung des Konzessionsſyſtems die bisherigen Be-

dingungen der Konzession, reſp. die Kontrole an-

e hs neuerer Vorgänge nicht versſchärfen zu

müssen ?“
bemerkt Redner, daß eine ſtändige Kontrole einestheils
wegen Mangel des nöthigen Materials, anderntheils
wegen der großen Beläſtigung des freien Handelns dieser
Gesellschaften bei fortwährender Beaufsichtigung nicht
wohl möglich sei. Dagegen werde die Regierung Sorge
tragen, daß die Materialien den Betheiligten ſtets zur
Verfügung gestellt werden und werde in Erwägung ziehen,
ob nicht die auswärtigen Geſellſchaften verpflichtet werden
sollen, ihre Bilanzen zu veröffentlichen und den Bethei-
ligten mitzutheiln. Auch ſsei die Regierung jeder Zeit
bereit, den Betheiligten Auskunft zu geben.

Bezüglich der vierten Frage:
„Welche Schritte gedentt das Miniſterium ange-
sichts dieſer Vorgänge zu thun, um die Interessen
der in auswärtigen Lebensversſicherungsanſtalten ver-
sicherten Staalsangehörigen sicher zu ſtellen?“
ergebe sich die Sicherheit der Betheiligten hauptsächlich
aus der soliden Geschäftsführung der Gesellſchaften, aus
den Bilanzen, sowie auch aus der Verpflichtung dieſer
Geſellſchaſten, vor den badiſchen Gerichten Recht zu
trhuzt Weitere Garantien halte die Regierung nicht
ür nöthig.
j Uebrigens müſſe er schließlich noch bemerken, daß bis
jezt noch keine Klagen gegen auswärtige Geſellſchaften
eingelaufen seien.

Abg. v. Feder erklärt ſich im Allgemeinen durch
die Auskunst des Herrn Mintſterialpräsſidenten zufrieden-

geſtellt, bemerkt aber, es ſollte doch eine größere Kontrole

ſtattfinden, wie dieß z. B. in dem Staate Newyork der
Fall sei; auch solle man, wie in Prenßen, Kautions-
leitung von diesen Geſellſchaften verlangen, reſp. von
den Generalagenten zur Sicherſtellung der inländischen





Betheiligten; man könne dieß, ſelbſt noch rückwirkend, ein~ |

führen.

Volitiſche Ueberſicht.
Mannheim, 4. November.

* Die Zweite Kammer in Baden hat bei Ablehnung
des direkten Wahlrechts eine außerordentliche Seelenver-
wandtsſchaft des badiſchen mit dem preußiſchen Parla-
mentarismus bekundet. Nur wurde der badiſche Abg
Näf von ſsséinem preußiſchen Kollegen Jung, die Karls-
ruher Kammermehrheit don der Berliner Kammermehrheit
noch übertroffen. Die Mehrheit des Berliner Abgeordneten-
hauſes hat nämlich nicht allein das direkte, ſondern auch
das allgemeine Stimmrecht, in Abweiſung bezüglicher Pe-
titionen, a b gel eh nt. Ob dieser neue N
anlaſſung genug iſt, in einem Kopfe zu Karlsruhe den
Gedanken wach zu rufen, im Interesſſe der innigsſten

Uebereinſimmung mit dem Muſterſtaate den Beſchhaen.

vom 24. Okt. einer Reviſion zu unterwerfen ? Schon
hat die national-konſervative „Warte“ herausgefunden :
daß die meisten Redner der Kammer gegen die „direkte“
Wahl Alles das geltend gemacht haben, was eigentlich
prinzipiell „nur gegen die allgemeine Wahl“ hätte geſagt
werden können. Wenn Begriffsverwirrung obgewaltet :
dann iſt eine Reviſion des fraglichen Beſchluſſes auch aus
inneren Gründen gerechtfertigt. |

Im Anſchlusse an die mit dem Grafen Beuſt getroffene
Vereinbarung, daß es den öſterreichiſchen Truppen geſtattet
iſt, bei Bekämpfung des dalmatisſchen Aufstandes türktiſches
Gebiet zu betreten + hat die türkiſche Regierung die
ſtrengſte Einschließung der an österreichiſch Dalmatien
grenzenden Landstriche der Herzegowina und Albaniens
angeordnet. Die Truppenkommandanten erhielten Befehl,
die auf türkiſches Gebiet übertretenden Inſurgenten zu
entwaffnen und gefangen zu nehmen. So ſcheint die
Anwesenheit des Kaiſers von Oesterreich und des Reichs-
kanzlers Beuſt in Konſtantinopel von Cinfluß auf die
Maßregeln geweſen zu ſein, welche von der türkiſchen
Regierung angeordnet wurden, damit der Aufstand in
Dalmatien so viel als möglich von ſeinem Hinterlande
abgeschnitten werde. Damit das in Ciferſucht thätige
Zollern th um nicht ganz leer ausgehe, hat der Sultan
— wie telegraphiſch gemeldet wird ~ auf Verwendung
des Kronprinzen von Preußen das ganze Terrain der
alten Kirche der Johanniter-Ritter in Jeruſalem dem
König von Preußen als Eigenthum abgetreten. |

In Dalmatien iſt Oberſt Fiſcher von Fort Trinita
vorgerücktt und yat ~ wie ein Telegramm aus Cattaro
ſagt + die Inſurgenten bis über Sutwara zurückge-
drängt. Graf Auersperg iſt über Trieſt nach Dalmatien
abgegangen, um den ihm übertragenen Oberbefehl über
die Truppen zu übernehmen. Soweit die militäriſche
Aktion. Zur diplomatiſchen wird gemeldet: Die fran-
zöſiſche Regierung habe dem Fürſten von Mentenegro die
„zuverſichtliche" Erwartung ausgesprochen, daß er alles
Ernstes die volle Neutralität beobachten werde. Dieſe
Mahnung ſoll von dem Hinweiſe begleitet sein : daß
andernfalls die Pforte nicht behindert werden tönne aus
ihren ſnzeränen Rechten alle diejenigen Konsequenzen zu
ziehen, die ſie durch ihr Intereſſe geboten erachten könnte.

Zäſar ruft ſie nicht, die Rächerin! doch wird die
Zeit sie bringen. Mit dieſen Worten haben wir geſtern
eine Notiz aus Paris begleitet. Heute haben wir zu
verzeichnen, daß am Grabe Baudin's ein Student zu der
versammelten Menge gesprochen : „Bürger! Ich danke,
nach dem Grabe Baudin’s gekommen zu ſein; aber es
ſind nicht fruchtloſe Thränen, welche ſeine Manen erhei--
schen; ſie rufen na) Rache. Deßhalb sage ich Euch auch
nicht, wie der Bürger Guillaud letztes Jahr: Beweinen
wir denjenigen, der zu ſterben verſtand! sondern ich rufe
Euch zu: Rä chen wir den, welcher zu ſterben verstand.“
~ Paris iſt ruhig.

U Gu U Y! iceumaskrejen soll man die Ernen-
nung des Hrn. v. Camphauſen zum pr eußiſchen Fi-
nanzminiſter als ein „bedeuſames" Zeichen für den
erhlaſſenden Einfluß Bismarcks beurtheilee, da Campz
hauſen „heftiger Gegner der Annexionspolitik und der
Nordbundsschöpfung“ sei. In Berlin scheint man von
einer solchen Anschauung des neuen Finanzminiſters noch
keine Ahnung zu haben. Wernigſtens berichten die dor-
tigeu Blätter nichts hievon. Sie melden nur : ſeit Hr.
v. d. Heydt ~ nach ſeiner eigenen Aussage + gläüttlich
aus dem „Schwindel“ heraus sei, lauteten die Berichte
über das Befinden Bismarcks auffallend günſtig und es
werde angezeigt, der Graf werde alsbald nach Berlin

| kommen und an den Landtagsarbeiten Theil nehmen.


 
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