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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 76 - No. 101 (1. April - 30. April)
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: 1869.









ze 81.



Mittwoch, 7. April |



Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.

















Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.

und Festtage + täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.







zs T: -
Die Allianzverträge.

; H Sie bildeten bekanntlich den Triumph Bismarck-
ſ>er Schlauheit; nie war der edle Mann dem Grafen
Cavour so nahe gekemmen, und zwar zu einer Zeit, wo
er noch nicht „in der Treieinigkeit“ gräflich „erſtarkt"
war, wie sein jeziges Wappen besagt. Hatte er den
Vonaparte durch den Cclat eines ,„sicbentägigen Krieges“
iber den Löffel barbirt und seine diplomatiſche Inter-
vention auf Nikoleburg reduzirt, so barbirte er ihn mit
den geheimen Allianzverträgen über den Ma in. Trutz
und Schutz zwiſchen Preußen, Bayern, Württemberg und
Baden, preußiſches Oberkommando über die zu organiſi-
renden Truppen von Baden, Württemberg und Eayern!
Dcr Zollverein sorgte ſsür die Gemeinsamkeit der Zölle
und der Kaſſ-, die Allianzverträge ſür die Gemeinsamkeit
in Blut und Ciſen: wie weit war's da noch bis zum

Ans ?

tif ua : der drei Südſtaaten wurden auch
wirklich reorganiſirt, das preußiſche Heerwesen nach Kräf-
ten eingeführt; nichts stand einer gemeinsamen Operation
im Felde mehr entgegen, nichts als — die Unzufrieren-
heit des ſüddeutſchen Volkes, als der durchaus unpreu-
hiſche Geiſt des Südens. Die Gewalt hatte ihre Rech-
nung mit der Furcht abgesſchloſſen, aber die Rechnung
ohne den Wirth gemacht. Wäre der Süden begeiſtert
ſür die Biemarck'ſche Einheit, oder vielmehr, gälte es
heuer die Vertheidigung der Reichsverfaſſung, so bedurfte
es keiner Allianzverträge; denn niemals hätte ein Franzose
daran gedacht, über den Rhein zu gehen. Die Armee
des sranztſiſchen Autokraten zieht nicht gegen die Freiheit,
ſeit Mexiko gewiß nicht mehr, und die Deutschen gelten
denn doch ſür elwas mehr als- die Mexikaner.

Man hat vielleicht im Norden einmal daran gedacht,
die betrcffenden süddeutschen Kontingente im Kriegsfalle
lber den Main zu ziehen, ſie der norddentſchen Armee
einzuverleiben und uns dafür norddeutſche Truppen zu
senden. Angenommen, der Süden bringe es jeßt auf

100,000 Mann mobiler Truppen, was uns hochgegriffen

scheint, was wollen 100,000 Mann von Mainz bis Baſel,
die Schweizer Front entlang, zur Behauptung des ganzen
Schwarzwaldes sagen ? Wie tönnen 100,000 Mann gegen

Frankreich genügen und, im Jalle der Ueberſchreitung
d er Mainlinie, gegen Oesterreich Wenn nämlich
Oesterreich auch in dem Duelle zwiſchen Biemarck und
Naboleon neutral bleibt, ſo geht doch sicher diese Neu-
tralität nicht über den Prag er F ri eden hinaus; Deſter-
reich hat die Allionzverträge nicht unterſchrieben!

Wir ſind der Ansicht, daß man in Wien die Räu-
mung des bayeriſchen Landes von den bayeriſchen Trup-
pen nicht gleichgiltig mit ansehen würde, und daß ein zur
rechten Zeit an der bayeriſchen Grenze aufgestelltes Obſer-
vationskorps die bayeriſche Regierung ſelbſt beim beſten
Willen am Ausmarſch verhindern tönnte. Der nord-
deuiſche Ersaß würde demnach ſchwerlich auch nur an
Ort und Stelle gelangen; halten könnte er ſich zwiſchen
Franlreich und Oesterreich auf keinen Fall.

“ Der norddeutſche Bund hat sehr viele Soldaten, aber
er hat auch auf eigenem Gebiete furchtbare Strecken und
wichtige Puntte zu ſchüten, von Mainz bis zur Nordsee,
die ganze Nordsee und die Ostsee dazu. Cr muß eine
Armee am Rhein haben, eine zweite in Hannover, eine
dritte in Pommern: wie kann er da an den wirkſamen
Schutz des Südens denken ?

So ganz telegraphiſch verrückt war es daher nicht,
als sich die „N. Fr. Preſſe“" von Brüſſel melden ließ,
Bismarck verzichte auf die Allianzverträge, eine wohl-
wollende Neutralität sei ihm lieber. Die „N. Fr. Pr.“
berichtete dieſe Nachricht mit den ſtärksſien Vorbehalten,
mit den ausdrücklichſten Zweifeln an ihrer Wahrhaftigkeit.
Wenn nun dennoch die nationalliberale Meute wie wü-
ihend über das Telegramm hersſiel, was bedeutet Das
weiter als die tiesſte Beſchimung über das bloße Auf-
kommen einer ſolchen Nachricht ?

Bie, dieſer deutſche Cavour müßte wirklich zum Rück-
marſch blaſen, die berühmte Düpirung Frantreichs er-
wiese sich als Illuſion? Er fände es wirklich unthunlich,
auf Ausführung der Allianzverträge zu bestehen, er zwei-
sſelte auch nur an ihrem klaſſiſchen Werthe ? Wir ſtän-
den in der That vor der zweiten vermehrten Ausgabe
* oder Herausgabe von Luxemburg ? !

Dennoch glauben wir nicht an die formelle Auf-
bung jener Verträge; wir glauben nicht daran, weil Bis-
marck ſich jedenfalls im Süden eine Mühle offen halten









will. -.Er;: wird ,die Verträge. ruhe n.. laſſen,,nd, ; h. ihre
Nichtausführung + vorläufig nicht ahnden. Er wird
mit Bonaparte auf die Menſur gehen, leider nicht Er
allein mit Ihm allein; ſiegt er, dann kommt die Reihe
an den Süden und das Schauſpiel vom 3. bis zum
26. Juli wird ſich. in vergrößertem Maaßſtabe wieder-
holen; unterliegt er, nun, so wird er auch noch andere

| Leute in Ruhe laſſen als die Süddeutſchen.

Wollen diese aber noch etwas bedeuten, wollen Jie
während des Kampfes bis nach der Entscheidung noch
Ziffern nud nicht Nullen ſein, so müssen sie ſich zuſam-
menthun, aus Einem Punkte handeln. Die Zeit
drängt, ja sie brennt, und in Baden, wo die Haupt-
arbeit zu thun iſt, geſchieht noch immer nichts. Heraus
aus Euren Verstecken, ihr Patrioten, die zwölfte Stunde
iſt da!



Politiſche Ueberſicht.

Mannheim, 6. April.

* Wer kennt nicht die Geſchichte von dem Jäger, der
das Fell des Bären verkaufte, ehe der Bär erlegt war!
In Spanien wiederholt sich das artige Stüctchen. Noch
hat die Jagd, deren Hauptbeuteſtück vom Verfassungs-
entwurf der Kortesmehrheit in einem Königeſtuhl gesucht
wird, nicht begonnen; noch iſt die Berathung des Ent-
wurfes von der konſtituirenden Verſammlung nicht in An-
griff genommen, und ſchon ſoll, ſo meldet wenigſtens der
„Madrider Imparcial“, der Miniſterrath in einer Abend-
ſikung am 3. sich für die Uebertragung der Krone an
den frühern König von Portugal, Don Ferdinand, ent-
ſchloſſen haben. Ob der Erkorene des Miniſsterrathes das
ihm zugedachte Geschenk auch annehmen werde, weiß das
genannte ministerielle Blatt noch nicht zu sagen; es be-
ſchränkt sich auf die tröſtliche Mittheilung, daß eine förm-
liche Ablehnung Seitens des portugieſiſchen König - Pen-
sſionärs noch nicht vorliege.

Aus Florenz und Wien wird von Rundschreiben der
dortigen Miniſter des Aeußern an die bezüglichen Ge-
sandten berichtet, worin das Gerücht von einer franz öÖ-
ſiſchritalieniſch-öſterreichiſchen Allianz aks un-
begründet bezeichnet, jede Neigung zu gefährlichen Unter-
nehmungen abgelehnt und die Versicherung friedfertigsier
Gesinnungen ausgesprochen iſt. Statt der Verſicherung
auf dem Papier wünſchten wir eine Bürgschaft mm der
That. So lange die Regierungen nicht an eine Ab-
rüſtung, an eine Verminderung und Abschaffung der
ſtehenden Heere , dieser ſteten Friedensbedrohung , gehen;
ſo lange das von Thiers neuerlichſt (man vergleiche unter
Paris) ausgesprochene Verlangen, die Entscheidung über
Krieg und Frieden von den Kabinetten weg in die Hände
des souveränen Volkes zu legen, unerfüllt bleibt:: ſo lange
wird die Kriegsbeſorgniß auf Europa lasten.

Der Nothstand in Preußen , welcher in seiner be-
sonderen Beziehung auf den Arbeiterſtand sich erſt vor
wenigen Tagen durch die Vorfälle in Gumbinnen kund-
gegeben hat, in ſeiner allgemeinen Ausbreitung bereits
durch viele früheren Mittheilungen konſtatirt ist , äußert ſich
in auffälliger Weise durch eine vermehrte Auswanderung.
An einem einzigen Tage der verfloſſenen Woche haben,
wie aus Berlin berichtet wird , vom dortigen Potsdamer
Bahnhofe aus 1500, am Tage darauf gar 2000 Perſo-

nen, meiſt Landleute aus der Provinz Preußen, ſich auf !

den Weg ans Meer gemacht, um „auf der anderen Seite
des Wassers" den Lebensunterhalt zu finden, den ſie in
ihrem Heimathlande vergeblich geſucht.



Deutſchland.

* Karlsruhe, >. April. Wie die „Karlsr. Ztg.“
vernimmt, hat die Großh. Regierung bezüglich der G ott -
ha rdb a h n bereits eine beſtimmte Entſchließung gefaßt,
und würde dieselbe in kürzeſter Friſt der ſchweizerifchen
Bundesbehörde Erklärungen abgeben in dem Sinne, daß
auch Baden, wie der Nordbund und Italien, für den zu
erbauenden Zentral-Alpen-Uebergang dem St. Gotthard
den Vorzug gebe und ausschließlich diesem Paſſe die ma-
terielle Unterſtüzung zuzuwenden in der Lage sei, deren
Bewilligung sie eventuell den Kammern vorzuſchlagen ſich
vorbehalte. Die Berathungen der mehrerwähnten, von
dem Handelsministerium niedergejſezten Spezialkommission
beziehen sich auf die, für die Höhe der eventuell dem

Unternehmen zu bewilligenden Subvention erhebliche Frage
des Einfluſſes der Gotlhardbahn anf die Vermehrung der |







Rentabilität des badiſchen Bahnnetes und auf die wirth-
schaftlichen und kommerziellen Verhältnisse des Lande.

* Aus Baden, 3. April. Das Defizit in unſe-
rer Militärverwaltung soll alſo nur einige Gagenſäge
berühren. Im „Ganzen“ dürften durch die außerordent-
lichen Beurlaubungen Erſparniſſe gemacht worden sein.
Wie es den Anschein hat, wurden diese Ersparnisse jedoch
nicht der Staatskasse gutgebracht sondern dazu verwendet, die
Defizits in anderen Resſſorts des Kriegsminiſteriums zu
decken. Und trotzdem Ueberſchreitungen der für Gagen
bewilligten Summen. Was nun diese Ueberſchreitungen
des Näheren betrifft, so dürfte es der „Frf. Ztg.“ zu-
folge damit folgende Bewandtniß haben: „Cin badiſcher
Oberſt und Regimenis-Kommandeur hat 3400 fl. Gage;
ein badiſcher General-Major 4700 fl. Der aus preußi-
schem Dienste für den badiſchen „gewonnene“ Oberſt und
Regiments-Kommandeur dagegen hat über 5100 fl. Mit-

| hin um 400 fl. mehr als sein eigener Brigadier! Was

die Gage des Kriegsminiſters anbelangt, der zugleich Korps-
Kommandant und General-Adjutant iſt, ſo erzählt man
ſich in Bezug auf dieselbe Unglaubliches. Sollte das
3fache Amt auch dreierlei Gehalt mit ſich bringen? Uns
dünkt, daß die Gage-Ueberſchreitungen gar nicht in das
Militär-Budget gehören, sondern als Beweise besonderen
fürstlichen Wohlwollens aus der Zivilliſte zu beſtreiten
ſind, und da diese nebſt freier Jagd auf circa 42,000
Morgen und freier Benuzung von Luſtſchlössſern u. ſ. w.
(nach der Erhöhung im Jahre 1858 um 100,000 Fl.)
gegenwärtig auf die hübſche Summe von 752,490 fl.
jährlich feſtgeſeßt iſt, ſo könnte ja immerhin etwas übrig
bleiben zur besseren Dotirung der „gewonnenen Intellis
genzen“. Mau kann freilich nicht verlangen, daß ein
Oberſt, der im preußischen Dienste jährlich 5100 fl.
Gage hatte, ſich mit der badischen Oberſt-Gage d. h.
mit 3400 fl. (sie!) begnüge, allein es iſt durchaus nicht
bewiesen, daß die Berufung nothwendig und dürfte dieſer
Beweis um so ſchwerer fallen, als man nicht zu behaup-
ten wagen wird, daß in dem badiſchen Armeekorps keine
Stabs-Offiziere, die zu Regiments-Kommandeuren geeig-
net ſinn. Was wird unsre zweite Kammer dazu ſagen..
Die „Frkf. Ztg." fürchtet, ſie werde vielleicht gar „dieſem
Ministerium“ Indemnität ertheilen und in dieſ.m Falle
will das genannte Blait Baden aus der Liſte der Staa-
ten, welche eine Volksvertretung haben, streichen! Im
Lande rührt ſichs schon seit lange gegen „diese Kammer“ ;
sie genießt keineswegs das Vertrauen des- Landes, und
wenn auf andere Weiſe ein neues Wahlgeseß zu Stande
gebracht werden könnte, ſo würden wohl nur Wenige sein,
welche diese Arbeit noch der jeßigen Kammer übertragen
haben wollten. So aber iſt das Verlangen nach Cinbe-
rufung eines außerordentlichen Landtages zum Zwecke der
Abänderung des Wahlgesſeßes und nach Zuſammentritt
einer neuen durch allgemeine und direkte Wahlen berufes.
nen Kammer nichts weiter als ein Mißtrauensvotum
sür Regierung und Kammer. + In der Nacht des Oſterz-
dienstag paſſirten 8 badi ſche Soldaten mit Sack und
Pack Heidelberg. Dieselben begaben ſich nach Berlin, um
an militärischen Uebungen Theil zu nehmen. Der „Pk.
B.“ meint, die miniſteriellen Blätter hätten hierüber noch
keine Aufklärung gegeben. Vielleicht, daß ſie noch erfolgt.
Für diesen Fall erbitten wir ſie auch bezüglich einer Mit-
theilung im „Obrh. K.“, wonach vor einigen Wochen
einem Freiburger Bürgersſohn, der zu Berlin als Schreis-
ner arbeitet, von der Berliner Militärbehörde ein Schrei-
ben zugeſtellt wurde, dahin lautend, er brauche nicht nach
Hauſe zu gehen, er könne ſich in Berlin ſtellen und
ſeiuer Militärpflicht Genüge leiſten; nur müſſe er
seinen Taufſchein beibringen. Da nun der junge Mann
nicht Luſt hatte, die Schule der „militärischen Gewöh-
nung“ in Berlin durchzumachen, ſo wurde jetzt demſelben
durch einen Konſtabler eröffnet, daß, wenn er den Tauf-

schein nicht beibringe, er bis zum 3. Mai Berlin zu ver-

laſſen habe. Wie gesagt, über dergleichen Vorgänge ſind

Aufklärungen dringend erwünſcht, da Verträge in dieser Rich-

tung für vie beiderseitigen Landesangehoörigen gesetzlich

nicht beſtehen und wir doch hoffentlich noch nicht jo weit

gekommen ſind, daß das Ministerium Jolly es für unbes

denklich erachtet, sich über dergleichen konſtitutionelle Fors

malitäten h‘nwegzuſegen. ~ Der Oberbürgermeisſter von

Offenburg, Hr. Schaible, hat jetzt auch Grundzüge

in Vorſchlag gebracht , nach welchen einzelne Titel der

Gemeindeordnung einer Abänderung unterzogen wer-

den ſollen. Sonſt iſts ziemlich ſtille geworden, von den

bürgermeisterlichen Beſtrebungen für Revifion der Ges




 
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