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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 102 - No. 126 (1. Mai - 30. Mai)
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Donnerſtag, 27. Mai.











Plaunhein

Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.



1U69.














Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täg
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lich als Abendblatt ausgegeben. Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
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TE Auf die „Mannheimer Abend-
zeitung‘“ kann noch für den Monat Juni
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Die Offenburger Verſammlung.

** Habt's recht gemacht, ihr Herren, wir ſind zu-
frieden mt Euch. Unser Zungenſchlag hat gewirkt, und
Deß freuen wir uns. Cs wird ſich Niemand darüber
täuschen, daß Baden, daß Deutschland den Aufschwung,
den die Offenburger genommen haben, nur der Demo-
kratie zu danken hat. - Es liegt uns bis jezt kein einge-
. hender Bericht über die Offenburger Verſammlung vor
und so können wir nur im Allgemeinen sprechen. Aber
soviel scheint sicher, daß Riemand in Offenburg gewagt
hat, der Demokratie offen den Handſchuh hinzuwerfen;
während doch aus Allem, was dort geſagt worden ist, her-
vargeht, daß gerade Furcht vor einer durchschlagenden de-
mokratiſchen Bewegung die Leiter der Offenburger be-
herrſchte und vorwärts stieß. Die denkenden Köpfe der
Partei haben bei allen Reformen, welche die Demotratie
betreibt, ſich im Grundſagtz e einverſtanden erklärt, und
daran in Beziehung auf thatſächliche Durchführung des
Grundsatzes stets nur ein Aber angehängt, mit welchem
die Verwirklichung des Grundatzes in die Weite geſchoben wird.
Mit solchen „Abermännern“ werden die Regierungen ſchon
fertig werden; mit ihnen machen die Regierungen was sie
wollen; mit ihnen halten sie, wenn sie dazu Luſt und Trieb
haben, das Volk zum Narren, lachen sie die Nationen, ~ und
am Ende vor Allem die lächerlichen. , Abermänner“ selbst aus.

Denn mit ſolchen Aberwitzigen, Aftergläubigen, Afterklugen

und Abermuthigen sett die Regierung durch, was sie will
und was sie nicht will. So oft diese Aber- und Akter-

. männer kommen und demüthigen Blickes einen durch-

lauchtigſten Bückling machen und von dem Grundſſate
ſprechen, macht auch die Regierung einen Bückling freund-
lichen, herablaſſenden Einverſtändnisſses und = entläßt sie
iu Gnaden mit einem in allen möglichen Saucen auf-
getragenen leeren Knochen, genannt „Aber!“ Es iſt
uns unbegreiflich, wie ſo kluge Leute, wie Lamey,
Kiefer und etwa auch Eckhardt welche ſind, mit in
dieſen Aberwis der Mtterpolitiker einſtimmen können.
Sie ſollten doch gewitzigt sein, denn es heißt: ge-
brannte Kinder scheuen das Feuer und überſchüttete Katzen
das Waſſe. So lange Lamey Minister, Kiefer und
Eckhardt tonangebende Leute waren, ſind eine Menge Re-
formen angeſtoßen, angebahnt worden und = nicht zu
Stande gekommen. Sie ſind an nichts gesſcheitert als an
den „Abers“ der Bureautratie, den „Abers“ des Hrn.
Stabel und seiner Unterlinge und Gleichgesinnten. Die
Mehrzahl der Reformen, die angebahnt wurden, ſollten
Mißstände im Verfaſſungs- und Verwaltungsleben Badens
beseitigen, die durch den Kriegszuſtand nach 1849 in die-
selben hineingetragen worden. Damals gab es keine
„Aber“. In jedem Gesetblatt des Kriegszuſtandes ist
von acht zu acht Tagen eine Anzahl neuer Gesetze, welche
die Rechte des Volkes vernichteten, zu lesen. Schockweise
kommen sie vor, meiſt mit Stabels Namen. Als es aber
unter Lamey galt, diese des Volkes Rechte mit Füßen
lretenden Gesetze zu beseitigen, war wieder Stabel am
Ruder, und im Grundſatze so liberal, daß wir ihn
noch heute in allen Kneipen des Landes, die nicht immer
neue Wandbilder kaufen können, zwiſchen Lamey und
Roggenbach hängen sehen. Die Reformgeſeße aber gingen
nicht von der Stelle; was in acht Tagen verdorben
worden war, konnte in ſoviel Monaten nicht wieder gut
gemacht werden, denn die Aber- und Afterwitzigen standen
den Aber-Männern gegenüber, und = lachten sie aus.
Deswegen dauert uns bei dem Sturme, den jett dieſe
Aber- und Mftertapferen wieder anschlagen, nur Eines:
das Volk, das wieder ins Feuer gehetzt wird, mit dem
Grund ſate, um hinterher mit dem „Aber“ übergossen
heimzukehren. Mit solchem Treiben nützt man die Stahl-
kraſt des Volkes ab, + und deswegen bekämpfen wir
die Aberklugen und Aftertapferen.

Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 26. Mai.
_ +* Mit Ausnahme von zwölfen sind jezt aus ſämmt-
lichen 192 Walhltkreiſen Frantreich's die Ergebniſſe der
am 283. und 24. ſtattgehabten Neuwahlen für den gesetz-







gebenden Körper bekannt. In den Departemens hat die
entſchiedene Opposition beiläufig dreißig, die Mittelpartei
etwa ein Dutzend, die imperialistiſche die übrigen Sitze
beseßt. (Einer großen Mehrheit ist der Kaiſer demnach
auch in der nächſten Sitzungsperiode gewiß; einen bittern,
vielleicht den ganzen Genuß vergällenden Tropfen inſeinen

| Freudenbecher träufeln aber die Wahlen der Hauptſtadt.

Dort sind in fünf Bezirken die Kandidaten der vorge-
ſchrittenſten Demokratie mit überwältigender Mehrheit ge-
wählt worden, und in den vier anderen Bezirken, in wel-
c<en eine abſolute Mehrheit beim ersten Wahlgange ſich
nicht ergab, gehören die Männer, die die meiſten Stimmen
erhalten haben und zwischen denen nun eint engere Wahl
vorzunehmen ist, nicht nur gleichfalls ſämmtlich der Oppo-
sition an, sondern es iſt auch mit aller Beſtimmtiheit vor-
auszuſehen, daß die Kandidaten der äußersten Linken
über die weniger entschiedenen auch da den Sieg davon-
tragen werden. Das Hauptintereſſe des Pariser Wahl-
kampfes hatte sich an den dritten Bezirk geknüpft, wo
Bancel, der greiſe Republikaner von echtem Schrot und

Korn, das Mitglied der Bergpartei in der Nationalver- |

sammlung, dem von der Regierung begünſtigten Ollivier,
dem Pariser ,„National-Liberalen“, der die „Verſöhnung
des Cäſarenthums mit der Freiheit“, die „Freiheit durch
Napoleon“ predigt, entgegengeſtelt war. Mehr auf-
richtig, als klug, war von der offiziöſen Presſſe der Kampf
zwischen Bancelu. Ollivier als ein Kampf zwiſchen Revolution
und Kaiserreich bezeichnet worden: nun ~ Banecel hat
nahe an 23,000, Ollivier hat nicht 18,000 Stimmen
erhalten. Die volle Bedeutung dieser und der Pariser
Wahlen überhaupt können denn auch ſelbſt die imperia-
liſtiſchen Blätter nicht todiſchweigen, und bereits stellt die
„France" dem Weheruf über den in den Pariſer Wahl-
urnen erfochtenen Sieg der Revolution den einzigen Troſt
an die Seite, daß die ungeheure Mehrheit der Stimmen
Frankreichs die Revolution desavouire. Die Mehrheit
Frankreichs! Paris iſt die Herzkammer des Landes, und
ſchon mehr als einmal haben seine Pulssſchläge erſchüts
ternder gewirkt, als die Mehrheitsbeschlüſſe der Kammer.

Den kürzlich aus C hi na eingetroffenen Nachrichten
von neuerlichen Ausbrüchen des Volksunwillens gegen die
europäiſchen Missionäre reiht ſich eine Meldung etwas
bedenklicherer Natur an. Nach einer Mittheilung aus Hong-
Kong vom 28. April soll der franzöſiſche Gesandte in
Peking von einem dortigen hohen Würdenträger ,„entpfind-
lich“ (man ſpricht von einer Ohrfeige) beleidigt worden
sein und in Folge Dessen ſeine Flagge eingezogen haben.
Obwohl selbſt das Pariſer Hofblatt, die „France,“ diese
Nachricht in ihre Spalten aufgenommen hat, wird bis
zum Eintreffen ekner Beſtätigung erlaubt sein, zu be-
zweifeln, daß in dem wegen ſeiner zeremoniöſen Höflichkeit
bekannten „Reiche der Mitte" ein hoher Würdenträger
ſich eben so solle zur Wange eines franzöſiſchen Ge-
ſandten hingezogen gefühlt haben, wie seiner Zeit der
Dey von Algier, der die flüchtige Beſißergreifung des
französischen Backens mit dem dauernden Verluſte ſeines
Landes bezahlen mußte.

Offiziöſse Wiener Stimmen kündigen es als unzweifel-
haft an, daß in der Angelegenheit des Biſchofs von
Linz dem Gesetze voller Lauf gelaſſen werde. Beharre
der Biſchof auf seiner Weigerung, der gerichtlichen V or-
ladung zu folgen, ſo werde diese ſich eben in eine Vor-
führ ung verwandeln. Durch eine abermalige, dießmal
mit der Beifügung einer Strafandrohung erſolgte Vor-
ladung hat das Linzer Landesgericht dem Biſchof bereits
Gelegenheit gegeben, seine Wahl zu treffen.



Deutschland.

* Karlsruhe, 26.Mai, Amtliche s. Gerichts-
notar F. A. Kuhn in Gerlachsheim wurde bis zur Wieder-
herſtellung der Gesundheit in Ruhestand versetzt.

Der gestern erschienene „St aat s anzeige r “ Nr. 14
enthält : Der Liquidationskommission der Deutschen Feuerver-
ſicherungsgesellſchast auf Gegenſeitigkeit in Nürnberg wurde
ihrem Antrag gemäß gestattet, die Abwickelung ihrer Ge-
ſchäfte im Großherzogthum unmittelbar und ohne Ver-
mittlung eiues Generalagenten zu beſorgen. Die Liquida-
tionskommission hat hienach die Vollmacht, wonach dem

Kaufmann L. Richard in Mannheim die Generalagentur

übertragen war , zurückgezogen. –~ Die neue Bahnltrecke
Raſtatt-Gernsbach wird dem Dienstbezirk des Eisenbahn-
Ants Karlsruhe zugetheilt.

c Aus der Residenz, 27. Mai. Unſfere Mi- |
niſteriellen tragen die Köpfe hoch. Der Offenburger Vor- [ und



gang , die Vertrauensadressen, der aus allen Ritzen her-
vorbrechende Servilismus, wie 1850-52 traurigen An-
gedenkens , düngt prächtig ihre Saat. Bureaukratismus
und Militarismus werden heuer vortrefflich ſich weiter ent-

wickeln. Heute verzeichnen ſie -~ die Minisſteriellen

eine Vertraue nsadreſſe der Gemeindebehörde von
Lahr. Hiebei ſchmunzeln sie ganz besonders, weil dieser
Körper bisher etwas spröde war und noch mehr , weil
Kiefer, der im dortigen Bürgerabend „,ſich in ſeiner
feurigen Weiſe mit der gegenwärtigen Lage des Landes“
beschäftigte, der Adresse offenbar Gevatter geſtanden. ~
Die „Bad. Landesztg.“ hält es für an der Zeit, „noch
ehe ‘ die Staatseisenbahn - Maſchine durch weiteren
Zuwachs an Bahnen unlenkſamer geworden“, die ſchon
von Roggenbach angeregte Frage der Verpachtung
des Betriebs der Staatseiſenbah nen emer ernsten
Erwägung zu unterziehen. Ob diese Anregung rein aus
„wirthſchaftlichen Gründen“ hervorgeht, oder ob irgend
ein Kniff hinter derselben ſtect , iſt im erſten Augenblick
noch nicht zu erkennen. ~ Auf der in Karlsruhe abge-
haltenen Generalverſammlung des ſüdwestdeutſchen Bezirks-
vereins der deutſchen Geſellſchaft zur Rettung
Schiffbrüchiger wurde eine Gedenttafel vertheilt, eine
mit Zeichnungen illuſtrirte Anweiſung über das Verfahren
bei Rettungsverſuchen anſcheinend Ertrunkener, deren Kennt-
niß für die Süßwasser - Anwohner des Binnenlandes
eben so wichtig iſt, wie für die Seetüſten-Bewohner. Die
fragliche Generalverſammlung tagte am gleichen Tage, an
welchem die Gesellschaft zur Rettung politiſch Schiffs-
brüchiger in Offenburg versammelt war.

k. d. Pforzheim , 24. Mai. Die Verſammlung,
welche von den Herren Schmidt, Auguſt Dennig und
Genosjen lettten Donnerſtag Behufs einer Ergebenheits-
bezeigung für das Miniſterium Jolly-Beyer berufen wor-
den, iſt nach der „Karlsruher Zeitung“ von etwa 400
Leuten beſucht geweſen. Sie hat in einer Ansprache an
den „allgeliebten Landesherrn“ neuerdings ihre „unwan-
delbare und vollſte Treue“ demselben darzubringen für

nöthig erachtet; sie verschließt einerseits sich nict dee.

Einſicht, daß nach des Füurſten Programm von 1860
Lücken in freiheitlichem Sinn auszufüllen ſind, insbeson-
dere das Wahlrecht in Stadt und Staat in beſſern Ein-
klang mit dem Gewerbegeſez zu bringen iſt und durch-
greifende freiſinnige Vorlagen dem nächſten Landtag zu
machen ſind, anderſeits aber legt sie Verwahrung ein
gegen das ,ſtürmiſche, ſelbſtſüchtige“ Verlangen, die bis-
herigen Grundsätze der äußern und innern Politik weſent-
lich zu ändern und die Kammern aufzulösen : ſonſt könnte
das Schicfſal des Landes den g,heftigſten Feinden des
Fortschritts und der nationalen Einigung" preisgegeben
werden. Man ſieht, wie weit ſchwankende Charattere
durch Aengſtlichkeit zu blinder Verdächtigung hingerissen
werden. Wie kann man ſich der Wahlreform-Liga gegenüber
zu der Verdächtigung hergeben , als ob dieſe ‘.ſtürmiſch,
ſelbſtsüchtig , feindſelig“ die Geschicke des Landes preis-
gebe 1? Die Ansprache der Liga an unsere Mitbürger
iſt leidenſchaftslos, ſie verlangt Verminderung der Blut-
ſteuer , der Geldſteuer und Herſtellung des Grundrechts
der allgemeinen, direkten und geheimen Wahl, und weil
die bisherige Volksvertretung dieſe drei Gegenstände zu

erzielen nicht die ſittliche Kraft beſeſſen hat, ſo begehrt die -

Reform - Liga Neuwahl der Vertreter, wie es in unserem
Verfaſſungsleben seit 1819 schon öfter vorgetommen iſt.
Die Unterzeichner der Ergebenheits-Adresſe vergeſſen ganz
und gar, daß seit 1848, ja sogar seit 1830, eine Mehr-
zahl von ihnen denſelben Bestrebungen gehuldigt hat,
daß sie im Jahre 1848 für die deutſche Reichsverfassung
geſchwärmt , 1848/49 den Mord an Robert Blum im
Ständesaal wie in den Bürgerverſammlungen als empören-
den Justiz mord erklärt hat, daß ſie (nach zehnjährigem
Stillschweigen auf die Kanonade von Waghäugel hin !)
1860 das Osterprogramm freudig begrüßt hat, 1864/66
für Schleswig - Holstein begeiſtert war und noch 1866
vor Königsgräz die Selbſtbeſtimmung der deutschen Volks-
stämme gegen die verwerflichen dynaſtiſche Zwecke als
opferwürdiges Ziel erklärt hat. Wenn nun diese Mehr-
zahl n ach dem Sieg der Dynaſtie Zollern bei Königs-
gräz (durch verſtectte Abmachungen mit Frankreich und
rh offenen Pakt mit dem Welſchen erfochten) ihre Farbe
hinſichtlich des Selbſtbeſtimmungsrechts der deutſchen
Stämme gewechſelt hat, den Anspruch auf die Grund-
rechte des deutſchen Volkes ganz vergißt , die Kriegs-Ersz
preſſungen aus Südwestdeutſchland von 4 und 6 und 8
30 gleich 48 Millionen baar Geldvon und von andern












 
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