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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 232 - No. 258 (1. Oktober - 31. Oktober)
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1869.















Organ der deulſchen Vollsparlei in



Paden.









Tie „Mannheimer Übendzeitrng“

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Die großpreußiſche Gewaltthat in Celle.

D.C. Die bekannte Brutatität , die sich das Cellenſer
Denkmal für die Gefallenen von Langenſalza zum Opfer
genommen hat, findet eine ſo allgemeine Verurtheilung,
daß selbſt die National-Liberalen im preußiſchen Landtag
sich der Sache anzunehmen für angezeigt erachten. Das

aktenmäßige Material liegt vor. Für Jeden, der lesen und

denken kann, iſt die Frage ſspruchreif. Nicht die Frage,
wollgemerkt, ob der Plat, wo das betreffende Denkmal
ſtand, freies Eigenthum der Militärverwaltung ist oder
nicht ~ ob der gute Glauben, in welchem bei Errich-
tung des Denkmals verfahren iſt einerseits, und der unter-
laſsſene Einspruch andererseits nicht wenigstens die Unbe-
dingtheit des . freien Eigenthumsrechts beſchränken und
wieweit ~ nein, das alles ſind zivilrechtliche Fragen, die
wir nicht entscheiden noch für entschieden halten. Aber
da liegt auch gar nicht der entscheidende Punkt. Zwei
Momente sind maßgebend : moraliſch ~ die Brutalität,
sich an einem Denkmal der Pietät so zu vergreifen ; ju-
riſtiſch + einem ausdrücklichen Richterſpruch ins Ange-
ſicht Selbſthife zu nehuien. Jenes iſt eine Kränkung
für das Gefühl, dieses ein Hohn gegen die ſtaatliche
Rechtssicherheit. Doppelt stark eins wie das andere, wenn
man den Thatbeſtand näher ins Auge faßt :

Das Dentmal stand längst; daß es bisher für Per-
sonen oder ſachliche Zwecke hinderlich war, iſt nirgends
gesagt. Wem ſchadete es, wenn es = ſelbſt für den
hei Lot es ſchließklich fort mußte – noch etwas länger
ſtand ?

Es war ein Denkmal für Todte. Hätte nicht, ſelbſt
beim klarſten Recht der Militärverwaltung, die Menkhhlich-
keit erfordert, daß denen, die tas Denkmal gesett oder
die für ſeine Erhaltung zu sorgen hatten, eine ruhig ein-
gehende Mittheilung geworden wäre, des Inhalts etwa :
dYIhr habt euch in dem Plat vergiffen ~ hier unsere
Rechtsgründe; wir bedürfen den Plat, bald, sehr bald
~ hier unsere thatſöchlichen Gründe ; das Denkmal muß
fort – bis wann könnt Ihr es ſchicklich entfernen ?

Es war ein Denkmal für gefallene Soldaten. Jedem
Soldaten von Gefühl mußte es Respekt einflößen. Selbst
ein raſches Machtwort von oben hätte die ausführende
Militärbehörde mit Schonung vollzießen müssen und ge-
wiß vollziehen können. s

Es war ein Denkmal, an welches für Hunderte, für
eine ganze S‘'adt geweihte Erinnerungen aus einer Zeit
ſchwerer Prüfungen sich knüpften. Wer kann die verleten,
außer wenn er unbedingt muß ?! Das Denkmal umreißen
hieß kaum vernarbte Wunden aufreißen bei Verwandten
und Freunden, Wittwen und Waiſen. Selbst bei klarstem
Recht hätte das nicht geſchehen dürfen. Es iſt geschehen
bei klarſtem Unrecht.

Denn ein Richterſpruch liegt vor, der das Denkmal
bei Strafe ſchützte gegen jeden Angriff. Kein Urtheil
einer höheren Inſtanz iſt eingeholt, die höhere nicht ein-
mal angerufen; die in Großpreußen die höchſte iſt ~
die Gewalt > die iſt eingeſchritten, hat den Richterſpruch
in Feten geriſſen, das Denkmal niedergerissen, gleich bru-
tal gegen Menſchengefühl wie gegen ſtaatliches Recht.

Seit faſt einem Jahrhundert pflegt man ſich in
Großpreußen zum Ueberdruß zu berühmen der Mühle
von Sanssouci; jedem Kinde erzählt man die Geschichte
von dem Müller, der dem großen Friedrich getrott unter
Berufung auf den Rechtsſchuß seines eigenen Kammer-
gyerichts, und von dem mächtigen König, der dieſes Rechts-

bewußtiein ſeines Unterthans als einen Chrenſpiegel der
Rechtsſicherheit, die in seinem Staate auch für den Nied-
rigſten gegen den Höchſten herrjchte, reſpektirt habe. Die
HGeſchichte des Denkmals von Celle aus dem 19. Jahr-
hundert macht die Geschichte aus dem 18. Jahrhundert
todt. Denn daß da Recht werde ~ Recht gegen die
Mittärbehörde im Zollernland + wer iſt nationalliberal
genug, das zu glauben? !

Poiitiſche Ueberſicht.
rut Mannheim, 27. Oktober.
_ * Gestern war zu Paris die Frage gestellt, ob das
Mißlingen einer projettirten, aber wieder zurückgenommenen
j Volksdemonſtraion ~ dem despotiſchen Syſtem des
herrſchſüchtigen Selbstregiments Napoleons eine Stütze
bieten ſolle! Die ganze politiſche Welt war in Spannung
verſetzt. Die Pariſer Bevölkerung hat den Erwartungen



und Wünſchen der aufrichtigen Freunde der Sache der



; Freiheit eutſprochen. Die uns noch geſtern zugekommenen |

p CC FE. +
.



und in der geſtrigen Nummer veröffentlichten Telegramme
reichen bis 1 Uhr des Nachmittags. Bis dahin war
nirgends die Ruhe gestört worden. Ein weiteres, um
2 Uhr in Paris aufgegebenes Telegramm berichtet, der
Kaiſer habe auf der Teraſſe und am Ufer des Wassers
einen Spaziergang in Begleitung seines Adjutanten Be-
ville gemacht. Der „Retter der G.sellſchaft“ zeigte Muth.
Er wurde, wie es in unſerem Berichte heißt, von einer
Volksmenge von ungefähr 2000 Köpfen, die auf dem
Konkorde-Plag und im Tuileriengarten stand, „lebhaft
begrüßt." Kein Anzeichen einer feindlichen Kundgebung
war zu bemerken; Paris blieb ruhig. Der gestrige Tag
war nicht der Termin, an welchem sich das Geschick des
Verräthers vom 2. Dezember erfüllte. Aber die Frage,
ob Frankreich dem auf ihm laſtenden Selbſtregimente
die Möglichkeit bieten ſoll, ſich auf dem Wege der Zu-
geständnisse in ein reformatoriſches umzuwandeln ~ oder
ob die Nation mit dem Syſtem auch die Träger des-
selben abschütteln und für ein volksthümliches Leben eine
neue Regierungsmacht herstellen soll ~ iſt damit keines-
wegs abgethan. Frankreich wird kaum die Schmach des
ſeit 17 Jahren auf ihm laſtenden Selbstherrſcherſyſtems
vergeſſen und aus der Hand Zäſars ein ſcheinparlamen-
tariſches Syſtem wie ein Gnadengeſchenkt annehmen. Dem
hervorgetretenen Radikalismus liegt ein tiefes Empfinden
für beſſere Zuſtände im Volke zu Grunde. Die Gährung
wird fortdauern und eines Tags die Fesſſeln ſprengen,
welche heute Frankreich noch in Ruhe halten.

Gegenüber der motivirten Tagesordnung, welche die
Braunſchweiger Delegirtenverſammlung der deut-
schen Volkspartei in Bezug auf den bekannten Baſeler
Kollektiv iſten-Beſchluß (Erklärung des Grund und
Bodens als Staatseigenthum) angenommen hat, ſieht ſich
die „Dem. Korr.“ zu der folgenden Bemerkung gedrängt:
Die Tagesordnung kommt im Weſentlichen darauf hin-
aus , daß sie den Arbeitern den Vortritt in dieſer Sache
läßt. Die Erwartung, daß die Arbeiter sich gegen
die Kollektiviſten erklären werden, iſt nicht ausgeſprochen;
es iſt ihnen zu freier Beſchlußfaſſung gestellt. Inzwiſchen
haben die Arbeiter längst angefangen, gegen die Kollek-
tiviſten aufzutreten. Wir ungererſeits haben ebenfalls
offene Stellung genommen. Wir werden ſie be-
haupten, auch ohne daß die Arbeiter als Geſammtheit
ſich ausſprechen. Ein Organ wie das unſserige kann
über solche Fragen nicht ſchweigen, auch wenn die Partei
als ſolche vorerſt ihr Geſammtvotum vertagt. Wir hoffen
dabei den Sinn der Partei richtig zu vertreten; wir bin-
den die Partei mcht. – Vor allem aber eins. Das
Geſammt-Votum der Arbeiter, d. h. der auf dem Nürn-
berg-Stuttgart- Ciſenacher Boden stehenden, uns befreun-
deten Arbeiter-Partei kann nicht beliebig vertagt werden.
Nicht das darf der Sinn des Braunschweiger Beſchluſſes
sein, und nach den uns mündlich gewordenen Erläute-
rungen hat er's auch nicht sein ſollen. Zu ſchwerwiegend
iſt jener Baſeler Beſchluß, als daß die Stellung der
Partei zu ihm so beliebig in der Schwebe bleiben könnte,
und so gqrein theoretiſhn, wie man ihn jetzt machen
möchte, iſt er doch wahrlich auch nich. In dem Sinne,
daß wir nicht die Macht der ſofortigen Ausführung haben,
sind leider unsere wichtigsten Beſchlüsse ſammt und ſonders
„rein theoretiſchn, und so angesehen dürfte kein noch so
tiefgehender Unterschied im Partei- Programm eine Trennung
in der Partei-Organiſation herbeitühren. In dem Sinne
aber „rein theoretiſch“ iſt der Baseler Beschluß doch nicht,
daß die Kollektiviſten, auch wenn sie die Macht zur Aus-
führung hätten, ihn unausgeführt ließen. Für uns liegt
die Entscheidung anderswo. Wir finden die Lehre der
Kollektiviſten falſch , ihre Forderung unrccht und verderh-
lich. So werden wir fortfahren, ſie zu betämpfen.“

Im Anſchluſse hieran sei bemerkt, daß die deutschen
Arbeiterbild un g svereine von Biel, Bern, Solo-
thurn, Burgdorf, Freiburg, Thun und Interlaken, welche
dem Verbande der internationalen Arbeiterassoziation an-
gehören, gegen die Baſeler Beſchlüſ se entschieden
proteſtiren und zugleich erklären, daß ſie mit allen ihnen
zu Gebote stehenden Mitteln die Verwirklichung ſolch
kommuniſtiſcher Tendenzen entſchieden bekämpfen werden.

Ueber den Aufstand in Dalmatien liegen nähere
Mittheilungen nicht vor. Dagegen veröffentlicht die „N.
fr. Pr.“ eine ihr zugektommene „Warnung“ = der zufolge
in der oberen Milit ärgrenze ſich Machinationen vor-
bereiten, welche der Affaire in der Bocche di Cattaro
ſenr nahe zu kommen drohen, wenn nicht noch



hiebei um den Widerstand gegen das einzuführende Zivil-
Regime, um eine Inſurrektion gegen Oesterreich und
Ungarn. j s

In S p anien iſt die aus den Parteien der Mehr-
heit der Kortes gewählte Fünfzehner-Kommission zuſam-
mengetreten. Sie qucht eine Verſöhnungsformel betreffz
der Monarchenwahlfrage herzuſtellene. Es heißt, Serrano
drohe die Regentſchaft niederzulegen, falls die Parteizer-
würfniſſe fortdauern ſollten.

Deutſchland.

* Mannheim , 27. Okt. Die Petition hiesiger
Einwohner an die Zweite Kammer , welche die Einfüh-
rung des allgemeinen und direkten Wahlrechts, die Ein-
führung des Cinkammersſyſtemns und die Abkürzung der
Wahlperioden auf drei Jahre, mit einjährigen Budget-
perioden und Geſsammterneuerung der Kammer, ver-
langt, zählt 838 Unterſchriften. Eine namhafte Zahl
für die kurze Zeit, in welcher die Pctition zur Unterſchrifts
nahme aufgelegt wurde. Die Petition wird von dem
Abgeoroneten Hrn. v. Feder in der Kammer übergeben
werden. Dantk der jetzigen hübſchen Wahlordnung befin-
det ſich keiner der drei Abgeordneten hieſiger Stadt mit
den Unterzeichnern der Petitionen in Uebereinſtimmung;
ein sprechendes Zeugniß für die Güte dieſer Wahlordz
nung , um der Gesinnung der Bevölkerung Ausdruck zu
“r Karlsruhe, 26. Okt. Das Gesetzes- und
Verordnung s blatt Nr. 27 enthält I. Landesherr-
liche Verordnung.
Mai 1856 über die Verbesserung der Feldeintheilung be-
treffend.
w) t Unterſuchung der Rheinschiffe betreffend. b) Die
Ausbildung der nicht wissenschaftlich gebildeten Hilfsars-
beiter bei den Verkehrsanſtalten betreffend. Dadurch wird
~ unter Hinweis auf § 4 der landesherrlichen Verord-
nung vom 25. Juli v. J., die Errichtung von Realz
gymnasien betreffend, wonach die Absolvirung von 7
Klassen des Realgymnaſiums, bei dem Vorhandensein der



sſonſt vorgeſchriebenen Bedingungen, zur Rezeption als

Gehilfe im Dienste der Großh. Verkehrsanſtalten berechtigt
— weiter beſtimmt, daß unter der gleichen Vorausſezung
auch die Absolvirung eines Gymnasiums, beziehungsweise
der Oberquinta eines Lyceums, zum unmittelbaren Ein-
tritt als Gehilfe bei den Vertehrsanstalten ohne vorherige
Ablegung der in § 5 der Verordnung vom 28. Juni
1865 vorgeschriebenen Gehilfenprüfung berechtige. _..

[] Heidelberg, 26. Okt. So ehen geht von
hier eine Petition um Einführung des allgemeinen
und direkten Wahlrechts an die Zweite Kammer
ab. Dieſelbe iſt im Verhältniß zur äußerst kurzen Zeit,
welche uns gegönnt war, von Bürgern und Einwohnern
Heidelbergs in nicht geringer Zahl unterzeichnet worden.
UÜltramontane haben ſich an dieſer Kundgebung nicht bes
theilgt. Wir machen uns natürlich keinen Hehl daraus,
daß dieſe Petition so wenig etwas helfen wird, als die
früheren. Die nationalſervilen Windfahnen richten ſich
ja bekanntlich nur nach der Strömung, welche von oben
her kommt. . Sie werden auch dießmal die Fälſchung des
Volkswillens, welche in dem indirekten Wahlverfahren
liegt, nicht beseitigen. Wahrhaft lächerlich iſt der Vor-
wand, unter welchem sie dem Volke sein sonnenklares
Recht vorenthalten. Die künstlich genährte Angst vor den
Ultramontanen muß herhalten, um die wahrhaft freie
Wahl der Volksvertreter zu hintertreiben. Mit demſelben
Athem, womit sie behaupten, daß ſie die Mehrzahl des Volkes
auf ihrer Seite haben, behaupten sie auch, daß das allgemeine
direkte Wahlrecht nur den Ultramontanen zu gute kommen
würde;, Niemand aber weiß beſſer als sie, daß dieſe Bez
hauptung eine doppelte Unwahrheit enthält. Das Volk
iſt durchaus national gesinnt, aber es hat keine Luſt, mit
ſeiner Arbeit den von den Junkern gelcerten preußischen
Staatssäckel zu füllen; es iſt bereit, für Deutſchland jedes
Opfer zu bringen; es wird aber nie ſ.ine Freiheit, sein
Geld und Blut den preußischen Junkern und Pfaffen
darbringen. Eine wahrhaft frei gewählte badiſche Volks-

vertretung würde weder römiſch noch preußiſch, ſonder

ächt deutsch sein.

* Mus Baden , 27. Okt. Die Zweite Kammer
wird in ihrer morgen ſtaitfindenden Sitzung über die
Wahlr e form beſchliezkee. Aus Mannheim und
Heidelberg sind Zuſchriften angekündigt, welche das
allgemeine und direkte Wahlrecht verlangen. Eine

größere Ausdehnung annehmen sollen. Es handelt ſich | Auzahl Wahlmänner des Aemterwahlbezirkts Büh l-









Den Vollzug des Geseßes vom s.

II. Verordnungen des Handelsminiſteriums..



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