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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 127 - No. 152 (1. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0585

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1:69.







Organ der deutſchen Volkspartei in Paden.



Dienſtag, 22. Juni.



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Die „Mannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage – täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition 0 1 Nr.

Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.







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Einladung zur Befſtellung.

Die „Mannheimer Abendzeitung“: hat sich in
der kurzen Zeit ihres Erſcheinens zahlreiche Freunde
erworben. Durch treues Festhalten an der Sache des
Volkes will sie ferner die Theilnahme und Unter-
flütßung verdienen, die ihr in reichem Maße ge-
worden. ;

In den letzten Tagen des ablaufenden Onartals
laden wir unsere alten Freunde zur rechtzeitigen Er-
neuerung der Beſtellung ein. Un Diejenigen, welche
die „„MMannheimer Abendzeitung“ bisher nicht ve-
stellt haben, richten wir das freundliche Erſuchen, den
Kreis unserer Abnehmer zu vermehren. Ebenſo em-
pfehlen wir die freundliche Benützung der „Mann-
héimer Abendzeitung‘ zur Veröffentlichung von An-
zeigen aller Art.

Bestellungen werden von allen Poſtexpeditionen,
auf dem Lande von den Poſtboten entgegengenommen;
in Lcannheim von den Austrägern und. der Erpe-
diton der „„MMannheimer Abendzeitung’ Lit.C. 1, 15.

Womit wird die Welt regiert?



| Es iſt zunächſt von der franzöſiſchen Welt die j

Rede; ( es gehört jedoch nicht viel von jenem Verstande,
mit dem die Welt regiert wird, dazu, um die Anwen-
zh auf andere und ſelbſt auf kleinere Welten zu
machen. j
Das allgemeine Stimmrecht in Frankretch hat ge-
ſprochen; troß seiner bekannten polizeilichen Regulirung
hat es 65 Anti-Bonapartiſten zu Tage gefördert und im
Ganzen in die 90 Abgeordnete, welche nicht bloß auf das
Jaſagen abgerichtet ſind. Cin Drittel des sonst allerge-
horſamſten Corps legislatif! Ja, die Bevölkerung von
Paris und etlicher anderer Mittelpunkte politischen Lebens,
noch nicht zufrieden mit der blauen Republik, übelge-
ſtimmt durch die Ausmerzung der „Unversöhnlichen“
krawallte und rumorte wie in den Tagen des ſ|eligen
Bürgerkönigs mit Filzhut und Regenschirm.

Die Situation gilt für sehr bedenklich, französiſche

und außerfranzösiſche Ratten verlassen das cäſariſche Schiff, |

welches Ihn und sein Glück getragen. Es geht offenbar
zu Ende und die Zuschauer fragen boshaft: Nun, ,nach
den Wahlen?“

„Nach den Wahlen“ erfolgt zuerſt cin Schreibebrief

des Herzogs von Persigny, früher einfach Mr. Fialin ge-

nannt, ſ. Z. Wachtmeiſter bei der Kavalerie, Zureiter der
jungen Offiziere, dann Apostel des Bonapartismus und
zuletzt Herzog von ~ der geographiſch unfindbare Persigny.
Dieſer Mr. Fialin ist bekanntlich der einz ig e Bonapartiſt
in Frankreich; er glaubt viel mehr an seinen Messias,
als dieſer an ſich selbſt. Wie interessant muß daher eine
Episſtel dieses Mannes sein, tn dem Augenblicke, wo das
Kreuz bereits in der Ferne aufgerichtet wird!

Was aber steht in der Epiſtel? Die Wahlen be-
deuten nichts, hinter den Stimmpzetteln iſt
keine Idee! – Das allerdings iſt ſchon vorgekommen
bei fünffachen Wahlen des Prinzen Louis in 1848, bei
der Beſtätigung des Staatssſtreichs im Dezember 18351,
bei der Errichtung des Kaiserreichs anno 1852. Cin
Bonapartiſt ſollte sich hüten, solche Ketzereien auszusprechen;
er hat nichts Anderes zu thun, als vor dem allge-
meinen Stimmrecht auf den Knien zu liegen. Weiter!

Die ganze Unruhe in Frankreich rührt von
mangelnd er Streng'e her,. die Autorität, war
viel zu nachſichtig! Man ließ den Gambetta vor
Gericht den Kaiſer angreifen, man gestattete in den Ver-
handlungen Angriffe auf „den Herrſcher, auf Religion,
_ Hamilie, Eigenthum.“ ~ Nachsicht von Seiten des
Despotismus! Die Symptome sind die Krantkheitsur-
ſachen, die Finken am Maſt erregen den Sturm! Das
kennt Herr Rouher besser, er läßt in seinem Organ Mr.

Fialin einen „Ex-Staatsmann“ nennen. Wer ihn näher
tennt, weiß, daß er immer Ex war.

Endlich. Que kaire? Was machen? Wir dächten:
î_ einfach Nichts, da die Stimmzettel keine Idee verbergen;
oder mehr Repression, da man bisher zu gelinde verfuhr.
. U Perſigny, ich habe ein unfehlbares Rezept,

ier iſt es;

| Der Kaiser braucht nur mit Entſchloſſenheit auf der
libe ralen Bahn zu verharren, welche er eröffnet hat;
_ jedoch ſollte er hierbei ein ganz neues Geſchlecht,
welches jung, ſstark, verſtändig und namentlich
muthig und überzeugt iſt, an seine Seite rufen."

„Rur !" edler Fialin, Herzog von Nirgendheim,

„nur !“ Baare Kleinigkeit! „Entschloſſenheit !" ,„Das geht
ſchon mit 12,000 Poliziſten und 100,000 Mann in der
bunten Jacke. „Liberale Bahn;“ sehr schwierig, denn die





„liberale Bahn“ verlangt, daß Gambetta frei reden darf
und daß das Volk in seinen Versammlungen über die
Dinge Himmels und der Erde ſich auslaſſe, ſelbſt auf die
Gefahr hin, etwas „ausgelaſſen“ zu werden. Aber woher
verschreiben wir das „ganz neue Geschlecht“ ~ von Bo-
napartiſten nämlich ? Auf der Straße und in der Wahl-
urne kommt allerdings ein „ganz neues Geschlecht,“ „jung,
ſtark, verſtändig, muthig“ und ſehr „überzeugt ;“ ſoll
Bonaparte Das etwa „an ſseine Seite rufen?" Oder
meint Persſigny unter dem „jungen, starken, muthigen und
überzeugten Geschlecht“ vielleicht den Ollivier, den Komö-
dianten von Chatelet, und den abgetrumpften Darimon,
und den jungen ,strebſamen“ Bethmont, und wuill er,
der orakelnde Ex-Staatsmann, mit diesen Individuen
Frankreich regieren? O Fialin, sogar die Offiziöſen der
Tuilerien überſchütten dich mit Hohn! .
Hinter seinem getreuen Apoſtel her kommt auch der
Kaiser, uns seine Meinung zu sagen. Er weiß am
Besten, was seine Kammermajorität werth iſt, er ſieht in
dem oppositionellen Drittel die Füße Derer, so ihn hinaus-
tragen werden. Er macht daher ein ganz ernstes Gesicht
und schreibt dem Deputirten Makau, einem ſeiner Mame-
luken: „Konzeſſionen von Prinzipien oder persönlichen
Opfer bleiben Volksbewegungen gegenüber stets fruchtlos ;
eine Regierung, welche sich achtet, ſoll weder einem Druck,
noch einer vorübergehenden Stimmung oder einer Emeute

nachgeben. Meine Regierung wird stark genug sein, um

den Angriffen der Parteien zu widerſtehen und für die
Freiheit (11) Garantien der Dauer zu geben, indem ſie
ſich auf eine starke und wachſame Macht stützt."

Also nichts von der „jungen, starken, muthigen, über-
zeugten Generation,“ sondecn Repression im Intereſſe der
~ „Freiheit!" Damit wird die französiſche Welt regiert,
das heißt, damit soll sie regiert werden. Wollen

ſchen.



Politiſche Ueberſicht.

Mannheim, 21. Juni.

* Neu Regiment bringt neue Menschen auf!“ ~ und
ſo hat denn auch die neue „Hoheit“, der zum Regenten
S p aniens erhobene Marſchall Serrano, die Ausübung
seines Amtes mit einigen Aenderungen im Miniſterrum ~
„Kabinet“ gibt's dort doch noch keines ~ begonnen, unter
welchen die Ernennung Prim's zum Ministerpräsidenten
hervorzuheben iſte. Am Samſtag traten die neuen Mi-
niſter vor die Kortesverſammlung, die bei der Vorstellung
derselben aus Prim's Munde die Betheuerung , daß die
Regierung die Verfaſſung gewissenhaft achten und ihr
Achtung verschaffen werde, abermals zu hören bekam.
Bedeutungsvoll klang es und von keinem felſenfeſten Ver-
trauen auf die Lebensfähigkeit des monarchiſtiſchen Mach-
werkes zeugte es, daß Prim ſeiner beigefügten Beſchwö-
rung der Republikaner um ruhiges Vorgehen dadurch
Eingang zu verschaffen ſuchte, daß er den ruhigen Weg
als jenen bezeichnete, auf welchem allein die Republikaner
das Ziel ihrer Wünsche würden erreichen können. Für
unerreichbar hält demnach ſelbſt Prim dieses Ziel nicht,
derselbe Prim, der sonst mit seinen Hoffnungen auf einen
glücklichen Ausgang der künftigen Königsſuche zu koket-
tiren liebt.

In den Nachrichten über den Stand der Dinge auf
Kuba tanzen die Widerſprüche abermals toll durchein-
ander. Spanische Berichterſtatter schildern den Aufstand
— zum so und so vielten Male = als fast gänzlich
bewältigt; nach amerikaniſchen Darstellungen soll davon
nicht im Entfernteſten die Rede sein können, vielmehr den
Aufständiſchen neuer Sukkurs bevorſtehen, da dieselben,
wie aus New-York unterm Vorgeſtrigen telegraphirt wird,
in den Stand gekommen sind, ihre Verbindungen mit
dem Meere zu sichern. Die Unionsregierung scheint in-
deſſen sich zu einer strengen Handhabung der Neutralitäts-
vorſchriften entschloſſen zu Haben. Am 17. wurden in
Newyork der amerikaniſche Obriſt Ryon , einige andere
Amerikaner und mehrere Kubaner unter der Anschuldi-
gung, die Neutralitätsgeſeße verleßkt zu haben, gefänglich
eingezogen. Tags derauf ſind zwar dieſe Verhafteten,
nachdem sie für ihr Erscheinen bei der gerichtlichen Ver-
handlung eine Bürgschaft von 6000 und für Unterlaſung
weiterer Feindseligkeiten gegen Spanien eine Bürgſchaft
von 2500 Dollars erlegt hatten, wieder auf freien Fuß
geſeßkt worden; am 19. haben aber in Baltimore und
Richmond abermalige Verhaftungen aus gleichem Anlaße
ſtattgefunden.



Die Deputirtenkammer B elg ie ns hat einen neuen
Versuch gemacht, um den wegen der Schuldhaftsfrage
bestehenden Konflikt mit dem Senate , wenn auch nicht
gänzlich zu beseitigen , sodoch einstweilen zu umgehen.
Statt ihre bisherigen, zweimal in unveränderter Form
erfolgten Beschlüsse auf definitive Aufhebung der Schuld-
haft ein drittes Mal zu wiederholen , hat sie einen aus
ihrer Mitte eingebrachten Antrag, wonach die Anwendung
der Schuldhaft bis zum 1. März 1870 ſsuspendirt, die
Vollſtrecéung aller bereits ergangenen und noch zu fällen-
den Urtheile auf Schuldhaft demnach bis zu dem ge-
nannten Zeitpunkt ausgeſeßt werden soll, mit 50 gegen
28 Stimmen zum Beschluß erhoben. Bei der bisher
vom Senate bewiesenen Halsſtarrigkeit darf man wohl
Zweifel hegen , ob derselbe den angebotenen Ausweg an-
nehmen wird, und zwar um so mehr als bei den letzten
hierauf bezüglichen Verhandlungen der Deputirtenkammer
(die sich am 18. auf unbestimmte Zeit vertagt hat) am
Ministertiſche nicht nur nicht mehr die frühere Entſchieden-
heit, sondern ſselbſt eine kleinc Spaltung sich bemerklich
emacht hat.
‘ Aus Deutschland ist heute nichts zu berichten, als
daß die Verhandlung der Anklage gegen den Bi ſchof
v on Linz vom dortigen Landesgerichte bereits vor die
erste, am 1. Juli beginnende Sitzung des oberöſterrei-
chiſchen Schwurgerichtes verwiesen iſt und daß der Zoll-
bundesrath in Berlin nach einem Auswege aus der Sack-
gaſſe su t, in welche er sich in Folge der Ankündigung,
Bollermäßigungen sich nur um den Preis der Petroleum-
steuer abkaufen zu lassen, nun versetzt sieht, nachdem das
Zollb arlament ſeinerſeits die Bewilligung der Zoll-
ermäßigungen als Bedingung für das Inslebentreten der
erhöhten Zuckerſteuer aufgestellt hat, die preußiſche Defi-

zitsnoth aber allzu dringend iſt, als daß ein Verzicht auf
den Ertrag dieſer Steuererhöhung eintreten könnte. Fs



Deutſchland.

* Karlsruhe, 10. Juni,] Amtliches, Premier-
Lieutenant Karl Bischoff beim 4. Landw.-Bat. wird als
Offizier der Linie in das 2. Inf.-Reg. verſektte.

* Aus Baden, 21. Juni. In unserer Zeit, in
welcher die politische Bildung vorgesſchrilten iſt und alle
Parteien, ſelbſt die junkerlich-pfäffiſch-reaktionären, ſich auf
das Volk berufen, ſollte doch kein wahrhaft liberaler
Mann sich gegen das allgemeine und dirette Wahl-
recht mit geheimer Stimmgebung erklären. Trotzdem
sehen wir in dieſer Frage, daß das ,Liberal“ der Natio-

nal-Liberalen sich schlecht erprobt; daß sie das direkte

Stimmrecht, als der Herrſchaft ihrer Koterie gefährlich
niederſtimmen und hierin unumſstößlich darlegen, daß ihre

eigenste, innere Natur eben die Unfreiheit, die Sucht nach

Herrſchaft iſt. Einen weiteren Pfahl ins eigene liberale“
Fleiſch treiben ſich unsere Nationalliberalen, indem eines
ihrer dienſtbeflisſenen Organe, der „Ortenauer Amtsver--
kündiger“, verlangt: die Regierung ſolle die Adressen, welche
das allgemeine Wahlrecht mit diretter und geheimer
Stimmgebung befürworten, veröffentlichen, damit
sich herausſtelle, ob nicht „Unterschriften von Leuten vor-
kommen, die gar nicht unterſchrieben hätten, oder aber
auch Namen von Leuten, vie es nicht sein wollten,“ zum
Beispiel von Leuten, „die das ganze Jahr ihren Lohn
von der Regierung in Empfang nehmen, aber dem Orts-
geiſtlichen aus Gefälligkeit unterschrieben.“ So verſteht
man auf jener Seite das Petitionsrecht ; den freien Ent-
ſchluß des Mannes. Unter dem Scheine einer Kontrole
verlangt und befürwertet man eine Maßregel, die nur
dazu dienen könnte, die Zahl Derjenigen, die heute schon
nicht den Muth haben, ihrer Ueberzeugung Ausdruck zu
geben, maßlos zu vermehren; den Einfluß, welchen die
Regierung auf alle Angestellten und Bediensteten schon
hat, bis zur unerträglichen Herrſchaft und Knechtung
auszudehnen. In Karlsruhe muß man doch nachgerade
über derartige Dienſtleiſtungen der „Amitsblättchen“ in
Verlegenheit kommen. Es muß etwas Peinliches haben,
von solcher Servilität sich auf den Schild gehoben zu
wiſſen. - Es muß dieß um so mehr der Fall ſein, als
es in Baden schon einmal ein Minifterium gegeben , das
dem allgemeinen Wahlrecht mit direkter und geheimer
Stimmgebung beigepflichtet. Es war dieß nach erfolgter
Anerkennung der deutschen Reichsverfaſſung und der deut-
schen Grundrechte am 18. April 1849, als die Regierung
den Kammern den „Entwurf des Wahlgeſeßes für die
nach Bestimmung der deutschen Grundrechte ohne Berück-
sichtigung der Standesvorrechte einzuberufende nächſte







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