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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 51 - No. 75 (2. März - 31. März)
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J. 57.

1i69







Organ der deutſchen Volkspartei i

















Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird mit Ausnahme der Son
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ntage und Festtage ~+ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährtich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
.. bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Polſtanftalten.

















Das A und Z.



DC. Es ist abgeschmackt, das entscheidende Moment
für den gegenwärtigen Parteikampf im deutschen Vaterlande
in der Frage, ob preußiſch oder nichtpreußiſch , ſuchen zu
wollen. Für dergleichen Stichworte erhitzen ſich die Maſſen
höchstens auf der einen Seite in Preußen ſelbſt, wo man
damit ihre Eitelkeit tigell. Richtig ist jene Scheidung nur
dann, wenn man Preußen als den Ausdruck eines falſchen
Staatsgedankens, als die Verkörperung des böſen Prinzips
nimmt. Und dazu freilich bildet es ſich mit der Zeit
immer mehr aus. Sonſt aber ~ man braucht doch nur
zu fragen. hat man denn an dem alten Hannover und
Heſſen, hat man an Osterreich Daſſelbe, was man nun an
Preußen haßt und bekämpft, geliebt und befürwortet?! oder
würde, was man an Preußen tadelt, beliebter werden,
wenn es öſterreichiſch hieße?! Es iſt ja sinnlos. Die ſüd-
deutſche Volkspartei, die ja der Inbegriff alles Preußen-
hasſes sein ſoll und im gewiſſen Sinne — rein ſachlich und,
wie oben angedeutet, prinzipiell genommen auch iſt, kann
bei jedem Unbefangenen doch wirklich darauf Anſpruch
machen, daß sie in den früheren Verfaſſungstämpfen in
Hannover und Heſſen genau dieſelbe Stellung eingenommen
haben würde, die sie in dem preußiſchen VerfaſſungskampF?e
wirklich eingenommen hat, und ~ von dem alten Oeſster-
reich abgesehen (über welches überhaupt nur ein Urtheil
beſtand) ~ Osterreich gegenüber kann sie denn doch wirk-
lich alle Richter der Welt zu Gericht sizen lassen über ſich,
daß sie wohl ermunternden Zuſpruch hat für Das , was
dort Gutes und Beſsſerndes geſchieht , aber wahrlich Dem,
was mangelt, gegenüber keinen ihrer Grundsätze auch nur
im Geringſten verleugnet, weil es öſterreichiſche Mängel
ſind. Geht man gar nach Schleswig-Holstein hinein oder
nach Thüringen andrerseits, wo immer viel Freundſchaft
und Hinneigung für Preußen war, so iſt vollends die Ab-
theilung nach Preußenhaß oder nicht der bare Unverſtand.
Und Johann Jacoby endlich oder die „Zukunft“ oder die
„Rhein. Ztg." ~ laboriren die etwa auch an Preußenhaß ? !
Es iſt ja ſinnlos.

Nein, der Unterschied iſt gerade so Lüge, wie das ganze
Großbreußenthum überhaupt. Die richtige Klaſſifizirung
iſt eine andre. Die geht hinaus über alle hiſtoriſchen
Staatsbildungen, über alle nationalen Unterſchiede und
Gegensäte. Was die Welt theilt, iſt ein „Krieg der Mei-
nungen“, ein Gegensatz der Ueberzeugungen über Art, Auf-
gabe, In h alt des Staats, + über Würde des Volks —
über Bestimmung der Nation, ~+ über Menschenrecht und
Menſchenpflicht überhaupt, und wenn es ſcheinen könnte,
als ob es hüben und drüben gleichmäßig Namen und
Programme von beſtem freiheitlichem und menſschheitlichem
Werth gebe, ſo iſt Das eben nur Schein : die Probe der
Thatſachen haben die Demokraten und ſonstigen Rechts-
männer auf großpreußiſcher ~ oder allgemeiner geſprochen :
auf cäſariſcher ~ Seite n i < t beſtanden. Das „Staats-
g ef ü h 1“ iſt mit ihnen durchgegangen; auf den Inhalt

d es Staats iſts ihnen nicht angetommen und kommt

ihnen nicht an; ja, es muß gesagt werden, daß gerade ſie,
um den wahren Sachverhalt zu verdecken, jene rein formelle,
bloß äußerliche Klaſſifizirung des Parteiunterſchiedes erfun-
den, erlogen haben.

Cin denkender Mann, er ſtelle die menſchlichen Forde-
rungen noch so hoch über die blos nationalen, wird darum

doch die angebornen nationalen Empfindungen , die wir

als Volksgefühl zuſammenfassen möchten, nicht verleugnen ;
er wird seines Landes und Volkes Freiheit zu ſchüten

ſuchen gegen die Unterjochung des Fremden, auch wenn er
dieſen menſchheitlich höher stellen muß als das eigene Volk,

und bei einem etwa feindlichen Zuſammenstoß verschiede-
ner Nationalitäten wird er allerdings der Parole folgen:

die Freiheit hoch , aber das Vaterland über Alles! Aber
innerhalb derselben Nationalität – Das wird auch der

idealſte Freiheitsmann einräumen, dem vielleicht unsre vor-
ſtehenden Sätze zu weit gehen ~ innerhalb derselben Na-
tionalität wird doch wahrhaftig Niemand , der ehrlich und
ernſt zur Freiheit hält, den bloßen Namen ſeines zufälligen
Staats, dieses hohle Wort von sog. Staatsegefüyl für ſich
maßgebend ſein laſſen gegenüber den Freiheits- und Kultur-
forderungen , die er an die politiſche Geſtaltung und Ent-
wicklung seiner ganzen Nation stell. Von dieſem Gesichts-
punkte aus übertrage man doch einmal die Frage Groß-
preußen contra Deutschland in Schweizerdeutsch. Man
denke ſich einen Berner, der die Impertinenz hätte, für
seinen Kanton gegen die übrige Schweiz zu beanſpruchen,
was der lumpigſte Großpreuße jeden Tag an das übriae





Ordnung findet.
gefühl .f Gegensatz einer Ueberhebung mit Machtansſprüchen
gegenüber dem Schweizer Freiheitsgefühl Man
denke sich die Ungeheuerlichkeit eines Progromms, welches
das geſammte politische Sein des Schweizer Volks nor-
miren wollte nach dem Zwang, den ein zentrales Bern auf-
erlegte. Ja, es iſt ja eben nicht zu denken in einem freien
Land, in einem Land von freien Bürgern.

würde durchaus identiſch iſt.



Politiſche Ueverſicht.

Mannheim, 8. März.

t en abgetretee. Der Bill wegen

Arbeit des ſcheidenden Kongresses war ,

ſchluſſes um so zuversichtlicher zu erwarten, als Grant in

lichen Punkt seiner Politik erklärt hat.

qusſchuſſes.

Washburne zu den entſchiedenſten Republikaneru.

auf des Letzteren Stelle den General Sheridan berufen.

derung des Stimmenverhältnisses.

wieſen wurde.

Dulce die Rebellion nicht zu bemeiſtern, und genaue Beob-
achter glauben, daß er es mit 50,000 Mann nicht könne.
Dazu hat er einen leeren Staatsſchaß und findet überall
eine unzufriedene Bevölkerung; die Aufständischen verlangen
jezt Unabhängigkeit, mit Reform ſind ſie nicht länger zu-
frieden. Ihre Agenten halten sich seit längerer Zeit in
Waſhington auf, um eine Anerkennung ihrer Rechte als
kriegführende Macht zu erſtreben. Eine große Zahl hervor-
ragender Kubaner haben den Präsidenten in einer Petition
gebeten, die Unabhängigkeit Kubas zu unterstützen. Die
Sympathien des Publitums ſtehen auf Seiten der Inſur-
genten.". Auch wenn man berücksichtigt, daß dieser Be-



Deutschland für sein Preußen zu fordern durchaus in der
Man denke ſich ein Berner Staat s-

Die bloße
Möglichkeitdes großpreußischen Programms ist der ſchlagendſte
Beweis, wie unfrei wir Deutsche ſind, und das Schauſpiel
vollends , welches wir täglich erleben , daß ſich deutſch und
freiheitleéeh zu nennen wagen darf , wer das Vaterland
herunterwürdigen will zu Großpreußen , Das leider iſt die
unwiderlegliche Anklage,, wie viel uns noch an den erſten
Bedingnissen des wahrhasten Nationalgefühls fehlt, welches
mit wahrhaftem Freiheitsgefühl, Rechtsbewußtsein, Mannes-

* Mit einer Proklamation, worin er das Anerkenntniß
ſeiner Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit beanſprucht, iſt John-
ſon vom Präſidentenſtuhl der B er ein i g te n S ta a-
Rückzahlung der
Staatsschulden in Gold , deren Getchmicans. die letzte
at er ſeine
Ratifikation nicht mehr ertheilt, ſo daß diefelbe u! in
Gesetzeskrast getreten iſt. Nach der Zusammensetzung des
jeßigen Kongresses iſt eine baldige Wiederholung dieſes Be-

seiner Antrittsrede die Goldheimzahlung für einen weſent-
Das Ministerium
des neuen Präſiden!en iſt bereits gebildet und hat die Be-
ſtätigung des Senates erhalten. Von den Mitgliedern des
Johnſon’'schen Ministeriums iſt nur der Kriegsminiſter
Shoffield in das neue übergegangen. Die übrigen Er-
nennungen ſind auf neue Männer gefallen, die jedoch faſt
alle eine bedeutende parlamentariſche oder handelspolitiſche
Laufbahn hinter ſich haben. Wasſhburne, der das Mini-
ſterium des Auswärtigen erhalten hat, war Vertreter des
Staates Illinois im Senate und Vorsitzender des Finanz-
Er iſt strenger Republikaner und Vertheidiger
des Prinzips der Baarheimzahlung der Staatsſchuld. Der
neue Finanzminiſter Stewart ist der reichſte Kaufmann in
New-York; Cox, der Staatssekretär des Innern, zählt wie
Zu
seinem Nachfolger in der Stelle des Armee-Obergenerals
hat Grant den Generallieutenant Sherman ernannt und

Die Abstimmung in der Situng der K ort es am 4.
über den Antrag Caſtelar's auf einen Amnestieerlaß zeigt
eine zu Gunsten der republitaniſchen Partei eingetretene Aen-
Während bei den srü-
hern Abstimmungen die republikanischen Voten ſich zwiſchen
der Zahl von 60070 bewegten, iſt diesesmal der Mehr-
heit von 185 Stimmen, welche ſich gegen den Antrag
erklärten, eine Minderheit von 94 gegenübergeſtanden. In
der Sitzung am 6. beantragte der Republikaner Orenſe
die Abschaffung des staatlichen Salz- und Tabaks-Monopols,
welcher Vorſchlag von der Mehrheit als in Erwägung zu
ziehend erklärt und einem Aussſchuſſe zur Prüfung über-

Laut spauiſchen Nachrichten aus Havanna vom 3. ſol-
len die Aufständiſchen auf K u b a neuerdings geſchlagen
worden ſein. In nordamerikaniſchen Blättern verlauten
dagegen fortwährend Zweifel an einer Bewältigung des
Aufstandes. Ein Berichterſtatter aus Philadelphia ſchreibt:
„Die Aufständischen scheinen große Vortheile zu erringen
und auf dem größeren Theile der Inſel seſten Fuß gefaßt
zu haben. Mit seiner Macht vort 35,000 Mann vermag

richterſtatter aus amerikaniſchen Quellen ſchöpft, läßt obiger
Auszug aus einer langen Schilderung der Zuſtände auf
Kuba die Bedeutung des dortigen Aufsstandes ſehr ernſt
erſcheinen.
In Belgien hat am 6. die Abgeordnetenkammer
die Abschaffung der Schuldhaft mit 71 gegen 12 Stimmen
heſchloſſen. Zwölf Mitglieder des Hauſes enthielten ſich
der Abſtimmung. Der Ausschuß, hatte mit großer Hart-
näckigkeit an einigen von ihm vorgeſchlagenen Beſchränkun-
gen, u. A. an Beibehaltung der Haſt in Fällen betrügeri-
ſcher Schulden und zur Beitreibung nicht bezahlter Geld-
ſtrafen in Preßprozeſſen, feſtgehalten; die Kammer beschloß
jedoch die gänzliche Beseitigung der Schuldhaſt. Heute ſoll
der Senat zuſammentreten, um über das wiederholt einge-
brachte Budget des Juſtizminiſteriums zu berathen.
Anderwärts sträuben ſich die Landtage gegen die in
überreichem Maße an sie herantretenden Regierungsforde-
rungen für dielArmee: in Italien bringt die Deputirten-
tammer solche Willigungen dem Kriegsminiſter auf dem
Präſentirteller entgegen. Am 4. hat der Ausschuß des ge-
nannten Hauſes die Regierung aufgefordert, einen Gesetz-
entwurf über Anſchaffung von 30,000 im Laufe des Jahres
1870 anzufertigenden Infanterie- Gewehren einzubringen.
Einen angenehmen Gegensatz zu dieſenm Beſchluſſe liefert ein
Uebereinkommen , welches dieser Tage zwiſchen den Regies
rungen von Italien und Württemberg zu Gunsten erkrank-
ter unbemittelter Landesangehöriger in beiden Ländern ab-
geſchloſſen wurde.
dem Norddeutschen Bunde ist vorgestern vom Senat ge-
nehmigt worden.

In Preußen iſt der Landtag am &. durch den Mi-
niſterpräſidenten geſchloſſen worden. Die dabei gehaltene
Rede konkurirt, was ihre geschäftsmäßige Nüchternheit be-
trifft, erfolgreich mit der königlichen Thronrede vom 4. Daß
der Landtag die finanziellen Forderungen ,„faſt unvertürzt“
bewilligt und durch die Zuſtimmung zum Gesetze über die
Vermögensauseinandersegung mil Frankfurt diese Angelegen-
heit „in einer den landesväterlichen Absichten Sr. Mai.
entſprechenden Weiſe“ zum Abschluß gebracht hat, wird
gnädigſt belobt und daraus , wie aus ähnlichen Zuſtim-
mungen des Landtags zu dem Regierungswillen der Schluß
gezogen, daß „die Vermittlung widersprechender gleichberech-
ligter Ueberzeugungen und damit die Ueberwindung einer
vom parlamentariſchen Leben unzertrennlichen Schwierig-
keit in der gegenwärtigen Stimmung in einem Maße ge-
lungen iſt, welches einen entschiedenen Fortschritt unſerer
verfaſſungsmäßigen Entwickelung bekundet." Das Bis-
marck’ſche Wohlverhaltungs-Zeugniß iſt von dem Abgeord-
netenhauſe ehrlich verdient worden. Spräche dafür nicht
der gesammte Verlauf der verflossenen Sitzungsperiode: die

öffnung des Landtags war vom Abg. Löwe der Graf Bis-
marck interpellirt worden, ob die Regierung eiue Erneuerung
der demnächſt ablaufenden Kartel-Konvention mit Rußland
beabsichtige. Nachdem der Miniſterpräsident eine beſtimmte
Antwort verweigert hatte, war von demselbem Abgeordneten
im Dezember ein förmlicher Antrag eingebracht worden,
welcher die Zuſtimmung des Landtags als eine verfaſſungs-
mäßige Bedingung für die Giltigteit ſolcher Konventionen
aufstellte. Man kennt die doppelten Nachtheile des Kartels
mit Rußland. Von den Handelskammern und von den

Grenze sind seit Jahren Hunderte von Beſchwerden über
die Hemmnisse, die diese Konvention dem Verkehr und
Ackerbau in Preußen bereitet, an die Regierung und den
Landtag eingegangen. Lauter noch, als diese Klagen ſchrie
aber das Blut der unglücklichen polnischen Aufständischen,
die auf preußiſches Gebiet ſich geflüchtet hatten und zu
deren Auslieferung an das ruſſiſche Meſſer einzelne Be-
stimmungen der Konvention einen reichlich benütztten Vor-
wand gegeben haben. Der Löwe ſche Antrag, deſſen Bes
rathung ſeit Dezember immer und immer hinausgeschoben
wurde, erſchien endlich auf der Tagesordnung der dritt-
letzte n Sitzung des Abgeordnetenhauſes. Graf Bismartct,
bei dem sich ein Unwohlsein zu gelegener Zeit ſtets ein-
ſtellt, ließ ſich krank melden, und das Haus bewährte,
indem es den Antrag von der Tagesordnung ſtrich, neuer-
dings seine Unterwürfigkeit in allen Fragen der äußer.en
Polikikk. Rußland ist eben Preußens „getreueſter Alliirter

Deutſchland.
* Aus Baden, s. März. Der Graher Attentäter

auf Graf Bismarck hat einen Doppelgänger erhalten. Die
in Berlin erſcheinende ,„Beidler’ſche Kaorreſyandenz“ berichtet,



lettten Tage allein würden dafür zeugen. Bald nach Erz

landwirthſchaftlichen Korporationen der Kreise an der ruſſiſchen

Der Poſtvertrag zwiſchen Italien un i.




 
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