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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 102 - No. 126 (1. Mai - 30. Mai)
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bend je

Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.











Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich als A
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 83 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen

bendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
bei der Expedition CQ 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanstalten. .













In Sachen der preußiſchen
Konfiskationen.

N.C. Unter dem Titel „Die Annexion der Geldbörse,
ein Beitrag zur Beurtheilung des preußischen Rechtsbe-
wußtſeins“ iſt in Wien eine Broſchüre erschienen, die
abermals der Politik den Prozeß macht, welche das große
Blutwerk von 1866 noch heutzutage im Kleinen durch
Gewaltthaten fortzuſeßen für gut findet, oder vielmehr
durch ihre innerſte Natur gedrängt wird. Anknüpfend an
ein vortreffliches Wort Varnhagens aus 1836: „Hat ein
Räuber erſt Gerichtshöfe und Schergen, ſo kann er seine
Feinde geſezlich umbringen“, macht der Verf. die nahe-
liegende Nutzanwendung auf die Herren Volksvertreter,
. an welche Varnhagen seiner Zeit noch nicht denken konnte,
und hält ihnen die Art. 9 und 10 der preuß. Verfaſſung
entgegen, nach denen „das Eigenthum unverletzlich iſt“
und ,die Strafe der Vermögensentziehung nicht ſtattfin-
det,“ ~ jener vielfach beſchworenen Verfaſſung, bei. der
ihm mit Recht das bekannte Wort entfällt: „Die falſchen
Eide ſind in der Welt, damit ſie geſchworen werden.“
Sehr treffend iſt die Ausführung, daß die Vermögensver-
träge Preußens mit den Fürſten von Hannover und
Heſſen nichts enthalten, wonach jenes (wie es doch be-
hauptet) „zu der Erwartung berechtigt gewesen wäre,“ diese
Fürſten würden ſich nun paſſiv verhalten. ,„Der Verzicht
auf ihre landesherrlichen Rechte iſt von Seiten Preußens
als eine Vertragsbedingung einſt allerdings ausdrücklich
gefordert worden. Diese Forderung Preußens aber iſt
sowohl vom Kurfürsten wie auch vom Könige von Han-
nover zurückgewieſen worden. Preußen überzeugte ſich,
daß dieser Verzicht abſolut nicht zu erlangen jei; die Ver-
träge aber, die von dieſem Verzicht abſolut nichts enthalten,

ſind hiernach von Preußens Seite geradezu ein Verzicht auf-

den Verzicht." Wegen der sog. Welfenlegion wird die so
treffende wie heitlige Frage aufgeworfen, warum denn
Preußen ſich nicht an Frantreich halte, welches ja jene
„Gefahr“ auf seimem Grund und, Boden dulde. Ebenſo
treffend wird in Bezug auf die bekannte Denlkschriſt des
Kurfürſten, welche gegen diesen den Vorwand zur Kon-
fiskation abgegeben hat, geltend gemacht : „Der preußiſche
Buchhandel hat dieses Alktenstück ungehindert verbreiten
dürfen ; kein Richter, kein Staatsanwalt iſt dagegen ein-
geſchritten; und nun ſoll es doch eine Schrift voller Ver-
brechen und als solche eine Rechtfertigung der fortgeſettten
Annexion sein, welche die Taſchen revidirt ?

Der Ausnahmezuſtand, in den die preußische Konfis-
fkations-Maßregel die depoſſedirten Fürſten gegenüber den
ſonſt in Preußen geltenden Rechtsgrundſätzen ſtellt, tritt
beſonders ſchlagend heraus, wenn man die Rechtsansprüche
daneben hält, welche Preußen gegen einige ihrer Anhän-
ger geltend macht. Die sollen bekanntlich mit erobert
ſein, sollen durch den Landerwerb — sie, die lebendigen
Menſchenwesen, die bisher nicht Leibeigenen noch Hörigen!
— ohne Weiters in die zweifelhafte Ehre der zollerſchen
Unterthanenſchaft getreten sein. So Graf Platen, der
folgerichtig gleich das Eichenlaub des kgl. prenß. Hoch-
verraths dazu bekam, So jetzt Dr. Marxen, bisher Pro-
feſſor in Göttingen, der an der preußischen Beamten-Ver-
eidigung sich nicht betheiligt hat und troßdem als „an-
geblich königlich preußi cher Staatsdiener“ vom kgl. preuß.
Disziplinarhof zu Berlin disziplinirt werden ſaoll.

Politiſche Uebersicht.

Mannheim, 13. Mai.

" >\Vie geſtern mitgetheilt, sind die Kortes am 11.
. in der Berathung des Verfaſſungsentwurfes für Sp ani en
bis zum Artikel 31 vorgerückt. Nur zwei Artikel trennten
ſie noch von jenem, der die künftige Staatsform be-
stimmen soll, und vielleicht hat, während wir diese Zeilen
ſchreiben, der Redekampf der Monarchiſten um die ~
einſiweilen papierne ~ Wiederaufrichtung des Königthums
bereits ſenen Anfang genommen. Siegen ſie, so ſoll's
Fi nach den neueſten Madrider Berichten + gleich an
die Königswahl gehen, da Serrano und seine unioniſtiſchen
Freunde in Verbindung mit Progresſiſten in einem ver-
längerten Proviſorium Gefahren erblicken und Ersterer sich
durchaus abgeneigt zeige, eine Regentschaft zu übernehmen.
Damit wäre alſo die vom Miniſter Zorilla am 20. April
angckündigte Zeit nahegerückt, in welcher Spanien , früher,
als die Republkaner es glaubten, den Namen seines
Königs erfahren werde." Der einige Zeit hindurch ver-
ſchwundene Namen des Herzogs von Montpensier taucht



abzufinden ,









| in den von Serrano inſpirirten Blättern neueſtens wieder

häufiger auf, und auch andere Anzeichen lassen ſchließen,
daß dieſer Verſchwägerte der verjagten Jſabella der Thron-
kandidat iſt, den Zorilla und Genoſſen in ihrer Tasche
herumtragen.

Der Zuſammentritt der gemischten Kommission zur Be-
rathung der belgiſchen Ciſenbahnangelegenheit
iſt demnächſt ~ einige Stimmen nennen den 20.1. ; gu
erwarten. Sowohl die französiſche, als die belgiſche Re-
gierung hat die je drei von ihnen zu entsendenden Mit-
glieder bereits ernannt und die auf beiden Seiten aus-
ſchließlich auf Techniker und entſprechende Fachmänner ge-
fallene Wahl entſpricht dem Geiſte des vereinbarten Pro-
totolles, wonach die Kommission sich mit Avsschluß
aller politiſchen, nur mit ökonomischen Fragen zu beſchäfs
tigen hat.

Eine Berner Korreſpondenz der „Frankfurter Zeitung“
beſtätigt unsere neuliche Mittheilung, daß der dießjährige
Kongreß der Frie dens- und Freiheitslig a, nach
einem Beſchluß des Zentralausſchuſſes, am 29. August
zuſammentreten ſoll. Der Ort der Abhaltung ist jedoch
noch nicht definitiv feſtgeſeßt, außer Bern ſind Basel und
Zürich hierfür ins Auge gefaßt. Die Besprechung der
orientalischen Frage, dann der Stellung, welche die Bur-
geoiſie in der sozialen Frage einzunehmen habe, und
endlich die Erörterung der Grundlagen des dereinstigen
europäischen Völkerbundes ſind die drei Hauptgegenſtände,
womit der dießjährige Kongreß, deſſen Dauer 4 bis 5
Tage währen ſoll, sich beschäftigen wird.

Wir haben kürzlich einem Kopenhagener Brief der
„Frankf. Ztg." einige Andeutungen entnommen, wonach
Preußen, um zugleich Dänemark zu beruhigen und fich
mit dem deposſſedirten h anno veriſchen Fürſtenhauſe
beabsichtigen ſoll, eine Vermählung des
Sohness des Königs Georg mit der dritten Tochter des
Königs von Dänemark herbeizuführen und dem jungen
Ehemanne die (von Preußen beanſpruchte) Erbfolge im
Herzogthum Braunſchweig als Hochzeitsangebinde abzu-
treten. In ministeriellen preußiſchen Blättern ist diese
Angabe bisher unbesprochen geblieben ; von Wien und
Paris her kommen dagegen jett gleichzeitig bestätigende
Nachrichten, laut welchen das fragliche Heirathsprojekt
wirklich beſteht und Eröffnungen in dieser Richtung im
gegenwärtigen Augenblicke in Hieting gemacht ſind.

Der Waldeck'ſche Antrag auf Gewährung von Diäten

für die Reichstag sabgeordneten iſt nicht, wie
geſtern der Telegraph berichtete, mit 110 gegen 100 Stim-
men „angenommen“, sondern mit der angegebenen Stim-
menzahl abgelehnt worden. Was zwar praktiſch auf
Eines hinausläuft, da die Nichtzuſtimmung des Bundes-
rathes unzweifelhaft war. ;

Von der Volkspartei in Württembe r g wird der politi-
ſchen Bewegung, die sich jezt in Ba den kundgibt, ein fröhlich
„Glückauf " zugerufen. „Wir sehen, ſchreibt die „Dem. Korr.",
ein Vok, das wir in tiefem Schlummer glaubten, mit
einem Male ſichgründlich die Augen reiben; wir ſeheneinLand,
das wir ~ unglücklich langgeſtrectt und ohne Mittelpunkt wie es
iſt + ohne jeden einheitlichen Zuſammenhalt meinten, mit
einem Male überzogen mit den erſten großen Maſchen
eines Neßes von Agitation ; wir sehen Männer von un-
gleichen Parteien und Lebensstellungen zu einer erſten
öffentlichen Kundgebung, Ansprache, Agitation vereinigt ;
wir sehen ein rechtſchaffenes Neben-Einander in einund-
derſelben Richtung eingeleitet; wir sehen endlich alle dieſe
guten Anfänge auf dem rechten Wege zum rechten Ziele;
eine Total-Reform an Haupt und Gliedern, anderes Mi-
niſterium , andere Volksvertretung. All das rechtfertigt

gewiß, daß wir die badiſche Bewegung freudig begrüßen.

Cinen ersten Erfolg hat ſie auch ſchon aufzuweisen : Jolly und
Bluntsſchli ſuchen und finden sich wieder. Das Bedürfniß des
Augenblicks führt sie wieder zu ſammen. Wenn Bluntſchli
neulich auf Jolly's Trumpf mit dem Gegentrumff geant-
wortet hat: „wen hat er denn noch ?" so zeigt sich jetzt,
daß mit diesem Nicht-Haben noch lange nicht der Gipfel
des Unglücks erreicht war: den Bluntschli haben, ist viel
bedenklich, und soweit ist Jolly jezt, wie es ſcheint.
Roggenbach, ſagt man, habe sie wieder zuſammengeführt.
Es gibt höhere Ziele, und einst ſchien Roggenbach jie zu
haben. Cin idealiſtiſcher Zug aus der Zeit ſeines erſten
Auftretens hat uns diesen Mann in der Erinnerung
w rth gemacht. Das iſt vorbei. Jolly und Bluntschli
ausſöhnen iſt das Gegentheil alles Idealismus; sie unter-
ſiütßen und zu ihnen ſtehen, wenn man Roggenbach iſt,
heißt nur den Beweis liefern, wie es ſich rächt, wenn



ein Mann den Kampaß des Daseins , die Stetigkeit des
Grundsatzes verliert. Wer im Bruderkrieg ſagt: ich
gehe zum Bismarck , Der kommt nicht wieder auf. Daß
dieſer erſte Erfolg nur als ein Symptom zu nehmen iſt,
brauchen wir nicht zu sagen. Daß mit der Vereinigung
einer Anzahl von Parteiführern im Lande nur erſt die
Spitzen gewonnen ſind , nicht die feſte Grundlage , Das
drängt es uns zu ſagen. Wie die Dinge in Baden
ſtand en, iſt der Zuſammentritt dieser Männer ein
Großes ; wie die Dinge in der Welt ſt ehen, iſt's nicht
mehr als ein erſter Anfang. Aber Der legt Pflichten
auf und gottlob! er gewährt Hoffnung.“

In Ba ye rn haben gestern die Wahlen der Wall-
männer für die auf den 20. ausgesſchriebenen Wahlen
der Abgeordneten für den nächsten Landtag stattgefunden.
Möge es ſich als ein glückliches Anzeichen für das Ges-
sammtergebniß bewähren, daß die erſte uns hierüber zuge-
kommene Nachricht lautet: „Fürth. Sieg der Volkspartei
in allen Wahlbezirken, theilweiſe mit bedeutender Mehr-
heit." Cine gleichlautende Depeſche aus einer anderen
Stadt Bayerns iſt zwar nicht mehr zu erwarten,
da die bayerische Volkspartei nur in München, Nürn-
berg und Fürth eine Vereinsorganiſation beſitt, die
einzelnen Bekenner der Grundsätze der Volkspartei in
den anderen Städten also auf eine Koalition mit der
großdeutſchen Partei ſich beſchränken und deren Kandidaten
zu den ihrigen machen müssen. Darauf nun, daß dieſe
Kandidaten in der Mehrzahl durchdringen, und auf dieſe
Weise die anſchlußfanatiſche liberal-nationale Partei (in
Bayern „Fortſchrittspartei“ titulirth und die verschämt
anſchluß-freundliche Mittelpartei an Sitzen in der Kammer
verlieren, müsſſen unſere Hoffnungen gerichtet sein. In
Nürnberg sind sie unerfüllt geblieben; in dieser Schweſter-
ſtadt Fürths hat die Fortſchrittspartei in allen Vierteln
gesiegt.





Deutſchland.

* Karlsruhe, 13. Mai. Amtliche s. Der bis-
herige interimiſtisſche Vorstand der Generaladminiſtration
der Kunsſtanstalten, Hoffinanzrath Kreidel, iſt zum Direktor
der Hoffinanzen ernannt worden. + Diese Generaladmi-
niſtration wurde aufgelöſt und die Geschäfte derſelben :
die Oberleitung und die Verwaltungsgeschäfte der Gemälde-
galerie, des Kupfersſtich-Kabinets, der Kunſtſchule und der
Alterthumshalle dahier, ſowie der Gemäldegalerie und des
Antiquariums in Mannheim mit dem bisherigen Hof-
ſekretariat vereinigt und dieſem Hofamt die Benennung
„Hoffinanzkammer“ ertheilt. ~ Das G es eß- un d Ver-
ordnungs blatt Nr. 10 vom 12. d. enthält: Die
Verordnung über wechſelſeitige Auslieferung von Gefan-
genen zwischen Baden und der Schweiz. Die Uebersicht
der Vertheilung der aus der Altersklaſſe von 1849 aus-
zuhebenden Ergänzungsmannſchaſt. Darnach treffen auf
die Bezirke: Mosbach 509 , Heidelberg 449, Bruchsal
507, Karlsruhe 479, Raſtait 475, Offenburg 499,
Freiburg 468, Lörrach 424, Donaueschingen 480, Stok-
kach 410, zuſammen 4700 Manu.

' Aus der Residenz, 12. Mai. Die „Offen-
burger“ ~ oder vielmehr der Reſt derselben sollen wirk-
lich eine „Einigung über Grundsätße und Personen, den
Rücktritt einiger Miniſterialmitglieder und deren Ersetzung
durch Offenburger“ (Kiefer-Lamey) als Preis einer Eini-
gung mit dem Miniſterium verlangen. Diese Forderung
ſoll zu hoch befunden sein, um Gewährung zu erhalten.
Eine Cinigung über die Grundsäte ~ o schreibt ein
Offiziöſäoer ~~ miùüſsse natürlich jeder Verſchmelzung von
Parteien vorausgehen; aber Personen ändere man nur,
wenn sie diesen Grundsätzen entgegensſtänden . . . und man
habe noch nicht gehört, daß auch nur über einen Mini-
ſterialpräſidenten ein ſolcher Vorwurf laut geworden wäre;
wobei man, beiläufig sei's gesagt, die „Offenburgerei
entweder überhört hat oder nicht verſtehen wollte. In
Ländern, so heißt es weiter, wo Minister keine Penſionen
erhielten, möge man auch der Verschmelzung der Parteien
zu Lieb 'in oder das andere Mitglied des Kabinets opfern,
um dem Ethrgeize einer Partei einen Raum zu öffnen ;
bei uns in Baden aber lägen die Verhältniſſe anders,
d. h. da gäbe es Pensionen und keine Miniſter, die bei
ihrer zu Ruheſeßung auf die Pension verzichteten — und
man wüßte auch überhaupt nicht, unter den Führern der
Offenburger Partei einen Mann zu finden, der die Stelle
dieſes oder jenes Miniſters „mit mehr Sachkenntniß und
Erfolg“ ausfüllen könnte; denn man brauche einmal für
mehrere der Departements Fachminiſter. Das iſt Tuſch






 
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