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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. [259] - No. 283 (2. November - 30. November)
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A 266.

Mittwoch, 10. November.

1869.





Mannheimer Abendzeitung.

Organ der deutſchen Volksparlei in Paden.





Die „Marinheitaer Abendzeitung" wird ~~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage + täglich als Abendblatt zel
Anzeigen-Gebühr ; die einſpaltige Petitzeile 8 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr.

ausgegeben. –ô Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.



EE E

——



Die Königsmacherei in Spanien.

*) Die provisorische Regierung in Spanien, die nur

Kraft der Volkssouveränetät besſteht, hat seiner Zeit den
Kortes einen Verfaſſungsentwurf vorgelegt, welcher die
allergenaueſten Bestimmungen über den „König“ und
die „königliche Gewalt“ enthälk. Man konnte damals
sagen, Serrano drechsle an den Hörnern, ehe der Bock
geſchoſſen worden. Den Bock ſchoſsen freilich nachher die
Kortes, oder doch die Mehrheit derselben. Sie beſchloß
den Rückfall in die kaum überſtandene Königskrantheit,
in die alte Vergangenheit.
î Die Verfaſung kam zu Stande. Spanien ſaoll
wieder einen König erhalten. – Noch hat es ihn nicht
erhalten. Nachdem die Königsmacher überall herumge-
ſucht hatten, fanden sie einen Knaben, desſen Vormünder
unter gewissen. Bedingungen ſich bereit zeigten, ihren
Mündel den Thron der Spanier besteigen zu laſsen.
Nun handelte es ſich darum, für den Königskandidaten
Stimmen zu werhen. Täglich berichtet der Telegraph
aus Madrid: Der Herzog von Genua hat wieder vier
— acht –~ zehn Stimmen gewommen. Genau wie bei
einer Versteigerung . . . einer Versteigerung, ſagt die
„N. fr. Preſſe“, welche vielleicht die Herren Prim und
Serrano vornehmen ? Die ſpaniſche Republik iſt vor-
läufig todt, unter den Trümmern der zerſchoſſenen Häuſer
von Valencia begraben; nun kommt ihr Nachlaß unter
den Hammer, damit die lachenden Erben ſich leichter
darein theilen können, die Freiheit Spaniens wird für
ſo und ſo viel Stimmen verkauft.

Die Beweggründe, die Prim leiten, ſind ſehr durch-
ſichig. Er hätte wohl am liebsten ſelbſt den spanischen
Thron beſtiegen; darum leiſtete er von Anfang .der Re-
volution den Republikanern Widerſtand. Aber weder die
Anhänglichkeit der Armee, noch die Millionen seiner Frau
ſcheinen zur Erreichung dieſes hohen Zieles genügt zu
haben. So leiſtete er denn auf die Stellung des Herr-

ſchers, nicht auf die Herrſchaſt Verzicht. Die Regierungs-
form iſt ihm Nebensache, wenn er nur in Spanien re-
gieren kann. Was käme ſeinem Ehrgeize erwünſchter,
ſeinen Plänen gelegener, als ein unreifer, fremder, mit
qr Lt: und deſhen Zuſtänden gänzlich unbekannter

onarch ?

Der Cifer, mit welchem Prim das Königsmacherge-
ſchäft betreibe, hat zu einem Zerwürfniß unter den
Machthabern geführt. Zwiſchen Prim und Serrano
glimmt der Zwiespalt versteckt, mit Topete iſt er offen
ausgebrochen und Letzterer hat nach dem Rücktritte seiner
politiſchen Freunde Ardanaz und Silvela seine Entlassung
aus dem Miniſterinm erbeten. Admiral Topete hat ſich
für den Herzog von Montpensier erklärt; dieser soll ihm
„König“ sein. Die Kandidatur des Herzogs von Genua
verleidete ihm seinen Miniſterpoſten und er beschloß den-
ſelben abzugeben. Im Lager der Progressiſten deßhalb
große Beſtürzung. Hinter Topete steht die ganze Partei
der liberalen Union; stimmt diese nit mit den Pro-
greſſiſten, so können sie den Herzog von Genua nicht
proklamiren.

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|



Ob Topete nun bleibt oder geht, iſt die Frage. Viel- ' gegangen. Nur in der Nähe des Parlamentsgebäudes

leicht daß seine Abneigung gegen die Republik ihn in
die Arme der Progresſiſten treibt; vielleicht daß dieſelbe
Abneigung einen Theil der Anhänger Topete's bestimmt,
für den Herzog von Genua sich zu erklären. Aber —
das ironiſche Schicksal, das die Königsmacher in Spanien
verfolgt, dürfte ſselbſt dann nicht mit seinen Tücken auf-
hören, wenn der italieniſche Knabe zum König ausge-
rufen wird.

Wenn die Vormünder des Knaben ſich über alle Be-
denken, auch eine ſchwache Mehrheit der Kortes hinweg-
ſeßen und den Herzog von Genua nach Spanien senden,
wird die Frage nicht aus sein. Prim wird den Knaben
in den Armen halten und regieren. Dann entsteht die
Frage, ob Serrano geneigt iſt, ſich gutmüthig bei Seite
schieben zu laſſen. Serrano findet das königliche Schloß
recht wohnlich . . . Rückt daher ein neugebackener König
an, so dürfte Serrano mit Prim raſch in Hader und
Haß gerathen. Keiner von ihnen wird der Zweite nach
dem Könige sein wollen und die beiden Kameraden von

Alcolea werden zum Unglicke ihres Vaterlandes O'Donnel

und Narvaez spielen. So ſteht es mit der Königsmacherei
in Spanien. Traurig genug, um das Volk zu der
Ueberzengung zu bringen: wenn es ſich's recht überlege,
so brauche es eigentlich gar keinen König.

Pouitiſche Ueverſicht.

Mannheim, 9. November.



_ * Der neue preugßiſche Finanzminiſter hat
1849 eine Rede gehalten, in welcher er das Steuerverwei-
gerungerecht anerkannte. Jett beeilte ſich derselbe dem
Abgeordnetenhaus zu erklären, daß er auf jenem Stand-
punkte nicht mehr stehe. Am Schlusse ſeiner bezüglichen
Rede hatte derselbe eine . kleine Anwandlung liberaler
Schwäche; er äußerte, wenn das Haus nicht mit ihm
zufrieden sei, ſo wäre er gerne bereit, ſein Amt niederzu-
legen. Daraufhin erinnert die „Kreuzzeitung“ den Mi-
niſter daran, daß in Preußen der Kö nig die Minister
ernenne und entlaſſe . . . Es besteht kein Zweifel, daß
der Herr Minister auch in dieſer Richtung als gelehriger
Schüler sich erweiſen wird.

In Dalmatien bezeichnen die vorſchreitenden öſter-
reichiſchen Truppen ihren Weg mit Hinrichtungen. Mit
„Pulver und Blei“ und dem ,Strict“ will man Ruhe
und Ordnung ſchafsfen. Es ſind dieß die alten ſchmäh-
lichen Mittel der rohen Gewalt. Sie erinnern an eine
der traurigſten Epochen der öſterreichiſchen Geschichte. Ver-
mögen barbariſche Verfolgungen und Hinrichtungen überall
nicht, Unzufriedenheit und Aufstand zu bewältigen, so
dieß noch weniger bei einem Volksſtamme : in deſſen
Lexikon das Wort „Furcht“ nicht vorkommt, bei dem aber
die „Ra che“ obenan steht im täglichen Gebete.

. Die däniſche Regierung hat die Ratifikation des
Verkaufsvertrages der westindiſchen JInſeln auf 6 Monate

vertagt.

Zu London i”ſt die Feierlichkeit der Eröffnung der
Themſsebrücke bei Blakefriars ohne jegliche Störung, unter
Betheiligung einer unermeßlichen Menſchenmenge vor sich

|

'



kam es zwischen iriſchen Arbeitern und Engländern, welche
mit einer Puppe, den Papſt darſtellend, Umzug hielten,
zu einer Schlägerei.

Zu Berlin gabs am letzten Sonntag ebenfalls
Keile. Die Schweitzerianer, Helden ohne Furcht und
Tadel , störten böswillig die von Virchow und Genossen
berufene Verſammlung. Die Verſammlung ſollte A b-
rüſtung befürworten. Aufrüſtung war die Loſung der

Störenfriede. Als Beweismittel für „Fortſchritt und

Recht brachten“ ſie Fäuſte und Stöcke zur Gellunn ...

und dieselben wurden von der ruhig zuſehauenden Polizei
als solche anerkannt.

Deutſchland.
H Mannheim, 9. Nov. Es iſt bezeichnend und



wir machen alle Freunde der Freiheit darauf aufmerkſuam,. !

daß in dem Augenblick, in welchem der preußiſche Kul-
tusminiſter v. Mühler die Kühnheit hat, dem Abgeord-
netenhaus einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Ab-
schaffung der Unentgeltlichkeit des Volksunterrichts bezweckt,
dem franzöſiſchen Staatsrath ein Gesetz vorliegt, das
die Unentgeltlichkeit des Volksunterrichts für ganz Frank-
reich ausſpricht. In Preußen iſt die Unentgeltlichkeit
des Volksunterrichts in der Verfaſſung ausgesprochen und
wenn sie auch nicht überall in Wirklichkeit beſteht, Jo
war uns doch dieſer Verfaſſungsartikel als ein zu er-
ſtrebendes Ideal einer der liebſten in der preußischen
Verfaſſung. Und die Aufhebung dieses Artikels wagt -
Hr. Mühler zu verlangen ; dieses Verlangen ſteht übrigens
ganz im Einklange mit dem Entwurf eines Unterrichts-
gesſetßes (ſ. Berlin), das dieser Kultusminiſter im Jahre
1869 der preußiſchen Kammer vorzulegen wagt. Man
leſe diesen Gesetzentwurf und s < au der e! Werden Dies
jenigen, dic in Preußen den Staat des dentſchen Berufs
erblicken, auch jetzt noch von ihrem Wahne nicht zurück-
kommen? In geistige Knechtſchaft würden wir
verſinken, wenn wir das Unglück hätten, verpreußt zu
werden.

* Karlsruhe, 9. Nov. (Amtliches.) Bahnverw. L.
Kemm in Mühlacker wurde die Vorſtandsſtelle bei dem Poſt-
und Eiſenbahn-Amt Lauda , vorerſt in proviſoriſcher Weise,
übertragen; Poſstverwalter L. Meyer in Mannheim zum

Poſt- und Ciſenbahn-Amt Bruchſal und Peoſtverwalter

G. Gutmann in Bruchſal zum Poſtamt Mannheim ver-
ſett ; Poſte und Bahnverwalter L. Gotha in Singen
zum Bahnverwalter in Mühlacker, Poſtkontroleur A. Meyer
in Karlsruhe zum Poſt- und Bahnverwalter in Singen,
Poſtverwalter M. Wielandt in Heidelberg zum Reviſor
bei der Direktion der Verkehrsanstalten, Poſtkontroleur
A. Strauß in Heidelberg zum Poſtverwalter bei dem
Poſstamte daſelbſt, ſowie Poſtpraktitant A. Joos von

Aach zum Post- und Bahnverwalter in Oſterburren .

traut Us Baden, 9. Nov. Die letten Tage
haben einige Versammlungen zu verzeichhen. Zu Scho pf-
hei m erklärte sich eine solche gegen die Geſsetesvorlag





Künſtler und Brigant.
(32. Fortſetung.)



„Nur schade, daß der tapfere General so selten auf
dem Monte Favone zu ſegen iſt!“ bemerkte Müller.

„nWahr geſprochen!“ “ lachte Zimmermann. ,,War-
ten Sie lieber ab, bis Ihnen eine verloren gegangene
Schlacht oder ~ Generalsepaulette Anlaß gibt, Dela-
roche's Napoleon in Fontainebleau einen Chiavone in
Caſa Cocoli gegenüber zu ſtellen.“"

Während dieſes Geſpräches war die ſchöne Wirthin
in die Stube getreten und hatte den neuangekommenen
Gäſten ein reichliches Abendbrod nebst einigen Flaſchen

guten Landwein vorgesetzt.

Birnbaum übernahm inzwiſchen die „krais“ der Con-
verſation. „Seit der Ankunft der Generalsepauletten iſt
der General von einem Thatendurſt durchdrungen, welcher
zu den ſchönſten Hoffnungen berechtigt. In der kurzen
_ „Zeit Ihrer Abwesenheit hat er die Geſchichte des Bri-
gantaggio um zwei glänzende ,katti“ bereichert.“

„nLaſſen Sie doch hören, Kapitän!“ “

„Pro primo : Glänzende Cinnahme von Sora.“
Buzai je ? Sora eingenommen? Sie ſcherzen, Birn-

aun!‘ z



„Hören Sie nur. Mit den fameusſen Epauletten
kam auch eine Anzahl rieſenhafter Proklamationen aus
Rom an, welche Chiavone eigens beſtellt hatte, um den
Herren in Rom zu zeigen, mit welch’ hochfahrenden
Plänen er ſich befaſſe. \ Dieſe Proklamationen trugen
die Aufschrift: „Mitbürger! . Sora iſt unſer!’“ und

sollten in allen Ortſchaften des Lirithales und der Terra !

die Lavoro vertheilt und, sobald der angedeutete Hand-
ſtreich gelungen, öffentlich angeschlagen werden, um der
Bevölkerung das Signal zum offenen Kampfe gegen die
Blauröcke zu geben.“

„„Nun –ö und weiter?"

„Je nun, dieſe Proklamationen ließ der General zur
Feier der Ankunft ſeiner Epauletten noch in derselben

Nacht an allen Straßenecken, an Kirchen, piemontesiſchen -

Kaſernen und Amtsgebäuden ankleten und als am
nächſten Morgen die Landleute aus den umliegenden
Ortschaften haufenweise nach Sora zogen, um Chiavone
in aller Herrlichkeit eines neuen Sancho . Panſa als
Statthalter dort residiren zu ſehen, sahen ſie zu ihrem
Erſtaunen dieſelben Proklamationen, welche sie hierher
gelockt hatten, auch an Sora’'s Mauern kleben, jedoch
mit der Unterſchriktt: „Gesehen und richtig befunden.
Lopez, Obersſt."*)

" %) Thatſache. :





Zimmermann lachte bei dieſer Erzählung vor Wuth
und Müller ~ weinte vor Lachen.

„Das zweite Heldenſtückthen unseres glorreichen Ge-
nerals iſt etwas weniger komiſcher Natur!“ fuhr Birn-
baum in seinem Berichte fort. Sie erinnern ſich doch
des wackeren Baſili ?“

„vrJenes Bandenführers, welchcr vor einiger Zeit mit
seinen Leuten zu unſerer Truppe gestoßen ?“ ~ fragte
der Major. :

„Desſelben“, bestätigte Birnbaum.

der General tonnte ihn jedoch nicht leiden.“
„Ich weiß es"“, bemerkte Zimmermann. , „Er

war,. wie es scheint, eifersüchtig auf das Ansehen, welches

| Basili bei seinen Leuten genoß. Chiavone will eben nur



Bedientenscelen, feile Knechte seiner Launen um sich haben ;
deßhalb haßt er auch uns fremde Offiziere und möchte
uns wahrscheinlich am liebſten durch seine alle-
zeit getreuen Guiden niederbrennen laſſen, wenn's eben
anginge. “"

„Nur Geduld, Major“, erwiderte Birnbaum. „Was
bis heute nicht geſchah, kann schon morgen geschehen.
Der arme Basili hat inzwiſchen den Anfang gemacht.“

„uWie > der General ‘/

;r war
wackerer Burſche, ehrlich und tapfer, vie Unt


 
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