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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 153 - No. 179 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0709

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Die „Mannheimer Abendzeitung“ Bird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage – täglich als Abendblatt ausgegeben. –~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beftellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanstalten. :











Das Reothbuch und der rothe Zorn.
_ Y Die Presse der preußiſchen Regierung und des
Bundeskanzleramtes wird noch das gesittete Europa und
die umliegenden Länder zu Oesterreichern machen. Die
anständigen Menschen aller Orte werden sagen:. Das
was mit so galligter Niedertracht bespritt wird, kann nicht
ſchlecht sein ; dieſe boshafte Heimtücke im Gewande des
Berliner Butterkeller-Deutſch gilt zuverlässig einem edlen
Wilde!

_ Vie kommen wir dazu , den Grafen B eu ſt heraus-
zuſtreichen, welche Verpflichtung haben wir, seine aus-
wärtige Politik, seine diplomatiſche Befähigung zu loben ?
Daß er in Deutſchland die einzig genießbare Depesche
ſchrieb, das war ſchon damals wahr, als er uns in
Sachſen noch diametral entgegenſtand, als er unſere
FJreunde in Waldheim fesſthielt und unsere Zeitſchriften
verbot. Lieſt man aber die Gemeinheiten der ,„Nordd.
Alg. Ztg.“, der „Kreuzzeitung“, der „Weserzeitung“, der
„Magdeburgerin“ und „Breslauerin", so fühlt jan ſich

plöglich Beuſtiſch umgeſtimmt, und müßte man zwiſchen

den Perſonen in Berlin und Wien abstimmen, hätte man
keine andere Wahl, nun ſo hätte man eben keine Wahl.
Mit den Straßenbuben kann man doch nicht gehen.
Graf Beuſt hat als Minister der auswärtigen An-
gelegenheiten von Oesterreich - Ungarn die englische Sitte
eingeführt, wichtige diplomatische Aktenstücke alljährlich ge-
sammelt herauszugeben, um die Delegationen oder gemein-
ſamen Ausſchüſſe beider Reichstheile, indirett auch das
Reich ſelbſt, und nebenbei Europa, über die auswärtige
Reichspolitik aufzuklären. So eben iſt die dritte Ver-
öſfenilichung des sog. „Rothbuches“ erfolgt. Die Aus-
wahl iſt ſtreng, das Buch nicht revolutionär, aber die
Altenstücke ſind durchaus wichtig und nach Beuſt cher
Gewohnheit faſt alle gut ſstyliſirt. Da traten. auf : die
griechiſchetürtiſche Angelegenheit, etwas Rumäniſches , der
belgiſch - franzöſiſche Eiſenbahnsſtreit , Süddeutſchland und
der Südbund, nnd vor Allem das Verhältniß des ver-
faſlungsmäßigen Oesterreich zur päpſtlichen Kurie. Man
kanu ſagen, daß so korrekt im 19. Jahrhundert noch nicht
mit dem Papſte geſprochen wurde, wie es Graf Beuſt in

der langen Depesche an den Grafen Trautltnannsdorf

thut. In sämmtlichen Aeußerungen des öſterreichiſch-
unugariſchen Reichskanzlers waltet überhaupt große Klar-
heit ob, herrſchen beſtimmte Gesichtspunkte , verrathen ſich
positive Ziele. Kleine feine Bosheiten laufen natürlich
mitunter; das iſt ja die Würze der Staatsſchreiberei ;
immer aber und allenthalben iſt der Anstand gewahrt,
tritt die Selbſtachtung hervor, die ſich der Vertreter eines
bedeutenden Staatswesens schulde.

_ Was thut nun die norddeutſche Meute ? Sie bellt.
Geht ſie auf irgend einen Puntt sachlich ein? Nein, sie
bellt. Weist ſie Ungenauigkeiten, Falſchheiten, Verletzungen
des guten Glaubens nach? Nein, ſie bellt, und der
größte Vorwurf, den ſie dem Rothbuche zu machen weiß,
beſteht darin, daß Graf Beuſt ,literariſche" Befähigung
beſiße, „Journalartikel‘ anfertige! So ctwas ſchreiben
die Herren, deren Metier die Tagesfeder iſt, und die ſich

dabei ſselbſt ins Gesicht schlagen. Das heißt doch auf

deutſch: Graf Beuſt iſt wie unſer Einer ~ bah! Jour-
ualiſt, froh, wenn er seine Artikelel fertig hat +- bah?
Das iſt was Rechtes ~ bahl ;

Oder ſprächen etwa der. blaſſe Neid und die gelbe
Ciferſucht aus jenen Herren ? Wollten Sie sagen: So
können wir's freilich nicht, bis zu solchem Journalismus
verſtiegen wir uns niemals ! Dann hätten die Herren

_ wieder Recht; denn es iſt unerhört, daß aus der offiziöſsen

Nordbundsbude etwas Gutes und Anständiges herausge-
kommen; unerhört , daß dort eine ruhige ſachliche Erwä-
gung Platz gefunden hätte!

Die Hauptwuth der erregten Meute hat aber ihren

Grund in folgendem Umslande. Man kennt die Art

und Weise, in der ſich Graf Bismarck, frivol wie immer, | . .
_ über die bewußten farbigen Bücher öffentlich ausließ. Als

man von ihm eine ſolche Sammlung verlangte, sagte er,
_ zur Noth tönne er „den Herren“ ſchon etwas zubereiten,
nämlich eine besondere Ausgabe in usum delphini, eine
Art Weltgeschichte für Töchterschulen ; die Wahrheit
würden ,die Herren“ deßhalb doch nicht erfahren, denn
„Euch taugt einzig Tag und Nacht." Mit andernWorten,
î er edle norddeutſche Graf bekennt, daß seine Politik das
reine Licht nicht verträgt, daß die Engländer mit ihrem
î OBlaubuch eitel Humbug trieben, daß Frankreich in seinem
Gelbbuch lügt wie gedruckt, und daß er es vorzieht, die





volle Wahrheit für ſich zu behalten! In dieſer brutalen
Art hat es der edle Graf an der Spree längſt fertig ge-
bracht, bei der hohen Diplomatie als ungezogener Menſch-
im Bann zu liegen. Er frage z. B. einmal den Grafen
Clarendon, was dieſer von ihm hält!

Graf Beuſt denkt und handelt anders: Wir glauben
nicht, daß er Alles sagt, aber was er sagt, trägt den
Stempel der Wahrheit und genügt völlig zur Orientirung
über seine geſammte Politik. Er sagt es zum Ueberfluß

in feiner Form, ſchreibt nie mit dem Stiele der Reit-

peitſche, beleidigt nicht wie ein Trunkenbold, und weiß
dem Leser Achtuug für ſein ſtaatsmänniſches Ziel abzu-
gewinnen.

Daher hauptsächlich jener rothe Zorn über das Roth-
buch. Die Franzoſen haben ein Sprichwort: „Im Hauſe
des Gehenkten spricht man nicht vom Strick." Dieses
Verbrechen hat Beuſt begangen, er hat auf silbernem
Teller den Strick herumpräſenlirt, mit welchem die Aben-
teurer-Politit ſich selber die Kehle zuschnürte.

kratie zu vertreten, welche allein Frankreich Sicherheit
geben, sowie Würde und Größe gewährleiſten könnnen.

In dem nächsten Jahre sind es dreihundert Jahre,
daß Litthauen und Polen vereinigt worden ſind. Wie
es ſcheint, sind die jetzigen ſtrengen Maßregeln der ru ſ-
siſchen Regierung zur vollständigen Ruſssifizirung
Polens darauf berechnet, daß eine Feier der 800jährigen
Cinverleibung einem Hohn auf die Thatſachen gleichkom-
men wird; denn es ſoll alsdann kein Polen und kein
Litthauen mehr geben, sondern nur noch ruſſiſche Gou-
vernements, in denen Russiſch geſbrochen wird und in
denen die Knute herrſcht. Für uns, ſagt die „Kh. Ztg.",
iſt dieß, abgeſehen von dem allgemeinen menſchlichen Mit-
gefühl, das wir bei dieſen Vorgängen empfinden, insofern
von großem Interesse, als offenbar an unsere Stammes-

genoſſen, an die Deutschen in den Ostſee-Provinzen, die
Reihe des Russifizictwerdens kommt, wenn f "it pu!

vorbei iſt. Die vorbereitenden Schritte
deutſchen Provinzen ſchon geſchehen.



Politiſche Ueberſicht.

; Mannchtheim, 27. Juli.
* Den preußiſchen OffiziööÒón und National-Libe-

ralen geht das öſterreichiſche Rothbuch gar sehr im Kopfe

herum und aus allen ihren deßfallſigen Auslassungen
leuchtete hervor, daß sie ,„ſtill im Innern“ die Hoffnung
hegten, die ungariſche Delegation werde dem Grafen Beuſt
den Rath ertheilen, weniger Depeschen zu ſchreiben und
ſich um die Angelegenheiten Deutſchlands, die Oesterreich
doch nichts mehr angingen, nicht ferner zu kümmern.
So „pfiff! man in Berlin, und die von Preußen in

Ungarn und Böhmen angeregten“ Blätter orgelten friſch

darauf los, in derſelben Melodie. Die ungarische Delega-
tion hat sich als „ungelehrig“ erwiesen und die Politik
des Grafen Beuſt gebilligt. ~ Aerger wird's darüber in
Berlin geben. Glücklicherweiſe hat sich bereits ein Ab-
leiter dafür gefunden. Wie das bismarckiſche Organ
nämlich meldet, iſt da ein „Hietzinger Machwerk“: Mission
des franzöſiſchen Kaiserreiches in Deutſchland, Memorial
zur Löſung der deutſchen Frage“ erſchienen und wird
demselben Blatte zufolge in der Schweiz und dem ſid-
lichen Deutſchland verbreite. Der Umſtand, daß der
Druckort des Machwerks, das Frankreich gegen Groß-
preußen zu Hilfe ruft, nicht angegeben iſt, dürfte in
Süddeutschland zu denken geben. Wenn das bismarckiſche
Organ, das von dem Machwerk zuerſt Kenntniß hat, das-
ſelbe kurzer Hand für ein „Hietzinger ausgibt, so
dürste dieſe Behauptung Vielen noch lange kein Evanz
gelium sein.

_ Den verschiedenen Enthüllungen großpreußiſcher Bläts
ter über angebliche Abmachungen Oeſsterreichs mit
Frankreich aus dem Jahre 1866 antwortete der öſter-
reichiſche Reichskanzler in einem Rundſchr eiben an
die öſterr. Geſandtſchaften. Dieſes Rundschreiben iſt den
Gesandtschaften „zur gelegentlichen Verwerthung“ geſstellt
und verweiſt die bekannten Enthüllungen in das Gebiet
der Erfindungen. Außerdem wird der „Karlsr. Ztg.“
zufolge in dem Rundſchreiben daran erinnert, daß das-
Osterreich, welches jeßt in aller Kraft wieder aufgerichtet
daſtehe, mit den Traditionen nicht blos seiner inneren,
ſondern auch seiner auswärtigen Politik vollſtändig ge-

brochen habe, und daß es, in dem Bewußtſein, ehrlich

den Intereſſen des Friedens und der Verſöhnung zu
dienen, jede Solidarität mit den Akten eines Syſtems
ablehnen müsse, für welches andere Gesichtspunkte und
andere Grundsätze leitend gewesen. '

Die franzöſiſche Regierung iſt noch immer damit
beſchäftigt, den Entwurf des Vortrags an den Senat über
die zu bewilligenden Reformen nnd Freiheiten zu berathen.
Sie will, ſo wird unter der Hand versichert, mit dem
Pcogrtamme vom 12. Juli nicht feilſchen; es iſt ihre ein-
zige Sorge, dasſelbe ohne Einschränkung zu verwirklichen
. aber in einer „praktischen, weiſe berechneten Form,
welche die Vorrechte, die der Krone vom Volke übertragen
ſind, unangetastet läßt, ohne zugleich dem Einfluſſe und
der Kontrole des Parlaments die volle Wirkſamkeit zu
ſchmälern. Das alte Lied, von dem Waſchen des Pelzes
ohne ihn naß zu machen. Frankreich kann sich mit der-
gleichen nicht zufrieden geben. Cs hat, wie Magnin ſagt,
den Willen und das Recht, seinen Plaz unter den Völkern
wieder einzunehmen, die ſich ſelbſt regieren. Was die
Linke der Kammer jetzt nicht gesagt hat, nicht hat sagen
können, wird sie ſchon noch aussprechen. Die „Unver-
ſöhnlichen“ fahren fort, die großen Prinzipien der Demo-





Deutſchlando.

* Karlsruhe, 27. Juli. Der Staatsanzeiger
Nr. 21 enthält: W. Gerold in Walldürn wurde aus der

Liſte der Aktuare geſtrichen. + Vom 15. Juli an wer-
den die Gemeinden Neumühl, Odelshofen und Willstätt
dem Notariatsdiſtrikt Kork zugetheile ~ Notariatsasseſor

V. Kuenzer wurde zum Notar in Zell ernannt. Die Ver-

waltung des Notariatsdiſtriktts Stetten wurde dem No-

tariatsaſſeſor W. Berberig in Wiesloch übertrage. –
Der Hebammenunterricht in Donaueſchingen beginnt am
12. Auguſt. + Die Wahl des Stadtpfarrers Junker in
Schwetzingen zum Dekan für die Diözeſe Heidelberg wurde
beſtätigt. – Die Prüfung in den Fächern der ſpeziellen
theoretischen Vorbildung der Forſtkandidaten beginnt am
27. September. – Im Stltiädtewahlbezirk Freiburg iſt
die Vornahme einer Erſatwahl für den ausgetretenen
Als Wallkommiſsar
iſt Herr Hofgerichts - Präsident Dr. Fetzer in Freiburg

Abgeordneten Straub angeordnet.

mu I nnheim; 27. Juli. . Die Wahlmänner-
Wahlen nehmen dahier am Montag den 2. Auguſt

ihren Anfang. Es werden der Seelenzayl von 84,190 ;

entſprechend 114 Wahlmänner gewählt. Zur Vornahme
der Wahl ist die . Stadt in 15 Bez. irke eingetheilt,
oder besser zerſchnitten. So finden wir die Quadrate
A I. 2. 3. 4. mit Lit. Z diesseits des Nectar; B 19.7
mit. 1. 2 und V 126;. 0 5. 6. 7 mit 8 2. 3. 4.
6 u. s. w. zuſammengestellt und wenn unsere hiesigen Pre u-
ßen bei der Wahl nicht ſiegen, ſo dürfen sie der Ein-
theilung der Wahlbezirke keineswegs die Schuld beimessen.
Es sind bereits Einladungen zur Wahl ausgegeben. Eine
Veröffentlichung der Wahleinladung, der Bezirke und

Walkſltage iſt bis jetßt nicht erfolgt, obgleich heute schon
Dienſtag iſt und am Montage die Wahlen beginnen.

* Heidelberg , 26. Juli. Die von verschiedenen
Zeitungen gebrachte Nachricht von einer Erkrankung
des Profesſſors Gervinus iſt vollſtändig unbegründet.
Der Genannte befindet ſich in vollſtändig erwünſchtem
Wohlsein. Ez zttziCtl rnit E t .

. „ Konſtanz,24. Juli. Viktoria! die Freiheit
hat geſiegt! Bürgermeiſter Stro me yer und Jolly
sind „glänzend gerettet." ch

Dieses verkünden große und blutrothe Anſchlagszettel
| an allen Straßenecken der theilnahmsloſen Menge.

Hr. Ammon hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und
alle Leidenschaften wach gerufen, um seinem Patrone,
Hrn. Stromeyer die „er d r ücke nde“ Mehrheit als Wahl-
mann zu verſchaffen. : Ñ

Ellenlange Schimpfartikel ließ Hr.. Ammon aus
seiner Zeitung abdrucken und an alle Straßenecken an-
schlagen – in der leidenſchaftlichſten Weiſe wurde die
Wahlbewegung nur für die Perſon des Hr. Stromeyer
in Anspruch genommen, als ob nur eine engherzige
Stromeyerei in Frage geſtanden wäre; die Leute wurden
verwirrt, in Angst verſezgt indem jeder der nicht für
die mini ſteriell s er vile Vorſchlagsliſte ſtimmte, als
ein Feind des Bürgermeiſters erklärt wurde. Nur der
Haß gegen Stromeyer und der Brodneid gegen Ammon
c. habe die „Koterie" der Unzufriedenen gebildet.

" Stromeyer, der mächtige Beherrscher der Stadt,
erhielt auch ca. 150 Stimmen und wurde wie die übrigen
von der Regierungspartei Vorgeschlagenen Wahlmann.
Deß dadurch Jemand oder irgend Etwas „erdrückt“
worden sei, wurde bis jetzt noch nicht betont; man muß

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