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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 76 - No. 101 (1. April - 30. April)
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Organ

Mm



















Tie „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonnt
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 tr.,

age und Festtage –~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljägyrlich Ein Gulden, ohne VPoſtauſſchlag

bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.









Vor zwanzig Iahren.

* Die Unzusriedenheit mit den bestehenden Verßält-
niſſen in Deutſchland hatte einen hohen Grad erreicht.
Drei Jahrzchnte hatte der Druck des Bundestages auf
dem deutſchen Volke gelegen, drei Jahrzehnte hatte die
Politik ihre Herrſchaſt geübt, die darauf hinausging, die
Beſtrebungen einer aufkeimenden Temotratie zu vernich-
ten, das ttye monarchiſche Prinzip aufrecht zu erhalten
und zu ſtärken.

Un 24. Februar 1848 brach der morſche Thron
Ludwig Philipps zuſamn.en. Die Wogen der Voltkserhe-
bung in Franlreich schlugen nach Deutſchland herüber.
Die alte Zeit, Herrſchſucht und Unterdrückung hielten ſich
auf die kommende Abrechnung gefaßt. Die Abrechnung
wurde auch gehalten . . . aber nicht durehgesührk. Unſer
Volk verſtand es nicht, die Energie zu entwickeln, welche
ihm damals ſeine Freiheit und die Einheit der Nation
hätte ſichern müsſen. Die Opposition, die ſich ſeil den
30er Jahren gebildet, hatte im enſlſcheidenden Augenblicke
nicht den Muth, das Ruder, das den Jürsten entſallen
war, aufzunehmen. Sie ſchwankte zwischen der sogenann-
ten ,„geſetzlichen Reform“ und der neugesſtaltenden Revo-
jution; sie wußte nicht, was sie mit der in das Volk
gekommenen Bewegung anfangen ſFollte.

Das Programm des Heidelberger Kongresses vom 5.
März 1849 ist Dessen Zeugniß. In ihm fsehlt die Sou-
veränetätserkläürung des Volkes, weil es die Souveränetät
der Fürſten noch voraussette und festhiell. Die zahme
Revolution wurde ebenfalls von dem Vorparlamente in
den Himmel gehoben. Die Einheit war damals, wie
heute bei unsern Nationalliberalen, der Gü er Höchsles.
Die Forderungen nach Garantien einer freien Einheit
wurden auf die lange Bank geſchoben. Der 50er Aus-
ſchuß folgte den Fußtapfen seiner Wähler. Er überheß
den Regierungen die Anordnung der Wahlen zum Par-
[amente, das man einzig und allein für berechtigt ertlärt
hatte, Deutſchland eine Verfaſſung zu geben. Ein Zeit-
genoſſe sagt, der Ausſchuß überließ den Regierungen so-
gar den Wahlmodus; er überlieferte das künftige deutſche
Parlament der Walhlkorruption. Die liberale Oppoſition
ſezie die Regierungen der Fürsten als Beamte der Re-
volution ein: der Bock war solenn zum Gärtner erwählt
worden.

Da kam endlich das deutſche Parlament zuſammen.
Cs stellte langweilige Wahlprüfungen an und geſtattete
den Regierungen Zeit zur Kräftigung ~ zur Einleitung
der Reaktion. Das Varlament wählte den Reichsverweser,
und der Bundestag beſchloß, seine Gewalt auf den Reichs-
verweſer zu übertragen. Die Linke fand so etwas wie
einen Haken in dieſer Unbefangenheit des Bundestags.
Die Mehrheit machte das Bedenken todt. Dieselbe Mehr-
heit genehmigte den Waffensſtillſtand von Malmoe, obgleich
man ihn für ſchimpflich erkannt hatte; dieſelbe Mehrheit
ſuchte nach Kräften die revolutionäre Kraft zu beschneiden,
damit ſie nicht über den Konſtitutionaliemus hinauswachſe,
und bei der Wiener und Berliner Revolution hatte sie
ſogar den Muth, das konstitutionelle Prinzip zu ~ vrr-
läugnen. Die Ueberzeugung von der Unfähigkeit der
Nationalve.ſammlung trieb Robert Blum in den Waffen-
kampf. Seine Ermordung hätte das Volk, wenn es bes-
ſcre Führer gehabt hätte, zu den Waffen rufen müssen.
Cine Leichenfeier war Alles, was man für ihn hatte.
Sein Leichenhugel, berufen zum Ecksteine der Freiheit zu
werden, wurde eine Station ſchimpflichen Elends.

Die Nationalverſammlung gab die Grundrechte. Im
Volke fühlte man bereits, daß dieselben der immer ſchär-
fer hervortretenden Reattion der Regierungen gegenüber
teine Bedeutung haben würden. Es folgte die deutſche
Reichsverfasung. Man verstand es nicht, die Volksſou-
veränetät, die Föderation der Voltsstämme herzuſtellen;
man ſchuf eine Verfaſſung, welche Fürſtenthum und Kai-
ſerthum gegen das Volt verband, welche den Monarchis-
mus in kraſſer Form an die Spitze ſtellte. Die Spitze
wurde mit 4 Stimmen Mehrheit in der erblichen Kaqſer
würde gefunden und die Wahl des damaligen Königs
von Preußen zum deulſchen Kaiser mit einigen 20 Stim-
men Mehrheit durchgesetzt.

Inzwischen hatte die Reaktion das Haupt erhoben.
Statt daß die Nationalverſammlung das Verfaſſungswerk
einzig und allein ſchaffen ſollte, ſtellten die verſchiedenen
Regierungen die verſchiedenſten Anforderungen , um eine
Verfaſſung zu genehmigen. Jett zeigte ſich, daß die
Regierungen der Revolution Komplimente gemacht hatten,





um sie deſto sicherer zu überwinden. Am 28. März 1849
standen die Angelegenheiten auf dem Puntte, daß Reak-
tion und Rerolution sich direlt ins Auge ſahen. Die
Rationalversammlung ſchickte cine Deputation nach Berlin,
um die Aufsorderung an den König von Preußen zur
Ucbernahme der Kaiserkrone zu richten. Der König ver-
wies auf die Prüfung der Reichsverfaſſung durch die
Regierungen, und an demselben Tage, als der König von
Preußen diese Antwort gab (am 8. April 1849) erlicß
seine Regicrung eine Zirkularnote, in welcher sie erklärte :
der König sci, eingedenk der Ansprüche welche ihm Preußens
Stellung in Deutſchland gewähre, entſchloſſen: „an die
Spitze eines deutschen Bundes zu treten, der aus den-
jenigen Staa'en ſich bildet,, welche demſelben aus freiem
Willen sich anschließen möchten.“ Die Formen dieses
„Bundesſtaates“ wurden von der Frage abhängig gemacht :
„wie vicl und welche Staaten ſich demselben anschließen
würden." Damals – wie im Jahre 1866. Die preußische
Regierung verstand und virſteht die deutſche Frage einzig
und allein nach dem Mehr oder Weniger an Macht-
zuwachs, den sie dabei erlangen kann. Im Jahr
1:49 warf Preußen der Rationalverſammlung und
was man nicht übersehen darf ~ Obſterreich den Fehde-
handschuh hin. Die deutschen Regierungen zeigten ſi
aber dem Projekte Preußens , der Bildung eines Klein-
deutſchland unter seiner Führung oder bcsſser Beherrschung,
nicht willfährig genug. Die preußiſche Regierung lenkte
cin, machte mit den deutſchen Regierungen einſchließlich
Oesterreich gemeinschaftliche Sache gegen die freiheitlichen
Bestrebungen, gegen das Volk; sie erbot sich: „den zer-
störenden und revolutionären Beſtrebungen nach allen
Seiten hin mit Kraſt und Cnergie entgegenzutreten“
und ihre Maßregeln ſo zu treffen, „daß sie ven verbün
deten Regierungen die elwa giwünſchte Hilfe rechtzeitig
leiſten tönne.!. – Die Berliner Regierung erklärte , die
Revolution könne nicht durch paſſives Abwarten und
durch partiellen Widerſtand besiegt werden, ſondern nur
durch thätiges Eingreifen und Handeln. Die Geschichte
Badens berichtet hierüber. So damals. Siebzehn Jahre
später hielt Preußen widerum dcn Zeitpunkt ſür geeignet,
der wachſenden freiheitlichen Bewegung entgegenzutreten
und zugleich ſeinen alten Plan, ein Kleindeuiſchland unter
dem Szepter der Hohenzollern zu schaffen , wieder aufzu-
nehmen. Deutsſch-Oesterreich wurde aus Deutſchland hir-
ausgeworfen ; Deutſchland in drei Theile zerriſſen, Luxem-
burg Preis gegeben, Nordſchleswig in Frage geſtellt.
Herrſchſucht und Croberungsluſt feiern im Nordbund ihre
Triumpfe. Nach dem Volke ſsragen die Sieger nicht. Ein-
heit der Gewalt ist der Güter Höchſtes; Freiheit verpönt
und verhöhnt, heute wie damalsr Volk ~ deutſches
Volk ~ ſsteige in die Geschichte der lezten zwanzig Jahre
hinab ; sie wird dich mehr als alles Uebrige belehren, was
du von den nationalen Beſtrebungen des preußiſchen
Königshauses zu erwarten haſt !

Politiſche Ueberſicht.
; Mannheim, 2. April.

* Aus einem Berichte der „Independance belge“ über
jene Sitzung der Kammer Luremburgs, in welcher
die preußiſche Reklamation wegen der nicht hinlänglich"
raſchen Schleifung der luxemburgischen Feſtungswerke und

die Entsendung eines preußiſchen Offiziers zur Besichti-



gung des Standes der Demolirungsarbeiten zur Sprache
kam, iſt zu ersehen, daß zu dem Vorgehen der preußiſchen
Regierung ein so dringender Anlaß, als es geſchienen
halte, nicht gegeben war. Nach den Mittheilungen des
Ministers Servais iſt Luxemburg schon jetzt als eine offene
Stadt zu betrachten. Nach einer Seite hin ſind die
Mauern bereits durchbrochen; weitere drei Durchbrüche
bereits in Angriff genommen. Die Kammer hat dieſe
Antündigung zustimmend aufgenommen, und so energiſch
einerseits die preußiſche Einmiſchung zurückgewiesen wurde,
so lebhaft gab sich von Seite derſelben Red:rer der Wunſch
nach möglichſter Beschleunigung der Demolirungs- Arbeiten
kund. Ein wohl bäegre. flicher Wunsch von Seite Luxem-
burgs, welches – so lange die dortigen Festungswerke
einen tüchtigen Stütjpuntt für militärische Operationen
bilden + in der neutralen Stellung Belgiens allein keine
hinreichende Bürgschaft dagegen bcsitt, daß beim Ausbruch
eines fsranzöſiſch-preußiſchen Krieges jeder der Gegner ſich
in seinen Beſit zu ſezen trachten wird.

In der Schweiz drohen de Zerwürfnisſſe, welche in
Genf zwischen den Buchdruckereibeſitern und den Buch-
druckergeh len, so wie zwiſchen den Baumeiſtern und den



Bauarbeitern ausgebrochen ſind, aus ihrem speziellen Rah-
men heraus zu treten und zu einem Sturm der Bevöl-
k rung gegen die „internationale Arbeiterassoziation“ über-
haupt zu führen. Die Buchdrucker-Streitfrage war in
den le hten Tagen in ihrem alten Stande geblieben; nach-
dem von den 18 Truckereikeſitern nur 3 die Bedingun-
gen der Gehilfen angenommen hatten, waren die übrigen
10 zur Herſtellung ihrer nöthigſßeen Arbeiten auf die
Kräfte von beiläufig 35, an der Bewegung keinen Antheil
nehmenden Gchilfen beſchräntt gewesen. In Felge
Desſen kann beispiele weiſe in der größten Genſser Druckes
rei (Pfeffer und Puty), aus welcher bisher täglich 6
Zeitungen hervorgegangen waren, gegenwärtig nur ein
Blatt erscheinen. Cine Nachgiebigkeit von Seiten der
Gehilfen iſt sobald nicht zu erwarten, da ein ziemlich beträcht-
licher Vereinsfonds ihnen noch längere Zeit eine Arbeits-
einſtelung ermöglicht. Zu unruhigen Auſtritten war es
von dieser Seite, einige kleine Zuſammenrottungen in den
ersten Tagen ausgenommen, indesſſen nicht gekommen:
degegen sind am 30. März zwiſchen Bauarbeitern Thät-
liclkeiten vorgefallen. Ein Theil derselben hatte ſich der

| Arbcilseinſtellung der Uebrigen nicht angeſchleſſen, wurde

aber am genannten Tage von diesen gewaltthätig an der
Arbeit verhindert. Ueber den Verlauf und die Wendung,
welche die Sache seitdem genommen, liegen folgende Nach-
richten vor: „Genf, 830. März. Bei den heute Morgen
ſtattgehabten Thätlichkeiten wurden ſünf Bauarbeiter ver-
haftet. Abends kegaben sich die Arbeiter in Masse vor
das Rathhaus und retlamirten ohne Crfolg die Freiges
bung der Verhaſteten. Rachts war eine ſtürmiſche Arbei-
terversſammlung. Eine Kommission zur Unterhandlung
mit dem Staatsrath wurde ernannt. Es herrſcht eine
gewisie Aufregung und Befürchtung ton Unordnungen."
D Genf,! s1. März. ,„Auf den Baupläten der Alader
mie erſehien heute kein Arbciter. Auf dieſen Nactmittag
iſt in den Wahlpalaſt von den Bürgern eine Volksver-
sammlung einberufen zum Zwecke, Mittel ſür Schuyt der
freien Arbeit und für die Unabhängigkeit Genfs vom Eins
fluß der Internationalen zu finden“. ~ Genf, 1. April.
„Die Volksverſammlung, von 304000 Bürgern besucht,
hat eine Adreſſe an die Regierung gerichtet, worin ſie
energiſches Auftreten gegen den Terrorismus der Mit-
glieder der „internationalen Arbeiterassoziation“ und
Schutz, der durch die In'erna imal.n gefährdeten Arbeits-
freiheit verlangt. Der Staatsrath hat eine beruhigende,
aber entſchiedene Proklamation erlaſſen. In der Stadt
herrscht große Aufregung gegen die Int.rnationalen."

In einigen deutſchen Blättern waren in den jüngsten
Tagen Andeutungen zu leſen, welche einen Verzicht Preu-
ßens auf die Allianzverträge mit den ſüddeut-
schen Staaten in Aussicht stellten. Diesen Gerüchten
iſt vorgeſtern eine, von der Wiener „N. Fr. Pr.“ unter
allem Vorbehalte veröffentlichte Pariſer Depesche gefalgt,
laut welcher Graf Bismarck in einer Note an die ſüd-
deutschen Regierungen diese Verträge bereits auſgekündigt
haben sollte, da er im Kriegsfalle eine wohlwollende Neu-
tralität der Südstaaten deren erzwungener Bundesgenoſ-
senschaft vorziehe. Faſt mit denſelben Worten war in
einer, aus München, 24. März datirten Korreſpondenz
der Allg. Ztg. dem angeblich zu erwartenden preußiſchen
Verzicht daſſelbe Motiv beigemesſen, ſo daß die Pariſer
Meldung der N. Fr. Pr. ſich auf den erſten Blick als
eine jener Nachrichten kundgab, die nur dem Wachsthum
der Gerüchte ihre Entſtehung verdanken. Zu allem Ueber-
fluß erfolgte nun heute von München aus die halbamt-
liche Erklärung, daß dort von einer Bismarck’ſchen Note
fraglichen Betreffs nichts bekannt ſei.

Jus Deutſchland.

* Karlsruhe, 2. April. Amtliches : Die
erledigte Obereinnehmerei Mosbach wurde dem Oberein-
nehmer Schuemacher in Hornberg übertragen. ~ Das
Geset- und Verordnungsblatt veröffentlicht den zwischen
Baden, dem Nordbunde, Bayern, Württemberg einerſeits
und Italien andererseits abgeſchloſſenen Po ſtvertrag.

* (us Baden, 2. April. Daß eine m
des Militärbudgets „im Ganzen“ vorliege, wird als
„nicht sehr wahrscheinlich“ bezeichnet. In der gemeldet.n
Ueberſchreitung ~~ ſo deutet der „Schw. M." at — ſei
vielleicht die Üeberschreitung einiger Gagen ſätze gemeint,
die namentlich in militäriſchen Kreiſen viel beſprochen
würde und bezüglich deren die Rigierung ſich unter allen
Umſtänden vor den Ständen zu verantworten haben werde.
Wenn die betr. Ueberſchreitungen der Gagensätze ſchon in

~~y










 
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