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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 206 - No. 231 (1. September - 30. September)
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_1869.



M ron.





Donnerstag, 2. September..

Ytauuheimer Abendzeitung.

Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.









Die „Mannheimer Abendzeitung? wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage – täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Äbonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition 0 1 Nx. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.



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König Bismarck.

O. C. Iſt dem Leſer wohl schon aufgefallen, wie
ſeltſam die Dinge in Großpreußen ſtocen. Am meiſten
bewegt ſich König Wilhelm persönlich.



_ Hb, hält ſich mobil, seine Bataillone, tt U eta ihren Behauptungen durch Thatſachen so überführt zu





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hätte er jemals nach oben zu Gunsten einer liberalen
Vergünſtigung für das Land ſeine Perſon eingeſeßt, wie
er es nach unten zu Gunſten einer liberalen Bewilligung
für die Regierung mehr als einmal gethan?!

Es ist beklagenswerth für die National-Liberalen in

ſteht stil. Und warum? König Bismarck iſt still, und | werden, – wird ihnen freilich nichts ausmachen ~ aber

das beſagt in Preußen augenblicklich mehr, als daß König
Wilhelm ſich bewegt.

Indem wir den edlen Deutschen, der sonst nur Mi-
niſter oder Kanzler heißt, heute anders nennen, glauben
wir ihm zum erſten Mal seinen richtigen Namen zu geben
und damit zum erſten Mal auch den Stand der Dinge
in Preußen richtig zu bezeichnen. Man wird uns das
zugeben, wenn wir eine kurze Frage stellen. Wir fragen:
wenn König Wilhelm heute stürbe + was würde sich da
ändern ?! Nicht viel. Weſentliches gar nicht. Etwas neue
Aera käme, mit der üblichen Täuschung, der üblichen Ent-
täuſchung, das wäre alles. Aber wenn Bismarck das
Zeitliche ſchnete oder abträte ?!! Ja, man frage nur die
Großpreußen. „Unsägliches Unglück“ ~ ,unersetlicher
Verluſt“ so würden sie antworten, bleich vor Angst, zu-
meiſt vor perſönlicher Angſt; denn auch ſie Schatten
müßten dann mit hinab zu den Schatten.

Dieſer Sachverhalt iſt aber kein Spiel mit Worten.
Vir bezeichnen damit den wahren Ernſt der Lage, wie
ſie ſich ſeit 1866 für Preußen herausgebildet hat. Nicht
nur, daß auch dieſes Staates Politit auf zwei Augen
ſteht ; nein, das ganze Syſtem, welches dort herrſcht, iſt

nichts als der ausgeprägteſte, kraſſeſte Miniſterialismus, |

iſt die Allmacht eines einzigen Ministers.

In der Zeit vor 1866 bezeichnete der damals oppo-
ſitionelle, bis zum ſchärfſten Konflikt mit Roon, ja mit
„des Königs eigenſten Werk“ oppoſitionelle Gneiſt als
den ſchlimmſten Mißſtand der preußiſchen Zustände eben
diesen „Miniſterialismus “, die Art von Regierung, wo
nicht der Monarch und die Monarchie die Politik be-
ſtimmt, auch nicht ein Staatsrath oder nur ein „Kabinet“,
geſchweige denn eine solid fundirte, in Recht und Macht
feſtſtehende Volksveriretung, sondern wo einzelne Miniſter
ſie machen, die doch keine dauernde Einrichtung, ſondern
wechſelnde Personen ſind, die alſo ihrer Verwaltung ein
rein perſönliches willtürliches Gepräge geben.

Bei Bismarck iſt dikſer Umſtand nach einer Seite hin
beachtenswerth, nach der er bisher zu wenig Beachtung
gefunden hal. Man erinnert fich der betannten Zwei-
Seelen-Theorie, rach der Bismarck im Grunde die Engels-
Seele, die Freiheits-Seele iſt, eine Art preußischer Licht-
gott, der mit seinem bösen Nebengott ewig im Streit
liegt und auf deſſen Sieg alle Guten hoffen müſſen ~
will sagen : alle National-Liberalen zu hoſfen ſich den
Anſchein geben. Nun iſt aber nicht blos nach dem Ge-
rede der National-Liberalen, sondern in That und Wahr-
heit der edle Bismarck der mächtigſte Minister und müßte
eigentlich, wie wir ihn nennen, „König Bismarck“ heißen.
Wie reimt ſich da nun dieſe Anerkennung, diese Ver-
ehrung ſeiner Machtſtelung mit jener Sage von seinem
Nampfe gegen die schwarze Seele, die er doch niemals
untertriegt? wie die Thatsache der immerwährenden
Rechtsverlezungen, des stetig steigenden Steuerdrucks u.
dgl. mit dem Glauben an die freiheitlichen und erleuch-
teten Velleitäten des zugleich so allmächtigen Ministers ! !

Wir müssen der Lüge etwas näher auf den Leib
gehen. Wodurch denn iſt Bismarck so mächtig ? wie ist
er „König Bismarck“ geworden?! Iſt's denn nicht er,
grade er, der alles, was in Preußen Mißregierung, was
Rechtsverletzung, was Geſsetloſigkeit, was Verfaſſungs-
Durchlöcherung ist, zu seiner jezigen Höhe gebracht hat ?
Iſt's nicht er, grad er, der mit der Nordbunds-Verfassung
die lezte Breſche gelegt hat in die preußiſcte Verfassung ?
Iſt's nicht er, grad er, der diese Nordbunds-Verfasſung
mit allen Mitteln parlamentariſchen Zwanges durchgesetzt
hat ? der mit dem eiſernen Militär-Etat den Reifen ge-
ſchlagen hat um die Volksvertretung daß sie ſich nun
nicht regen noch rühren kenn? der mit der Höhe dieses
Militär-Etats zugleich die ganze Finanz-Politik Preußens
auf Jahre hinaus beſtimmt hat, ſo daß ſie in der Stei-
gerung der Steuern fortzufahren gezwungen iſt unbe-
dingt, an die produktive Verwendung der Steuern zu
gehen gehindert iſt unbedingt? Und andrerseits: welches
Reformgeſeß denn gibt's, welches er der Volksvertretung
zugebracht ? welche Verfaſſungs-Verbeſſerung, an die er
seinen mächtigen Einfluß gesetzt hätte? welcher liberale
Alt, aus dem er eine Kabinetsfrage gemacht? ja, wann





wir müssen ſagen, die Thatsachen laſſen keinen Zweifel :
König Bismarck iſt eine recht „ſchwarze" Seele, und es
“tho grouser Redefluß vergeblich rinnen, ehe er

Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 1. Septenber.

*Die Berliner Regierung hat die lette Depeſche
des österreich iſchen Reichstanzlers beantwortet, ihren
Gesandten in Wien jedoch beauftragt, die Antwortsde-
peſche dem öſterreichiſchen Reichskanzler nur vorzuleſen
und eine Abhſchrift desselben ihm nicht zu belaſſen. Die
Berliner Regierung beſchränkt darnach ihren diplomatiſchen
Verkehr mit Oeſterreich auf „mündlichen Meinungsaus-
tauſch!l“ Hieraus erklärt ſich der geſtern hervorgehobene
Widerſpruch der beiden an dieser Stelle mitgetheilten
Meldungen; indem eine Berliner Depeſche nach Wien
abgegangen sein ~ und das Bismarck ſche Organ troßdem



behaupten konnte, die Berliner Regierung habe nicht die-

Absicht, „den Schriftwechsel“ mit dem Grafen Beuſt
ortzuſeten.

| tt die Berliner Regierung weigert ſich, auf den
vom Grafen Beuſt angebotenen Schriftenwechſel, zum
Zwecke „einer Milderung und gänzlichen Beseitigung der
bielleicht aus Mißverſtändnisſsen entſtandenen Verſtimmung“"
zwiſchen Berlin und Wien einzutreten. Sie weiſt dieſes
Angebot förmlich zurück. Eines ihrer Organen erklärt
in großſprecheriſcher Weise, die preußiſche Regierung habe
nicht die Absicht, „den Schriftwechſel'" mit dem Grafen
fortzuſezen und in derselben Stunde vielleicht, als das
betreffende Blatt ausgegeben wurde, hat auch ſchon der

preußiſche Geſandte in Wien dem Grafen Beuſt die Ber-
liner Beantwortung seiner letten Depesche vorgeleſen, ohne

1hm eine Abschrift der Antwort zurück zu laſſen. Dieſes
Verfahren der Berliner Regierung ist geradezu verletz end
und kann keine guten Früchte tragen. Wohl aber weist
es darauf hin, daß man in Berlin wiederholt mit Oester-
reich anbinden und durch einen neuen Krieg die Frage
über die Stellung der ſüddeutſchen Staaten zum Nordbund
entscheiden will; weil man eben zu ſicher weiß, daß die
öſterreichiſche Regierung freiwillig niemals der Auffassung
beipflichten wird und beipflichten kann, welche man in
Berlin gut findet, in der bezeichneten Frage zu haben.

Die deutſche Einheit in Bezug auf Verfolgung von
Majestätsbeleidigungen und Amtsehrenkränkungen hat einen
fröhlichen Schritt weiter gethan. Baiern hat die Gegen-
seitigkeit dieser Verfolgungen, die es mit Preußen bereits
abgesſchloſsſen, jezt auch mit faſt allen übrigen deutſchen
Staaten zu Stande gebracht. Sonst in Bayern . . .
iſt der König ,entrüſtet“ über einen Kapellmeister, der
sich weigert, die Wagner'ſche Oper „Rheingold“, die der
König gerne zur Aufführung gebracht hätte, zu diri-
giren.

Aus Schle swig- Holste in klagt man über eine
berechtigte Eigenthümlichkeit, welche dem Lande belasſen
worden iſt, über die Aufrechterhaltung nämlich der aus
der Zeit des Proviſoriums stammenden Verbote däni-
ſcher Blätter, welche im sonstigen Preußen ungehindert
zirkuliren. Das Preßgeſeß gestattet betanntlich eine
diſtriktweiſe Entziehung des Poſtdebites nicht.

Nachdem der Nord bund ſeine Bereitwilligkeit erklärt
hat, an der Gotthardbahn - Konferenz Theil zu nehnen,
wurde dieſelbe vom Schweizer Bundesrath auf den
15. September nach Bern eingeladen.

Deutſchland.

* Karlsruhe , 1. Septhr. Amtliches. Dem
Sergeanten V. Schurgg im 2. Inf.-Reg. wurde in An-
erkennung seines muthigen Benehmens bei Reitung des
V. Ernſt vom Sasbach vom Tode des Ertrinkens die
ſilberne Rettungsmedaille verliehen.

Das Gesetzes- und Verordnungsblatt Nr. 19 enthält:
den Wortlaut des zwiſchen dem Zollverein und der Schweiz
allgeſchloſsſenen Handels und Zollvertrags.

S Baden, 31. Aug.



Die Pferderennen

| haben heute begonnen. An Jahrgelegenheiten zum Renn-



plate war kein Mangel. Es waren Kutſcher aus allen
Städten der Umgebung, sowie von Karlsruhe eingetroffen
und so viele Fuhrwerte da, daß den Auswärtigen keine
Verdienſte zukommen konnten und ſie bei den übrigen
Rennen wohl überlegen werden, wieder zu kommen. Diese
Feſte haben die Stadt mit Fremden überfüllt und Geld
iſt der Glanzpunkt. Für ein Bett zum übernachten, ohne
weitere Bequemlichkeiten 14 bis 16 fl. In einem größeren
Hotel gingen dieser Tage 35,000 Franken in einem Tag
für Betten und Zimmer ein. Damen der Demimonde
bezahlten 30 fl. täglich ohne Koſt. Und dennoch klagen
die Handwerksleute und Ladenbesitzer, da der Kleinverkauf
unbedeutend ſei. Fleiſch und Brod stieg im Preiſe. Ochsen-
fleicch 20 u. 21 kr. Rindfleiſch 18 und 19 kr. Kalb-
fleich 16 und 20 kr. Schweinefleiſch 19 kr. 4 Pfd.
Brod (schw.) 15 kr. 2 Pfd. do. 8 kr. 2 Pf. do. halb-
ij lt Baden, I. Sept. Unser Gedenkblatt von
1849 enthält für den heutigenJahrestag sieben Urtheile
zu 10jähriger Zuchthausſtrafe. Die davon Betroffenen
sind : Johann May er aus Nürnberg; Jakob S ch mie-
rer aus Erdmannshauſen; Joh. Thalheimer aus
Leim; Karl Ahrens aus Augsburg; Kupferberg
aus Mainz ; Andr. Ph. Kohl er ausWeil undChriſtoph
Halter aus Lenzburg.

Nachdem für Bayern die Augsburger „Allg. Zeitung“,
für Wüttemberg der dortige „Staatsanzeiger“ gesprochen
haben, spricht für Baden die „Karlsruher Zeitung" und
theilt dem Lande über die süd deutſche Feſtung s-
kommiſssion und deren Beziehungen zu der Vertretung
des Nordbundes das .bereits bekannt Gewordene mit. Der
Offiziöde der bayeriſchen Regierung erblickt in dem Be-
ſchlusſe der Bundesliquidationskommiſſion, daß das Ma-
terial der Feſtungen Mainz, Ulm, Raſtatt und Landau
im gemeinſamen Eigenthum der vertragabſchließenden
Staaten verbleibt; in der Einſezung der Inſpizirungs-
kommission für dieses gemeinſame Eigenthum und in der
Einsetzung der ſüddeutſchen Feſtungskommission: g,einen
bedeutsamen Schritt zur nationalen Einigung unter vollſter
Wahrung der Souveränetät der CEinzelſtaaten.! Was

die „Karlsruher Zeitung“ . darin. erblidt, sagt ſie dem f

Lande nicht; obgleich daſſelbe wohl gerne hierüber etwas
erfahren haben würde. Es ist dieß naheliegend, nachdem
gerneldet worden, daß Baden bei den betreffenden Ver-
handlungen mit großem Eifer dahin gewirkt habe, die

Grenzen der preußiſchen Befugnisse „möglichſt zu erweitern";

und die Annahme zulässig iſt: die Erweiterung der
preußiſchen Befugnisſſe habe wahrscheinlich auf Kosten der
von Bayern betonten „vollen Wahrung der Souveränetät
der Einzelſtaaten“ geschehen sollen. Nun, da die „Karlsr.
Ztg." mittheillt, die von den Regierungen beschlossene
Ordnung über Behandlung des gemeinſamen Feſtungs-
materials sei der ſtändiſchen Genehmigung vorbehalten, so
wird das Land vorausfichtlich bei Gelegenheit der Be-
handlung dieser Angelegenheit in den Kammern das er-
wünſchte Nähere erfahren.

Nach dem „Schw. Merkur" iſt es noch ungewiß, daß
die Stände auf den 13. oder 14. September einbe-
rufen werden und läßt man hiebei durchblicken, es ge-
ſchehe dieß in Willfahrung des Ansuchens aus , Abgeord-
netenkreiſen“ von denen eine etwas spätere Cinberufung
gewünscht worden sei. Außer dieser Mittheilung enthält
der „Schw. Merkur“ aus Karlsruhe noch die folgen-
den, der Form nach offiziöäen Meldungen: „Unter
den Hoffnungen der natinalökonomiſchen Sanguiniker
figurirte auch eine Vorlage über Abänderung der veral-
teten Wirthſchafts ordnung. Es iſt noch nichts von
einer Verwirklichung in die Oeffentlichkeit gedrungen,
man weiß aber , daß Vorarbeiten dazu veranlaßt waren.
— Es gilt nicht als wahrscheinlich, daß die Vorlage bes
züglich der b adi ſ chen B ank jofort bei CEröftnung der
Stände oder unmittelbar gemacht werde. Das Konzeſ-
sionsgeſuch wurde erſt vor ganz kurzer Zeit eingereicht ;
auf Grund deſsſelben muß dann ein Geſetz vorbereitet
werden.“ . H t 13:4
Bei Gelegenheit des Juriſte nt age s fand in Hei-
delberg eine „vertrauliche“ Versammlung von süddeutschen
und norddeuiſchen Bi s mä re rn ſtatt, und wurde von der-
selben berathen wie die „angeblichen“ Differenzen der An-
ſchauungen zwischen Nord- und Süddeutſchland auszu-
gleichen seien, die „Mittel zur Förderung des Eintritts
in den Nordbund“ klargeſtellt und beſtimmte Vorschläge
zur Klärung und Förderung der nationalen Frage“ ge-
macht. Außer den „hervorragenden Politikern des





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