F. 218.
§
jauuheimer Abc
Organ der deulſchen Volksparlei in VPaden.
1869.
Tie „Mannheimer
Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täg
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 tr., bei Lokelanzeigen 2 kr. Beſte
lich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag M
llungen bei der Expedition 0 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Hübſch ausgeklügelt!
f Das wäre ja einmal wieder recht hübſch ausgeklü-
gelt! Napoleon UI. stirbt und im ſelben Augenblicke wer-
den die Eintritts- und Anſchlußverträge von
2/3-Darmstadt, Baden, Bayern und Württemberg mit
Preußen und dem Nordbunde enthüllt ~ ,das ganze
Deutschland soll es sein.“ Frankreich iſt für den erſten
und zweiten Moment so ſehr mit ſich ſelbſt beſchäftigt, daß
es gar nicht sieht, was draußen vorgeht, und wenn es
Stimmen hört, wie: „die deutſche Nationalität vollendet fich:
und „der Papſt wird auf die andere Seite des Tiber ge-
gangen“ ~ ſo ſoll es halbträumend zu ſich sagen: das
war ja immer unser Programm, das haben wir ja den
Völkern 20 Jahre lang gepredigt! Laissons kaire!
Aber, wirft ein „Feind des Friedens und der Gesell-
ſchaft“" ein, wißt Ihr denn ganz genau, wie die Dinge
1n Frankreich zugehen werden, wie rasch die Republik zu
Stande kommt, und Spanien seine Revolution vollendet,
und Italien vom bösen Beispiel angesſtectt wird ? Denkt
einmal an eine Föderation von drei romaniſchen Repu-
bliken ! Dieſe Ansteckung für das übrige Europa und diese
Unverträglichkeit zwischen den sich ſelbſt beſtimmenden Völ-
kern und dem monarchiſchen Zäſarismus in Mitteleuropa!
Ach, was, erwidert Herr Auguſt Braß — wie er
ſeufzt zuerſt, die fromme Seele : „Gott sei Dank!“ und
dann erwidert er: „Die Ereigniſſe haben die häßlichen
Hoffnungen der Feinde des Friedens und der Geſellſchaft
getäuscht. Die sogenannten Herren der Zukunft irren ſich
sehr, wenn sie glauben, daß es nach Napoleon MI. in
Frankreich und E uro pa keine Mach t mehr geben wird,
die fähig iſt, die gegenwärtige Ord nung gegen
die Koalition der Prätend enten und der Rev o-
Iutionäre aufrecht zu erhalten.“ #~ +
Verſtanden, was Herr Auguſt Braß meint ? Es gibt
noch eine Macht in Europa, welche ſelbſt die R evolu-
tion in Frankreich niederzuwerfen vermag. Die „Ge-
ſellſchaft“ hat auch nach Louis Napoleon noch einen Ret-
ter, Louis Rapoleon hinterläßt einen Nachfolger ~ in
E uro pa! Was früher Rußland besorgte, die Revolution
an die Kette zu legen, die „Ruhe in Warſchau“ herzu-
ſtellen, das wird nächstens der Adlerkönig und sein Bis-
marck besorgen !!
Und daß Ihr’'s ganz versteht, nicht nur mit Dalwigk,
Varnbüler und Hohenlohe – haben die Berliner Pa-
trioten komplottirt und das einige großpreußiſche Deutſch-
land vorbereitet, auch mit Bonaparte ſind ſie als Geſell-
ſchaftsretter einig geworden und mit Dalwigk ~c. können
die Patrioten ſich verſtändigt haben, weil sich die Geſell-
ſchaflsretter mit Bonaparte verständigt h att en. Die Ge-
ſellſchaftsretter ſicherten dem Bonaparte ein ruhiges Ende
. weil die Patrioten mit Deutſchland ein Ende machen
wollen !
Napoleon IV. gegen die Mainlinie; Fortſezung des
Empire gegen die Proklamation des ,„deutſchen Kaisers !"
Als Garantie für Beides das „herrliche Kricgsheer“, auf
„allgemeiner Wehrpflicht“ beruhend ; das „Volk in Waffen“
gegen die deutſche Geſchichte und die deuiſche Beſtimmung!
Louis Napoleon rettete die Gesellſchaft in Frankreich und
die Kronen des Kontinents; Bismarck iſt größer , viel
mächtiger, unendlich kühner : Bismarck ſchmilzt alle deut-
ſchen Kronen in Eine zuſammen, und rettet in Frankreich
die Krone und die Geſellſchaft! Das erſt iſt die wahre
„Krönung“ des europäischen, Gebäudes “gegründet anno 1866
in Thüringen, Böhmen, Franken, im Speſſart und im Oden-
wald, gezimmert in der herrlichen norddeutschen Bundesver-
faſung, zu vollenden 24 Stunden nach dem Tode des
dritten Napoleon!
Ihr aber, Völker von Frankreich und Deutschland,
hört, hört! Es wird um Euern Rock und Cuern Leib
gewürfelt; die Kriegsleute lagern bereits um die Trommel.
ine kurze Spanne habt Ihr noch Zeit; dieſe benütt zu
dem Gesſtändniß :
„Das iſt wirklich recht hübſch ausgeklügelt !“
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 14. September.
* Die Münchener halbamtliche „Korreſpondenz Hoff-
mann“ erklärt die Nachricht: daß zwiſchen Bayern und
Pr e ußen über den Eintritt Bayerns in den Nordbund
verhandelt wer e, ja, daß sogar ſchon ein Vertrag be-
ftehe, für Lüge. Unsere heutige Münchener Korreſpon-
denz geht von gleicher Voraussetzung aus und will außer-
dem versichert ſein, daß Bayern niemals die Hand dazu
mE
reiche, die Großmachtsgelüſte Preußens zu fördern. Mag
sein, daß der König und die Regierung in Bayern nicht
aus freien Stücken der Berliner Politik sich unterwerfen.
Die Gefahr liegt aber nahe, daß sie ſich über kurz oder
lang durch äußere Verhältnisse veranlaßt dazu entſchließen
müssen; wenn ſie nicht in letter Stunde das einzige
Mittel der Abwehr ergreifen; wenn sie nicht durch ein
volksthümliches Vorgehen den Anstoß zu einer freiheitlich
parlamentarisſchen Vereinigung der süddeutschen Staaten
geben und den Freiheitsbund des Südens dem Gewalt-
bund im Norden entgegenſtellen und damit einen Wende-
punkt in dem Verlauf der Dinge ſeit 1866 erzwingen.
Dazu iſt keinerlei Aussicht vorerſt vorhanden und ſchließ-
lich kommt es auf Cines heraus, ob Bayern durch die
Begehungs- oder Unterlaſſungs-Sünden seines Fürsten
und seiner Regierung der preußiſchen Herrſchaft unter-
worfen wird.
_ demselben Kapitel schreibt man aus Süddeutſch-
land der „Zukunft“ :. „Wo man jett einen Menschen
nachdenklich zu oder von der Börse ſchleichen, wo man
einen Partikulier den Kopf auf die Hand ſtüten ſieht:
zuverläſſig ſind ſie alle bei der Vorſehung angestellt.
Jeder hat seinen Weltplan fertig für den Fall, daß die
Blaſe in Paris platt. So wird es kommen, nicht anders,
ganz präzis so ; denn es kann nicht anders sein. Auch
die angebliche Einbugsirung der Südstaaten in den Nord-
bund, der dann wohl , ähnlich dem weſtöſtlichen Divan,
„Nord-Südbund“ heißen wird, erscheint uns als eine
providentielle Abmachung. Die Herren Fürſten mögen
dabei denken: wir retten so jedenfalls die Landeshoheit
und die Zivilliſte; mit den Demokraten iſt nicht gut
Nirſchen eſſen; ſie geben uns höchſtens dié Stiele, media-
tisirte Kirſchen ſind immer noch Kirschen. Der ebenfalls
denkbare Fall jedoch , daß sie weder Stiele noch Kirſchen
bekommen, ſcheint in ihrer Wahrscheinlichkeitsrechnung gänz-
lich zu fehlen. Ach, die ſämmtlichen Beamten der Vor-
sehung wisſen nicht, was in ihrer Behauſung vorgeht,
nicht mehr bloß in Paris , in Havre, Nantes, Marseille,
Toulon, Lyon, Straßburg, kurz wo eine anständige Zahl
von Menſchen Elektrizität entwickelt. Der ganze Boden
Frankreichs birgt ſchlagende Wetter und droht mit Explo-
sionen. Der Verstand der Verständigen hilft da nicht
viel, so wenig als das Geld, trete es noch so „heiden-
mäßig“ auf. Die Naturgewalten haben force majeure,
und das Abfangen und Eindämmen gelingt bei den
„tollen“ Franzosen nicht so leicht als bei ven ,„beſonne-
neren“ Deutschen. Ein ſarkastiſcher Freund charakteriſirte
jüngst die Deutschen etwas ſehr indiskret als eine „Nation
von Hausknechten ; die Franzoſen haben dagegen die in-
termittirende Gewohnheit, die Hausknechte der Ration
Knall und Fall an die Luft zu ſezen, und ſich bei sol-
chen Veranlaſſungen zwischen Hammer und Anibos zu
drängen, das hat noch Keinem wohlgethan.
In Apenrade hat der Landrath in öffentlicher Be-
kanntmachung die Bewohner der nördlichen Distrikte Schles-
wigs dahin verſtändigt, daß die Ausführung des Art. V.,
wie überhaupt des Prager Friedens, allein den kontrahi-
renden Mächten zustehe, und daß jeder von den Bewoh-
nern Nordſchleswigs, welche mit den übrigen Unterthanen
des preußiſchen Staates durchaus gleiche Rechte und Pflich-
ten haben, eigenmächtig unternommene Schritt zur Ver-
wirklichung der Ablretung eines Theils der preußiſchen
Monarchie (?) dem Strafgeſezbuch verfallen würde . . .
Wenn dagegen die kontrahirenden Mächte, darunter Preu-
ßen, eine solche Abtretung beſtimmen, so ſteht dieſe Hand-
lung über dem Strafgesetze.
Zwischen England und Preuß en entſpinnt ſich ~
sagt die „Zukunft“ eine immer innigere Vertraulichkeit ~
„auf dem Zündloch der Kanone,“ wie ein hehres Volks-
lied dieſer Zeit singt. Armstrong und Krupp führten
den Reigen und jjett tritt neben Dreyſe ein neuer eng-
liſcher Hinterlader, Henry-Martini, deſſen Tugenden die
„Vosſſ. Ztg.“ mit so glühenden Farben ſchildert, daß die
norddeutſchen Militäretats des nächſten Dezenniums das
wohl ihr Lebtag spüren werden.
Der Pariſe r „Gaulois“ ſchreibt: Die Reiſe (An-
dere ſagen: die Miſſion) des Hrn. Franceschini Pietri
nach Pre ußen und Sch weden beunruhigt die diplo-
matische Welt. Man nimmt an, daß der Privatſetretär
des Kaiſers Napoleon beauftragt worden iſt, nach Berlin
und Stockholm die Worte zu tragen, die zunächſt Herr
Drouyn de Lhuys den Souveränen Preußens und Schwe-
dens überbringen ſollte ; die Misſion des Hrn. Pietri
dauert bis zum 1. Oktober. Der Marineminister hat
ihm die Korvette „Clorinde" zur Verfügung gestellt.
Der Kaiser Napoleon hat an den Kommandanten
des Lagers von C ha l o ns eine Depeſche folgenden Inhalts
gerichtet: „Ich rechnete darauf, morgen nach dem Lager I
von Chalons gehen zu können, allein die Aerzte wider-
setzten sich dem noch. Ich sehe mich alſo genöthigt, mei-
nem Vorhaben zu entſagen. Wollen Sie den unter Ih-
rem Befehl stehenden Truppen das Bedauern ausdrücken,
das ich empfinde, ihnen nicht meine Genugthuung und
Sympathie ausſprechen zu können." Der General Bour-
baki hat sich beeilt, dem Kaiser zu antworten: „Sire, das
Telegramm Ihrer Majestät iſt ein neuer Beweis Ihrer
unausgesetzten Fürſorge für die Armee. Wenn die heißen
Wünſche aller im Lager von Chalons verſammelten Offis
tt erz rt scrut rp .
ringſten Schmitz zu teu ! wenigen Tagen wird
das Lager aufgehoben werden. Ehe wir uns trennen,
Sire, fühler wir das Bedürfniß, Ihnen unsere ehrerbie-
tige und tiefe Dankbarkeit auszuſprechen für das Zeugniß
von Genugthuung, welches Ew. Maj. uns zu übermachen
geruhen und auf das wir stolz ſind. Mit Freude über-
sende ich Ew. Maj. im Ramen Allr, wie in meinem
eigenen Namen den Ausdruck unserer Gefühle von Treue
und völliger Ergebenheit an den Kaiser, die Kaiserin und
den kaiserlichen Prinzen.“
Wie aus R o m der Berliner „Kreuzzeitung“ gemel-
det wird, wären die Vorbereitungsarbeiten zum Konzile
beendigt. Das Geheimniß hierüber wird gut bewahrt:
im Ganzen nämlich, denn im Einzelnen verlauten allerliäe qu
Dinge. So ſoll es beſtimmt sein, daß das „allgemeine
Stimmrecht verurtheilt werden solle, ebenso die Preßfrei-
heit und die Kultusfreiheit." Die Verdammungsbullen
ſollen schon alle vorbereitet ~ und alle Entscheidungen im
Voraus fertig gemacht liegen. . . . Wie ſchade für die
Arbeit, deren Inhalt Niemand mehr fürchtet.
Der römiſche Schatz hat ſieben Millionen Franken
von der italienischen Regierung erhalten, zum Theil in
Gold, zum Theil in Silber, und den Reſt in einem bei
der römiſchen Bank zu zahlenden Wechſel. Die willkom-
menen Säcke waren mit dem Siegel der italieniſchen Re-
gierung und jenem der franzöſiſchen Gesandiſchaft in
Florenz versehen und an die französiſche Boiſchaft in
Rom gerichte. Das Geld wurde in vier verſchiedenen
Ciſenbahnſendungen nach Rom gebracht, in Waggons,
welche von Gendarmen besetzt waren, zur großen Verwun-
derung der Reiſenden, die nicht mit ins Geyeimniß gezogen
waren. Auf dem Bahnhofe wurde die Sendung vom
Kanzler der franzöſiſchen Botschast in Empfang genommen
und sofort an den Direktor der päpstlichen Schuld abge-
liefert. Die italieniſche Regierung ſchuldet der päpſtlichen
nur noch 10,000 Fr. Nach Beendigung der Arbeiten
Seitens der gemischten Kommission wird ſie eine weitere
Summe von 1 Million zu bezahlen haben.
Deutſchland.
* Mus Baden , 14. Sept. Der Erinnerung
Stimme spricht heute zu uns in einem Todesurtheile und
einem Urtheile auf 10. Jahre Zuchthaus. Am 14. Sept.
1849 wurden vom Standgerichte zu Raſtatt Kounis
aus Pforzheim zum Tode und Schütenbach zu zehn
Jahren Zuchthaus verurtheil. Kounis wurde am selben
Tage erſchoſſen.
Bei der gestern in Mannheim ſtattgehabten Wahl
der Grund herr n unterhalb der Murg wurden Herr
I
Graf v. Berlichingen wiederholt und Frhr. Sigm. v. !.
Gemmingen in die erſte Kummer gewählt.
Heute berichtet der „Staatsanzeiger“, daß auch
die Ernennung der acht Mitglieder zur erſten Kammer,
welche dem Großherzoge vorbehalten, erfolgt iſt. Ernannt
wurden die Herren: Geh. Rath Dr. v. Mohl, Staats-
rath Dr. Weizel, Generalmajor Graf v. Sponc&e>,
Kreis- und Hofg.-Präſident Reiner, Geh. Rath und
Prof. . Dr. Herrmann, Fabrikinhaber Aug. Dennig
in Pforzheim, Kunsthändler Philipp Artaria in Mann-
heim, Oberbürgermeiſter Jakob Malſch in Karlsruhe.
um Präſidenten der erſten Kammer wurde Herr
Geh. Rath Dr. Mohl, zu Vizepräsidenten die Herren
Staatsrath Dr. Weizel und Frhr. Karl v. G ayling
zu Altheim ernannt.
Der Landtag ist auf den 23. d. einberufen. Die
feierliche Eröffnung erfolgt am 24. d.
§
jauuheimer Abc
Organ der deulſchen Volksparlei in VPaden.
1869.
Tie „Mannheimer
Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täg
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 tr., bei Lokelanzeigen 2 kr. Beſte
lich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag M
llungen bei der Expedition 0 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Hübſch ausgeklügelt!
f Das wäre ja einmal wieder recht hübſch ausgeklü-
gelt! Napoleon UI. stirbt und im ſelben Augenblicke wer-
den die Eintritts- und Anſchlußverträge von
2/3-Darmstadt, Baden, Bayern und Württemberg mit
Preußen und dem Nordbunde enthüllt ~ ,das ganze
Deutschland soll es sein.“ Frankreich iſt für den erſten
und zweiten Moment so ſehr mit ſich ſelbſt beſchäftigt, daß
es gar nicht sieht, was draußen vorgeht, und wenn es
Stimmen hört, wie: „die deutſche Nationalität vollendet fich:
und „der Papſt wird auf die andere Seite des Tiber ge-
gangen“ ~ ſo ſoll es halbträumend zu ſich sagen: das
war ja immer unser Programm, das haben wir ja den
Völkern 20 Jahre lang gepredigt! Laissons kaire!
Aber, wirft ein „Feind des Friedens und der Gesell-
ſchaft“" ein, wißt Ihr denn ganz genau, wie die Dinge
1n Frankreich zugehen werden, wie rasch die Republik zu
Stande kommt, und Spanien seine Revolution vollendet,
und Italien vom bösen Beispiel angesſtectt wird ? Denkt
einmal an eine Föderation von drei romaniſchen Repu-
bliken ! Dieſe Ansteckung für das übrige Europa und diese
Unverträglichkeit zwischen den sich ſelbſt beſtimmenden Völ-
kern und dem monarchiſchen Zäſarismus in Mitteleuropa!
Ach, was, erwidert Herr Auguſt Braß — wie er
ſeufzt zuerſt, die fromme Seele : „Gott sei Dank!“ und
dann erwidert er: „Die Ereigniſſe haben die häßlichen
Hoffnungen der Feinde des Friedens und der Geſellſchaft
getäuscht. Die sogenannten Herren der Zukunft irren ſich
sehr, wenn sie glauben, daß es nach Napoleon MI. in
Frankreich und E uro pa keine Mach t mehr geben wird,
die fähig iſt, die gegenwärtige Ord nung gegen
die Koalition der Prätend enten und der Rev o-
Iutionäre aufrecht zu erhalten.“ #~ +
Verſtanden, was Herr Auguſt Braß meint ? Es gibt
noch eine Macht in Europa, welche ſelbſt die R evolu-
tion in Frankreich niederzuwerfen vermag. Die „Ge-
ſellſchaft“ hat auch nach Louis Napoleon noch einen Ret-
ter, Louis Rapoleon hinterläßt einen Nachfolger ~ in
E uro pa! Was früher Rußland besorgte, die Revolution
an die Kette zu legen, die „Ruhe in Warſchau“ herzu-
ſtellen, das wird nächstens der Adlerkönig und sein Bis-
marck besorgen !!
Und daß Ihr’'s ganz versteht, nicht nur mit Dalwigk,
Varnbüler und Hohenlohe – haben die Berliner Pa-
trioten komplottirt und das einige großpreußiſche Deutſch-
land vorbereitet, auch mit Bonaparte ſind ſie als Geſell-
ſchaftsretter einig geworden und mit Dalwigk ~c. können
die Patrioten ſich verſtändigt haben, weil sich die Geſell-
ſchaflsretter mit Bonaparte verständigt h att en. Die Ge-
ſellſchaftsretter ſicherten dem Bonaparte ein ruhiges Ende
. weil die Patrioten mit Deutſchland ein Ende machen
wollen !
Napoleon IV. gegen die Mainlinie; Fortſezung des
Empire gegen die Proklamation des ,„deutſchen Kaisers !"
Als Garantie für Beides das „herrliche Kricgsheer“, auf
„allgemeiner Wehrpflicht“ beruhend ; das „Volk in Waffen“
gegen die deutſche Geſchichte und die deuiſche Beſtimmung!
Louis Napoleon rettete die Gesellſchaft in Frankreich und
die Kronen des Kontinents; Bismarck iſt größer , viel
mächtiger, unendlich kühner : Bismarck ſchmilzt alle deut-
ſchen Kronen in Eine zuſammen, und rettet in Frankreich
die Krone und die Geſellſchaft! Das erſt iſt die wahre
„Krönung“ des europäischen, Gebäudes “gegründet anno 1866
in Thüringen, Böhmen, Franken, im Speſſart und im Oden-
wald, gezimmert in der herrlichen norddeutschen Bundesver-
faſung, zu vollenden 24 Stunden nach dem Tode des
dritten Napoleon!
Ihr aber, Völker von Frankreich und Deutschland,
hört, hört! Es wird um Euern Rock und Cuern Leib
gewürfelt; die Kriegsleute lagern bereits um die Trommel.
ine kurze Spanne habt Ihr noch Zeit; dieſe benütt zu
dem Gesſtändniß :
„Das iſt wirklich recht hübſch ausgeklügelt !“
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 14. September.
* Die Münchener halbamtliche „Korreſpondenz Hoff-
mann“ erklärt die Nachricht: daß zwiſchen Bayern und
Pr e ußen über den Eintritt Bayerns in den Nordbund
verhandelt wer e, ja, daß sogar ſchon ein Vertrag be-
ftehe, für Lüge. Unsere heutige Münchener Korreſpon-
denz geht von gleicher Voraussetzung aus und will außer-
dem versichert ſein, daß Bayern niemals die Hand dazu
mE
reiche, die Großmachtsgelüſte Preußens zu fördern. Mag
sein, daß der König und die Regierung in Bayern nicht
aus freien Stücken der Berliner Politik sich unterwerfen.
Die Gefahr liegt aber nahe, daß sie ſich über kurz oder
lang durch äußere Verhältnisse veranlaßt dazu entſchließen
müssen; wenn ſie nicht in letter Stunde das einzige
Mittel der Abwehr ergreifen; wenn sie nicht durch ein
volksthümliches Vorgehen den Anstoß zu einer freiheitlich
parlamentarisſchen Vereinigung der süddeutschen Staaten
geben und den Freiheitsbund des Südens dem Gewalt-
bund im Norden entgegenſtellen und damit einen Wende-
punkt in dem Verlauf der Dinge ſeit 1866 erzwingen.
Dazu iſt keinerlei Aussicht vorerſt vorhanden und ſchließ-
lich kommt es auf Cines heraus, ob Bayern durch die
Begehungs- oder Unterlaſſungs-Sünden seines Fürsten
und seiner Regierung der preußiſchen Herrſchaft unter-
worfen wird.
_ demselben Kapitel schreibt man aus Süddeutſch-
land der „Zukunft“ :. „Wo man jett einen Menschen
nachdenklich zu oder von der Börse ſchleichen, wo man
einen Partikulier den Kopf auf die Hand ſtüten ſieht:
zuverläſſig ſind ſie alle bei der Vorſehung angestellt.
Jeder hat seinen Weltplan fertig für den Fall, daß die
Blaſe in Paris platt. So wird es kommen, nicht anders,
ganz präzis so ; denn es kann nicht anders sein. Auch
die angebliche Einbugsirung der Südstaaten in den Nord-
bund, der dann wohl , ähnlich dem weſtöſtlichen Divan,
„Nord-Südbund“ heißen wird, erscheint uns als eine
providentielle Abmachung. Die Herren Fürſten mögen
dabei denken: wir retten so jedenfalls die Landeshoheit
und die Zivilliſte; mit den Demokraten iſt nicht gut
Nirſchen eſſen; ſie geben uns höchſtens dié Stiele, media-
tisirte Kirſchen ſind immer noch Kirschen. Der ebenfalls
denkbare Fall jedoch , daß sie weder Stiele noch Kirſchen
bekommen, ſcheint in ihrer Wahrscheinlichkeitsrechnung gänz-
lich zu fehlen. Ach, die ſämmtlichen Beamten der Vor-
sehung wisſen nicht, was in ihrer Behauſung vorgeht,
nicht mehr bloß in Paris , in Havre, Nantes, Marseille,
Toulon, Lyon, Straßburg, kurz wo eine anständige Zahl
von Menſchen Elektrizität entwickelt. Der ganze Boden
Frankreichs birgt ſchlagende Wetter und droht mit Explo-
sionen. Der Verstand der Verständigen hilft da nicht
viel, so wenig als das Geld, trete es noch so „heiden-
mäßig“ auf. Die Naturgewalten haben force majeure,
und das Abfangen und Eindämmen gelingt bei den
„tollen“ Franzosen nicht so leicht als bei ven ,„beſonne-
neren“ Deutschen. Ein ſarkastiſcher Freund charakteriſirte
jüngst die Deutschen etwas ſehr indiskret als eine „Nation
von Hausknechten ; die Franzoſen haben dagegen die in-
termittirende Gewohnheit, die Hausknechte der Ration
Knall und Fall an die Luft zu ſezen, und ſich bei sol-
chen Veranlaſſungen zwischen Hammer und Anibos zu
drängen, das hat noch Keinem wohlgethan.
In Apenrade hat der Landrath in öffentlicher Be-
kanntmachung die Bewohner der nördlichen Distrikte Schles-
wigs dahin verſtändigt, daß die Ausführung des Art. V.,
wie überhaupt des Prager Friedens, allein den kontrahi-
renden Mächten zustehe, und daß jeder von den Bewoh-
nern Nordſchleswigs, welche mit den übrigen Unterthanen
des preußiſchen Staates durchaus gleiche Rechte und Pflich-
ten haben, eigenmächtig unternommene Schritt zur Ver-
wirklichung der Ablretung eines Theils der preußiſchen
Monarchie (?) dem Strafgeſezbuch verfallen würde . . .
Wenn dagegen die kontrahirenden Mächte, darunter Preu-
ßen, eine solche Abtretung beſtimmen, so ſteht dieſe Hand-
lung über dem Strafgesetze.
Zwischen England und Preuß en entſpinnt ſich ~
sagt die „Zukunft“ eine immer innigere Vertraulichkeit ~
„auf dem Zündloch der Kanone,“ wie ein hehres Volks-
lied dieſer Zeit singt. Armstrong und Krupp führten
den Reigen und jjett tritt neben Dreyſe ein neuer eng-
liſcher Hinterlader, Henry-Martini, deſſen Tugenden die
„Vosſſ. Ztg.“ mit so glühenden Farben ſchildert, daß die
norddeutſchen Militäretats des nächſten Dezenniums das
wohl ihr Lebtag spüren werden.
Der Pariſe r „Gaulois“ ſchreibt: Die Reiſe (An-
dere ſagen: die Miſſion) des Hrn. Franceschini Pietri
nach Pre ußen und Sch weden beunruhigt die diplo-
matische Welt. Man nimmt an, daß der Privatſetretär
des Kaiſers Napoleon beauftragt worden iſt, nach Berlin
und Stockholm die Worte zu tragen, die zunächſt Herr
Drouyn de Lhuys den Souveränen Preußens und Schwe-
dens überbringen ſollte ; die Misſion des Hrn. Pietri
dauert bis zum 1. Oktober. Der Marineminister hat
ihm die Korvette „Clorinde" zur Verfügung gestellt.
Der Kaiser Napoleon hat an den Kommandanten
des Lagers von C ha l o ns eine Depeſche folgenden Inhalts
gerichtet: „Ich rechnete darauf, morgen nach dem Lager I
von Chalons gehen zu können, allein die Aerzte wider-
setzten sich dem noch. Ich sehe mich alſo genöthigt, mei-
nem Vorhaben zu entſagen. Wollen Sie den unter Ih-
rem Befehl stehenden Truppen das Bedauern ausdrücken,
das ich empfinde, ihnen nicht meine Genugthuung und
Sympathie ausſprechen zu können." Der General Bour-
baki hat sich beeilt, dem Kaiser zu antworten: „Sire, das
Telegramm Ihrer Majestät iſt ein neuer Beweis Ihrer
unausgesetzten Fürſorge für die Armee. Wenn die heißen
Wünſche aller im Lager von Chalons verſammelten Offis
tt erz rt scrut rp .
ringſten Schmitz zu teu ! wenigen Tagen wird
das Lager aufgehoben werden. Ehe wir uns trennen,
Sire, fühler wir das Bedürfniß, Ihnen unsere ehrerbie-
tige und tiefe Dankbarkeit auszuſprechen für das Zeugniß
von Genugthuung, welches Ew. Maj. uns zu übermachen
geruhen und auf das wir stolz ſind. Mit Freude über-
sende ich Ew. Maj. im Ramen Allr, wie in meinem
eigenen Namen den Ausdruck unserer Gefühle von Treue
und völliger Ergebenheit an den Kaiser, die Kaiserin und
den kaiserlichen Prinzen.“
Wie aus R o m der Berliner „Kreuzzeitung“ gemel-
det wird, wären die Vorbereitungsarbeiten zum Konzile
beendigt. Das Geheimniß hierüber wird gut bewahrt:
im Ganzen nämlich, denn im Einzelnen verlauten allerliäe qu
Dinge. So ſoll es beſtimmt sein, daß das „allgemeine
Stimmrecht verurtheilt werden solle, ebenso die Preßfrei-
heit und die Kultusfreiheit." Die Verdammungsbullen
ſollen schon alle vorbereitet ~ und alle Entscheidungen im
Voraus fertig gemacht liegen. . . . Wie ſchade für die
Arbeit, deren Inhalt Niemand mehr fürchtet.
Der römiſche Schatz hat ſieben Millionen Franken
von der italienischen Regierung erhalten, zum Theil in
Gold, zum Theil in Silber, und den Reſt in einem bei
der römiſchen Bank zu zahlenden Wechſel. Die willkom-
menen Säcke waren mit dem Siegel der italieniſchen Re-
gierung und jenem der franzöſiſchen Gesandiſchaft in
Florenz versehen und an die französiſche Boiſchaft in
Rom gerichte. Das Geld wurde in vier verſchiedenen
Ciſenbahnſendungen nach Rom gebracht, in Waggons,
welche von Gendarmen besetzt waren, zur großen Verwun-
derung der Reiſenden, die nicht mit ins Geyeimniß gezogen
waren. Auf dem Bahnhofe wurde die Sendung vom
Kanzler der franzöſiſchen Botschast in Empfang genommen
und sofort an den Direktor der päpstlichen Schuld abge-
liefert. Die italieniſche Regierung ſchuldet der päpſtlichen
nur noch 10,000 Fr. Nach Beendigung der Arbeiten
Seitens der gemischten Kommission wird ſie eine weitere
Summe von 1 Million zu bezahlen haben.
Deutſchland.
* Mus Baden , 14. Sept. Der Erinnerung
Stimme spricht heute zu uns in einem Todesurtheile und
einem Urtheile auf 10. Jahre Zuchthaus. Am 14. Sept.
1849 wurden vom Standgerichte zu Raſtatt Kounis
aus Pforzheim zum Tode und Schütenbach zu zehn
Jahren Zuchthaus verurtheil. Kounis wurde am selben
Tage erſchoſſen.
Bei der gestern in Mannheim ſtattgehabten Wahl
der Grund herr n unterhalb der Murg wurden Herr
I
Graf v. Berlichingen wiederholt und Frhr. Sigm. v. !.
Gemmingen in die erſte Kummer gewählt.
Heute berichtet der „Staatsanzeiger“, daß auch
die Ernennung der acht Mitglieder zur erſten Kammer,
welche dem Großherzoge vorbehalten, erfolgt iſt. Ernannt
wurden die Herren: Geh. Rath Dr. v. Mohl, Staats-
rath Dr. Weizel, Generalmajor Graf v. Sponc&e>,
Kreis- und Hofg.-Präſident Reiner, Geh. Rath und
Prof. . Dr. Herrmann, Fabrikinhaber Aug. Dennig
in Pforzheim, Kunsthändler Philipp Artaria in Mann-
heim, Oberbürgermeiſter Jakob Malſch in Karlsruhe.
um Präſidenten der erſten Kammer wurde Herr
Geh. Rath Dr. Mohl, zu Vizepräsidenten die Herren
Staatsrath Dr. Weizel und Frhr. Karl v. G ayling
zu Altheim ernannt.
Der Landtag ist auf den 23. d. einberufen. Die
feierliche Eröffnung erfolgt am 24. d.