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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

DOI issue:
No. 206 - No. 231 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0831

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Mittwoch, !. September.







Organ der deulſchen Volksparlei in Baden.



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A. H





Tie , Wannheimer Abendzeitung“ wird - mit Ausnahme der Sonntage und Festtage -- täglich als Abendblatt ausgegeben. Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag !

Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.

BG .

Spanien und Kuva.

** Die ſpaniſche Revolution ist die zweite große
Revolution unserer Tage, welche ihre Hände rein von
Bürgerblut hält. Die vereinzelten Hinrichtungen ge-
fangener Karliſten haben nur Anlaß gegeben, ſich in ganz
Spanien und in ganz Europa gegen diese Barbarei aus-
zuſprechen. Die Republikaner in Spanien und überall
im Auslande ſind hierin vorangegangen. Wie die fran-
zöſiſche, wie die deutſche Revolution von 1848 ist auch
die spaniſche großmüthig ihren Feinden gegenüber. Es
liegt in dieſer Großmuth ſelbſt ein Bewußtsein der Kraft,
und wenn auch die franzöſiſche und die deutſche Revo-
lution von 1848 noch einmal besiegt werden konnten, ſo
iſt das Selbstbewußtsein, welches die Republikaner 1848
zur Großmuth trieb, dadurch nicht zu Grunde gegangen,
ſo hat daſſelbe gerade in dem republikaniſchen Blute,
welches die Reaktion forderte, und so das Bewußtsein
ihrer inmren Schwäche durch daſſelbe zu verdecken ſuchte,
neuen Halt und neue Kraft geſunden, Kraſt und Halt
genug, um auch der blutigen Reaktion gegenüber den
Grundsatz der Menſchlichkeit, der die blutig kalte Rache
nach dem Siege verdammt, auch aus der Niederlage zu
neuen Siegen hinüberzutragen. Es ist ein erhebendes,
ein wohlthuendes Gefühl, daß gerade das ſpaniſche Volk,
das gerade die ſpaniſchen Republikaner, die so oft ihre
Reihen durch „Pulver und Blei“ zerreißen ſahen, die
erſten waren, welche vom Geschicke berufen wurden, that-
Jächlich den heiligen Grundsatz der Menschheit und Menſch-
lichkeit, der das Blut des Beſiegten ſchont, der dem Be-
ſiegten gegenüber nicht Rache, sondern Gnade fordert, zur
Geltung zu bringen.
| Vir hoffen, daß die ſpaniſchen Republikaner begreifen
werden, daß sie auch Kuba gegenüber eine Pflicht der
Menſchlichtéet –~ und zugleich der Klugheit zu erfüllen
haben. Daß Spanien kein höheres Recht hat, die Ku-
baner von Spanien aus im Intereſſe Spaniens zu be-
herrschen, das wird wohl kaum ein Republikaner beſtreiten;
daß Kuba auf die Dauer nicht ſpaniſch bleiben wird, wird
ebenſo gewiß kaum ein denkender Politiker bezweifeln.
So wären also ſchon von dieſem allgemeinen Standpuntte
aus Gerechtigkeit und Klugheit dafür, daß Spanien Kuba
frei erklärte. Cs kommt dazu noch, daß Kuba ſchon in
dieſem Augenblicke die tapferſten der „Freiwilligen der
Freiheit“ aus Spanien herausholt und in Kuba abnutt.
Die Soldatenführer in Spanien wissen sehr gut, daß ſie
auf dieſe Weiſe das ſpaniſehe Volt bischäftigen, von den
innern Angelegenheiten ablenken und die revolutionäre
Kraft des Volkes abnuzen. Das Spiel, welches die
ſpaniſchen Militärdiktatoren heute mit Kuba treiben, haben
die Soldatenführer Frankreichs in den neunziger Jahren
mit St. Domingo und nach 1848 mit Atgier geſpielt.
In den Kolonien wurde die ſtrchbſame Jugendkraft abge-
nutzt, wurden unbedingt ergebene, an Blut, an „Pulver
und Blei“ gewohnte Kriegsmassen gebildet, die dann
„Pulver und Blei,“ so oſt es nöthig war, auch in den
Straßen von Paris zur Herrſchaft brachten. In allen
vom Julikönigthum angeſstifteten und dann ausgebeuteten
Straßenauſſtänden der Hauptſtädte Frankreichs, Paris
und Lyon und besonders waren aſfritaniſche Generale,
Ruycoud und ſeinesgleichen tonangebend; und als es nach
der Februarrevolution in Paris zum Straßenkampfe kam,
bekundete sich ſelbſt Cavagnac doch nur als ein ~ afri-
kaniſcher General, desſen Zuaven die pariser Arbeiter
auch nach dem Siege wie Beduinen niedermetelten.

Die Spanier ſollen gerecht ſein gegen Kuba; dann
handeln sie klug für sich ſelbſt. Nicht in Kuba iſt die
Chre Spaniens verpfändet durch die Unterdrückung der
tubaniſchen Revolution, ſondern in Spanien, in Madrid
wird sie um ſo leichter zu Grunde gehen, je besser es
den spaniſchen Soldatendiktatoren Serrano, Prim und
wie ſie alle heißen, gelingt, die Jugendkraft, die junge
Thatkraft des ſspaniſchen Volkes auf Kuba abzulenken und
hi.r das Heer und die Generale an „Pulver und Blei“
gegen die Besicgten des Freiheitskampfes zu gewöhnen.

Politiſche Ueberſicht.

M ann h eim, 30. Auguſt. |











bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Exveditien C 1

ſichtige, den vom Grafen Beuſt angeregten Schriftwechsel
fortzuſezen. + Faſt zur gleichen Zeit wird anderweitig
aus Berlin gemeldet, die Voraussetzung, das Berliner
Kabinet werde wenigstens vorläufig die Beuſt’ſche Depesche
vom 18. August als Ahſchluß der diplomatiſchen
Korreſpon denz mit Wien betrachten, habe sich als
Täuschung erwiesen. Jene Depesche sei vielmehr bereits
beantwortet und der preußiſche Gesandte in Wien dürfte
ſchon am 28 d. in der Lage gewesen sein, die bezügliche
Mittheilung seiner Regierung in Wien vorzulcſen : welche
die in der Thile'ſchen Depeſche über die mit den süd-
deutschen Staaten abgeschloſſenen Schutz- und Trutbünd-
niſſe niedergelegten Anschauungen entſchieden aufrecht
erhalte.

hg lie... der beiden Lesarten am meiſten Glaubwür-
digkeit zukommt, läßt ſich ſchwer sagen, wenn auch ſonst
manches darauf hinweiſt, das Berliner Kabinet ſei mehr
b e f li sse n als abgeneigt, den Depeſchenwechſel fortzu-
ſeßzen und zwar als Vorbereitungsakt zu einem neuen
iſolirten Kampfe mit Oesterreich. Zu diesem Schlusse
gelangen die Berliner Briefe bei Beſprechung des schon
früher erwähnten ſog. Friedensartikel der Berliner mini-
steriellen Provinzial-Korreſpondenz, indem sie ausführen:
für Frankreich und Oesterreich iſt d er Friede die
Grundbe ding ung für die innere freiheitliche Ent-
wicklung; für den mit dem föderativen Entwicklungsprinzip
in Widerſpruch slehenden, zentraliſirenden Nordbund da-
gegen iſtder Friede nur ein zeitweilig es Bedür fniß
zur äußeren Befestigung einer politiſchen Richtung, welche
ihre materielle ~ volksfeindliche – Tendenz nach Innen
nur durch immer weitere Ausdehnung deren Herrschaft
nach Außen geltend erhalten kann.

In der That; einem falſchen Prinzip folgend, ſteht
die preußiſche Politik en.er Zukunft gegenüber , die
ihr eine höchſt bedenkliche Lage in Aussicht ſtellt ~ eine
Lage, die mit jedem Jahre , in welchem die Idee des
allgemeinen Friedens und das Prinzip der föderativen
Freiheitsliga der Völker an Macht der Kongolidirung ge-
winnt, um endlich die Offensive gegen sie ergreifen zu
können, eine ſteigend gefährlichere wird. Schon in der
oberflächlichſien Erkenntniß hierven muß die preußiſche
Politik sich zu einem baldigen Bruch mit der bestehenden
Friedensfriſt gedrängt fühlen; denn je eher sie den ihr
bevorſtehenden Kampf wagt, deſto mehr Aussichten bietet
er bei dem Vorſprung ihrer Macht in der Kriegsfähigkeit
auf ein siegreiches Beſtehen. Die ganze Lage , der der
deutschen Zentraliſationsmacht zuvörderſt entgegenſtehenden
Mächte iſt sogar gegenwärtig eine ſolche, daß die preußiſche
Politik sich zu einem Angriff auf ſie in iſolirter Be-
kämpfung förmlich eingeladen sehen muß. Dieselbe auf
dem Wege hierzu zu finden, dürfte daher nicht ver-
wundern.

In Rom ſtudirt eine Prälaten-Kommission den Vor-
schlag, eine fortdauernde Geſellſchaft odcr Brüderſchaft für
den Peterspfennig zu bilden. Zu gleicher Zeit beschäftigt
sich dieselbe Kommission mit der Ma chtfr a g e, mit
einem Projett des gemeinſamen Schutzes der katholischen
Mächte für den päpſtlicen Stuhl, wozu Rom ſelbſt
6000 Mann zu ſtellen übernehmen würde.

In Konstantinopel ſcheint man ſsich nicht ſo leicht
mit den Erklärungen beruhigen zu wollen, die der Viz e-
könig von Egy p ten über ſeine Stelung und sein
Verhalten zur Pforte gegeben. Es wird nämlich ge-
meldet, obwohl des Vizetönigs Antwort ,als in derForm“
befriedigend befunden ſei, beabsichtige der Großvezier ein
Schreiben an den Vizekönig zu erlaſſen und denselben
anzuweiſen: die Land- und Seemacht nur innerhalb der
durch den Ferman von 1841 feſtgeſtelten Grenzen zu
halten und der Pforte regelmäßig vierteljährlich ein Budget
vorzulegen. Ueberdieß ſoll dem Vizekönig die Auferlegung
neuer Steuern, ſowie der dirckte Verkehr mit auswärtigen
Regierungen untersagt werden.

Deutſch!and.

* Aus Baden, 31. Aug. Die in München ge-
pflogenen Militärkonferenzen haben die ſüddeutſchen Staa-
ten mit einer ‘neuen Einrichtung, mit der süd deu tſch en



| Feſtungsko mmiſsion beschenkt, und ferner mit einer
| Feſtungs-Inſpizirungskommission. Daß in beiden Kom-

* Das Organ des Grafen Bismarck schreibt : Es be- | missionen dem preußiſchen Einfluß P'at gegeben iſt, wird

flätige ſich, daß der divlomatische Austaujch zwischen dem
Berliner und Wiener Kabinet mit der jüngſten Debeſche |

des Grafen Beuſt ihren Abschluß erreicht habe . . indem

| Niemand bezweifeln, welcher der Entwicklung der Verhält-

niſſe seit 1866 aufmerksam folgt. Interessant iſt nur zu
vernehmen, es ſei von Baden mit großem Eifer dahin



Z LZEEÔ

weiſe norddeutſchen Kompetenz „möglichſt zu erweitern.“
Und noch interessanter iſt, wenn dieser Meldung beigefügt
wird: Baden ſoll hiebei weniger auf einen Widerſtand
Bayerns oder Württembergs geſtoßen sein, „als auf eine
gewisſe kühle, ablehnende Haltung Preußens, deren Grund
wohl weniger in militäriſcher Enthaltsamkeit, als in den
allgemeinen politiſchen Verhältnissen zu ſuchen ist.“

Dieß stimmt. Cs ist eine alte Geschichte, daß unsere
maßgebenden Kreise die eifrigſten Vorkämpfer des Boruf-
ſenthums sind, und daß sie überall den Vortheil wahren,
der uns enger in die preußiſchen Netze hineinzieht und
endlich in den „entwicklungsfähigen“ Nordbund hinein-
bringen soll. Die Entwicklungsfähigkeit des Nordbundes
besteht aber für jeden, der sich nicht ſelbſt täuſcht und
keine Neigung hat, Andere zu täuſchen, darin: daß
der Nordbund mit innerer Nothwendigkeit ſich zum
preußiſchen Cinheitsſtaate umgestalten muß, ſoll die
blutige That von 1866 die erstrebten Früchte den
Hohenzollern tragen. Was aber in dieſem Falle aus der
betonten Selbsiſtändigkeit Badens werden müßte, brau-
cen wir unsern Lesern wohl nicht auseinanderzufeten.
Wer die Lage richtig überſchaut, erkennt deßhalb auch
vollſtändig, auf welch schiefer Ebene unsere Regierung ſich

bewegt. Sie iſt im Sturmlaufe, unſer Land dem Noc. Ñ

bunde zuzuführen, nur aufgehalten durch den „mächtigsten
deutſchen Staat“ ſ elbſt, der ſich „durch die allgemeinen
politiſchen Verhältnisse“ noch in der Durchführung ſeiner
Plane gestört fühlt. Und hierauf ~ es sei getlagt ~
beruht noch einzig die Hoffnung einer glücklichen Abwehr
der uns zugedachten Verpreußung; auf unserer Staats-
leitung beruht sie nicht.

Die in Karls ruhe vorzunehmende Abgeordneten-
wahl iſt auf den 7. September angeordnet. Santta
Regina wird der Stadt ihren Abgeordneten beſcheeren,
die bis heute noch immer vergeblich den „einen Mann"
ſuchi, der für sie die Schulfrage in die Hand zu

nehmen entschloſſen wäre. Und dieß troß Vater Macklot, I

der heute gegen unsern Ausespruch, die Nationalliberalen
hätten nun genug geplaudert und es ſei Zeit für sie, zu
ha ndel n, Verwahrung emlegt.

Graf Berlichingen ſoll die Wahl
Kammer nicht angenommen haben. – Die National-
Liberalen wollen die Wahlen von Of fenburg und
Etilingen-Raſtatt anfechten. Vielleicht gelangen sie
hiebei zu einer –} That. ~ Der Abgeordnete des Wahl-
bezirs Schopf heim- Kandern wünſcht noch vor Be-
ginn des Landtags mit den Wählern und Urwählern
des Bezirks über die öffentlichen Angelegenheiten des
Landes , sowie des Bezirks selbſt mündliche Rückſprache
zu nehmen und hat zu dieſem Zwecke Einladung an
„Jedermann“ ergehen laſſen, zu den an vier versſchiedes
nen Tagen nach verſchiedenen Orten berufenen Versamm-
lungen. – Herr Lichtenberger wird ſchwerlich große
Nachahmung finden, da gar mancher der gewählten Herren
in einer Urwählerverſammlung zu ſeinem Schrecken er-

zur erſten

kennen und erfahren müßte, auf welch ſchwachen Füßen |

das ihm übertragene Mandat einhergeht und in waelch
großem Widersſpruche er sich in seiner Geſinnung mit der
Gesinnung der Mehrheit der Urwähler befindet.

][" Vom Schwarzwald, 29. Aug. Es ſcheint,
daß der National-Liberalismus den Schwarzwald jetzt mit
Sturm einnehmen will. Kürzlich tagten die „Walds-
huter“ in Uehlingen und hinterließen dort ein Schmer-
zenskind, einen deutsſch-freiſinnigen Ortsverein und nächſten
Sonntag ſoll dieselbe Szene auf dem Berauer Berg
wieder aufgeführt werden. Für heute war Grafenhauſen
auserwählt. Still und heimlich verließen einige Bürger
(man spricht von 14 an der Zahl, darunter natürlich
der Gemeinderath), welchen wahrscheinlich die Lorbeeren
ihrer Uehlinger Nachbarn keine Ruhe mehr ließen, an den
Abgeordneten des Bezirks, Herrn P. Tritſcheller 1n Lenz-
kirch eine Einladung, hier für die große Sache zu ſprechen.
Und er kam und that so. Ultramontane und Demo-
kraten, letztere in zwei Fähnlein getheilt, die sonst „ach-
tungswerthen Alidemokraten und die Neudemokraten, deren
Hauptfehler es iſt, daß sie sich mit dem Gewaltakt von
1866 nicht versöhnen können, ließ er gnädig an ſich vor-
beimarſchiren. aber nur, um ſie mit „vernichtender Kritik“
niederzuſchmettern; auch Cölibat und ökumenisches Konzil
bekamen ihren Theil. Politische Seligkeit kann der Rede
ner nur im Nordbund finden; wer's nicht glaubt, ſoll
doch einmal dort eintreten. Viel Militär muß man
haben, weil's Frankreich auch hat, und Frankreich muß

~ wie verlaute ~ die preuß.ſche Regierung nicht beab- | gewirkt worden, die Grenzen der preußischen, beziehungs- | es haben, weil's Preußen hat. Deutsch-Oefterreich wird














 
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