Freitag, 9. Juli.
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Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Zie „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnah
me der Sonntage und Feſttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlog
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. Die Rede des Marſchall Bazaine.
** Ich kann mich des Bildes nicht mehr entſchla-
gen, das beim Durchlesen dieser Rede immer wieder in
mir aufstieg. Da ſitt der Tiger des französischen Mili-
tarismus zum Sprunge bereit! Alles bis auf den letzten
Knopf iſt fertig , es braucht nur Eines Winkes des ver-
hängnißvollen Mannes in den Tuilerien und der Tiger
mit einer Million Köpfen stürzt aus ſeinem Lager hervor auf
die Nachbarvölker, vorerſt und vor Allem auf Deutſch-
land. Das iſt der Inhalt der Rededes tapfern Marſchalls. Sie
iſt ein Aktenstüct der Barbarei , wie es kaum ähnliche in
allen Jahrhunderten gegeben hat. Sie iſt ein ſchauer-
liches Dentmal wie tief unser Jahrhundert unter dem
Szepter des Militarismus ſinken konnte. Die Völker sind
friedſam , lieben und achten ſich alle Tage mehr ; der
Zäſarismus und der Militarismus wollen Krieg, mit
Blut im Herzen, Blut in den Augen liegt er an der
Grenze des friedliebenden Nachbarvolkes und wartet auf
den Wink , seinen schauerlichen Beruf des Masſenmordes,
der Masſenzerſtörung erfüllen zu können. Der Militaris-
mus saugt im Frieden die Völker aus, zerſtört im
Frieden die Induſtrie, den Ackerbau, das Handwerk ; ver-
dirbt die Sitten, das Rechtsgefühl, die Menschenliebe, die
Achtung des Nächsten, die Freitheitsbeſtrebungen der Völker,
das Gleichheitsbewußtſein der Menschen. Aber das iſt
doch nur Nebensache. Er ſchasfft einen Sta at im
St aate, und zwar einen Kriegerſtaat in den
Friedensvölker n. Und dieſer Kriegerſtaat dies Kriegs-
volk in Mitten des Friedensvolts hat andere Bedürfniſſe,
andere Gefühlsweiſe, andere Lebensansichten, einen andern
Glauben , eine andere Chre, andere Ziele, andere Beſtre-
bungen, andere Hoſffnungen als das Friedensvolk, in deſſen
Mitte er eine furchtbar wuchernde , alle geſunden Früchte
der Volksbeſtrebungen vergiftende Schmarozerpflanze iſt.
Das Friedensvolt ſchafft , arbeitet , iſt unablässig thätig,
der Wohlstand den Nation zu vermehren , Recht, Ehre,
Geſittung zu wahren; das Kriegsvolkt zehrt am Marke |
der Nation, iſt stets bereit, den Nachbarn mit allen
Schrecken der Kriegsverwüſtung zu überfallen, und wäh-
rend es zu dieſem Geschäfte abgerichtet wird , verlernt es
mit ſchlichter Arbeit im Schweiße ſeines Angesichts das
tägliche Brod zu verdienen , lernt es die ſchlichten Bürger
die Arbeiter als eine untergeordnete Menſchenart verachten
und gelegentlich mißhandeln , verlernt es die ſchlichten
Sitten der Familie zu ehren. Dieser Soldatenſtaat im
Bürgerſtaat, das Kriegsvolt im Friedensvolke, diese Zehr-
maſchine, die die Nährkraſt des Landes ausſaugt, — das
iſt es, was wir in dem Militarismus unſerer Zeit be-
kämpfen. Wer dies Syſtem erfunden, war ein Feind
der Menſchen und der Menſchheit; wer es befördert,
unterſtützt, iſt der Mitſchuldige des Erfinders ; wer es be-
kämpst , verdient die Bürgertrone und ~ erhält dafür
nur zu oft die Krone des Märtyrerthums. Cin Paar
solcher Reden, wie die des tapfern Marschalls in Chalons
aber werden doch dazu beitragen, dem Friedensvolke zu zeigen,
was das Kriegsvolk in seiner Mitte zu bedeuten hal.
Eine unauslöschliche Schmach für jede Nation iſt es,
wenn solche Reden des Tigerthiers zum Sprunge bereit,
ihr ins offene Angesicht geſchleudert werden können.
Das Friedensvolk erhebe seine Stimme und zwinge
das Kriegsvolk zum Frieden zurückzukehren, durch ein b e-
waffn etes, waffengewohntes Bürgerthum, das |
den Kriegsſtaat, das Kriegsvolk in Mitten des Friedens-
volkes überflüſſig macht.
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 8. Juli.
* Das Organ der Be rlin er s egier ung meldet,
die Beurlaubung des Grafen Bismarck dürfte ſich jeden-
falls bis in den Spätherbſt und über den Beginn der
nächſten Landtagsseſsion hinaus erſtrecken. Cine weitere
Mittheilung, die dem „Fr. J.“ als Privatdepesſche zugeht,
erklärt, Graf Bismarck solle vor seiner Abreise ausgesprochen
haben, daß er, wenn der „Staat eine parlamentarische
Regierungsform annehmen ſollte (!!), für sich den Bol-
ſchafterpoſten in Paris erbitten werde. Neues und aus-
giebiges Material zur Näherung der Spaltung, zu der es
über den Urlaub Bismarcks unter den National-Liberalen
im Nordbunde gekommen, einer jener Spaltungen, sagt
die „Zukunft,“ in denen sich seit längerer Zeit die „in-
nerſte Cinigkeit“ dieser Partei vollzieht. Auf der einen
Seite bäumt ſich die Zweiseelentheorie noch einmal mächtig
auf und preiſt das Creigniß turzweg als eine ,„meiſter- |
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liche Unthätigkeit.! Der große Staatsmann ſehe die
Unmöglichkeit ein, mit den gegenwärtig ihm zur Ver-
fügung ſtehenden Kräften aus einer unhaltbar gewor-
denen Poſition herauszukommen, und außer Stande,
zur Zeit ſich mit friſchem Personal zu umgeben, wolle
r die weitere Entwickelung der Kriſis bis zum
Augenblicke, wo ein entſcheidendes Eingreifen mög-
lich werde, abwarten, ohne sich für Mittel und
Wege zu kompromittiren, die doch als unpraktikabel auf-
zugeben sein werden. f Das ist die Meinung der
„Weserztg.“ und die Parteiführer der neuen Provinzen
mögen damit im Allgemeinen übereinſimmen. ~ Anders
urtheilt man in den Reihen derer, die einſt im Konflikte
vor 1866 ihren Mann gestanden. Sie kennen den Grafen
aus jener Zeit und wiſſen, was er unter einer Verſtän-
digung mit der Volksvertretung verſteht. Sie im Gegen-
theile glauben, daß die preußiſchen Miniſter vielleicht zu
Konzeſſionen geneigt sein möchten , gegen welche der Pre-
mier sich starr ſträubt. Ja ſie gehen in ihrer Erkenntniß
sogar ſoweit hinter dem Grafen Bismarck ein noch ſtarre-
res Bollwerk gegen alle liberalen Anläufe zu erblicken,
das preußiſche Staats sy ſtem. Der ,Nat.sZtg. /
iſt diese Entdeckung gelungen , welche der großdeutſchen
Demokratie freilich eine längſt bekannte iſt und auf welche
ſie seit Jahren ihren Unglauben an die aus der Einheit
ſich gebärende Freiheit ſtütt.
Aus den Verhandlungen der Bundesl iiquid a-
tions «Kommission erfährt man wieder einBruchſstück.
In der Sitzung vom letzten Dienſtag haben ſich ſämmt-
liche Bevollmächtigte, nach Darlegung des Standpunktes
ihrer Regierungen über die Behandlung des vormaligen
Bundesfestungs - Cigenthums , gegen die T h eilu ng des
Materials in Natura oder durch Verkauf und Erlösrepar-
tition ausgesprochen , weil ſolches weder im Interesse der
süddeutschen Staaten, noch ohne große Opfer durch-
führbar wäre.
Offiziöne preußiſche Blätter verbreiteten vor wenigen
Tagen die Nachricht , Oesterreich habe für den Krieg
von 1866 das linte Rheinu fer an Frankreich ver-
kaufen wollen. Den Nationalliberalen auf der ganzen
Linie ſchwoll darüber der Kamm. Nun erklärt eine Zu-
ſchrift „Aus der Schweiz“ an die „Neue Fr. Pr.“ : herz:
lich dümmer hätten die preußiſchen Offiziöſen nicht ſein
können; denn es sei Bismarck gewesen, der zweimal
Unterhandlungen solcher Art gopflogen habe. Erstmals
im Winter 1861/62; das zweite Mal im Frühjahr 1862.
Im Mai 1862 bekam der betreffende Einsender „glaub-
hafte Nachricht darüber direkt aus Paris“, und theilte
derſelbe diese damals der „Neuen §rf. Z1g.! mit. Biss
marck habe bald nachher seinen Poſten als Muniſterpräſi-
dent angetreten. Schon im Winter 1862/1683 ſet es zu
Händel zwiſchen Preußen und Oesterreich gekommen,
hätten aber keinen Erfolg gehabt. Der November 18 8
habe den Tod des Königs von Dänemarct und für Bis-
marcé Das gebracht, was er habe haben wollen. Im
Oktober 1865 sei Bismarck nach Biarritz gereiſt. Noch
ehe er seine Reiſe angetreten, wies der betreffende Ein-
fender in der „N. Fr. Ztg.“ auf die Verhandlungen von
1862 zuräc, „die nunmehr in Biarrit ihren Abſchluß
finden sollten.“ Die preußiſchen offiziöſen Blätter über-
gingen den betreffenden Artikel mit Stillschweigen und
eine Frankfurter Zuschrift an die „Neue Fr. Presſe“ im
vorigen oder diesem Jahre , welche auf jene Artikel hin-
wies und Herrn v. Bismarck geradezu aufforderte, den-
ſelben zu widersprechen, wenn er tönne. Die Berliner
offiziößôe Preſſe antwortete damals eifrigſt auf jedes ein-
zelne Wort, das in Wiener Blättern gegen Preußen und
us gegen Bismarck ſtand, auf jene Aufforderung
— keine Sylbe.
Zu dem Feſtma h l, das Napoleon am Montag
Abend in St. Cloud gegeben, waren die Deputirten
Gambetta , Ferry , Bancel, Raspail, Esquiros, Rempon
u. A. nicht eingeladen worden. Auf oppoſitioneller Seite
wird deßhalb de n Deputirten von der Opposition ein
Vorwurf gemacht, welche der erhaltenen Einladung Jolge
gegeben haben. Es handelte ſich, nachdem einmal eine
Auswahl unter den Deputirten getroffen war, nicht mehr
um einen Att der Höflichkeit. Mit demſelben Augenblicke,
indem nicht alle Deputirten eingeladen wurden, hatte das
Festmahl eine politiſche Bedeutung erhalten; denn es
ſtellte, wie der „Gaulois“ ausführt, die eingeladenen De-
putirten der Opposition in eine unabgesonderte Kategorie.
Cs hat übrigens den Anschein, als ob das taiserliche
Diner auf das linke Zentrum bereits einen gewiſſen Einfluß
ausgeübt hätte, denn daſſelbe entwickelt augenblicklich weit
weniger Energie als vor einigen Tagen. Die äußerſte
Rechte findet ebenfalls ihren verloren gegangenen Muth
wieder; sie hat davon vorgestern ein Pröbchen gegeben,
indem sie den unglaublichen Verſuch machte, die Kammer
zu dem Beſchluſje fortzureißen, sich erſt dann für konſti~
tuirt zu erklären, bis anch die letzte angefochtene Wahl
gêprüft sein würde. Auf diese Weiſe hoffte die Reattion
die Diskuſſion der Interpellationen bis zum Schluß der
Wahlprüfungen zu verhindern, und dann würde vielleicht
ein plötzlich von Herrn Rouher hervorgegangenes ktaiser-
liches Dekret der Exiſtenz der außerordentlichen Seſſion
ein Ende gemacht haben.
Die kaiſerliche Regierung ſoll mit dem bezüglichen
Beschluſſe recht zufrieden ſein und ein vorgeſtern Abend
in St. Cloud abgehaltener Miniſterrath ſich ſchon mit
der Frage beſchäftigt haben, ob in der Interpellation des
linken Zentrums nicht eine Konstitutionswidrigkeit zu fins
den sein möchte, um ſ ie raſch beseitigen zu können.
Die „,Liberte" scheint dergleichen zu ahnen, indem sie
schreibt: Angesichts einer ſolchen Bewegung der öffent-
lichen Meinung, welche keinen andern Präzedenzfall dar-
bietet, als die wunderbare Bewegung von 1789, gibt es
für die Regierung nicht zwei Arten des Verfahrens. ~
Die Fluth steigt; alle Dämme würden unmächtig sein, ſie
zu halten. Man muß sich beeilen, dem Fluſſe, welcher
auszutreten und Alles zu überſchwemmen droht, ſein Beet
auszuhöhlen. Die Kriſis, die wir durchmachen, iſt ent-
scheidend. Cs iſt heute noch nicht zu ſpät; morgen viel-
leicht wird es zu spät sein. ~ Möchte die Interpellation
von 110 beſſer gehört werden, als es ehemals die Adresse
der 221 geworden iſt."
Der „Rappel “ berichtet: Folgendes sind die Namen
der Kanditaten, die. bis jezt in dem 1., §1,1 4.8.
Pariſer Wahlbezirk für die Nachwahlen entweder aufge-
stellt oder vorgeschlagen worden sind: Im 1. Bez.,
Rochefort, Laurier, Cantagrel; im 3. Bezirk, Emmanuel
Arago, Henri Briſſon, E. Laferrière; im 4. Bez., Cré-
mieux, Ch. Flocquet; im 8. Bez., Lavertujon, Glais-
Bizoin, Herold.“
Die Administration, theilt der „R a pp el“ mit, hat
ſich endlich entschlossen, die HH. Amourour, Ferré, Pichon,
Rigault, Gaillard und Guſtave Flourens nach Istägiger
Inhaftirung in Mazas wieder nach St. Pelagie zurück-
zubringen." „Rech 26tägiger Inhaftirung in Mazas,
unter der Anklage des Komplotts gegen die Sicherheit
des Staats, iſt Hr. Murat, Redner in den öffentlichen
Versammlungen, wieder in Freiheit geseßt worden. Bei
seinem Eintritt, wie bei seinem Austritt aus dem Ge-
fängniß, hat man ihn auf keine Weiſe von den Motiven
seiner Arretirung in Kenntniß geſezt, man hat sich bes
gnügt, seine Identität feſtzuſtellen."
Der Herzog von Madrid, Don Karlos, hat an die
Spanier ein Manifeſt erlaſſen. Daſſelbe iſt in Form
eines Briefes des Infanten an ſeinen jüngeren Bruder
Alphonso erſchienen und läuft sein Inhalt in dem Satze
zuſammen: „Jh kann vor dem spanischen Volke nicht
als Prätendent für die Krone auftreten; ich muß glauben
und glaube feſt, daf. die Krone Spaniens schon von der
heiligen Hand des Geseges auf mein Haupt geſsett iſt.
Mit diesem Rechte bin ich geboren , das zugleich eine
geheiligte Pflicht iſt ; doch wünſche ich, daß die Liebe
meines Volkes mir dieſes Recht bestätige. Meine Pflicht
ruft mich fernerhin, dieſem Volke alle meine Gedanken
und Kräfte zu widmen, für es zu ſterben oder es zu
retten." Es iſt anzunehmen, daß die Spanier keine Luſt
tragen , die Voraussegungen Don Karlos zn beſtätigen.
Nachdem aber die Septemberrevolution von den ſpaniſchen
Ng C lberalen perpfuſcht ift „ Und der jebige haltloſe
Zuſtand ſich verlängert. tönnte es leicht kommen, wie die
„Epoca“ fürchtet daß Don Karlos nicht wegen ~ jon-
dern trotz seines Manifeſtes und trotz der drohenden und
nebelhaften Verheißungen , die es enthält , der ſpanischen
Revolution noch manche Sorge bereiten werde.
Dem neuen Gesandten, Hrn. Katabagi, welchen R u ß-
land nach Nordamerika ſendet , iſt der Publiziſt Nieſiejew
beigegeben, der den Auftrag hat, in Waſhington und
anderen größeren Städten der Union Vorträge über die
Größe, Macht und den „Liberalismus“ Rußlands zu
halten. Am meiſten Erfolg bezüglich der Liberalität des
Koſackenreiches wird der „Publiziſt“ erzielen, wenn er den
Nordameritanern von einer der jüngſten Maßregeln zur
Pflege des ruſſiſchen Nationalgeiſtes Mittheilung macht.
Nachdem nämlich die Einführung der ruſſiſchen Lehr-
u