„ 253.
1869.
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Die „Mannheimer Äbendzeitung? wird
IAnzeigen-Gebühr : die
der deulſchen
zit Ausnahme der Sonntage und Fetttage täglich als Ab
einſpaltige PRetitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen
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bei der Expedition C 1 Rr.
Vollsparlei in Baden.
hſatt ausgegeben. © Der Abo
nnemenispreis vierteliährlich Ein Gulden, ohne Poſtaujſſchlag
15 in Mannheim und bei "allen Poſtanſtalten.
Badiſcher Landtag.
* Karlsruhe , 23. Ott. 6. öffentliche Sißung
der Erſten Ka mmer. Ö
Miniſt.-Präs. v. Du sch verlieſt als Stellvertreter |
| doch bald allein im Gebrauch ſein , die metrische Meile
des verhinderten Staatsministers Jolly eine landesherrliche
Entschließung , die den Hofrath und Professor von Wo-
ringen anſlatt des verſtorbenen Hofgerichtspräſiden-
len Reiner zum Mitglied der erſten Kammer ernennt.
Drrselbe ist bereits eingetroffen und wird in weißen Glace-
Handschuhen beeidigt.
Es folgen nun einige Mittheilungen aus der zweiten
Kammer , die Anzeige einer Petition eines pensſionirten
Nanzleidieners um Penſsionserhöh ing tc. Hierauf er-
ſtattet Herr Artaria den Kommissionsbericht über den
Geſetßentwurf bezüglich der Maß- uud Gewichtsordnung,
und sagt unter Anderem :
Die am 17. Auguſt 1868 erschienene Maß- und
Gewichtsordnung für den norddeutſchen Bund ſchließe sich
zwar dem französischen Syſtem an, entbehre aber dessen
Konsequenz. Beiden liege der Meter zu Grund. In
Frankreich werde bei Längemaßen die 10fache Vermeh-
rung durch griechiſche (Dekameter tc.), die Dezimalunter-
abtheilung dagegen durch lateiniſche (Dezimeter 2c.) Aus-
drücke bezeichne. Im norddeutſchen Bund ſeien neben
diesen noch deutsche Namen, wie Kette, Neuzoll, Strich
eingeführt. Bei den Flächenmaßen bilde statt des fran-
zöſiſchen Ar (1007] Meter) das Quadratmeter oder der
Quadratſtab die Einheit, und es bestehe hier nur eine
aufsteigende Reihe Ar (100) und Hektar (10000[] Meter.)
Bei den Körpermaßen finde ſich keine Durchführung
des Dezimalsyſtems, und es seien die Bezeichnungen
theilweiſe verändert worden. Das halbe Liter heiße
Schoppen , 50 Liter ein Scheffel, 100 Liter ein Faß,
oder auch Hektoliter. Durch dieſe Konkurrenz der Be-
_ zeichnungen werde der Klarheit eher geſchadet als genütt.
Daß die franzöſiſchen Ausdrücke der griechiſchen und latei-
niſchen Sprache entlehnt seien, ſchade dagegen nichts, wie
die tägliche! Erfahrung ſelbſt bei ganz Ungebildeten be-
weiſe, und zudem sei das Meterſyſtem ſchon in ſehr vielen
Ländern eingeführt, wie in Belgien, Frankreich, Griechen-
land, Italien, den Niederlanden, Rheinbayern, Rheinheſſen,
verſchiedenen Kantonen der Schweiz, in Spanien, und
ſogar England habe es durch Geſeß vom 18. Juni 1864
wenigstens fakultativ angenommen. Auch das nord-
deutsche Entfernungsmaß weiche von dem französiſchen
Syſteme ab, es sei die Meile nicht wie hier richtig zu
7500 Meter, sondern unrichtig zu nur 7419,5 Meter
angenommen und unnöthigerweisſe das Dezimalsyſtem ver-
laſſen, während es doch so einfach und viel konsequenter
geweſen wäre, bei den Bestimmungen des Längenmaßes
zu bleiben. Da in Belgien, Frankreich, Flalien und
Spanien alle Bahnlängen nach Kilometern bestimmt
würden, sei durch das norddeutſche Entfernungsmaß die
Uebereinſtimmung mit einem großen Theile Curopa'’s in
einem sehr wichtigen Punkt erſchwert. Durch alle
Mängel lasse sich die Kommission nicht abhalten, den
“Gt! dem hohen Hauſe zur Annahme zu em
pfehlen.
Bezüglich des Artikel 19 wird bei näherer Beſpre-
hung eine genauere Faſſung gewünſcht, um fleſtzuſeten,
daß die Stempelzeichen sämmtlicher Eichſtellen. von den
z“ Nummern abgesehen, übereinſtmmend zu
ein hätten.
Artikel 20 beſtimmt, daß die von einer norddeutſchen
Cichungsſtelle geeichten und vorschriftsmäßig gestempelten
Maße. Gewichte und Meßwerkzeuge auch in Baden öffent-
lich angewendet werden dürfen, während der Nordbund
nur die Maße re. ſeiner Bundesstaaten anerkennt.
Wenn die Regierung nun auch ganz richtig gehan-
delt und die Zulassung nicht an den Vorbehalt der Rezi-
prozität geknüpft habe , so wünſche die Kommission doch
eine Herſtellung der Gleichheit beider Theile. Sie ſieht
in der Uebeinkunft eine Förderung der Einigkeit und
einen weiteren Schritt zum hohen Ziele der Schaffung
eines großen deutschen Vaterlandes.
; Miniſt.-Präſ. v. D uſ ch dankt der Kommission für
ihre gründliche und raſchePrufung dieser Vorlage, die ſchon
mit 1. Januar 1871 ins Leben treten ſolle. Länger
habe man die Einführung nicht hinausſchieben können,
da schon am 1. Januar 1872 beinahe in ganz Europa
das metrische Syſtem eingeführt sein werde und Baden
Nachtheile hätte, wenn es dasselbe nicht auch ſchon hätte.
Die Herſtelung der Rormalmaße erfordere aber lange
©) Zeit. Die angeführten Abweichungen ſseien nicht bedeu- |
tend : auch in Frantreich seien die kleinen Maße veraltet.
Die arithmetiſche Unvollſtändigkeit der dekadiſchen Stufen
der norddeutschen Maßordnung hindere deren Einführung
nicht. Die lateinischen und griechiſchen Namen würden
würde zu verwerfen sein, wenn ſie nicht ſchon im Nord-
bund gälte. Reziprozität sſei aber nicht dringend.
Artaria glaubt, daß dieß doch bezüglich der Wein-
fäſser der Fall sei.
Blun tſchli: Wenn Baden auch der Annahme seiner
Maße gewiß sein müſſe, wolle es ſich nicht ſelbſt schlagen, so
fordere der politiſche Anstand doch, daß der Nordbund
auch unsere Maße vertragsmäßg anerkenne.
Graf von Berlichingen ſtellt die Anfrage, ob das
norddeutſche Geſeß unseren Wein als ausländiſchen be-
trachte. Für den Fall, das hierüber Zweifel exiſtirten,
meint Artaria, sollten Unterhandlungen mit dem Nord-
bunde gepflogen werden. ,
M.-Pr. v. Duſch : Es sei keine Veranlaſſung zum
Zweifel vorhanden , daß daß norddeutsche Gesetz unseren
Wein unter ausländischen, d. h. nicht zum Nordbunde
gehörigen zähle.
Nach Schluß der Diskuſſion wird der Regierungs-
vorſchlag einſtimmig angenommen.
Nunmehr folgt die Prüfung der Rechnungsnachwei-
sungen der Gr. Verkehrs - Anstalten. Berichter-
ſtatter Herr Dennig. Bei der Abtheilung Poſtwesen er-
greitt Geh. Rath Bluntſchli das Wort , lobt die Fort-
ſchritte der Briefpoſt, wünscht jedoch Entfernung der ver-
ſchiedenen und zahlreichen Pedanterien bei der Fahrpoſt
und insbesondere , daß den vielen blutjungen, dabei an-
gestellten Herren der Grundsatz des preußischen Oberpoſt-
direktors Nadler eingeſchärft werde, daß die Poſt im
Dienſte des Publikums ſtehe und nicht umgekehrt das
Publikum im Poſtdienſte. Oft aber ſchienen solche kaum
majorennen Leute zu glauben, sie hätten Gott weiß
welche Staatsgewalt in ihrer Schreibſtube zu üben, und
könnten die Leute zur Nachholung von Geringfügigkeiten
wieder nach Hauſe ſchicken, ſo oft ſie nur wollten.
Diese Erfahrung habe nicht nur er gemacht, ſondern
Jeder habe geklagt, mit dem ec noch hierüber geſprochen
habe, und nicht nur in Heidelberg kämen ſolche Dinge
vor, ſondern auch in Karlsruhe, Konſtanz und überall,
wohin man sich wende. Drei Punkte bedürften einer
Verbesserung :
Erstens sei das Publikum nicht hinreichend offiziell
unterrichte. Warum gebe man keine Inſtruktion ?
Zweitens gehörten kleine Mängel an Fahrpostſen-
dungen an Ort und Stelle korrigirt.
Drittens möge man die Vediensteten zeitweise an den
angeführten Grundsatz erinnern, daß die Poſt die Dienerin
des Publikums sei.
M.-Pr. v. Duſch theilt leßteren Grundſat und bittet
um Namhaztmachung solcher Bediensteten, die durch ihr
Benehmen Anstoß gegeben hätten.
Die strengen Verpackungsvorsſchriften bestünden ebenſo
gut im JIntereſſe des Publikums als in dem des verant-
wortlichen Prrſonals.
Schon vor 6 Monaten habe man mit der Abfassung
einer gemeinfaßlichen Darſtellung ſämmtlicher wiſſens-
werthen Vorschriften des Poſtwesſens für die Oeffentlichkeit
begonnen, habe diese Arbeit aber der Veroollſtändigung halber
noch zurückgehalten. Doch ſeien in allen Poſtbureaus die
nöthigen Tabellen aufgehängt. Gar oft könne das Fehler-
hafte auf dem Poſtbureau ſelbſt nicht verbeſſert werden,
z. B. bei mangelnden Siegeln u. dgl., da sei alſo das
Wegſchicken nicht zu umgehen. Die Bediensteten hätten
aber Weiſung und diese werde eingeſchärft werden, daß
Mögliches sogleich nachgeholt werde.
Graf Hel mſtett ſchließt ſich Bluntſchli an ; auch
er habe unter diesen Mißſtänden schon gelitten. Seine
Absicht sei aber, über die in der letten Zeit so oft vor-
gekommenen CEisſenbahnunglücksfälle zu sprechen. Erſt am
15. Oktober sei im Taubergrunde einſolcher vorgekommen,
während diesesSommers beimMörtelſtein habenur dieGeiſtes-
gegenwart eines Bahnwärters großes Unheil verhütet,
und in diesem Früjahr habe man zuerſt bei Heidelberg
das Leben eines Kondukteurs (Schaffners) geopfert , ehe
man daran gedacht habe, den betreffenden lebensgefährlichen
Laternenpoſten zu entfernen. Verſpätungen der Züge kommen
oft und beider Odenwaldbahn als Regel vor. In Heidelberg
habe man das Unglück bei Königshofen ohne Zweifel bald
erfahren und doch seien, als Nachts 11 Uhr die erſten
Verwundeten angekommen seien, gar keine Vorbereitungen
zu deren Empfang Seitens der Bahnbehörde getroffen
gewesen. Das Unglück ſelbſt aber ſei lediglich dem Um-
stande zuzuſchreiben, daß man den Fahrtenplan ſo ſpät
ausgegeben habe, daß es dem Personal unmöglich gewesen
sei, denſelben zu ſstudiren.
Jetzt hat die Direction eine Untersuchung gegen das
Personal eingeleitet, während diese gegen die Direktion
ſelbſt zu richten gewesen wäre. Vermuthlich aber liegt
das Uebel höher. Möge man es doch bei uns machen
wie anderwärts! Im Allgemeinen bleibe der alte Fahr-
tenplan und wo möglich werde noch ein zweites Geleiſe erbaut.
M.-Pr. v. Du s c< ſucht, die wie er ſagt, ab irato er-
hobenen Vorwürfe dadurch zu entkräften, daß er dem
Vorredner Unkenntniß der Verhältnisse zuſchreibt. Der-
ſelbe hätte ſich zuvor genauer einſtruiren ſollen, ehe er ſo ſchwere
Anklage erhob. Die Schuld des Unfalls bei Königshofen
(am 15. d. M.) treffe die Verwaltung nicht. Der Fahr-
plan sei bereits vom 183. publizirt gewesen. Die eigent-
liche Ursache sei noch unbekannt, weil man das ſchwer
verwundete Personal noch nicht habe vernehmen können.
Die Beschwerde wegen mangelnder Vorsorge in Heidel-
berg werde unterſucht werden.
Fahrpläne könnten nur im Vereine mit anderen Bahn-
verwaltungen und oft erſt 2 Tage vor Beginn des Cursſes
telegraphiſch feſtgeſtelt werden. Die Verspätungen auf der
Odenwaldbahn rührten von Würzburg her: man wolle
die betr. Personen und Güter nicht verlieren, doch werde
die Fahrzeit möglichſt ausgedehnt werden. Ein zweites
Geleiſe richte ſich aber immer nach der Frequenz , da es
große Koſten veranlaſſe. Doch werde die Odenwaldbahn
ein solches erhalten.
Graf Berl iching en bringt die unzulängliche Ent-
ſchädigung solcher zur Sprache, die im Staatsdiensſte oder
durch deſſen fehlerhaften Vollzug verunglückten. Wohl
habe man ihm ſchon gesagt : der Staat habe kein Herz.
Es sei aber eines Staates unwürdig, alles der Privat-
wohlthätigkeit zu überlasſen; es ſtehe ihm vielmehr die
Pflicht zu, solche Leute, gleichviel ob es mit Patent oder
ohne Patent angeſtellte oder Private seien, largement zu
entschädigen. ~
Herr Geh.-Rath Bl untſch li bestätigt dieß unter
Hinweiſung auf Frankreich und England.
Bezüglich der Beſchwerden des Herrn Grafen von
Helmstett erlaubt er ſich die Frage, wie die Eröffnung
geſchehen sei. Dieselbe habe mindeſtens eine Woche vor
Beginn des Curſes zu geſchehen, möglich ſei es ſogar,
den Plan 6 Monate vorher zu machen. Die vom Herrn
Miniſterial - Präſidenten vorgeschütten Unterhandlungen
seien Ausflüchte.
Hr. M.-Präs. v. D u s < ſucht auch hiergegen aufe _
zukommen.
Hr. Graf Berlichingen rügt nun zum guten
Schluſſe noch die mangelhafte Verbindung Mannheims
mit Frankfurt durch die schlechten Anſchlüſſe in Friedrichs-
feln. Möge ſsich der Herr Präſident einmal die Reiſe
ni.t gereuen laſſen, auf dem Friedrichsfelder Bahnhofe
kann er bei einigem Aufenthalte ein Lob hören, das ihm
nicht lieb sei, und alle Augenblicke die Erklärung der
Reisenden, daß sie gewiß auf dieſer Bahn nicht mehr
fahren werden.
Hr. Min.-Pr. v. D uſ < : Friedrichsfeld sei überhaupt
eine unglückliche Station.
Hr. Graf Berlichingen: Es könnte schon ges
holfen werden, wenn man nur wollte !
Die Nachweiſungen des Verkehrswesens werden ein-
müthig genehmigt, und der nunmehr abgefertigte Präsident
des Gr. Handelsminiſteriums verläßt den Saal. Nach
Erstattung des Berichtes über die Rechnungs-Nachweiſungen
des Gr. Juſtizminiſteriums durch Hr. Freiherrn
von Rüdt ſtellt
Hr. Graf Berlichingen eine Anfrage wegen Auf-
hebung von Amtsgerichten, insbesondere wegen Laden-
burg und Neckarbiſchofsheim.
Hr. Miniſt. - Präſ. Obkircher : Cin deßfallsiger
Vorschlag liege zur Zeit dem Gr. Staatsminiſterium vor.
(Ewas Sicheres laſſe ſich jedoch noch nicht ſagen. Leider
erheben ſich eben überall Schwierigkeiten, wo Erſparniſſe
beabsichtigt werden. Uebrigens seien durch die jetzigen
Verkehrsmittel die Amtsgerichte sich ſo nahe gerückt , daß
einzelne Aufhebungen leicht ſtattfinden könnten. Das be-
aÿſichtigte Eingehenlaſſen dieser Stellen habe wohl auch
zu den irrigen Gerüchten von der Transferirung des Ober-
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