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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 51 - No. 75 (2. März - 31. März)
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ai. 54.

Freitag, 5. März.

| 186 9





Manunheime

r Abendzeitung.

Organ der deutſchen Volkspartei in Baden.









Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der

Die „Mannheimer ttt. una 9
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr.

, bei Lokalanzeigen 2 kr.

Sonntage und Fefſttage – täglich als Abendblatt ausgegeben. Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.









Volksvertretung und Bolksabstimmung..|

D. C. Ganz Deutschland kennt den verhängnißvollen
Gegensatz zwiſchen der ehrlich friedfertigen Stimmung des
preußischen Vo l ke s vor Ausbruch des Bruderkrieges und
zwischen der illoyalen Liebäugelei, mit der sich die damalige
preußische Voltsvertret un g durch die vaterländisechen Ge-
fahren durchzulügen gewußt hat. Das eine Beispiel müßte
genügen, um in Dentſchland für alle Zeiten klarzuſtellen,
was der Unterschied beſc gen will, den wir in der Ueber-
ſchrift andeuten. Hätte man in Preußen das Volk ſelbſt
abſtummen laſſen können, wahrlich, die Politik, die den
Bruderkrieg machte, nicht weniger als die, welche den Bru-
derkricg todischwieg, wäre zu Boden gestimmt worden.

Is aber die Fortdauer eines Zuſlandes denkbar, wo
der Wille, der ausgesprochene Wille der Wähler so beliebig
eniſtellt, ja in sein gerades Gegentheil verkehrt werden kann,
ohne daß die Wähler Abhilfe üben können? ja ohne daß
ſie, nachdem sie in anderer Richlung, in anderem Sinne
ihr Verlrauensmandat ertheillen, die Möglichkeit und das
Recht eines wirkſamen Cinſpruehs laben?

Das iſt oſſcnbar so sinnlos wie heillos.

Man weiß, wie dieſe Art von Parlamentarismus ent-
ſlanden iſt. An kein beſlimmtes Mandat, an leine vor-
geſchrnecbene Abſtimmung, „Aufträge und Inſiruttionen",
gebunden zu sein, Das ist seit lange die Regel für Volks-
vertreter, von der Zeit her nämlich, wo ein dauerndcr und
regelmäßiger Verkchr zwiſchen Wählern und Genöähllen
nicht möglich war. Auch iſt richtig ſür alle Zeit, daß die
Einzelheiten der bei Gesetzesvorlagen, Budgetpoſsitionen u. dgl.
ſich ergebenden Abstimmungen nicht im Voraus bei den
Mahlen sich übersehen laſſen.. Endlich iſt es sachlich un-
abwendbar, daß bei Adreßfragen z. B. oder Resolutionen
u. dgl. eine große Freiheit für Faſſung und Formulirung
den Veriretern immer bleiben muß. Gegen die daraus
entſlehenden Bedenken schützt man ich in der Schweiz be-
kanntlich durch die Cinrichtung des Referendums, d. h.
durch den Vorbehalt der Abſtimmung durch das Volk ſelbſt.
Ruch sür uns muß Dies das Ziel sein; auch wir werden
die leßie gründliche Sicherheit in nichts Anderem finden.
Aber bis dahin, wo auch die kleinſten gesetgeberiſchen Fra-
gen ans Volk gehen, braucht man und darf man nicht
warten, die Kardinalfrage, die Criſtenzsrage schon hinfort
anders zu behandeln, als der bisherige Schlendrian des
allen Parlamentarismus mit sich brachte. Die Abgeſchmactt-
heit, ſich an die Einsicht oder den guten Willen eines ein-
zigen Menſchen auf Jahre hinaus rettungslos zu binden
mit Allem, was man iſt und hat, mit seiner und der
Seinigen unabſehbaren Zukunft –~ die Abgeſchmacttheit
pf aus fes Welt, ehe die Welt nur hofsſen darf, daß es
beſſer werde.

j Und wenn noch Einsicht oder guter Wille des Einzel-
nen der einzige Faktor wäre, mit dem man zu rechnen
hat ! Aber die Natur parlamentariſcher Körperſchaſten bringt
ein weiteres, gewichtiges Motiv für den von uns vertretenen
Gedanken. Der einzelne Abgeordnete fuhlt ſich gebunden

_ can den UWllen ſeiner Wähler, an die eigenen Verpflichtun-

gen, aber die Colerie, die Clique + da erhebt ſich ein
Novum; gottesfürchtig und dreiſt, als wenn's ſich von ſelbſt
verſtände, entſteht das Recht, „zu binden und zu löſen“,
und was vereinzelt zu thun gar Mancher ſich ſchwerlich
entſchlöſſe, das Konllave ſanktionirt es und macht es mög-
lich. Der Einzelne iſt verantwortlicher Vertreter, die Co-
terie iſt ſouveräner Herrſcher. Der Beiſpiele, denken wir,
ff braucht's nicht; der Erklärung und Entſchuldigung eben so
wenig; der Hergang iſt nur zu menschlich, und verurtheilen
wollen wir ja nicht die Individuen, ſondern die Inſtitution.

Bie aber abhelfen?t So lange das Gesetz nicht hilft,
ſo lange muß die Sitte helfen. Die fehlende Verfaſſungs-
Beſtimmung müſsen Partei und Wählerſchaft erſeßgen. Die
Kardinal- und Criſtenzfragen müſſen vorher formulirt und
bindend beantwortet sein; nicht der Zufall von ein paar
ſchwankenden Schwachen darf über die Zukunft von Mil-
lionen entscheiden, ſondern der einsſichtige, wohliberlegte
Wille der Partei ; kurz, was in dieſer Richtung an Bürg-
ſchaften möglich iſt, Das muß von den Wählerſchaften vor-
her in's Wert gerichtet sein, dami fortan Volksvertretung
und Volksabſtimmung sich auch wirklich decken.

Politiſche Ueberficht.
Mannheim, 4. März.

* Ueber den ſogenannien ſozialiſtiſchen A u f ſt a n d s-
verſu < in Barcelona wird von dort unterm 25.





ſeit einiger Zeit wußte man, daß ein gewisser Viralta

genannt el Chato (der Stumpfnasige), ein ehemaliger Offis

zier karliſtiſcher Banden, sich öffentlich zu extremen Ansich

gen und die Soldaten der Garnison, sowie die Truppen

Waffen zu bemächtigen, ſodann nach der Kathedrale z1

und die ſoziale Rchublik auszurufen. Indcß hatte mat

Gebäude und die Zugänge der Stadt unter Wache geſtellt
Freiwillige waren auch in verſchiedenen Häuſern oder au
Terraſſen poſtirt worden. Als die Ruhcſtörer so ihre Plän
entdeckt sau en, zerſireuten ſie ſich.
wurden verhaftet, etwa dreißig, welche sich in eine Ziegel
brennerei oder in eine Seilerwerkſtätte in der neuen äußerer
Stadt geflüchtet hatten, wurden verfolgt und, die Waffer
in der Hand, ergriffen. Heute früh iſt Viralta verhaftc
und nach dem Hotel des Gouverneurs abgeführt worden

ihren eniſchloſſenen Beiſtand zusichern.
ſuchung hat begonnen.“
handelnde Theil desselben iſt allzu reichlich mit:

und: „Man. glaubt“ und:
man ihm unbedingten Glauben ſchenken könnte.

„Es ſoll'

zu bringen.

ſchen“ geblieben, und Europa hat dabei nichts verloren

Den Frieden dauernd zu bewahren, vermögen keine Zu-
ſammenlünfte von Vertretern der K a bi n e t t e : Das kann

nur eine Konföderation der Na tio n en.



keiten erschöpft.



Deutſchland.

Karlsruhe, 4. März. Amtliches: Der Hauptmann
A. v. Froben vom Feld-Artillerie-Regiment wurde als Vor-
ſland der Munitions-Anſtalten zur Zeughaus-Direktion



tommandirt;, der Kriegsrath K. Obermüller unter Verlei-

Jebruar dem Pariſer „Siecle" Folgendes geschrieben: „Schon

ten bekannte. Man glaubt, daß es unter seiner Leitung
geſchah, wenn Unruhestifter die Freiwilligen, welche ſich
ſür Kuba anwerben ließen, von ihrem Vorhaben abzubrin-

welche hier eintrafen, um dorthin eingeſchifft zu werden, zu
verführen suchten. Wie es ſcheint, war man übereingekom-
men, daß in der gestrigen Nag,t die Aufrührer aus der
Provirz sich mit denen der Stadt vereinigen und daß
dann die Bewegung ausbrechen sollte. Der Plan der
Häupter des Komplots soll gewesen sein, die ſlädtiſchen
Freiwilligen in ihren Kasernen zu überfallen und ſich ihrer

zichen, um die Sturmglocke zu läuten, Barrikaden in ver-
ſchietenen Stadttheilen zu errichten, ſich der Kaſſen der
Vank zu bemächtigen und ſechshundert der reichſten Hauſer
der Stadt, deren Liſte man bei den VerſcG worenen gefun-
den haben soll, in Kontribution zu ſeßen, endlich tas
Ayuntamiento, die Provinzialdeputation und alle Behördcn
abzuſ. ßen, Männer der Partei an ihre Stelle zu ernennen

ohne Geräuſch an maßgebender Stelle Vorſichtéemaßregeln
getroffen. Die Truppen und die Freiwilligen waren kon-
ſignirt, die Posten verſtärkt, die Kathedrale, die öfsentlichen

Mehrere von ihnen

Inmitten dieser Ereigniſſe war die Haltung der Bevölke-
rung eine im höchſten Grade beruhigende. Die Bürger
begaben sich in Maſſe zu der Behörde, um ihr ihren Bei-
ſtand anzubieten. Die Führer der republikaniſchen Klubs
hatten ihren Mitgliedern ausdrücklich jeden Abend einge-
ſchärft, sich nicht durch böswillige Aufreizungen fortreißen
zu laſſen. Heute haben sie ſämmtlich energiſche Proteſtatio-
nen veröffentlicht, in welchen ſie der Sache der Ordnung
Die Gefangenen
wurden nach dem Fort Monjuich gebracht und die Unter-
Thatſächliches Neues enthält die-
ser Bericht nur wenig, und der von den Komplottgedanken

„Es scheint“ gespickt, als daß

Dem gesetzgebenden Körper in Frantreich ſind
Nachträge zu dem Altenstücke über den türkisch-zgriechiſchen
Konflikt vorgelegt worden. Das Einzige, was sie an In-
tereſſantem bieten, iſt die Bestätigung der Nachricht, daß in
der leßten Sizung der Konferenz der Gedanke angeregt
wurde, alle fernerhin zwiſchen europäiſchen Staaten auf-
tauchenden Differenzen vor einem Kongreß zum Austrag
Die Vaterſchaft des Vorſchlags gehört dem
Herrn v. Lavalette und dem öſterreichiſchen Botſchafter ge-
meinſam an; und die übrigen Konferenzmitglieder haben
ſsämmtlich dem Wunſche beigeſimmt. Es iſt beim „Wün-

Mit der Mittheilung, daß in O est e r r e i ch das De-
fizit für 1869 auf den im Vergleich mit seinen Vorgän-
gern verſchwindend kleinen Betrag von 24/5 Millionen an-
geschlagen, dort demnach vielleicht einmal ein anlehensloses
Jahr zu erwarten iſt, und daß von Pre uß en aus (durch
die miniſterielle „Provinzial-Korreſhondenz“) die „Erwägung
mannigfacher Anknüpfungen zur Verbindung mit den deut-
ſchen Südstaaten“ dem bevorſtehenden Reichstage des Nord-
bundes als eine seiner Aufgaben angekündigt wird, iſt der
ganze Vorrath der heute vorliegenden politiſchen Tagesneuig-

hung des Charakters als Geheimer Kriegsrath in Ruhe-
ſtand verſett; der Ober-Auditeur H. Villinger zum Kriegs-
rath und Mitglied des Kriegsminisſteriums ; der Diviſions-
Auditeur H. Rütlinger unter Verleihung des Charakters
als Ober-Auditeur und unter Belaſſung in seiner derma-
ligen Diensiſt.llung, zugleich zum stimmführenden Mitglied
des General-Auditoriats; der Obertelegraphiſt J. Stieffel
bei dem Kontrolbüreau der Direktion der Verkehrsanſtalten
zum Ciſeubahn-Expeditor in Weinheim ernannt.
* Mannheim, 4. März. Die ziemlich umfang-
reiche Tagesordnung der geſtrigen Wochen-Verſammlung
des kaufm änn iſchen Vereines brachte nach den
üblichen geschäftlichen Verhandlungen in Betreſf Aufnahme
angemeldeter neuer Mitglicder und nach Verleſung des leh-
ten Protokolles zuerſt den Bericht der Rechnungsreviſions-
Kommission, welcher in kurzen Worten bcsagte, daß die
Rechnungen und Buchfuhrung des Vereins in Ordnung
besunden wurden. Die Verſammlung ertheilte daraufhin
dem bisherigen Kaſſier und Vorſtande Décharge. In
zweiter Reihe erstattete über die in einer der letzten Ver-
ſammlungen angercgte Frage des Muſterſchut es die
dazu ernannte Konmisſſion ihren Bericht. Derſelbe führte
aus, wie die bezüglichen Verhältniſſe in den Ländern mit,
und in jenen o h n e Muſterſchutz- Gesche liegen, entwickelte
die Gründe sür und wider und folgerte daraus die An-
ſict der Kommrssion, daß der Nuten des Muſterſchußes
nicht ſo wesentlich sei, um die Nachtheile aufzuheben, welche
der freien Konkurrenz und der Allgemeinheit durch derar-
tige Geseße erwachſen, zumal die Handhabung dieser Geſehe
eine sehr schwierige und unvolltommene sein müſſe. Die
Versammlung stimmte dieſer Ansicht zu. Cine im Frage-
kaſten befindliche Frage, ob der Bezogene eines Wechſels
berechtigt iſt, die Identität der Perſon des letzten Wechſel-
Inhabers sesſtzuſtellee, und ob er im Unterlaſsungsfalle zu
nochmaliger Zahlung verpflichtet iſt, wenn er an einen
unrechtmäßigen Besitzer Zahlung geleiſtet habe, gab zu viel-
sachen Diskussionen Anlaß, da die A. D. Wechsſeloronung
diesen Fall nicht speziell behandelt. Cinige Beispiele,
die angeſsührt wurden, gaben zu der Vermuthung Anlaß,
die Gerichte könnten solche Fälle je nach den Umſtänden
und nach den betreffenden speziellen Gesetzen nicht gleich-
mäßig entſcheiden, im Ganzen einigte man ſich dahin, daß
die Sache ziemlich ſselbſtverſtändlich und deßhalb in der A.
D. Wechselordnung nicht speziell behandelt sei und daß man
in jedem Falle aus der Diskuſſion den Nuten ziehen
müſsſſe, vorsichtig zu sein. – Die darauf folgende Wahl
des Vorortes für den Verband fiel auf Dres-
den, das ſchon seit einigen Jahren die Verbands-
angelegenheiten zu allgemeiner Zufriedenheit besorgte
und ſich den Dank ſsämmtlicher zum Verbande gehörigen
Vereine erworben hat. Von den sonstigen Mittheilungen
des Vorsitzenden wollen wir hier (zu vorläufiger allgemeiner
Kenntniß) hervorheben, daß es dem Vorſtande gelungen iſt,
außer den schon früher angekündigten Vorlesungen des
Herrn Dr. Creizenach (nächſten Samſtag) und des Herrn
Profeſſor Baumblatt aus Kaiserslautern auch noch Herrn
Profeſſor Dr. Goldſchmidt von Heidelberg zu einer Vor-
leſung über A uf hebung der. S < uldhaft fur die
erſte Hälfte des nächsten Monates zu gewinnen, welche Vor-
träge gewiß ihre Zugkraft nicht verfehlen werden.

c Heidelberg, 2. Müärz.*) Die Agitationfür ge-

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mi chte Schulen. Die erſte öffentliche Verſammlung in
der Angelegenheit der gemiſchten Schulen iſt am vergan-
genen Samstag, auf Einladung des Ausschuſſes des
Bürgera ben ds, in der Harmonie abgehalten worden.
Unter den höchst zahlreichen Theilnehmern befanden ſich An-
gehörige aller politischen Partcien und aller Konfessionen:
Ultramontangeſinnte fehlten. Profeſſor Mundt eröffſnete
die Verſammlung mit einem Vortrage, in welchem er her-
vorhob, daß nur die gemiſchte, gemeinſchaftliche
Schule fürderhnn in Baden die No rmalschule ſein
könne. Wenn die Kammer bei dem neuen Schulgeſeße
nicht sofort die Gemeindeschule angenommen habe, ſo ſei
Dieß deßhalb geschehen , weil die Gesetzgebung keiner Re-
ligionsgenossenschaft habe Zwang anthun, vielmehr jeder die
Freiheit belaſſen wollen, ans sich heraus durch Abstimmung
zu erklären, ob ſie die gemiſchte Schule einführen, oder die



*) Unſere Nummer 52 hat bereits einen Bericht über die
Heidelberger Versammlung von 27. Februar gebracht; die ſo ſehr
hervorragende Bedeutung der in der Verſammlung erörterten Frage
rechtfertigt aber nicht nur, ſondern macht es uns zur gerne erfülltes
Pflicht, durch obige ausſührlichere Mittheilung unſere erſte zu vervoll-
ständigen.








 
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