Organ der deulſchen Volkspartei in Vaden.
. Samlſtag, 10. Juli.
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1869
Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage – tä
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glich als Abendblait ausgegeben. Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Pottauſſchlag
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JL.a M emaoecratie.
A Zu Genf hat ſich bekanntlich im Jahre 1867 eink
internationale Demotratie gebildet, die offen und laut
gegen den bestehenden Zuſtand von Europa konſpirirt.
Alle ihre Hebel sezt ſie namentlich gegen das abſcheu-
liche, ruinirende und tödtliche Militärſyſtem an, wel-
ches die einzelnen Staaten und den Erdtheil zu Grunde
schützt und deſſen Beseitigung der nächſte große Triumph
der Humanität und Ziviliſation ſein wird.
Cines der Blätter, die jenem demokratiſchen Konzil
ihre Entſtehung verdanken, iſt das französſiſche Wochen-
blatt La Dêmocratie, deſſen Herausgeber Herr Chaſſin,
ein unermüdlicher Bekämpfer des Militarismus, sich auf
diesem Gebiete schon manche Lorbeeren erobert hat.
In der neueſten Nummer der Dêmocratie lesen wir
über denſelben G-egenſtand Folgendes : „„Man frug jüngst
Herrn v. Bismark, warum er sich me, weder im Parla-
ment noch sonst, anders als in Uniform zeige." Die
Antwort hat in Berlin Sensation gemachl.
„Dieses Kostüm, hat er geſagt, erlaubt es mir, Sr.
Majeſtät bei Revuen, Trupp eninspekt tionen und
ſonſtigen militäriſchen Schauſ pielen mit Leich-
tigkeit zu nahen, und beſonders in ſolchen Augen-
blicken kann ich auf die gute Laune des Königs
rechnen und Jicher ſein, daßimeine Gesuche günſtig
auf g eno mmen werden.“. j
Das verdient allerdings nicht blos in Berlin Sen-
ſation zu erregen, und wer Ohren hat zu hören, der he-
greiſt auf Cinen Schlag die ganze Lage Deutſchlands und
die traurigen Aussichten dieses armen Landes.
La Démocratie aber nimmt die Sache heiter und
fügt hinzu: „Wir ersuchen Herrn v. Bismarck einen dieſer
Augenblicke zu benußen und ſeinen König.um die
Aufhebung der ſtehenden Armeen 1mzu erſuchen.
Wenn es ihm gelingt, so werden wir dieselbe Supplik
am Tage einer Rede im Lager zu Chalons überreichen.“ -
Sodann wird unſer franzöſiſcher Kollege ernster und
fährt fort: „Um unserer Bitte Kraft zu verleihen, würden
wir ins Gedächtniß zurückrufen, was uns die letzten 17
Jahre zeitgenössischer Kriege gekoſtet haben. Die bezahlte
Rechnung für dieſes letzte Kapitel der Geschichte des. „Fort-
ſchritts" undder „Zivilisation“ beträgt 5,400,000,00 OFran-
ken in Geld und 1,800,000 todten Menſchen.
Ginge man aber weiter in der Geschichte zurück, so
könnten wir uns auf die beſcheidenen folgenden Zahlen
ſtüßen. Wir haben täglich ungesähr eine Million
immerwährender Renten (Schuldzinſen) zu be-
tun Auf den Militarismus fällt davon folgender
Antheil : .
_ Erstes Empire. gJahresrenten in der Restauration,
um die kaiſerlichen Schulden zu zahlen 129,530,835 Fr.
Zweites Empire. Krimkrieg :
71,709,880 Fr. JItalieniſcher Krieg :
25,773,370 Fc. Mexiko 14,249, 389Frx.
Rüstungen und Anleihe von 1868 full
16,000,000 Fr. Zuſammen . . 127,732,089 Fr.
Jährlich] und ewig z u' be-
zahlende Renten auf Konto L
bes Militarismus. . . . . 297,302,031 f:
Das heißt täglich 715,000 Fr. Zinſen, natürlich
vom Budget gänzlich abgesehen! uu
Das iſt eine höchſt erbauliche Rechnung, beſonders
wenn man weiß, daß all dieses Geld und all die ver-
lornen Menſchen ledilieh Sa voyen und Nizza einge-
bracht haben, daß also diese beiden Lappen ein tägliches
Kapital von 14,300 000 Franken und ein definitives
Kapital von über 5 Milliarden repräſentiren!
Wir wollen der Dêmocratie zum Danke eine andere
erbauliche Geschichte erzählen, in welcher keine einzige Zahl
vorkommt. Wenn sie Gefallen daran findet, so laſſe sie
dieſelbe im Lager von Chalons verbreiten.
î Der alte Fritz hielt einmal zu Potsdam eine ſeiner
geliebten Heerſchauen ab. Während er ganz vergnügt in
ſich hinein ſchmunzelte über die vollendete Mechanik seiner
„Kerls, " auch wohl , Racter“ genannt, lächelte ein Zu-
ſchauer aus dem Stamme Juda ſichtbar zu dem ganzen
Spettakel. Der König ritt auf ihn zu und rief : „Was
ghjaſt Du zu lachen?“ Der Jude zog die Achseln in die
| Hohe. „Sag inir, was Du' gedacht haſt, ich befehle;
! geſchehen ſoll Dir nichts, auf mein königliches Wort.“
mnir ſo gedacht wenn die da nicht mehr wollten! . .
Politische Uebersicht.
' : Mannheim. 9. Juli.
* Aus dem Norden Deutſchlands heute die einzige
Nachricht von einiger Bedeutung , daß die 1861 für die
preußiſche Armee erlaſſeee Manöver- Ordnung
neuerdings eine Reviſion und Ueberarbeitung erfahren
hat, welche bei den diesjährigen HerbſteUebungen ſehon
eine Anwendung finden wird. Es haben dem Vernehmen
nach darin alle durch die jett allgemeine Bewaffnung der
europäischen Armeen mit Hinterladungswaffen für die
Verwendnng der Truppen bedingten Veränderungen eine
Aufnahme gefunden, und ſoll namentlich auch auf ein
geeignetes Zuſammenwirken der drei Hauptwaffen für die
durch den erwähnten Umstand veränderte Kriegführung
Rückſicht genommen worden ſein.
Ungleich wichtiger iſt eine Mittheilung aus Wien,
welche über das Verhalten O eſterr eich s zu der belgiſchen
Frage Aufschluß gieht. Preußiſche Soldfedern hatten einem
Hamburger Blatte die angebliche Analyſe einer dieſes
Thema behandelnden Beuſt'sſchen Note gebracht, aus der
hervorging, daß der öſterreichiſche Reichskanzler dem bel-
giſchen Kabinet nicht nur die innigſte Anlehnung an
Frankreich, sondern sogar die Entlaſſung seiner den Arg-
wohn des Nachbarn möglicherweiſe erregenden Armee an-
empfohlen habe. Der „N. Fr. . Pr.“.,. wird jeßt der
Wortlaut dieser Stelle in der vom 1. Mai datirten De-
peſche mitgetheilt, aus welchem hervorgeht, daß eine ge-
ſchictte, aber um ſo frechere Fälſchung in der Hamburger
Analyſe obgewaltet hat. Graf Beuſt hat wiederholt die
Aufrechthallung der belgiſchen Neutralität betont und
dieſe Sätze ſind von dem preußiſchen Schnapphan einfach
eskamotirt worden. Wir machen > ſo bemerkte hierzu
die „Zukunft“ ~~ das iſt wahr, in den napoleonischen
Staatskünſten so erschreckend raſche Fortſchritte, daß wir
vi lleicht noch eher, als der Meiſter, an deren Ende an-
kommen.
Die „N. Fr. Presse“ ſselbſt aber ſagt, der Wortlaut
der betreffenden Stekle der Depeſche klingt ganz anders
als die Analyſe des „Hamb. Korreſp.“ welche in tenden-
ziöſer Weiſe ganze Sähe ausläßt und durch Heraus-
greifung einzelner Phraſen und Gedanken die Depesche
beinahe das Gegentheil deſſen ſagen läßt, was darin ſteht.
(Es hat ſich auch herausgeſtellt, daß die im „Hamburger
Korreſpondent“ erschienene Analyſe ein Erzeugniß des
Berliner Preß bureaus iſt, welches ein natürliches
Intereſſe hat, die durchaus beſchwichtigende Tendenz der
öſterreichiſchen Depesche in dem Maße zu verdächtigen,
als man ,preußiſcherſeits die belgiſche Frage gerne für
minder friedfertige Landkartenzwecke verwendet hätte.“
Das politiſche Intereſſe nehmen hauptſächlich die Vor-
gänge im franz ö ſiſchen geſeßgebenden Körper in An-
ſpruch. Die gestrige Sitzung der Kammer hat erſt ſpät
ihren Aufang genommen, so daß bis zur Stunde nur
telegraphiſche Berichte über dieſelbe vorliegen. (s. u.) Aus
der Aeußerung des Ministers Rouher kann gefolgert
werden, daß Diejenigen Recht behalten hätten, welche
ſchon geſtern behaupteten, das „persönliche Regiment“ sei
zur Nachgiebigkeit entſchloſſen. Doch ist noch immer nichts
l entſchieden und die Abneigung, das Syſtem zu verändern,
dem Frankreich 18jähriges Schweigen, den Krieg mit
Mexiko und die jetzige Verwirrung verdankt, scheint bei
dem Zäsar noch immer die bessere Regung zurückzudrängen.
Der „Gaulois" dürfte deßhalb nur zum Guten rathen,
wenn er aussſpricht: Mögen daher das linke Zentrum
und die Tierspartei sich beeilen, die Linke in ihren Forde-
rungen bezüglich der Konstituirung der Kammer zu unter-
stützen. Wenn Dieß geschehen iſt, lönnen die Interpella-
tionen sogleich niedergelegt werden und es wird dann
von keinem Miniſter mehr abhängen, die große Debatte
zu verhindern, zu der es im Angesſichte des Landes
tommen muß. Um kein Detail zu vernachlässigen , will
das genannte Blatt nicht vergeſſen zu erwähnen: daß die
französiſch -belgiſche Kommission, deren Arbeiten man
als beendigt dargestellt hatte, ihr le tes Wort noch
nicht geſprochen hat. Die belgiſchen Kommissäre
haben sich geweigert, das Schlußprototoll zu unterzeichnen
und wollen erſt an ihre Regierung berichten und diese
soll Veränderungen in dem Schlußprotoll verlangen.
Ö Noch jahrelangem Streit hat die gegenwärtige Re-
gierungder Nie de rl an de die Abschaffung der To de s-
Ah, Sire, sagte der beruhigte Mann, ich habe ſtr af e beſchloſſene, Ein dahin zielender Gesetßentwurf iſt
' ! Ut ru . | Berathung kommen. Das Haager realtionäre „Dagblad“"
' | iſt hierüber so entrüſtet, daß es ausruft: ,Die radikalen
vorbereitet und wird in der nächſten Kammersſeſſion zur
und revolutionären Parteien verlangen immer nach Ab-
ſchaffung der Todesstrafe, weil sie aus Instinkt mehr
Sympathie für Mörder und Brandſtifter hegen , als für
Schlachtopfer der Miſſethaten.. –~ Sdchlachtopfer ~
dieſes eine Wort erklärt das ganze Gefühl der Reaktion
in den Niederlanden und leider auch noch anderwärts.
Der Papſt hat die Eltern jener chriſtlichen Kinder,
welche das konfessionsloſe fsranzöſiſche Institut in Kon-
ſtantin o p el besuchen, mit der Exkommunikation bedroht.
Es iſt für die Pforte kein Geheimniß geblieben, daß der
Papſt zu dieſer Maßregel durch den Direktor eines unter
der Leitung der Jeſuiten stehenden Lyceums in Konſtanz-
tinopel bewogen wurde, welch leßterem die Concurrenz des
viel beſſer organisſirten franzöſiſchen Institutes unanges
nehm wird. Der türkiſche Botschafter in Wien nahm
Anlaß, diesen Gegenstand dem dortigen Nuntius Migr.
Falcinelli gegenüber zur Sprache zu bringen und verz
hehlte nicht, daß der Sultan in jener Drohung der Curie
einen unberechtigten Eingriff in den Grundſatz der Frei-
heit der Kulte erblice, an welchem die Pforte feſthalte.
Bisher hat es der Papſt nur bei der Drohung mit dem
Kirchenbanne bewenden lassen; ſollte er jedoch Miene
machen, der Drohung die Ausführung folgen zu laſſen,
ſo wird der Sultan unzweifelhaft mit. der Ausweiſung
der Jeſuiten antworten.
Die ruſsi ſche Regierung veröffentlicht jezt den Ukas,
welcher die Umwandlung der Warſchauer Hochſchule in
eine ruſſiſsche Universſität befiehlt. Ferner iſt der Ukas
erschienen, welcher die Umwandlung einer Anzahl Städte
in Polen in „Dörfer“ anordnet. Selbſtredend ſtellt der
Ukas dieſe Umwandlung als eine. wohlthätig wirtende
Reform dar. Die 452 Städte , welche betroffen ſind,
würden sich jedoch für die ihnen zugedachte Wohlthat bes
danken ~– wenn sie.es vermöchten; für eine Wohlthat, die
offenbar keinen andern Zweck hat, als das Königreich zu
der Stellung herabzudrücken. welche das ruſſiſche Reich
einnimmt, wo die Städte viele Meilen weit von einander
liegen, dazwischen elende Dörfer mit ſchmutigen, ſtroh-
bedectten Hütten. Voraussichtlich werden viele der bes-
drohten Städte es ſich viel koſten laſſen, die Maßregel
von sich abzuwenden, da es den Regierungsktommissären
überlaſſen iſt, einen Theil der 452 Städte — nach Er-
meſſjen + als solche beſtehen zu lassen.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 1. Juli. Amtliches. Oberz
reviſoer Braunwald bei dem Ministerium des Innerm
wurde unter Ernennung zum Oberrechnungsrath, zu dem
Verwaltungshof verſezt; Oberreviſor Goll bei dem gleichen
Minislerium und Rechnungsrath Hahn bei dem Verwal-
tungshof zu Oberrechnungsräthen ernannt und Rebiſor
Reiß bei dem Verwaltungshof zu dem Miniſterium des
Innern versett. j
* us Baden, 9%. Juli. Die Wahlreform-
Liga hat ihr Programm für die bevorstehenden Land-
tagswahlen veröffentlicht. Sie hält es für geboten, bei
der Wahl der Wahlmänner und Abgeordneten nur ſolche
Männer zu unterſtüiten, weiche mit ihr für das allge-
meine und direkte Wahlrecht eintreten, die Vereinigung
der deutschen Stämme im Bundesſtaate mit parlamene.
tariſcher Verfaſſung erstreben; die Verminderung der
Militär- und Steuerlaſt wollen ; ebenſo die Reform der
Gemeindeordnung, vollständige Trennung der Kirche vom
Staate und der Schule von der Kirche; Aufhebung des
Sicherheitsgeseßes von 1851 und Verweiſung der Preß-
prozeſſe an die Schwurgerichte. ~ Die Bis märcker
haben noch kein Wahlprogramm aufgestellt. Vielleicht
stellen ſie auch keines auf und dieß iſt leicht begreiflich.
Sie verfolgen ja nur einen Hauptzweck : die Verpreußung
von ganz Deutſchland, das Uebrige, was über dieſe Ein-
heit unter der Herrſchaft des Zäſariemus hinausgeht,
kümmert sie nicht; wird auf ſpäter verwiejen. Dagegen
suchen sie ihre Wühlereien auch dadurch fruchtbar zu
machen, daß ſie die Wahltreiſe, in denen ihnen nicht ges
nehme 'Abgeordnete gewählt ſind, aufstacheln, den Abge-
ordneten das Mandat zu kündigen und an Stelle Terz
selben Bismärcker zu wählen. So in Wertheim, wo der
Abg. Feder gewählt iſt, der von der Verpreußung des
Landes nichts wiſſen will und der Reformarbeit im Innern
entschieden das Wort redet. Ganz daſſelbe Manöver,
iwie dasjenige, das mans. Z. gegen den Abg. Moll gerichtet
und wodurch man demselben offenbar verleidet hat, ferner
im Abgeordnetenhauſe zu Karleruhe einen Plat einzu-
nehmen. Freilich, solche Männer sind den Bismärckeren
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