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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 153 - No. 179 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0633

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Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.









Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – De
AUnzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition 0 1 Nr.

r Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.















Die Nordamerikaner und der eiſerne
Graf.

H. Der eiserne Graf mit den ſeidenen Nerven hat sich
einmal wieder einen Yankee bestellt, der das Verſtändniß
ſeiner „Niagarafall“tiefen Politik durch zwei Welttheile
austuten soll. Wenn's in Curopa gar nicht mehr geht,
wenn sogar die Nationalliberalen ängstlich die Taſche zu-
halten, weil „vor Taſchendieben gewarnt" worden iſt; ſo
erscheint irgend ein queckſilberiges Genie von drüben, wel-
ches im Nu die ungeheuren Pläne des norddeutſchen Bun-
deskanzlers überſchaut.

Diesmal ist es ein Mitarbeiter des „New-York-Herald,"
der ins Allerheiligſte zugelaſſen wurte und den Webstuhl
der Zeit in nächſter Nähe brummen hörte. Aber welche
Dinge offenbarte ihm auch der eiserne Graf! Es ist der
Mühe werth sie aufzuzählen, um ganz die Größe des
Mannes zu würdigen, welchen Deutſchland besitt.

Zuerſe Die Reichstagsabgeordneten ver-
ſte hen nichts. Ganz die alte Geschichte von 1862 66;
der preußiſche Landtag verstand immer nichts und wollte
doch Alles wiſſen. Er wollte regieren, wie jetzt der Reichs-
tag; die Rechte der Krone beeinträchtigen, wie jetzt der
Reichstag die Prärogative des Bundespräsidenten. Ganz
wie sonſt, damals wollte der Junker Bismarck mit der
Reitpeitſche regieren –~ und hat regiert; heuer ſoll's mit
dem és geſchehen – und es wird geschehen,
wie früher.

Zweitens. Im Herbst vielleicht Auflöſung.
Sind wir da ſchon angekommen ? Bekanntlich wurde das
Land Preußen vor dem Sündenfall von Wahl zu Wahl
gejagt, ohne daß die Neugewählten jemals etwas ent-
ſchieden hätten. Als. auch die Wähler bocksbeinig blieben,
gab dir edle Junker Wählern wie Gewählten Naſsenstüber
z! fit absolutistisch. Iſt der Nordbund da ſchon
ingelangt ?

Dritten. Abdanken möcht’ ich, ..aber der
Nönig leidet's nicht. Es gibt wirklich nichts Neues
unter der preußischen Sonne. Mißtrauensvoten galten
dort niemals den Ministern, sie zielten immer dirett auf
den König, der „doch das Recht haben müsse, seine Räthe
zu wählen.“ Der Landtag war daher nicht im Stande
andere Minister wegzubringen als ~ liberale, und diese
ließ der König laufen, nachdem sie „ihre Schuldigkeit ge-
than hatten.“

Vierten. Unter den Waffen müßſen wir
bleiben, denn wir sind nicht ſicher vor Frank-
reich und vor Oeſterreich. Frankreich hat man ge-
narrt und Oebſterreich gedemüthigt. Kein Menſch will
uns wohl, wir stehen im Banne Europas. Rußland
könnten wir zum Verbündeten haben, aber das wäre zu
arg. Mit Frankreich und Italien haben wir gebuhlt und
komplottirt, das iſt noch unvergeſſen, aber den Mostowiter
herbeizuholen, das haben wir aufgegeben. So viel
Nationales stect am Ende noch in den Nationalliberalen.

Beiläufig geſagt, macht da der eiſerne Graf den
Nationalliberalena ein unverdientes Komp.iment. Für
“! solchen lezten Reſt von Scham liegen durchaus keine

eweiſe vor.

Fünftens. Der Nordde utſche Bund iſt nur
ein anderer Name ſsür Preußen; die fünf Mil-
lionen Nichtpre uß en zählen gar nicht. Das wußte
Jedermann vom Augenblick an, das lag auf der Hand
und im Cinmaleins; aber die Herren ſpielten luſtig „Bun-
desſtaat, “ und die andern Herren bei uns wollten ſchlech-
terdings in den „Bundesſtaat“ hinein. Jetzt hören sie's
alle aus kompetentem Munde: JIhr seid nichts, Ihr be-
deutet nichts, macht Euch doch nicht breit!

Das iſt die neueſte Staatsweisheit des entwicklungs-
fähigen Grafen, der beständig behauptet, er sei „nicht
immer derſelbe gewesen;“ von dem Andere behaupten, er
ſei im Grunde sehr liberal, faſt revolutionär, und wenn
man ihm erſt die Kürasſsieruniform ausziehe, so werde ein
lebendiger Waſhington herauskommen. Wir aber be-
haupten, er ist ewig derſelbe, der nämliche Gewaltmenſch
und Abſolutiſt, dem es auch auf eine liberale Phrase
nicht ankommt, ſo wenig wie dem Bösen auf eine gute
Handlung, wenn's nur zum Zwecke, zur Verpreußung
Deuthſchlands führt.

Was haben denn die Nordamerikaner, Yankees und
Deutſche, an diesem Grafen nur für einen Narren gefressen,
weßhalb ſind ſie immer zu ſeinen Propheten auserkoren ?
was hat das für Unſachen?

Verſchiedene. Einmal ist's weit von Transozeanien





nach Boruſsien; dorthin kommt der eiſerne Graf ja doch
nicht. Er iſt für die Nordamerikaner ein Schauſpiel,
gerade wie Bonaparte es war, bis er sich nach Mexiko
verſtieze. Sodann hat der Nordamerikaner eine Anti-
pathie gegen das Wort: „Süden.“ Im Süden ſaſſen
seine Sklavenhalter, aus dem Süden kam die Rebellion.
Wer ihnen irgend einen „Süden“ zu Paaren treibt, der
iſt ihr Mann.

Ferner haben die deutſchen Duodezfürſten seit den
dreißiger Jahren ſo viele Eingewanderte, deren Söhne
und Entel gepeinigt, ſo viele Millionen über's Meer ge-
trieben, daß die Betroffenen mit Vergnügen die Geißel
küſſen, welche ein moderner Atilla schwingt, daß alles
depoſſediren für sie nur die „Heimsuchung des Herrn“
bedeutet.

Endlich gefällt ihnen drüben der Prozeß der Arron-

dirung; sie ſelbſt heften gierige Blicke auf Kanada und
die Hudſonsbay, auf Mexiko und die Antillen und die

Landenge von Darien. Sternenbanner oder Kuckuck, das

unterscheiden sie in der Ferne nicht, wenn's nur Alles
Eins wird!

Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 5. Juli.

* (Cin Volk geht dem andern in der politiſchen Ent-
wicklung voraus , wie ein Menſch dem andern in der
moraliſchen. So feierte geſtern das Volk in Nordamerika
den Gedenktag der Unabhängigkeitserklärung, den Gedenk-
tag an die Begründung des Freiſta ates der Verei-
nigten Staaten. Hier hüben in der alten Welt
liegen die Völker noch mit den alten, ſie beherrſchenden
Gewalten im Kampfe. Aber auch die Völker Curopa's
erſtarken in der Liebe zur Freiheit und Menſchlichkeit ; in
dem Widersſtande gegen die volksfeindlichen Bestrebungen
der Gewalt. Die wachſende Erkenntniß gemeinſchaftlicher
Intereſſen leitet ihre Schritte; dieſelbe wird auch sie dahin
führen, wo in den Vereinigten Staaten von Europa
der „Hader unter den Nationen“ erliſcht, aus welchem
zur Zeit noch Unterdrückung und Bevormundung ihre
Pfeifen ſchneiden. ;

Der Bundesrath des Zollvereins wurde am Freitag,



derjenige des Nordbundes am Samstag vertagt.
Der Bundesrath des Nordbundes hat noch bestimmt, be-
treffend des Branntweinsteuer-Kredits einen solchen von
6 Monaten zu gewähren. Ein gleiches iſt vom Zoll-
bundesrathe bezüglich der Rübenſsteuer geſchehen. Außer-
dem beschloß der Bundesrath des Nordbundes, die Re-
gierungen aufzufordern, sich über den vom Reichstag be-
ſchloſſenen Geſeßentwurf (Antrag Schulze) über die privat-
rechtliche Stellung der Vereine zu äußern , um hienach
darauf zurückzukommen. Die Bundesräthe haben Ferien
und Graf Bismarck in dem ſich thatſächlich Preußen und
der Nordbund ſummirt, ging nach Varzin, um ſeine
Nerven zu stärken. Er verſuchte zugleich einen Theil der
ihm aufgebürdeten Laſt, den Vorſit im Staatsministerium
oder beſſer den Kampf mit der in derSteuerbewilligung wider-
spenstig gewordenen Volsvertretung, abzuwälzen. Und die
„Neue Fr. Presſſe“ hat vielleicht nicht unrecht, wenn sie sagt:
... „und das iſt das erste Zeichen von Ermattung,
aber auch das erſte Symptom wirklicher Zersetzung. Noch
steht, wie in Frankreich das Kaiserreich, ſo der nord-
deutſche Bund auf zwei Augen, aber um die Dauerbar-
keit politiſcher Schöpfungen, die keine anderen Fundamente
haben, von keinen anderen Bürgſchaften umgeben ſind,
als denen der Schwungkraft einer vereinzelten gewaltſamen
Individualität, ist es ſchlimm beſtell. Was eine Reihe
von seltenen Glücksfällen geschaffen, kann ein unglücklicher
Augenblick zerſtören. Hochmuth kommt vor dem Jalle
~ desſen sollte der Graf Blismarck in der Zurückgezogen-
heit von Varzin gedenken und sich erinnern, daß die Ge-
schichte reich iſt. an Beiſpielen von emporgektommenen
Staaten, welche elendiglich wieder zu Grunde gingen,
weil ihre Gründer an nichts geglaubt, als an ihr Glück
und an die Macht der Bajonette.“

Der Wormſer Proteſtanten- Kundgebun g hat
sich der Ausschuß des „deutſchen Protestantenvereins" als
solcher angeschloſſen und . das Bureau des Letztteren ein
Flugblatt über die Wormſer Versammlung ausgegeben,
welches überallhin verbreitet werden und Zuſtimmungs-
adreſſen hervorrufen ſoll. In Peſt ſoll dieser Tage eine
Proteſtanten-Konferenz, behufs gemeinſamen Anschlusses
der ungariſchen und öſterreichiſchen Proteſtanten an den
Wormser Proteſt gegen das römiſche Konzil , abge-
Halten werden. Die letzte päpſtliche Allotution war ganz



geeigenſchaftet, die Stimmung gegen das Papſtthum in
Osterreich und Ungarn zu versſchärfen, wie dieß Cllenär
zeigt, indem er schreibt : „Daß der Papſt auch Oesterreich
und Ungarn in den Kreis ſeiner Klagerufe gezogen, das
dient uns zu aufrichtiger Freude, denn wir fangen nun
an zu glauben, daß wir uns allmälig aus den Umar-
mungen des Vatikans befreien. Aber der Ton, in wel-
chem er von der Unterdrückung der Kirche ſpricht, iſt
völlig unberechtigt. Die Rechte der katholiſchen Kirche
wurden nicht beeinträchtigt, weder bei uns, noch in Oster-
reich. Iſt es nicht geradezu lächerlich, die öſterreichiſchen
und ungariſchen Regierungen anzuklagen, daß ſie die
Kirche „quälen!“ Die Allotution hat nur in Einen
Punkte Recht, wo sie nämlich von den Leiden der ruſsi=z
schen katholischen Priester spricht. Aber es iſt außeror-
dentlich bezeichnend, daß der Papſt kein einziges ver-
dammenswerthes Wort über die ruſſiſche Regierungß.ge- ;

rochen.“ . hz
h Was das Konzil ſelbſt betrifft, ſo werden nach dem
Telegramm aus Rom bereits die Vorbereitungen in An-
griff genommen, welche ſich auf das Sitzungslokal be-
ziehen. Auch werden jetzt die Gegenſtände bezeichnet,
welche auf dem Konzile zur Verhandlung kommen. Es
sind 6 Kapitel:. 1) Bewahrung des depositum tidei;
2) Disziplin und Erziehung des Klerus; 3) Heiligkeit
und Würde der Che; 4) Unterricht und Erziehung der
Jugend; 5) Förderung der Religion, Frömmigkeit und
Chrbarkeit der Sitten bei den Völkern ; 6) Vertheidigung
der Gerechtigkeit und Förderung der Ordnung und des
Gedeihens der bürgerlichen Gesellſchaft. Die darüber auf-
zustellenden Kanones zerfallen in folgende Abtheilungen:
1) Pantheismus, Naturalismus, absoluter Rationalismus;
2) gemäßigter Rationalismus; Indifferentismus, Latitudi-
narismus; Sozialismus, Kommunismus , geheime Gesell-
ſchaften, Bibelvereine , kleriko-liberale Geſellſchaften ; 5)
Irrthümer über die Kirche und ihre Rechte; 6) JIrrthümer
über die bürgerliche Geſellſchaft, an und für sich und in
ihren Beziehungen zur Kirche betrachtet; 7) Irrthümer
über natürliche und chriſtliche Ethik; 8) Irrthümer über
die christliche Ehe; 9) Irrthümer über den Prizipat des
römiſchen Biſchofs; 10) Irrthümer über den modernen
Liberalismus; im Ganzen 88 Sähe. Wie übrigens
Korreſpondenzen aus Rom berichten, fange der Papſt an,
über den Erfolg des Konzils besorgt zu werden. Große
Hoffnungen setße man nur auf Preußen, von dem man an-
nehme, daß es in Absicht, ſich bei den Katholiken in
Süddeutschland beliebt zu machen, dem päpſtlichen Stuhle
zu Dienſten sein werde, wenn die katholiſchen Fürſten ihm
den Rücken wenden . . . und soll Monſignor Pacca,
Majoromo, beſtimmt jein , nach Berlin zu reiſen, mit
einer speziellen Miſſion an den König von Preußen. In-
zwischen wird gemeldet, in den Bädern von Montecatini
finde gegenwärtig ein Di plomaten-Kongreß ſſtatt,
der ſich, wie man allgemein annimmt , auf das Konzil
bezieht. Es heißt : Menabrea, Kübeck, der bayeriſche Ge-
ſandie Paumgarten und der ruſſiſche Gesandte Kiſsſeleff,
hätten ſich dorthin begeben , wo der Kabinets-Ches Na-
poleons, Conti, ſie bereits erwartete.

General Niel – so scheint es ~ hat die Organisi-
rung der franzö si ſch en Armee vollendet und nun iſt er
noch bemüht, ihr möglichſt viele Wege zu bahnen. So
wurde von der betreffenden Militärkommiſsion das Ver-
langen gestellt; daß die Militärzüge von Paris nach Metz
nur mit einer Zwischenzeit von fünf Viertelſtunden auf-
einander folgen können. Der Direktor der Oſtbahn er-
widerte , daß bei Einstellung der gewöhnlichen Personen-
züge jene Militärzüge noch rascher aufeinander folgen
tönnten . . . wenn die Bahnhöfe von Metz und Straß-
burg noch mehrere Schieneugeleiſe erhielten, um die gleich-
zeitige Ausladung von drei oder vier Militärzügen zu ge-
ſtatten. Nun meldet der Punkt-Korreſpondent der „A.
A. Z." es bestätige ſich, daß die Bahnhöfe von Met und
Straßburg „ohne Verzug und auf Kosten des Kriegs-
ministeriums dahin erweitert“ würden, daß in jedem die
Einrichtung getroffen sei, je vier von Paris ankommende
Militärzüge gleichzeitig aufnehmen zu können Nun mögen
Sachverſtändige als „neueſtes Friedenszeichen“ heraus-
rechnen, wie viele Tauſen:e Mann binnen vierundzwanzig
Stunden aus dem Innern Frantreichs an den Rhein ge-
worfen werden können.

Deutſchland.
* Mannheim, 4. Juli. Der Entwurf der b a-







d i ſ ch en Regierung zu einer Fiſcherei- Ordnung














 
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