Samſtag, 10. April.
18369.
Mannheim
Organ der deulſchen V
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird — mit Ausnahme der Sonnt
; Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
age und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. Der
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr.
er Abendzeil
olksparlei in Baden.
Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Die Frage der Neutralität!
| Täuſchen uns nicht unsre Privatnachrichten aus
Frankreich ~ und wir haben allen Grund, sie für zuver-
läſſig zu halten ~ so zieht ſich Louis Bonaparte zu
einem Sprunge zuſammen. Früher als je zuvor iſt das
Lager von Chalons bezogen, daſsſelbe Lager, in welchem
vorigen Sommer die Zuaven ihre Standarten mit der
Inschrift: Route directe à Berlin aufgerichtet hatten,
und wo der Kaiser, trunken von onkelhaften Crinnerun-
gen, beinahe das entscheidende Wort aussprach. :
Der ganze Süden Frankreichs wird von Truppen ent-
blößt, Lyon-Paris befördert in gewöhnlichen und Ertra-
zügen Militär über Militär. Die regelmäßigen Garni-
ſonswechsel ſind für dieses Jahr ſsistirt. Alle Reserven
sind seit dem 31. März wieder bei ihren Fahnen, ſelbſt
diejenigen Mannschaften inbegriffen, welche auf ein Haar
ausgedient hätten. Den Offizieren iſt dagegen von den
Corbskommandanten ein I4tägiger Urlaub angeboten wor-
den, eine bekannte Ausdrucksweise für: ,, Mach deine
Rechnung mit dem Himmel, Vogt!“
Endlich sind jeder Ciſenbahn-Verwaltung 4 Kommis-
U;; Suhseſhtre. uv lug retri, tutezte!
Bahnen vorläufig vom Kriegsminiſterium mit Beschlag
belegt und zur ſchleunigen Fortsſchaffung von Soldaten,
Gewehren, Munition rc. bestimmt sind.
Zu allerlett ist es in Baden kein Geheimniß, daß ſeit
vorigen Herbſt Straßburg und die Dörfer des Clſaßes
von Soldaten vollgestopft sind und daß dieſe Stopfung
noch immer fortdauert. Von Weissenburg bis Hüningen
iſt ein Feldlager aufgeschlagen.
Daß die Panzerflotte in Cherbourg armirt werde, hat
man zwar ofsiziös in Abrede gestellt; wer aber nach dem
Vorſtehenden dem Dementi glaubt, könnte leicht mehr als
eiten Thaler zahlen. Die franzöſiſche Preſſe iſt aufs
Strengſte angewiesen, nichts über Truppenbewegungen oder
militärische Vorgänge zu äußern.
Aus Allem dem iſt es wohl erlaubt, denſelben Schluß
zu ziehen, den der republikaniſche „Phare de la Loire“
zu Nantes aus der Eiſenbahn-Kommission zog : „Man
beabsichtigt in kürzeſter Friſt einen Krieg, und man
will diesen Krieg raſch führen." Wir machen nur noch
die einzige Klauſel : Man beabsichtigt jedenfalls, in kürze-
ſter Friſt zum Kriege bereit zu sein und diesen Krieg
jeden Augenblick and ro hen zu können. Sonſt ſind wir
einig mit dem „Phare de la Loire“.
Wo der Grund zu diesem Kriege liegt ? Kinder, ſeit
1866 sind die Kriegsgründe in Guropa so wohlfeil wie
die Brombeeren; man braucht nur mit der Gabel in den
Topf zu fahren, sicherlich bringt ſie einen wohlkonditio-
nirten Grund heraus. Glaubt Einer, die Aufhebung
der Allianzverträge sei für nichts und wieder nichts dis-
kutirt, ja an maßgebender Stelle auch nur berührt wor-
den? Man gäbe sie heute auf, wenn Mainz nicht
eriſtirte. Aber Mainz steht auch nicht im Prager Frieden,
Mainz figurirt im Friedensvertrag mit Hesſen-Darmſtadt!
Wir kommen alſo zu der feſten Ueberzeugung, daß
wenigstens eine Kriegsdrohung vor der Thüre steht und
daß diese Drohung bei dem allenthalben verstreuten Kali-
pikrat ſchr leicht zum wirklichen Kriege explodiren kann.
Was wird dann mit Süddeutſchland, was insbesondere
mit unſerem langhin blosgesſtellten Baden? Der Norden
vermag uns nicht zu schützen, er hat es ſelbſt geſagt, und
diesmal dürfen wir ihm glauben. Treten die Bündniß-
verträge in Kraft, so haben wir im Nu eine französiſche
Armee auf dem Halse. Dieſe Armee hat ihre Operations-
baſis von Raſtatt bis Ulm, stützt ſich mithin auf die
beiden verlornen deutſchen Bundesfeſtungen ; ihr Ob-
jettiv am Main, Frankfurt, Naſſau, Heſſen; ihr Vergnü-
gen an Kriegskontributionen, die ſie uns lächelnd aus-
preſſen würde : Was, den norddeutschen „Brüdern“ zahl-
tet Ihr willig 6, 8, 30 Millionen, und mir, dem ,Reichs-
feinde“, wollt Ihr das Doppelte und Dreifache verweigern ?
So ſeid doch geſcheidt ! Wir annektiren Euch nicht ein-
mal, denn der Karlsruher Offiziöne im Schwäbischen
Merkur weiß ganz genau, daß Franktreich kein rechts-
rheiniſches Gebiet begehrt. Und was das links-
rheiniſche betrift, so macht Euch das ja seit der Un-
terredung Bismarcts mit Herrn v. Schachten nicht das
mindeſte Kopfzerbrechen! .
_ Angesichts dieser Lage iſt es nicht unbegreifz
lich, auf den Schluß zu gerathen: Nenutrali-
tät! Mögen die Verträge beſtehen oder nicht,
ihr höchſter Zweck kann doch nur die Integrität des
deutſchen Gebietes ſein. Selbst Preußen, das Wun-
der meinte, welche Stärkung es durch dieſelben gewonnen,
kann sich der Einsicht nicht verſchließen, daß die Anwen-
dung der Allianz auf den gegebenen Fall seine eigene
Schw äch ung bedeutet, weil sie ihm den Feind auch
vom Süden her nahebringt. Preußen ſelbſt muß ganz
zufrieden sein, daß es nach Westen zu die Offensive und
nach Norden zu die Defensive behält; es kann unmög-
lich die Verwirklichung des alten Liedes wünſchen : „Feinde
ringsum!Ü
So ändern ſich die Zeiten. Vor drei Jahren forderten
die Anhänger Großpreußens die Neutralität des Südens.
Heute wird dieſelbe Forderung auf Seiten der Gegner
Großpreußens laut, mit dem Mahnruf : Das Gegentheil wäre
der Ruin Süddeutſchlands und Badens insbesondere!
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 9. April.
* Nicht die im Verfaſſungsentwurf für Spanien
aufgestellte monarchiſche Regierungsform allein iſt es ge-
wesen, gegen was die republikanische Opposition in der
Kortesſitung vom 6. ſich erhob. Daß der Entwurf von
Abschaffung der Sklaverei, von Trennung der Kirche vom
Staate, von Unabsetbarkeit der Richter nichts enthalte,
wurde ebenso ſcharf angegriffen. Die Unabsetbarkeit der
Richter sei in Spanien ein unmöglich Ding, erklärte dar-
auf der Juſtizminiſter, und die Frage wegen Aufhebung
der Sklaverei werde nach dem Cintreffen der überseeischen
Deputirten erörtert werden, verhieß ein Mitglied des Ver-
faſſungsausschuſſes. Auf die Frage wegen Trennung der
Kirche vom Staate scheint, nach den bisher vorliegenden
Berichten, kein Redner der Mehrheit eingegangen zu ſein.
Ueber die Sitzung vom 7. meldet eine telegraphiſche De-
peſche: „Der Republikaner Caſtelar betlagt, daß der
Entwurf dem Monarchen so große Vorrechte gebe; er-
tlärt, daß überhaupt nur die Einführung der Republik
den Volkswünschen genügen könne, und tadelt die Pro-
greſſiſten, daß ſie ſich für die Wahl des Don Ferdinand
entschieden hätten, ehe sie über eine Annahme von deſſen
Seite versichert geweſen. Dem Redner antwortet kurz der
Ministerpräſident Seranno, welcher jede Aufrichtung des
alten Regimentes nach isabellistischer oder karliſtischer Rich-
tung für unmöglich erklärt." Die definitive Ablehnung
von Seiten des Don Ferdinand war damals in Madrid
bereits offiziell angetündigt ; die bourboniſtiſchen Kandi-
daten erklärt Seranno wiederholt für unmöglich : bleibt
noch der orleaniſtiſche, der Herzog von Montpensier. Nach
Pariſer Mittheilungen wendet dieser, der reichſte Mann
Spaniens, allen Einfluß seines Vermögens auf, um die
Wahl auf ſich zu ziehen.
Dem Parlamente Englands iſt von der Regierung
ein Geseßentwurf über Aufhebung der Schuldhast vorge-
legt worden. Der Entwurf ſtellt viele Ausnahmen von
der Regel auf; insbesondere soll in Fällen, wo eine Geld-
strafe oder eine auf ſummariſchem Wege eintreibbare Geld-
ſumme nicht bezahlt wird, die Haft auch künftighin ein-
treten können. Für den Tag der dritten Leſung der Bill
wegen Abschaffung der irischen Staatskirche iſt von einem
Mitglied des Unterhauſes ein Antrag auf Ausdehnung
dieſer Maßregel auf die Staatstirche in England und
Schottland angekündigt.
Dem aus den öſtlichen Kantonen der Schweiz laut
gewordenen Verlangen, daß die Bundesregierung der von
Italien, dem Norddeutschen Bunde und Baden angenom-
menen Gotthardsbahn keine finanzielle Subvention aus
eidgenöſſischen Mitteln zuwende, ſchließt ſich auch der
„Bund“ als einem völlig gerechtfertigten an. Das in
der Bundesstadt erſcheinende und in die Ansichten der
dortigen maßgebenden Kreise ſtets gut eingeweihte Blatt
hält es auch für eine bereits entschiedene Sache, daß die
Bundesregierung auch in diesem Falle von dem System
des Privateiſenbahnbaues nicht abgehen, für keine derar-
tigen Unternehmungen Bundesmittel gewähren und keinen
anderen Alpenübergang zu Gunſten des Gotthardspasses
ausschließen werde. Während dieß ſchweizeriſche Blatt
demnach die Erbauung auch noch anderer Bahnen über
die Alpen für nicht unmöglich hält, spricht es zugleich die
Ansicht aus, daß die offizielle Parteinahme Italiens, des
Nordbundes und Badens für die Gotthardsbahn die Ver-
wirklichung dieses Projektes noch immer nicht ſicher ver-
bürge. Zu diesem Aussſpruch veranlaßt den Berner „Bund
ein Blick auf die Höhe der Baukoſten, deren Geſammtbe-
trag auf 162 Millionen veranſchlagt ist. Die für den
nothwendig werdenden großen Tunnel erforderlichen 90
Millionen sollen durch nicht rückzahlbare Subventionen,
der Reſt von 72 Millionen durch Aktienausgabe beſchafst
werden. „Wie man ſsieht, schließt der „Bund“, haben
die finanziellen Schwierigkeiten, welche das Gotthardspro-
jektt zu überwinden hat, immer noch ganz gewaltige Di-
mensſionen, und es wäre vermesſen, das Unternehmen jett
schon als definitiv gesichert zu bezeichnen."
An der Spitze ihrer neueſten Rummer bringt die
„Kölnische Zeitung“ eine wohl formulirte Anklageschrift
gegen das Miniſterium in Württemberg. Herr v.
Varnbüler, in seiner Heimath als nicht deutſch genug
befunden, iſt ihr nicht preußiſch genug. Die Weigerung
Württembergs gegen eine formelle Betheiligung von Be-
vollmächtigten des Norddeutſchen Bundes an der ſüddeut-
schen Feſtungskommission; die angebliche Parteinahme der
württembergiſchen Regierung für die Wahl Becher's ins
Zollparlament und die Ernennung des Profeſſors Köhler
in Tübingen zum Universſitätsrekttor, während doch der
dortige Senat den „nationalen“ Prof. Römer in erſter
Linie zu dieſer Stelle vorgeſchlagen hatte: auf dieſe drei
Punkte stützt das rheiniſche Blatt .seine Anklage. Und
damit dem Ernſt die Komik nicht fehle, fügt es die weitere
Anschuldigung bei, nur Varnbüler's Machinationen sei es
zuzuschreiben, daß der künftige Thronfolger Württembergs,
der ſich dermalen zu seiner militärischen Ausbildung in
Berlin befindet, nicht ſeinen „persönlichen Neigungen“ zu
einem förmlichen Eintritt in die preußiſche Armee habe
folgen dürfen. Der eigentlichen Anklage ſchickt die Köln.
Ztg. eine kurze Einleitung voraus, aus welcher ersichtlich,
daß die bei der lettten Adreßdebatte in der württember-
gischen Kammer gehaltene Rede Varnbülers gegen den
Südbund ihr allzu „ſehr gemäßigt“ gewesen iſt, als daß
ſie ihm für seine frühere „maßloſe“ Auslassung gegen den. m M
Nordbund Absolution ertheilen könne. Den Vorwurf, der
in der Gegenüberſtellung dieſer beiden miniſteriellen Er=-
klärungen liegt, mag man dem iwürttembergiſchen Miniſter
wohl gönnen: ist derſelbe doch nur eine Verdammung
jener unseligen Halbheit, jenes unentsſchloſſenen Schwan-
tens, welche in der unbeſständigen Politik Varnbüler's,
wie in der seines fürſtlichen Amtsgenoſſen in Bayern, das
einzige Beständige ſind. hh.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 9. April. Amtliches. Der Ma-
thematik. und Turnlehrer Alfred Maul am Realgym-
naſiuum zu Basel wurde zum Direktor der Turnlehrer-
Bildungs-Anſtalt ernannt.
[] Mannheim, 8. April. Unsere badiſchen Zu-
ſtän de erregen mehr und mehr Aufsehen, ſelbſt im „Aus-
lande". Es iſt nicht mehr bloß die „Frankfurter Zei-
tung“, die unseren Offiziösen ſchon seit 1866 ein Dorn
im Auge und ein Pfahl im Fleiſche war; auch im hohen
Norden beschäftigt ſich die „Zukunft“ lebhaft mit uns,
im allerausgeſchiedenſten Oſten beginnt die „N. Fr. Preſſe“
schweres Geſchüt wider das offizielle Baden aufzufahren.
Ein neues Wahlgeſet, eine wirkliche und wahrhafte Volks-
vertretung: hallt es von Berlin, ja in Berlin druckt man
die Aufforderung an Baden, endlich der „Verpreußung“
ein Ende zu machen. In Wien hat die Broſchüre „Neu-
badisches" ihr Ohr gefunden und der hierzulande wohl-
bekannte Verfaſſer wird dort mit Namen genannt. Die
Nothwendigkeit eines außerordentlichen Landtags zur Ein-
führung eines neuen allgemeinen Wahlrechts findet An-
klang bis in die größte deutsche, d. h. in deutscher Sprache
geschriebene Zeitung. Wie es ſcheint, bereitet uns die
N. Fr. Preſſe“ noch weitere Enthüllungen vor, ihr
Frankfurter Korrespondent muß gut eingeweiht ſein in alle
Misere unseres Ländchens. Wir zu unserm Theile regiſtriren
dieses Interesse, welches allenthalben an uns genommen wird,
und finden darin die erneute Mahnung für die Volkspartei
und jeden ehrlichen Freiheitsfreund, endlich die Hände
aus dem Schooß zu erheben und im Sinne einer nor-
malen Bewegung thätig zu sein. Wir können mit gutem
Gewissen sagen, daß wir die wahrhaft Kon) ervat i
ven. die Widerſtrebenden die echt Revolutionären
sind. Hr. Thiers sagte jüngſt als Antwort an Hrn.
Rouher: „Wir dekretiren die Revolution nicht, aber Ihr
bereitet sie vor!‘ Es iſt dafür gesorgt, daß die Bäume
nicht in den Himmel wachſen; nie wird Das erfüllt wer-
den, was gewisse Leute bei uns anstreben. Die Frage
iſt nur, wie es verhindert wird? Vir dringen auf
breite legale Erledigung der Streitfrage; wir werden nicht
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Mannheim
Organ der deulſchen V
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird — mit Ausnahme der Sonnt
; Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
age und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. Der
Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr.
er Abendzeil
olksparlei in Baden.
Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Die Frage der Neutralität!
| Täuſchen uns nicht unsre Privatnachrichten aus
Frankreich ~ und wir haben allen Grund, sie für zuver-
läſſig zu halten ~ so zieht ſich Louis Bonaparte zu
einem Sprunge zuſammen. Früher als je zuvor iſt das
Lager von Chalons bezogen, daſsſelbe Lager, in welchem
vorigen Sommer die Zuaven ihre Standarten mit der
Inschrift: Route directe à Berlin aufgerichtet hatten,
und wo der Kaiser, trunken von onkelhaften Crinnerun-
gen, beinahe das entscheidende Wort aussprach. :
Der ganze Süden Frankreichs wird von Truppen ent-
blößt, Lyon-Paris befördert in gewöhnlichen und Ertra-
zügen Militär über Militär. Die regelmäßigen Garni-
ſonswechsel ſind für dieses Jahr ſsistirt. Alle Reserven
sind seit dem 31. März wieder bei ihren Fahnen, ſelbſt
diejenigen Mannschaften inbegriffen, welche auf ein Haar
ausgedient hätten. Den Offizieren iſt dagegen von den
Corbskommandanten ein I4tägiger Urlaub angeboten wor-
den, eine bekannte Ausdrucksweise für: ,, Mach deine
Rechnung mit dem Himmel, Vogt!“
Endlich sind jeder Ciſenbahn-Verwaltung 4 Kommis-
U;; Suhseſhtre. uv lug retri, tutezte!
Bahnen vorläufig vom Kriegsminiſterium mit Beschlag
belegt und zur ſchleunigen Fortsſchaffung von Soldaten,
Gewehren, Munition rc. bestimmt sind.
Zu allerlett ist es in Baden kein Geheimniß, daß ſeit
vorigen Herbſt Straßburg und die Dörfer des Clſaßes
von Soldaten vollgestopft sind und daß dieſe Stopfung
noch immer fortdauert. Von Weissenburg bis Hüningen
iſt ein Feldlager aufgeschlagen.
Daß die Panzerflotte in Cherbourg armirt werde, hat
man zwar ofsiziös in Abrede gestellt; wer aber nach dem
Vorſtehenden dem Dementi glaubt, könnte leicht mehr als
eiten Thaler zahlen. Die franzöſiſche Preſſe iſt aufs
Strengſte angewiesen, nichts über Truppenbewegungen oder
militärische Vorgänge zu äußern.
Aus Allem dem iſt es wohl erlaubt, denſelben Schluß
zu ziehen, den der republikaniſche „Phare de la Loire“
zu Nantes aus der Eiſenbahn-Kommission zog : „Man
beabsichtigt in kürzeſter Friſt einen Krieg, und man
will diesen Krieg raſch führen." Wir machen nur noch
die einzige Klauſel : Man beabsichtigt jedenfalls, in kürze-
ſter Friſt zum Kriege bereit zu sein und diesen Krieg
jeden Augenblick and ro hen zu können. Sonſt ſind wir
einig mit dem „Phare de la Loire“.
Wo der Grund zu diesem Kriege liegt ? Kinder, ſeit
1866 sind die Kriegsgründe in Guropa so wohlfeil wie
die Brombeeren; man braucht nur mit der Gabel in den
Topf zu fahren, sicherlich bringt ſie einen wohlkonditio-
nirten Grund heraus. Glaubt Einer, die Aufhebung
der Allianzverträge sei für nichts und wieder nichts dis-
kutirt, ja an maßgebender Stelle auch nur berührt wor-
den? Man gäbe sie heute auf, wenn Mainz nicht
eriſtirte. Aber Mainz steht auch nicht im Prager Frieden,
Mainz figurirt im Friedensvertrag mit Hesſen-Darmſtadt!
Wir kommen alſo zu der feſten Ueberzeugung, daß
wenigstens eine Kriegsdrohung vor der Thüre steht und
daß diese Drohung bei dem allenthalben verstreuten Kali-
pikrat ſchr leicht zum wirklichen Kriege explodiren kann.
Was wird dann mit Süddeutſchland, was insbesondere
mit unſerem langhin blosgesſtellten Baden? Der Norden
vermag uns nicht zu schützen, er hat es ſelbſt geſagt, und
diesmal dürfen wir ihm glauben. Treten die Bündniß-
verträge in Kraft, so haben wir im Nu eine französiſche
Armee auf dem Halse. Dieſe Armee hat ihre Operations-
baſis von Raſtatt bis Ulm, stützt ſich mithin auf die
beiden verlornen deutſchen Bundesfeſtungen ; ihr Ob-
jettiv am Main, Frankfurt, Naſſau, Heſſen; ihr Vergnü-
gen an Kriegskontributionen, die ſie uns lächelnd aus-
preſſen würde : Was, den norddeutschen „Brüdern“ zahl-
tet Ihr willig 6, 8, 30 Millionen, und mir, dem ,Reichs-
feinde“, wollt Ihr das Doppelte und Dreifache verweigern ?
So ſeid doch geſcheidt ! Wir annektiren Euch nicht ein-
mal, denn der Karlsruher Offiziöne im Schwäbischen
Merkur weiß ganz genau, daß Franktreich kein rechts-
rheiniſches Gebiet begehrt. Und was das links-
rheiniſche betrift, so macht Euch das ja seit der Un-
terredung Bismarcts mit Herrn v. Schachten nicht das
mindeſte Kopfzerbrechen! .
_ Angesichts dieser Lage iſt es nicht unbegreifz
lich, auf den Schluß zu gerathen: Nenutrali-
tät! Mögen die Verträge beſtehen oder nicht,
ihr höchſter Zweck kann doch nur die Integrität des
deutſchen Gebietes ſein. Selbst Preußen, das Wun-
der meinte, welche Stärkung es durch dieſelben gewonnen,
kann sich der Einsicht nicht verſchließen, daß die Anwen-
dung der Allianz auf den gegebenen Fall seine eigene
Schw äch ung bedeutet, weil sie ihm den Feind auch
vom Süden her nahebringt. Preußen ſelbſt muß ganz
zufrieden sein, daß es nach Westen zu die Offensive und
nach Norden zu die Defensive behält; es kann unmög-
lich die Verwirklichung des alten Liedes wünſchen : „Feinde
ringsum!Ü
So ändern ſich die Zeiten. Vor drei Jahren forderten
die Anhänger Großpreußens die Neutralität des Südens.
Heute wird dieſelbe Forderung auf Seiten der Gegner
Großpreußens laut, mit dem Mahnruf : Das Gegentheil wäre
der Ruin Süddeutſchlands und Badens insbesondere!
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 9. April.
* Nicht die im Verfaſſungsentwurf für Spanien
aufgestellte monarchiſche Regierungsform allein iſt es ge-
wesen, gegen was die republikanische Opposition in der
Kortesſitung vom 6. ſich erhob. Daß der Entwurf von
Abschaffung der Sklaverei, von Trennung der Kirche vom
Staate, von Unabsetbarkeit der Richter nichts enthalte,
wurde ebenso ſcharf angegriffen. Die Unabsetbarkeit der
Richter sei in Spanien ein unmöglich Ding, erklärte dar-
auf der Juſtizminiſter, und die Frage wegen Aufhebung
der Sklaverei werde nach dem Cintreffen der überseeischen
Deputirten erörtert werden, verhieß ein Mitglied des Ver-
faſſungsausschuſſes. Auf die Frage wegen Trennung der
Kirche vom Staate scheint, nach den bisher vorliegenden
Berichten, kein Redner der Mehrheit eingegangen zu ſein.
Ueber die Sitzung vom 7. meldet eine telegraphiſche De-
peſche: „Der Republikaner Caſtelar betlagt, daß der
Entwurf dem Monarchen so große Vorrechte gebe; er-
tlärt, daß überhaupt nur die Einführung der Republik
den Volkswünschen genügen könne, und tadelt die Pro-
greſſiſten, daß ſie ſich für die Wahl des Don Ferdinand
entschieden hätten, ehe sie über eine Annahme von deſſen
Seite versichert geweſen. Dem Redner antwortet kurz der
Ministerpräſident Seranno, welcher jede Aufrichtung des
alten Regimentes nach isabellistischer oder karliſtischer Rich-
tung für unmöglich erklärt." Die definitive Ablehnung
von Seiten des Don Ferdinand war damals in Madrid
bereits offiziell angetündigt ; die bourboniſtiſchen Kandi-
daten erklärt Seranno wiederholt für unmöglich : bleibt
noch der orleaniſtiſche, der Herzog von Montpensier. Nach
Pariſer Mittheilungen wendet dieser, der reichſte Mann
Spaniens, allen Einfluß seines Vermögens auf, um die
Wahl auf ſich zu ziehen.
Dem Parlamente Englands iſt von der Regierung
ein Geseßentwurf über Aufhebung der Schuldhast vorge-
legt worden. Der Entwurf ſtellt viele Ausnahmen von
der Regel auf; insbesondere soll in Fällen, wo eine Geld-
strafe oder eine auf ſummariſchem Wege eintreibbare Geld-
ſumme nicht bezahlt wird, die Haft auch künftighin ein-
treten können. Für den Tag der dritten Leſung der Bill
wegen Abschaffung der irischen Staatskirche iſt von einem
Mitglied des Unterhauſes ein Antrag auf Ausdehnung
dieſer Maßregel auf die Staatstirche in England und
Schottland angekündigt.
Dem aus den öſtlichen Kantonen der Schweiz laut
gewordenen Verlangen, daß die Bundesregierung der von
Italien, dem Norddeutschen Bunde und Baden angenom-
menen Gotthardsbahn keine finanzielle Subvention aus
eidgenöſſischen Mitteln zuwende, ſchließt ſich auch der
„Bund“ als einem völlig gerechtfertigten an. Das in
der Bundesstadt erſcheinende und in die Ansichten der
dortigen maßgebenden Kreise ſtets gut eingeweihte Blatt
hält es auch für eine bereits entschiedene Sache, daß die
Bundesregierung auch in diesem Falle von dem System
des Privateiſenbahnbaues nicht abgehen, für keine derar-
tigen Unternehmungen Bundesmittel gewähren und keinen
anderen Alpenübergang zu Gunſten des Gotthardspasses
ausschließen werde. Während dieß ſchweizeriſche Blatt
demnach die Erbauung auch noch anderer Bahnen über
die Alpen für nicht unmöglich hält, spricht es zugleich die
Ansicht aus, daß die offizielle Parteinahme Italiens, des
Nordbundes und Badens für die Gotthardsbahn die Ver-
wirklichung dieses Projektes noch immer nicht ſicher ver-
bürge. Zu diesem Aussſpruch veranlaßt den Berner „Bund
ein Blick auf die Höhe der Baukoſten, deren Geſammtbe-
trag auf 162 Millionen veranſchlagt ist. Die für den
nothwendig werdenden großen Tunnel erforderlichen 90
Millionen sollen durch nicht rückzahlbare Subventionen,
der Reſt von 72 Millionen durch Aktienausgabe beſchafst
werden. „Wie man ſsieht, schließt der „Bund“, haben
die finanziellen Schwierigkeiten, welche das Gotthardspro-
jektt zu überwinden hat, immer noch ganz gewaltige Di-
mensſionen, und es wäre vermesſen, das Unternehmen jett
schon als definitiv gesichert zu bezeichnen."
An der Spitze ihrer neueſten Rummer bringt die
„Kölnische Zeitung“ eine wohl formulirte Anklageschrift
gegen das Miniſterium in Württemberg. Herr v.
Varnbüler, in seiner Heimath als nicht deutſch genug
befunden, iſt ihr nicht preußiſch genug. Die Weigerung
Württembergs gegen eine formelle Betheiligung von Be-
vollmächtigten des Norddeutſchen Bundes an der ſüddeut-
schen Feſtungskommission; die angebliche Parteinahme der
württembergiſchen Regierung für die Wahl Becher's ins
Zollparlament und die Ernennung des Profeſſors Köhler
in Tübingen zum Universſitätsrekttor, während doch der
dortige Senat den „nationalen“ Prof. Römer in erſter
Linie zu dieſer Stelle vorgeſchlagen hatte: auf dieſe drei
Punkte stützt das rheiniſche Blatt .seine Anklage. Und
damit dem Ernſt die Komik nicht fehle, fügt es die weitere
Anschuldigung bei, nur Varnbüler's Machinationen sei es
zuzuschreiben, daß der künftige Thronfolger Württembergs,
der ſich dermalen zu seiner militärischen Ausbildung in
Berlin befindet, nicht ſeinen „persönlichen Neigungen“ zu
einem förmlichen Eintritt in die preußiſche Armee habe
folgen dürfen. Der eigentlichen Anklage ſchickt die Köln.
Ztg. eine kurze Einleitung voraus, aus welcher ersichtlich,
daß die bei der lettten Adreßdebatte in der württember-
gischen Kammer gehaltene Rede Varnbülers gegen den
Südbund ihr allzu „ſehr gemäßigt“ gewesen iſt, als daß
ſie ihm für seine frühere „maßloſe“ Auslassung gegen den. m M
Nordbund Absolution ertheilen könne. Den Vorwurf, der
in der Gegenüberſtellung dieſer beiden miniſteriellen Er=-
klärungen liegt, mag man dem iwürttembergiſchen Miniſter
wohl gönnen: ist derſelbe doch nur eine Verdammung
jener unseligen Halbheit, jenes unentsſchloſſenen Schwan-
tens, welche in der unbeſständigen Politik Varnbüler's,
wie in der seines fürſtlichen Amtsgenoſſen in Bayern, das
einzige Beständige ſind. hh.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 9. April. Amtliches. Der Ma-
thematik. und Turnlehrer Alfred Maul am Realgym-
naſiuum zu Basel wurde zum Direktor der Turnlehrer-
Bildungs-Anſtalt ernannt.
[] Mannheim, 8. April. Unsere badiſchen Zu-
ſtän de erregen mehr und mehr Aufsehen, ſelbſt im „Aus-
lande". Es iſt nicht mehr bloß die „Frankfurter Zei-
tung“, die unseren Offiziösen ſchon seit 1866 ein Dorn
im Auge und ein Pfahl im Fleiſche war; auch im hohen
Norden beschäftigt ſich die „Zukunft“ lebhaft mit uns,
im allerausgeſchiedenſten Oſten beginnt die „N. Fr. Preſſe“
schweres Geſchüt wider das offizielle Baden aufzufahren.
Ein neues Wahlgeſet, eine wirkliche und wahrhafte Volks-
vertretung: hallt es von Berlin, ja in Berlin druckt man
die Aufforderung an Baden, endlich der „Verpreußung“
ein Ende zu machen. In Wien hat die Broſchüre „Neu-
badisches" ihr Ohr gefunden und der hierzulande wohl-
bekannte Verfaſſer wird dort mit Namen genannt. Die
Nothwendigkeit eines außerordentlichen Landtags zur Ein-
führung eines neuen allgemeinen Wahlrechts findet An-
klang bis in die größte deutsche, d. h. in deutscher Sprache
geschriebene Zeitung. Wie es ſcheint, bereitet uns die
N. Fr. Preſſe“ noch weitere Enthüllungen vor, ihr
Frankfurter Korrespondent muß gut eingeweiht ſein in alle
Misere unseres Ländchens. Wir zu unserm Theile regiſtriren
dieses Interesse, welches allenthalben an uns genommen wird,
und finden darin die erneute Mahnung für die Volkspartei
und jeden ehrlichen Freiheitsfreund, endlich die Hände
aus dem Schooß zu erheben und im Sinne einer nor-
malen Bewegung thätig zu sein. Wir können mit gutem
Gewissen sagen, daß wir die wahrhaft Kon) ervat i
ven. die Widerſtrebenden die echt Revolutionären
sind. Hr. Thiers sagte jüngſt als Antwort an Hrn.
Rouher: „Wir dekretiren die Revolution nicht, aber Ihr
bereitet sie vor!‘ Es iſt dafür gesorgt, daß die Bäume
nicht in den Himmel wachſen; nie wird Das erfüllt wer-
den, was gewisse Leute bei uns anstreben. Die Frage
iſt nur, wie es verhindert wird? Vir dringen auf
breite legale Erledigung der Streitfrage; wir werden nicht
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