Dienstag, 11. Mai.
J. 110.
Organ der deutſchen Volkspartei in Baden.
; Die „Mannheimer
Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonnt
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr.,
age und Feſttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der
bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition 0 1 Nr.
Abonnementsypreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Die Vermummten von Achern.
(-) Die entschieden freiſinnige Partei in Baden hat
ſeit der Versammlung einer Anzahl ihrer Mitglieder in
Achern wiederholte, recht ungerechtfertigte, zum Theil un-
anständige und mit Entsſtellung des Thatſächlichen ver-
bundene Angriffe von Seiten der Nationalliberala ~
oder, wie man sie auch heißen fönnte, der Gouvernemen-
talen + zu erfahren gehabt.
Ob die Angriffe uns wehe thaten ? Nein, Das weniger!
Ob wir darauf antworten ſollen ? Unser Aufruf ans
badiſche Volk ist die geeignetste Antwort!
Ein Paar Worte zur Kennzeichnung der Fechtart un-
ſerer Gegner mögen aber doch am Platze ſein. Erſt ließ
ims die „Landeszeitung“ als „Vermummte“ die Gegend
um Achern unsicher machen; nachher wurden die „Rothen“
und „Schwarzen“ recht amalgamiſirt, um Gimpel zu
fangen; anch die Freiburger Zeitung hat in vornehmen
Phraſen die Grenze, wo Gemeinheit anfängt, hiebei stark
geſtreiftt. Die ungenirte Konſtanzerin gab uns eine Gym-
nasiaſtenarbeit über die wahren Eigenſchaften eines echten
Demokraten zum Besten, wofür wir herzlich danken.
Und jetzt, ihr edeln Herren, da wir mit unſerm Wol-
len an den Tag getreten, werdet ihr wohl zurücknehmen,
was ihr alles beſudelt, gelogen und verläumdet ?
Wo ist jetzt die Verbrüderung zwischen den Rothen
und Schwarzen? Ein Wort hierüber, vielleicht nicht zur
unrechten Stunde! Die Demotratie ſtellt seit jeher als
einen Hauptgrundsaß für's öffentliche Leben. die Tren-
nung von Staat und Kirche hin. Sie kennt im
Staate nur politiſche Parteien und läßt die
Kirche in Ru he, mit dem Wunsche nebenbei, auch von
ihr in Ruhe gelaſſen zu werden. Sie kennt und be-
folgt unerſchütterlich ~ den Weg nach Vorwärts im Staat:
den Weg der Bildung, des Rechtes und der Freiheit +
und wiederum kennt ſie den Weg nach Rückwärts, der
betreien wird, wenn man Rechtsbruch, Vergewaltigung
ſtill duldet, oder anerkennt oder entschuldigt oder gar ver-
theidigt; den Weg, den man geht, wenn man dem Volke
weismacht, das koſtſpielige Soldatenwesen führe zur Frei-
heit und zur nationalen Größe; den Weg der Steuer-
überbürdung für eingebildete Dinge, die, heute politiſch
unmöglich, wenn durchgeführt, unser deutsches Vaterland
in ein Elend stürzen würden, das uns die Weltgeschichte
ſo vielfältig warnend entgegenhält. Sind freie Staaten
dadurch je größer geworden, daß ſsie ihre ursprünglichen
Institutionen mit der Tyrannis, mit dem Cäſaren-, dem
Prätorianerthum vertauschten ? Diesen Weg und keinen
andern gehen unsere Nationalliberalen, die die Italiener
ins Herz der deutschen Nation, die Ungarn in ihre Flan-
ken hineintreiben wollten; diese Liberalen, die sich keine
Ruhe gönnen, bis der Junker Bismarck ~ der böſe Geiſt
unsers Dezenniums ~ ihnen den Käfig öffnet und den
Main überbrückt.
Was die freisinnige Partei in Baden will: Das ist
freiheitliche Weiterentwicklung im eigenen Lande, entſchie-
dene Trennung von Staat und Kirche, Verfolgung realer
Ziele von Seiten der Regierung ſtatt träumeriſcher Wet-
terfahnenbewegung; ein einiges, freies deutſches Vaterland,
keinen preußischen Militärkoloß, der nur Steuern verschlingt,
Soldaten spazieren führt und nebenbei ganze Provinzen
fortwährend am Hungertuche nagen läßt. Wic wollen
Frieden im Badener Lande, Frieden im Herzen Europa's
und nicht ſtatt Deſſen konfeſſionelle und bureautratiſche
Nergeleien im Land und stete Kriegsherren-Duellbereitſchaft
an den Reichsgrenzen. Die Kriege, welche die Herren
führen, führen ſie für sich, nicht für uns; dafür aber
haben wir unser Geld und unſer Gut und Blut nicht
und wollen es auch nicht dafür laſſen. Solches und
Aehnliches, glauben wir, ist die Anschauung weitaus der
Mehrheit des badischen Volkes. Möge die Regierung mit
dieſer Anschauung sich in Einklang setzen, den wahren
Volkswillen erkennen lernen, ſich aller und jeder Täuſchung
über diesen endlich entſchlagen und ihn ſchließlich anerken-
nen und als den ihrigen annehmen. Das iſt unser näch-
ſtes Ziel, und wenn wir hierin siegen, wie wir es hoffen
(trogdem die Herrlichſten der Offenburger wieder von
ihrer Exkurſion zurückgekehrt ſind und wieder beim Rufe :
„Jolly“ an ihre Schilde ſchlagen !), so iſt ein Schritt
zum Beſſern im Lande Baden gethan.
hzétt: Das, ja Das war die Loſung der „Vermummten“
in Achern, in Freiburg : Das iſt unsere Loſung heute und
bleibt sie bis zum Ende des Kampfes. Wenn wir mit der
Kirche zu streiten hätten, würden wir Herrn Jolly ent-
]
behren können; wenn wir aber für die höchſten Güter
unseres Landes kämpfen, ſo bildet er geradezu das Hin-
derniß, das uns im Wege ſteht. Das Ministerium Jolly
in erster Lmnie und eine willfährige, von der Füh-
lung mit dem Volt nachgerade abgelöſte Kammer in zwei-
ter Reihe: die sind es, welche das Land Baden dahin
kommen ließen, wohin es gekommen iſt)h die es verwan-
delten in eine preußiſche Statthalterei! Und wer dieſem
Treiben täglich Beifall zujauchzt - Das, badiſches Volt,
sind deine Nationalliberalen, deine Bürgerabendmännchen !
Aber hoffentlich hat die Stunde geschlagen, wo das Fut-
ter der Regierungspresſſe nicht mehr nährt und die Begei-
ſterung verraucht, welche man in den Schreiberſtuben prä-
parirt hat. Eine entſchieden freiſinnige Partei im Land
iſt wieder erſtanden, die „Vermummten“ haben den Man-
tel abgeworfen und + das badiſche Volk wird trot allem
Lug und Trug der feilen Preſſe nun wiſſen und würdi-
gen, was sie will.
Politiſche Uebersicht.
Mann heim, 10. Mai.
* Uebereinſtimmend mit dem „JImparcial“ meldet der
Madrider Berichterſtatter der „Times“, daß die Monar-
chiſten in Sp anie n, wenn die Kortesversſammlung ſich
für die monarchiſche Staatsform ausgeſprochen haben
werde, zu einer sofortigen Königswahl, nicht ſchreiten
werden, sondern Serrano als interimiſtiſchen Regenten
und Prim als Miniſterpräsidenten aufzuſtellen geneigt
seien. Gegen Prim ſcheint der Verdacht eigenſüchtiger
Herrſchergelüſte wieder ſtärker aufzutreten , da er in der
Kortesſißung vom Vorgeſtrigen sich gedrungen gefühlt hat,
ſich abermals gegen die Unterstellung , daß er nach dem
Throne oder der Diktatur strebe, mit der Betheuernng zu
verwahren, er hege keinen Wunſch rals den nach Kräfti
gung und Sicherſtellung der Errungenschaften der Sep-
tembererhebung. Im weiteren Verlaufe seines Vortrages
bemerkte Prim, die Regierung kenne die wahre Lage Ka-
taloniens genau und könne demnach versichern, daß eine
Gefahr eines Bürgerkrieges nicht bestehe. Inzwiſchen
machen sich jedoch karliſtiſche Umtriebe sehr bemerkbar.
Die Nachricht von Entdeckung einer karlistiſchen Verſchwö-
rung in Barcellonna harrt zwar noch der Bestätigung,
aus Navarra und Tafalla kommen aber Botſchaften von
blutigen, -wenn auch vereinzelten , karliſtiſchen Verbrechen.
In Navarra wurden zwei Freiwillige von Karliſten er-
mordet; in Tafalla iſt der befehligende Oberst durch einen
meuchlerischen Schuß verwundet worden. Die Freiwilligen
haben Rache genommen und den tkarliſtiſchen Klub in
Tafalla überfallen und fünf Personen, darunter zwei
Geistliche, niedergemacht. ~ Unsern Mittheilungen über die
auf die religiöse Freiheit bezüglichen Beſchlüſſe der Kortes
haben wir noch beizufügen, daß der Art. 22 einen Zu-
ſatß erhalten hat, worin ausgesprochen wird,, „daß die
(Erwerbung und Ausübung öffentlicher Aemter ſowie der
bürgerlichen und politischen Rechte von dem Religionsbe-
kennnisſſe unabhängig“ sind. :
Der Berner „Bund“ bestätigt in ſeinem Berichte über
die Bundesrathsſikung vom T. die Richtigkeit der vor-
geſtrigen telegraphiſchen Nachricht bezüglich der von der
eidgenöſsifchen Regierung in Betreff Mazzini's angeord-
neten Maßregeln. Laut der halbamtlichen Mittheilung
des genannten Blattes hatte die italienische Regierung
zwar ein „Begehren“ auf Cinschreiten von Bundeswegen
gegen Mazzini nicht gestellt, allerdings aber unter Mit-
theilung der Vorgänge in Mailand und anderen Städten
Iaaliens durch ihren Gesandten es „ganz in das Ermessen
der Bundesregierung gelegt, welche Folge ſie im Intereſſe
ungestörter Forterhaltung freundschaftlicher Beziehungen
diesen Mittheilungen zu geben für gut finden werde.“
Schon vor Empfang dieser Cröffnungen habe der Bundes-
rath Erhebungen angeordnet gehabt, und auf die Ergeb-
niſſe derselben ſtütze ſich der Beſchluß : es ſei dem Joſeph
Mazzini und allen denjenigen Personen, welche in Folge
des letzten Mailänder Aufstandsverſuches in den Kanton
Tessin sich geflüchtet haben, jeder Aufenthalt in den längs
der italienischen Grenze gelegenen Kantonen untersagt und
Mazzini überdies in den Kantonen Waadt, Genf, Neuen-
burg, Bern, Solothurn und beiden Hälften Bagels.
Gegenüber der halbamtlichen Erklärung der Wiener
„Abendpoſt“, daß bei der Bismarck schen Depeſche
vom 20. Juli 186 6 ,weder die Entwendung eines
Chiffern-Lexitons, noch die Beſtechung oder sonstige Ver-
leitung zur Pflichtverlezung irgend eines Beamten oder
einer zur Sache in Beziehung stehenden Perſönlichkeit statt-
gefunden“ habe, wiederholt die „Nordd. Allg. Zig. lhre
Behauptung: die Entzifferung der fraglichen Depesche ſei
„nur durch den Diebſtahl des Schlüssels oder den Dieh-
stahl der in Worte übertragenen Depesche aus einem preu-
ßiſchen Archiv möglich" gewesen. Ueber seinem beſtändi-
gen Hinweisen auf die Art, auf welche Oesterreich das
Versſtändniß der Depeſche möglich geworden, unterläßt das
Bismarck'sche Blatt fortgeſeßt ein Eingehen auf den Jn-
halt der Depeſche, und doch hätte eben die erwähnte
Erklärung der Wiener Abendpoſt dazu neuerlichen guten
Anlaß gegeben. Der Schluß der Wiener Auslasſung
läßt sich nämlich in die Worte zuſammenfaſſen: „Wozu
der Lärm, ihr Herren!“ Iſt s ja doch nur „allseitig Be-
kanntes,“ was in der Depesche ausgesprochen iſt; etwas
Anderes wäre es gewesen, wenn die Depeſche Neues, „bei-
ſpielsweiſe alſo Anerbietungen Preußens an Frantreich
gegen die Zustimmung zum Ländererwerbe, o der Aehn-
liches enthalten hätte." Deutlicher, als es in dieſer fei-
nen Redewendung geschieht, kann wohl nicht angedeutet
werden, daß auch Dokumente bestehen, welche preußische
„Anerbietungen an Frankreich“ oder ,„Aehnliches" konſta-
tiren.
Deutſchland. .
* Karlsruhe, 9. Mai. Amtliches. Major
Wilh. Frhr. v. Gemmingen im Generalſtab wurde zum
Obersſtlieutenant befördert.
* Mannheim, 10. Mai. Die von dem Zentral-
Ausschuſse für Bildung einer Wahlreform-Liga in Baden
vorgeſchlagene Adreſſe an den G roßherzog zählt in
unserer Stadt schon einige Hundert Unterschriften. Der
„demokratische Verein“ hat auf Morgen Abend eine Vol ks-
versammlung in das „grüne Haus“ berufen, in
welcher der Aufruf des Zentral-Ausschusſes an das Land
und die vorgeſchlagene Adreſſe die Gegenstände der Be-
sprechung bilden. Ueber dieselben werden u. A. die
Herren Dr. Eller von hier und Hr. Faas von Heidelberg
sprechen und steht ein recht zahlreicher Beſuch der Ver-
sammlung zu erwarten. :
* Aus Baden , 10. Mai. Zeus ſchleudert seine
Blißte! Der Bewegung für das allgemeine und direkte
Wahlrecht, der Bewegung, um den Willen der Gesammt-
heit zum unverfälschten Ausdruck und zur Geltung zu
bringen, tritt die „Karlsruher Zeitung" entgegen. Sie
rollt den Donner und entzündet die Blit-Raketen. „Jeden-
falls – ſo poltert ſie ~ fehlt es an einem genügenden
Grunde zur Cinberufung eines außerordentlichen Land-
tages, der durch leidenſchaftliche Agitationen nicht ersett
werden kann nnd nicht erſezt werden wird." Die jetzigen
Kammern = ſo blitt sie auf ~ in welchen „einzig und
allein die Volksüberzeugung ihren legalen Ausdruck finde“,
würden sich bei ihrem „Zuſammentritt im Herbſt“ mit
der Wahlreformfrage beschäftigen. Der Drang für das
Aufgeben der „nationalen“ ~ ſoll heißen „großpreußiſchen“
Politik sei kein Grund zu einer plötzlichen Verfassungs-
änderung. Es sei ein verderblicher Wahn, zu glauben,
die Ueberzeugung des Volkes sei aus den Resolutionen
erregter Voltsverſammlungen oder durch Adresse - Unter-
ſchriften zuverläsſiger zu erkennen, als aus den „legalen Aus-
sprüchen der Kammern." Die ,85,000 Unterschriften“
hätten zu oft figurirt, als daß das Land über ihren
Werth, bezw. Unwerth nicht vollkommen im Klaren ſein
sollte ;, und es habe in den Jahren 1848 und 1849
die Erfahrung, „daß Straßenparlamente nichts taugen“,
um einen viel zu theueren Preis erkauft, als daß es nach
einer Wiederholung Luſt hätte. Ueberhaupt + jetzt kommt
der heiße Schlag : es sei dafür gesorgt, daß das
Geset seine Autorität behalte . . . Was ſoll
dieser Schlag an den Gewehrkolben gegenüber einer voll-
kommen friedlichen, innerhalb geſsetlicher Schranken ſich
bewegenden Agitation für Wahlreform? It derſelbe die
Folge einer in den leitenden Kreiſen entſtandenen Verwir-
rung, oder ſoll er das Land belehren, wie man in Karls-
ruhe eigentlich die „nationale Liberalität“ verſteht, daß man
keinen Widerspruch ertragen, das Verlangen nach Umtehr
auf den bisher verfolgten falschen Wegen nicht dulden
wird . . . Soll dieſer Schlag etwa ,die Garantie für
ein energiſches Vorgehen der Regierung“ bieten, auf
welche die „Heidelb. Ztg.“ ſehnlichſt wartet, um die „na-
tionalliberale Bewegung“ neu in Fluß zu bringen? Sei
Dem, wie ihm wolle. Jedenfalls iſt die neueste Auslaſſung
der „Karlsr. Ztg.“ ein prachtvolles Seitenſtüc zu der
be - rühmt gewordenen Preß-Ordonnanz aus den erſten
J. 110.
Organ der deutſchen Volkspartei in Baden.
; Die „Mannheimer
Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonnt
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr.,
age und Feſttage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der
bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition 0 1 Nr.
Abonnementsypreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Die Vermummten von Achern.
(-) Die entschieden freiſinnige Partei in Baden hat
ſeit der Versammlung einer Anzahl ihrer Mitglieder in
Achern wiederholte, recht ungerechtfertigte, zum Theil un-
anständige und mit Entsſtellung des Thatſächlichen ver-
bundene Angriffe von Seiten der Nationalliberala ~
oder, wie man sie auch heißen fönnte, der Gouvernemen-
talen + zu erfahren gehabt.
Ob die Angriffe uns wehe thaten ? Nein, Das weniger!
Ob wir darauf antworten ſollen ? Unser Aufruf ans
badiſche Volk ist die geeignetste Antwort!
Ein Paar Worte zur Kennzeichnung der Fechtart un-
ſerer Gegner mögen aber doch am Platze ſein. Erſt ließ
ims die „Landeszeitung“ als „Vermummte“ die Gegend
um Achern unsicher machen; nachher wurden die „Rothen“
und „Schwarzen“ recht amalgamiſirt, um Gimpel zu
fangen; anch die Freiburger Zeitung hat in vornehmen
Phraſen die Grenze, wo Gemeinheit anfängt, hiebei stark
geſtreiftt. Die ungenirte Konſtanzerin gab uns eine Gym-
nasiaſtenarbeit über die wahren Eigenſchaften eines echten
Demokraten zum Besten, wofür wir herzlich danken.
Und jetzt, ihr edeln Herren, da wir mit unſerm Wol-
len an den Tag getreten, werdet ihr wohl zurücknehmen,
was ihr alles beſudelt, gelogen und verläumdet ?
Wo ist jetzt die Verbrüderung zwischen den Rothen
und Schwarzen? Ein Wort hierüber, vielleicht nicht zur
unrechten Stunde! Die Demotratie ſtellt seit jeher als
einen Hauptgrundsaß für's öffentliche Leben. die Tren-
nung von Staat und Kirche hin. Sie kennt im
Staate nur politiſche Parteien und läßt die
Kirche in Ru he, mit dem Wunsche nebenbei, auch von
ihr in Ruhe gelaſſen zu werden. Sie kennt und be-
folgt unerſchütterlich ~ den Weg nach Vorwärts im Staat:
den Weg der Bildung, des Rechtes und der Freiheit +
und wiederum kennt ſie den Weg nach Rückwärts, der
betreien wird, wenn man Rechtsbruch, Vergewaltigung
ſtill duldet, oder anerkennt oder entschuldigt oder gar ver-
theidigt; den Weg, den man geht, wenn man dem Volke
weismacht, das koſtſpielige Soldatenwesen führe zur Frei-
heit und zur nationalen Größe; den Weg der Steuer-
überbürdung für eingebildete Dinge, die, heute politiſch
unmöglich, wenn durchgeführt, unser deutsches Vaterland
in ein Elend stürzen würden, das uns die Weltgeschichte
ſo vielfältig warnend entgegenhält. Sind freie Staaten
dadurch je größer geworden, daß ſsie ihre ursprünglichen
Institutionen mit der Tyrannis, mit dem Cäſaren-, dem
Prätorianerthum vertauschten ? Diesen Weg und keinen
andern gehen unsere Nationalliberalen, die die Italiener
ins Herz der deutschen Nation, die Ungarn in ihre Flan-
ken hineintreiben wollten; diese Liberalen, die sich keine
Ruhe gönnen, bis der Junker Bismarck ~ der böſe Geiſt
unsers Dezenniums ~ ihnen den Käfig öffnet und den
Main überbrückt.
Was die freisinnige Partei in Baden will: Das ist
freiheitliche Weiterentwicklung im eigenen Lande, entſchie-
dene Trennung von Staat und Kirche, Verfolgung realer
Ziele von Seiten der Regierung ſtatt träumeriſcher Wet-
terfahnenbewegung; ein einiges, freies deutſches Vaterland,
keinen preußischen Militärkoloß, der nur Steuern verschlingt,
Soldaten spazieren führt und nebenbei ganze Provinzen
fortwährend am Hungertuche nagen läßt. Wic wollen
Frieden im Badener Lande, Frieden im Herzen Europa's
und nicht ſtatt Deſſen konfeſſionelle und bureautratiſche
Nergeleien im Land und stete Kriegsherren-Duellbereitſchaft
an den Reichsgrenzen. Die Kriege, welche die Herren
führen, führen ſie für sich, nicht für uns; dafür aber
haben wir unser Geld und unſer Gut und Blut nicht
und wollen es auch nicht dafür laſſen. Solches und
Aehnliches, glauben wir, ist die Anschauung weitaus der
Mehrheit des badischen Volkes. Möge die Regierung mit
dieſer Anschauung sich in Einklang setzen, den wahren
Volkswillen erkennen lernen, ſich aller und jeder Täuſchung
über diesen endlich entſchlagen und ihn ſchließlich anerken-
nen und als den ihrigen annehmen. Das iſt unser näch-
ſtes Ziel, und wenn wir hierin siegen, wie wir es hoffen
(trogdem die Herrlichſten der Offenburger wieder von
ihrer Exkurſion zurückgekehrt ſind und wieder beim Rufe :
„Jolly“ an ihre Schilde ſchlagen !), so iſt ein Schritt
zum Beſſern im Lande Baden gethan.
hzétt: Das, ja Das war die Loſung der „Vermummten“
in Achern, in Freiburg : Das iſt unsere Loſung heute und
bleibt sie bis zum Ende des Kampfes. Wenn wir mit der
Kirche zu streiten hätten, würden wir Herrn Jolly ent-
]
behren können; wenn wir aber für die höchſten Güter
unseres Landes kämpfen, ſo bildet er geradezu das Hin-
derniß, das uns im Wege ſteht. Das Ministerium Jolly
in erster Lmnie und eine willfährige, von der Füh-
lung mit dem Volt nachgerade abgelöſte Kammer in zwei-
ter Reihe: die sind es, welche das Land Baden dahin
kommen ließen, wohin es gekommen iſt)h die es verwan-
delten in eine preußiſche Statthalterei! Und wer dieſem
Treiben täglich Beifall zujauchzt - Das, badiſches Volt,
sind deine Nationalliberalen, deine Bürgerabendmännchen !
Aber hoffentlich hat die Stunde geschlagen, wo das Fut-
ter der Regierungspresſſe nicht mehr nährt und die Begei-
ſterung verraucht, welche man in den Schreiberſtuben prä-
parirt hat. Eine entſchieden freiſinnige Partei im Land
iſt wieder erſtanden, die „Vermummten“ haben den Man-
tel abgeworfen und + das badiſche Volk wird trot allem
Lug und Trug der feilen Preſſe nun wiſſen und würdi-
gen, was sie will.
Politiſche Uebersicht.
Mann heim, 10. Mai.
* Uebereinſtimmend mit dem „JImparcial“ meldet der
Madrider Berichterſtatter der „Times“, daß die Monar-
chiſten in Sp anie n, wenn die Kortesversſammlung ſich
für die monarchiſche Staatsform ausgeſprochen haben
werde, zu einer sofortigen Königswahl, nicht ſchreiten
werden, sondern Serrano als interimiſtiſchen Regenten
und Prim als Miniſterpräsidenten aufzuſtellen geneigt
seien. Gegen Prim ſcheint der Verdacht eigenſüchtiger
Herrſchergelüſte wieder ſtärker aufzutreten , da er in der
Kortesſißung vom Vorgeſtrigen sich gedrungen gefühlt hat,
ſich abermals gegen die Unterstellung , daß er nach dem
Throne oder der Diktatur strebe, mit der Betheuernng zu
verwahren, er hege keinen Wunſch rals den nach Kräfti
gung und Sicherſtellung der Errungenschaften der Sep-
tembererhebung. Im weiteren Verlaufe seines Vortrages
bemerkte Prim, die Regierung kenne die wahre Lage Ka-
taloniens genau und könne demnach versichern, daß eine
Gefahr eines Bürgerkrieges nicht bestehe. Inzwiſchen
machen sich jedoch karliſtiſche Umtriebe sehr bemerkbar.
Die Nachricht von Entdeckung einer karlistiſchen Verſchwö-
rung in Barcellonna harrt zwar noch der Bestätigung,
aus Navarra und Tafalla kommen aber Botſchaften von
blutigen, -wenn auch vereinzelten , karliſtiſchen Verbrechen.
In Navarra wurden zwei Freiwillige von Karliſten er-
mordet; in Tafalla iſt der befehligende Oberst durch einen
meuchlerischen Schuß verwundet worden. Die Freiwilligen
haben Rache genommen und den tkarliſtiſchen Klub in
Tafalla überfallen und fünf Personen, darunter zwei
Geistliche, niedergemacht. ~ Unsern Mittheilungen über die
auf die religiöse Freiheit bezüglichen Beſchlüſſe der Kortes
haben wir noch beizufügen, daß der Art. 22 einen Zu-
ſatß erhalten hat, worin ausgesprochen wird,, „daß die
(Erwerbung und Ausübung öffentlicher Aemter ſowie der
bürgerlichen und politischen Rechte von dem Religionsbe-
kennnisſſe unabhängig“ sind. :
Der Berner „Bund“ bestätigt in ſeinem Berichte über
die Bundesrathsſikung vom T. die Richtigkeit der vor-
geſtrigen telegraphiſchen Nachricht bezüglich der von der
eidgenöſsifchen Regierung in Betreff Mazzini's angeord-
neten Maßregeln. Laut der halbamtlichen Mittheilung
des genannten Blattes hatte die italienische Regierung
zwar ein „Begehren“ auf Cinschreiten von Bundeswegen
gegen Mazzini nicht gestellt, allerdings aber unter Mit-
theilung der Vorgänge in Mailand und anderen Städten
Iaaliens durch ihren Gesandten es „ganz in das Ermessen
der Bundesregierung gelegt, welche Folge ſie im Intereſſe
ungestörter Forterhaltung freundschaftlicher Beziehungen
diesen Mittheilungen zu geben für gut finden werde.“
Schon vor Empfang dieser Cröffnungen habe der Bundes-
rath Erhebungen angeordnet gehabt, und auf die Ergeb-
niſſe derselben ſtütze ſich der Beſchluß : es ſei dem Joſeph
Mazzini und allen denjenigen Personen, welche in Folge
des letzten Mailänder Aufstandsverſuches in den Kanton
Tessin sich geflüchtet haben, jeder Aufenthalt in den längs
der italienischen Grenze gelegenen Kantonen untersagt und
Mazzini überdies in den Kantonen Waadt, Genf, Neuen-
burg, Bern, Solothurn und beiden Hälften Bagels.
Gegenüber der halbamtlichen Erklärung der Wiener
„Abendpoſt“, daß bei der Bismarck schen Depeſche
vom 20. Juli 186 6 ,weder die Entwendung eines
Chiffern-Lexitons, noch die Beſtechung oder sonstige Ver-
leitung zur Pflichtverlezung irgend eines Beamten oder
einer zur Sache in Beziehung stehenden Perſönlichkeit statt-
gefunden“ habe, wiederholt die „Nordd. Allg. Zig. lhre
Behauptung: die Entzifferung der fraglichen Depesche ſei
„nur durch den Diebſtahl des Schlüssels oder den Dieh-
stahl der in Worte übertragenen Depesche aus einem preu-
ßiſchen Archiv möglich" gewesen. Ueber seinem beſtändi-
gen Hinweisen auf die Art, auf welche Oesterreich das
Versſtändniß der Depeſche möglich geworden, unterläßt das
Bismarck'sche Blatt fortgeſeßt ein Eingehen auf den Jn-
halt der Depeſche, und doch hätte eben die erwähnte
Erklärung der Wiener Abendpoſt dazu neuerlichen guten
Anlaß gegeben. Der Schluß der Wiener Auslasſung
läßt sich nämlich in die Worte zuſammenfaſſen: „Wozu
der Lärm, ihr Herren!“ Iſt s ja doch nur „allseitig Be-
kanntes,“ was in der Depesche ausgesprochen iſt; etwas
Anderes wäre es gewesen, wenn die Depeſche Neues, „bei-
ſpielsweiſe alſo Anerbietungen Preußens an Frantreich
gegen die Zustimmung zum Ländererwerbe, o der Aehn-
liches enthalten hätte." Deutlicher, als es in dieſer fei-
nen Redewendung geschieht, kann wohl nicht angedeutet
werden, daß auch Dokumente bestehen, welche preußische
„Anerbietungen an Frankreich“ oder ,„Aehnliches" konſta-
tiren.
Deutſchland. .
* Karlsruhe, 9. Mai. Amtliches. Major
Wilh. Frhr. v. Gemmingen im Generalſtab wurde zum
Obersſtlieutenant befördert.
* Mannheim, 10. Mai. Die von dem Zentral-
Ausschuſse für Bildung einer Wahlreform-Liga in Baden
vorgeſchlagene Adreſſe an den G roßherzog zählt in
unserer Stadt schon einige Hundert Unterschriften. Der
„demokratische Verein“ hat auf Morgen Abend eine Vol ks-
versammlung in das „grüne Haus“ berufen, in
welcher der Aufruf des Zentral-Ausschusſes an das Land
und die vorgeſchlagene Adreſſe die Gegenstände der Be-
sprechung bilden. Ueber dieselben werden u. A. die
Herren Dr. Eller von hier und Hr. Faas von Heidelberg
sprechen und steht ein recht zahlreicher Beſuch der Ver-
sammlung zu erwarten. :
* Aus Baden , 10. Mai. Zeus ſchleudert seine
Blißte! Der Bewegung für das allgemeine und direkte
Wahlrecht, der Bewegung, um den Willen der Gesammt-
heit zum unverfälschten Ausdruck und zur Geltung zu
bringen, tritt die „Karlsruher Zeitung" entgegen. Sie
rollt den Donner und entzündet die Blit-Raketen. „Jeden-
falls – ſo poltert ſie ~ fehlt es an einem genügenden
Grunde zur Cinberufung eines außerordentlichen Land-
tages, der durch leidenſchaftliche Agitationen nicht ersett
werden kann nnd nicht erſezt werden wird." Die jetzigen
Kammern = ſo blitt sie auf ~ in welchen „einzig und
allein die Volksüberzeugung ihren legalen Ausdruck finde“,
würden sich bei ihrem „Zuſammentritt im Herbſt“ mit
der Wahlreformfrage beschäftigen. Der Drang für das
Aufgeben der „nationalen“ ~ ſoll heißen „großpreußiſchen“
Politik sei kein Grund zu einer plötzlichen Verfassungs-
änderung. Es sei ein verderblicher Wahn, zu glauben,
die Ueberzeugung des Volkes sei aus den Resolutionen
erregter Voltsverſammlungen oder durch Adresse - Unter-
ſchriften zuverläsſiger zu erkennen, als aus den „legalen Aus-
sprüchen der Kammern." Die ,85,000 Unterschriften“
hätten zu oft figurirt, als daß das Land über ihren
Werth, bezw. Unwerth nicht vollkommen im Klaren ſein
sollte ;, und es habe in den Jahren 1848 und 1849
die Erfahrung, „daß Straßenparlamente nichts taugen“,
um einen viel zu theueren Preis erkauft, als daß es nach
einer Wiederholung Luſt hätte. Ueberhaupt + jetzt kommt
der heiße Schlag : es sei dafür gesorgt, daß das
Geset seine Autorität behalte . . . Was ſoll
dieser Schlag an den Gewehrkolben gegenüber einer voll-
kommen friedlichen, innerhalb geſsetlicher Schranken ſich
bewegenden Agitation für Wahlreform? It derſelbe die
Folge einer in den leitenden Kreiſen entſtandenen Verwir-
rung, oder ſoll er das Land belehren, wie man in Karls-
ruhe eigentlich die „nationale Liberalität“ verſteht, daß man
keinen Widerspruch ertragen, das Verlangen nach Umtehr
auf den bisher verfolgten falschen Wegen nicht dulden
wird . . . Soll dieſer Schlag etwa ,die Garantie für
ein energiſches Vorgehen der Regierung“ bieten, auf
welche die „Heidelb. Ztg.“ ſehnlichſt wartet, um die „na-
tionalliberale Bewegung“ neu in Fluß zu bringen? Sei
Dem, wie ihm wolle. Jedenfalls iſt die neueste Auslaſſung
der „Karlsr. Ztg.“ ein prachtvolles Seitenſtüc zu der
be - rühmt gewordenen Preß-Ordonnanz aus den erſten