F 185. |
Samirſtag, 7. Auguiſſt.
1869.
Mannheime
r Abendzeitung
Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage + täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
m
Die Mänuqqen für Alles.
Hr. v. Bennigsen, der alle drei (in den vorausge-
gangenen Artikeln ge kennzeichnete) Geſellſchaften präſi-
dirte und die höhere Einheit der drei in ſeiner Perſon
vorſtellte, dieser von leichtgläubigen Mitläufern als ,ge-
heimer Republikaner" verſchrieene Herr v. Bennigsen zog
daher auch am 12. Juli 1866, nach der Schlacht bei
Königgrätz, die Quintessenz aus dem gesammten jahre-
langen Geplappher, mit der ihm eigenthümlichen junker-
lichen Dreistigkeit; der Bismarck der drei Gothaiſchen
Körperschaften berief eine Verſammlung „angesehener po-
litiſcher Männer Norddeutſchland's" nach Hannover. Es
war ein Abgeordnetentag dritter Klaſſe, beſtehend aus ,faſt“
allen Vertretern Hannovers, Deputirten aus Kurhessen,
Braunschweig, Oldenburg, Mecklenburg, Bremen und Ham-
burg. Sachſen waren keine da, auch keine Thüringer,
nicht einmal Naſſauer, und Schleswig-Holsteiner erſt
recht nicht. -
Dieſer Abgeordnetentag dritter Klaſſe war lediglich ein
Annektionstag. Die Erklärung, die er abgab, ging dahin :
Preußen hat gesiegt, folglich muß ihm wenigstens das
ganze Militärwesen, die Auswärtige und Handelspolitik
übertragen werden.
Sodann ward Oesterreich des ,„Verrathes“ bezichtigt,
weil es Venetien an Frankreich abgegeben habe und auf
ein Bündniß mit Frantreich losſteuere!! So nahmen.
die Herren Annektirer den Tag vons Biarritz von den
Schultern Preußens, ſtellten dasſelbe Preußen als ,deutſche
Nationalmacht“ hin, die vom Auslande bedroht werde,
und predigten den „Nationalkrieg" zu Gunsten der preu-
ßiſchen Vergewaltigungen ! ru
Zur Beſschönigung dieser schamlosen Sophisterei wur-
den schließlich „der König und die Staatsmänner Preu-
ßens“ aufgefordert, „ein deutſches Parlament zu verſam-
meln und den Grund zu einem freien deutschen Staats-
weſen und einer wahrhaft nationalen Politik zu legen“.
Wer lacht da? ~ „Cine gewaltige Zeit fordert kraftvolle
Männer und große Entſchlüſſen. Männer, wie die des
Nationalvereins und der drei Abgeordnetentage, nament-
lich wie der Präsident aller vier Geſellſchaften, wie Herr
Rudolf von Bennigsen! Der preußiſche . Militärkomman-
dant der Stadt Hannover ließ die Tröpfe ruhig berathen
und pronunziren; jeder preußiſche Unteroffizier weiß, was
er von solchen Phraſen zu halten hat. .
Der Abgeordnetentag dritter Klaſſe wandte sich auch
an das Volk in Süddeutſchland, welches am 12. Juli
im Kriege mit Preußen war! Die „Ansprache“ ist der
obigen Erklärung durchaus würdig. Preußen wird ent-
ſchuldigt, daß es mit Italien und indirekt mit Frankreich
gegen Deutſchland kabalirt habe, Oesterreich aber mit dem
ſchweren Bann belegt, weil es sich den einen seiner Geg-
ner vom Halse zu schaffen suchte! Das Volk in Süd-
deutſchland, das mit Preußen ſoeben die Waffen kreuzte,
ward aufgefordert, mit Preußen gegen Frankreich zu
kämpfen! Es sollte sich den wirklichen Feinden in die
_ Arme werfen, um den angeblichen Feind zu schrecken! Es
sollte ſich Preußen unterwerfen, um von diesem ausge-
lacht und hörig gemacht zu werden !
Das ist Herr von Bennigsen, der große Korruptor
des Nationalvereines, der gelungene Cornac des Abge-
ordnetentages erſter und zweiter Klaſſe, der Regiſſeur und
Souffleur des dritten Abgeordnetentages, der Kuppler
zwiſchen der deutſchen Nation und ihrem Büttel, der
ſchnöde Helfershelfer der preußiſchen Junterpolitik, der
Schlauberger, der die Gouverneurſtelle in Hannover nicht
annahm, der parlamentarische Einpeitſcher des Herrn von
Bickmarck, dem der Mann von „Blut und Eisen“ nicht
einmal den wohlverdienten Fußtritt appliziren kann, weil
jener der Theorie vom Hohenzollern'schen Militärdespotis-
mus „immer um einen Schritt voraus iſt‘. Und welche
_ Entſchuldigungen konnten dieſe Schleppträger und Spei-
chellecker des Neupreußenthums vorzubringen haben; auf
welchen plauſiblen Vorwand hin haben ſie ihre eigene
Reputation, woran wenig liegt, und die Reputation
Deutschlands vor Europa, woran ſehr viel liegt, blosge-
ſtelt? Welche Pfänder hatte Preußen gegeben, welche
Bürgschaft geboten? ~ Die Antwort im Schlußartikel.
sss: I E .
= 555
ſächsischen Miniſter Friesen in dem diplomatiſchen Noten-
wechſel mit dem Grafen Beuſt zu Hilfe kommt. Sie
freuen sich „der Schätfe der Zurüctweiſung“, welche Alles
übertreffe, was dem Grafen Beuſt in der französiſch-belgi-
ſchen Angelegenheit geſagt worden sei . . . und machen
den National-Liberalen rechts und links vom Maine zum
beſten Gebrauch die wohlklingende Phrase zurecht: diese
Schärfe gebe den erfreulichſten Beweis für die ernſte und
strenge Auffasſung , welche die Berliner Regierung von
ihren Pflichten gegen den Nordbund in deſſen Beziehungen
zum Auslande habe. |
Wenn die Depesche der Berliner Regierung ſagt:
Unsere Mittheilungen an deutſche Regierungen entziehen
ſich jeder Kontrole auswärtiger Kabinete und in noch
höherem Grade. vermöge der Solidarität der Norddeutschen
Bundesdiplomatie diejenigen, die wir nach Dresden rich-
ten,“ so wird dieſe Phrafe in nationalliberalen Kreiſen
ſelbſtverſtändlich sehr große Befriedigung erregen, um so
größere + bemerkt die „Frfr. Ztg." + als darin der
Uebergang über den Main sozusagen schon vollzogen, und
auch . die Beziehungen Preußens zu den ſüddeutſchen
Staaten als innere Angelegenheiten regiſtrirt ſind. Der
thatſächlichen Lage der Dinge entſpricht die Phraſe jedoch
sehr wenig. Die Mittheilungen, welche von Seiten Preu-
ßens an die norddeutſchen Höfe ergehen, werden sich nur
in einem Falle der Notiznahme, Kritik und Kontrole des
Auslandes entziehen, wenn das preußiſche Kabinet die-
ſelben geheimzuhalten versteht. Die ſüddeutſchen Regie-
rungen werden ſich voraussichtlich ſelber das Recht nicht
ſtreitig machen lassen, in internationalen Angelegenheiten,
und die belgiſch-franzöſiſche Affaire war eine ſolche, anch
dann sich freie Diskusſion offen zu halten, wenn Preußen
ihnen Mittheilungen gemacht hat. Und was Sadchſen
betrifft, ſo wird ihm Preußen erſt von Bundeswegen die
Geſandiſchaft in Wien aufheben und die Annahme einer
öſterreichiſchen Gesandtschaft in Dresden verbieten miissen,
ehe es daſſelbe faktisch hindern kann, mit auswärtigen
Regierungen über internationale Angelegenheiten einen
Meinungsaustauſch stattfinden zu laſſen. Was wir im
Ganzen aus der Thile’ſchen Depeſche herauslesen, ist ein
ſichtlicher Aerger und eine unverkennbare Erbitterung der
preußiſchen Regierung darüber, daß Graf Beuſt die Art,
wie ſie das in ihren Besſit gelangte Material am ſäch-
siſchen Hofe verwandte, an's Licht gezogen hat.
Der Inhalt der neueſten Nummer der „Zukunft“. hat
die Berli ner Polizei derart angeſprochen, daß ſie die
ganze Auflage des Blattes in Beſchlag nahm und keiner
Menſchenſeele ein Eremplar zukommen ließ.
In Wien iſt man der Ansicht, die Buchareſter
Alarmnachricht, daß aus Ungarn eine bewaffnete Bande
in Rumänien eingebrochen sei, werde ſich wahrscheinlich
dahin aufklären, daß aus Anlaß von Waidesſtreitigkeiten
eine jener Raufereien stattgefunben hat , wie ſie bei der
halbwilden Nomadenbevölkerung der Grenze und bei den
wenig geregelten Eigenthums- und Beſitzverhältnissen von
jeher an der Tagesordnung ſind. Daß wenigstens Dem,
was dort vorgefallen, nicht die mindeſte Bedeutung bei-
gemesſen wird, geht wohl daraus hcrvor, daß aus Peſsth,
wohin sich schon vor 4 oder 5 Tagen die Wiener Reichs-
regierung um Aufklärung gewendet , noch gar nicht ein-
mal eine Antwort eingetroffen iſt, und gar die Meldung
von einem nach Wien gelangten rumänischen Protest voll-
ſtändig erfunden iſt.
Die franzöſi ſche Poſt iſt heute ziemlich arm an
Neuigkeiten. Der „Avenir national“ wiederhalt das Ge-
rücht der Kaiser werde am Napoleonstage, 15. Auguſt,
ein Manifest an die franzöſiſche Nation erlaſſen. Das
Dokument würde in Form eines Briefes oder einer Rede
erscheinen und aus dem Lager von Chalons kommen ;
jedenfalls ein vortrefflich gewählter Ort, um von Frei-
heit und parlamentariſchen Reformen zu sprechen. In
den leßkten Tagen war in Paris wieder viel die Rede
davon, das Befinden des erkrankten Marsſchall Niel habe
ſich verschlimmert. Die „France" befindet sich daraufhin
in der Lage, die betreffenden Gerüchte als sehr übertrieben
bezeichnen zu können. Der Kranke hat die letzte Nacht
viel beſſer zugebracht, als die vorhergehenden; die Kriſen
sind weniger zahlreich geworden und sein Zuſtand wird
als relativ befriedigend angesehen.
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 6. Auguſt.
* Die Berliner Offiziöſen bejubeln die Depeſche
des preußiſchen Kabinets, in welcher dieses dem
Deutſchland.
* Mannheim, 6. Aug. In national - liberalen
Blättern las man vor wenigen Tagen „über die Steuer-
verhältnisse, wie sie ſich nach den ſtatiſtischen Handbuche
des bekannten preußenfeindlichen bayeriſchen Abgeordneten
Ko lb ergeben“ : daß in Bayern der Kopfantheil bei
den indirekten Steuern größer ſei als in Preußen,
und 1864 sogar der gesammte perſönliche Steuerbetrag
in Bayern jenen in Preußen um 8 Sgr. überstiegen
habe. Nun meldet die „Frkfr. Ztg.“, daß von den be-
züglichen Zahlen sich „auch nicht eine einzige in dem tatiſtiſchen
Handbuche Kolbs“ finde, daß „die ganze Berechnung
diesem Statistiker unterscho ben iſt. Nach den von
Kolb 1865 gemachten Aufstellungen ergab sich damals
eine Mehrbvelaſtung jeder Familie in Preußen von nahezu
3 Thalern gegenüber von Bayern. Spätere Aufstellungen
Kolbs liegen nicht vor ~ wohl aber bekannte Unwahr-
heiten der National-Liberalen.
Im achten und neunten Wahldiſtrikte erhielten die
National-Liberalen ſchwache Mehrheit der Stimmen.
Das hiesige Journal sieht sich veranlaßt die „Bürger-
rechte" der ſtädtiſchen Bedienſleten, welche ſich bei der
Wahlagitation betheiligen, in Schuß zu nehmen. Wir
waren keinen Augenblick gewillt, denſelben ihce Bürger-
rechte zu schmälern. Nur wollten wir darauf aufmerk-
sam machen, daß ſtädtiſche Bedienstete ſich wenig dazu
eignen, Wahlvorſchläge den Wählern zuzuſtellen, weil
hiedurch gar leicht die Meinung hervorgerufen werden
kann, die ſtädtiſchen Behörden wollten irgend welchen
Einfluß und Druck auf die freie Entſchließzung der
Wähler ausüben. Es ist dieß ganz besonders bei der
noch in Uebung befindlichen öff entichen Stimm-
gebung und der dadurch ermöglichten Kontrole der
Abstimmenden der Fall ; wie denn bei der gegewärtigen
Wahlhandlung sich nur zu ſehr ergiebt , daß die öffent-
liche Abſtimmung wohl für nicht wenige Wähler Veran-
laſung genug iſt, im Sinne der herrſchenden Partei zu
stimmen + oder wenigstens sich der Abſtimmung zu ent-
alten.
; D. Pforzheim, 5. Auguſt. An Stelle des bis-
herigen Zweiten Bürgermeisters Karl Gruner, welcher aus
Mangel an freundlicher Begegnung und Nachsicht von
Seiten seiner Gemeinderaths-Genoſſen auf sein Amt ver-
zicht geleiſtet hat, iſt vorgestern Kaufmann Ludwig Franz-
mann mit 36 von 683 Stimmen gewählt worden. In
politischer Beziehung dürfte daraus weder ein Gewinn
noch ein Verluſt gefolgert werden. Denn, obgleich der
Neugewählte zur national-liberalen Partei zählt, ſo ist
er doch ſo verſtändig, daß er deren Uebertreibuugen und
Verleumdungen, womit ich das Märchen des Bündniſſses
der Demokraten mit den Ultramontanen hauptfächlich be-
zeichnen will, schwerlich billigt.
Unverſchäimte Behauptungen ſtellt übrigens deren
Partei-Organ immerfort auf. So las man jüngjit darin:
der ſtar ke Staat sei den Demokraten ein Dorn im
Auge. Der nationalliberale Schriftſteller vergißt ſcheints,
daß wir Demokraten alle jungen Männer wehrtüchtig
machen wollen, während Preußen nur ein Drittheil
einübt. Der nationalliberale Schriftſteller vergißt ſcheints,
daß jene Staaten am ſtärkſten ſind , welche die Frage
über Krieg und Frieden der Volksvertretung überlaſſen
und sie nicht von der unvera n twortlichen Willkür
eines unv e r antwortl iche n Fürſten abhängig machen.
Der nationalliberale Schriftſteller behauptet ferner: ,die
Demokratee wolle den Staat ruiniren, ſie ſei arm an
poſitiven Vorschlägen, reich an Verläsſterungen.“
Hier besteht doch ein Uebermaß von Frechheit. Denn
daß wir nur aussſchneiden wollen, was f a ul iſt im
Staate Deutschland, daß wir die feierlich zugesagten
Grundrechte für ganz Deutschland begehren, daß
wir Bundesbruch, Landesv e rrat h und Ver-
b rechen gegen die Volkshoheit mit ihrem wahren
Namen bezeichnen , weiß jedermaun, wer nur ein bischen
ſich um ſtaatliche Verhältniſſe bekümmert. Und daß die
Demokratie alle Junterlichteit, wie in Süd,-so in Nords
deutschland zu beseitigen ſtrebt, und deßhalb mit den
Mecklenburgern ſowohl als mit den unglücklichen Unter-
thanen der preußiſchen Nordjunker tiefes Mitleid hegt,
iſt allbetann. Cs liegt daher eine unwürdige An-
maßung in dem nationalliberalen Sätzchen: ,die Demos
kratie hege Liebhaberei für die junkerlich ſt en Klein-
fam. Fallstaff-Schriftſteller hat ſicherlich in der A
B C Schule ein Sprüchlein gelernt: Verläumde ketlich,
s’ bleibt immer was hängen!,, ſtatt das Sprüchlein „Rede
die Wahrheit“ in seinem Gewisſſen zu bewahren.
/\ Konſtanz, 4. Auguſt. Heute saß der Redaks
teur der „Konstanzer Zeitung“, Hr. Ammon, auf der
e.
Z t G ZG: UU G; t zzz E § :
§ E ELO N E Ü E TE E R E ES HB r LE LE F FEE EE E rÄR rr EÜ rc; {n
. S Vc§y U OR B O. TCE S E E ; E Z U s ? S pW:
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Samirſtag, 7. Auguiſſt.
1869.
Mannheime
r Abendzeitung
Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage + täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
m
Die Mänuqqen für Alles.
Hr. v. Bennigsen, der alle drei (in den vorausge-
gangenen Artikeln ge kennzeichnete) Geſellſchaften präſi-
dirte und die höhere Einheit der drei in ſeiner Perſon
vorſtellte, dieser von leichtgläubigen Mitläufern als ,ge-
heimer Republikaner" verſchrieene Herr v. Bennigsen zog
daher auch am 12. Juli 1866, nach der Schlacht bei
Königgrätz, die Quintessenz aus dem gesammten jahre-
langen Geplappher, mit der ihm eigenthümlichen junker-
lichen Dreistigkeit; der Bismarck der drei Gothaiſchen
Körperschaften berief eine Verſammlung „angesehener po-
litiſcher Männer Norddeutſchland's" nach Hannover. Es
war ein Abgeordnetentag dritter Klaſſe, beſtehend aus ,faſt“
allen Vertretern Hannovers, Deputirten aus Kurhessen,
Braunschweig, Oldenburg, Mecklenburg, Bremen und Ham-
burg. Sachſen waren keine da, auch keine Thüringer,
nicht einmal Naſſauer, und Schleswig-Holsteiner erſt
recht nicht. -
Dieſer Abgeordnetentag dritter Klaſſe war lediglich ein
Annektionstag. Die Erklärung, die er abgab, ging dahin :
Preußen hat gesiegt, folglich muß ihm wenigstens das
ganze Militärwesen, die Auswärtige und Handelspolitik
übertragen werden.
Sodann ward Oesterreich des ,„Verrathes“ bezichtigt,
weil es Venetien an Frankreich abgegeben habe und auf
ein Bündniß mit Frantreich losſteuere!! So nahmen.
die Herren Annektirer den Tag vons Biarritz von den
Schultern Preußens, ſtellten dasſelbe Preußen als ,deutſche
Nationalmacht“ hin, die vom Auslande bedroht werde,
und predigten den „Nationalkrieg" zu Gunsten der preu-
ßiſchen Vergewaltigungen ! ru
Zur Beſschönigung dieser schamlosen Sophisterei wur-
den schließlich „der König und die Staatsmänner Preu-
ßens“ aufgefordert, „ein deutſches Parlament zu verſam-
meln und den Grund zu einem freien deutschen Staats-
weſen und einer wahrhaft nationalen Politik zu legen“.
Wer lacht da? ~ „Cine gewaltige Zeit fordert kraftvolle
Männer und große Entſchlüſſen. Männer, wie die des
Nationalvereins und der drei Abgeordnetentage, nament-
lich wie der Präsident aller vier Geſellſchaften, wie Herr
Rudolf von Bennigsen! Der preußiſche . Militärkomman-
dant der Stadt Hannover ließ die Tröpfe ruhig berathen
und pronunziren; jeder preußiſche Unteroffizier weiß, was
er von solchen Phraſen zu halten hat. .
Der Abgeordnetentag dritter Klaſſe wandte sich auch
an das Volk in Süddeutſchland, welches am 12. Juli
im Kriege mit Preußen war! Die „Ansprache“ ist der
obigen Erklärung durchaus würdig. Preußen wird ent-
ſchuldigt, daß es mit Italien und indirekt mit Frankreich
gegen Deutſchland kabalirt habe, Oesterreich aber mit dem
ſchweren Bann belegt, weil es sich den einen seiner Geg-
ner vom Halse zu schaffen suchte! Das Volk in Süd-
deutſchland, das mit Preußen ſoeben die Waffen kreuzte,
ward aufgefordert, mit Preußen gegen Frankreich zu
kämpfen! Es sollte sich den wirklichen Feinden in die
_ Arme werfen, um den angeblichen Feind zu schrecken! Es
sollte ſich Preußen unterwerfen, um von diesem ausge-
lacht und hörig gemacht zu werden !
Das ist Herr von Bennigsen, der große Korruptor
des Nationalvereines, der gelungene Cornac des Abge-
ordnetentages erſter und zweiter Klaſſe, der Regiſſeur und
Souffleur des dritten Abgeordnetentages, der Kuppler
zwiſchen der deutſchen Nation und ihrem Büttel, der
ſchnöde Helfershelfer der preußiſchen Junterpolitik, der
Schlauberger, der die Gouverneurſtelle in Hannover nicht
annahm, der parlamentarische Einpeitſcher des Herrn von
Bickmarck, dem der Mann von „Blut und Eisen“ nicht
einmal den wohlverdienten Fußtritt appliziren kann, weil
jener der Theorie vom Hohenzollern'schen Militärdespotis-
mus „immer um einen Schritt voraus iſt‘. Und welche
_ Entſchuldigungen konnten dieſe Schleppträger und Spei-
chellecker des Neupreußenthums vorzubringen haben; auf
welchen plauſiblen Vorwand hin haben ſie ihre eigene
Reputation, woran wenig liegt, und die Reputation
Deutschlands vor Europa, woran ſehr viel liegt, blosge-
ſtelt? Welche Pfänder hatte Preußen gegeben, welche
Bürgschaft geboten? ~ Die Antwort im Schlußartikel.
sss: I E .
= 555
ſächsischen Miniſter Friesen in dem diplomatiſchen Noten-
wechſel mit dem Grafen Beuſt zu Hilfe kommt. Sie
freuen sich „der Schätfe der Zurüctweiſung“, welche Alles
übertreffe, was dem Grafen Beuſt in der französiſch-belgi-
ſchen Angelegenheit geſagt worden sei . . . und machen
den National-Liberalen rechts und links vom Maine zum
beſten Gebrauch die wohlklingende Phrase zurecht: diese
Schärfe gebe den erfreulichſten Beweis für die ernſte und
strenge Auffasſung , welche die Berliner Regierung von
ihren Pflichten gegen den Nordbund in deſſen Beziehungen
zum Auslande habe. |
Wenn die Depesche der Berliner Regierung ſagt:
Unsere Mittheilungen an deutſche Regierungen entziehen
ſich jeder Kontrole auswärtiger Kabinete und in noch
höherem Grade. vermöge der Solidarität der Norddeutschen
Bundesdiplomatie diejenigen, die wir nach Dresden rich-
ten,“ so wird dieſe Phrafe in nationalliberalen Kreiſen
ſelbſtverſtändlich sehr große Befriedigung erregen, um so
größere + bemerkt die „Frfr. Ztg." + als darin der
Uebergang über den Main sozusagen schon vollzogen, und
auch . die Beziehungen Preußens zu den ſüddeutſchen
Staaten als innere Angelegenheiten regiſtrirt ſind. Der
thatſächlichen Lage der Dinge entſpricht die Phraſe jedoch
sehr wenig. Die Mittheilungen, welche von Seiten Preu-
ßens an die norddeutſchen Höfe ergehen, werden sich nur
in einem Falle der Notiznahme, Kritik und Kontrole des
Auslandes entziehen, wenn das preußiſche Kabinet die-
ſelben geheimzuhalten versteht. Die ſüddeutſchen Regie-
rungen werden ſich voraussichtlich ſelber das Recht nicht
ſtreitig machen lassen, in internationalen Angelegenheiten,
und die belgiſch-franzöſiſche Affaire war eine ſolche, anch
dann sich freie Diskusſion offen zu halten, wenn Preußen
ihnen Mittheilungen gemacht hat. Und was Sadchſen
betrifft, ſo wird ihm Preußen erſt von Bundeswegen die
Geſandiſchaft in Wien aufheben und die Annahme einer
öſterreichiſchen Gesandtschaft in Dresden verbieten miissen,
ehe es daſſelbe faktisch hindern kann, mit auswärtigen
Regierungen über internationale Angelegenheiten einen
Meinungsaustauſch stattfinden zu laſſen. Was wir im
Ganzen aus der Thile’ſchen Depeſche herauslesen, ist ein
ſichtlicher Aerger und eine unverkennbare Erbitterung der
preußiſchen Regierung darüber, daß Graf Beuſt die Art,
wie ſie das in ihren Besſit gelangte Material am ſäch-
siſchen Hofe verwandte, an's Licht gezogen hat.
Der Inhalt der neueſten Nummer der „Zukunft“. hat
die Berli ner Polizei derart angeſprochen, daß ſie die
ganze Auflage des Blattes in Beſchlag nahm und keiner
Menſchenſeele ein Eremplar zukommen ließ.
In Wien iſt man der Ansicht, die Buchareſter
Alarmnachricht, daß aus Ungarn eine bewaffnete Bande
in Rumänien eingebrochen sei, werde ſich wahrscheinlich
dahin aufklären, daß aus Anlaß von Waidesſtreitigkeiten
eine jener Raufereien stattgefunben hat , wie ſie bei der
halbwilden Nomadenbevölkerung der Grenze und bei den
wenig geregelten Eigenthums- und Beſitzverhältnissen von
jeher an der Tagesordnung ſind. Daß wenigstens Dem,
was dort vorgefallen, nicht die mindeſte Bedeutung bei-
gemesſen wird, geht wohl daraus hcrvor, daß aus Peſsth,
wohin sich schon vor 4 oder 5 Tagen die Wiener Reichs-
regierung um Aufklärung gewendet , noch gar nicht ein-
mal eine Antwort eingetroffen iſt, und gar die Meldung
von einem nach Wien gelangten rumänischen Protest voll-
ſtändig erfunden iſt.
Die franzöſi ſche Poſt iſt heute ziemlich arm an
Neuigkeiten. Der „Avenir national“ wiederhalt das Ge-
rücht der Kaiser werde am Napoleonstage, 15. Auguſt,
ein Manifest an die franzöſiſche Nation erlaſſen. Das
Dokument würde in Form eines Briefes oder einer Rede
erscheinen und aus dem Lager von Chalons kommen ;
jedenfalls ein vortrefflich gewählter Ort, um von Frei-
heit und parlamentariſchen Reformen zu sprechen. In
den leßkten Tagen war in Paris wieder viel die Rede
davon, das Befinden des erkrankten Marsſchall Niel habe
ſich verschlimmert. Die „France" befindet sich daraufhin
in der Lage, die betreffenden Gerüchte als sehr übertrieben
bezeichnen zu können. Der Kranke hat die letzte Nacht
viel beſſer zugebracht, als die vorhergehenden; die Kriſen
sind weniger zahlreich geworden und sein Zuſtand wird
als relativ befriedigend angesehen.
Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 6. Auguſt.
* Die Berliner Offiziöſen bejubeln die Depeſche
des preußiſchen Kabinets, in welcher dieses dem
Deutſchland.
* Mannheim, 6. Aug. In national - liberalen
Blättern las man vor wenigen Tagen „über die Steuer-
verhältnisse, wie sie ſich nach den ſtatiſtischen Handbuche
des bekannten preußenfeindlichen bayeriſchen Abgeordneten
Ko lb ergeben“ : daß in Bayern der Kopfantheil bei
den indirekten Steuern größer ſei als in Preußen,
und 1864 sogar der gesammte perſönliche Steuerbetrag
in Bayern jenen in Preußen um 8 Sgr. überstiegen
habe. Nun meldet die „Frkfr. Ztg.“, daß von den be-
züglichen Zahlen sich „auch nicht eine einzige in dem tatiſtiſchen
Handbuche Kolbs“ finde, daß „die ganze Berechnung
diesem Statistiker unterscho ben iſt. Nach den von
Kolb 1865 gemachten Aufstellungen ergab sich damals
eine Mehrbvelaſtung jeder Familie in Preußen von nahezu
3 Thalern gegenüber von Bayern. Spätere Aufstellungen
Kolbs liegen nicht vor ~ wohl aber bekannte Unwahr-
heiten der National-Liberalen.
Im achten und neunten Wahldiſtrikte erhielten die
National-Liberalen ſchwache Mehrheit der Stimmen.
Das hiesige Journal sieht sich veranlaßt die „Bürger-
rechte" der ſtädtiſchen Bedienſleten, welche ſich bei der
Wahlagitation betheiligen, in Schuß zu nehmen. Wir
waren keinen Augenblick gewillt, denſelben ihce Bürger-
rechte zu schmälern. Nur wollten wir darauf aufmerk-
sam machen, daß ſtädtiſche Bedienstete ſich wenig dazu
eignen, Wahlvorſchläge den Wählern zuzuſtellen, weil
hiedurch gar leicht die Meinung hervorgerufen werden
kann, die ſtädtiſchen Behörden wollten irgend welchen
Einfluß und Druck auf die freie Entſchließzung der
Wähler ausüben. Es ist dieß ganz besonders bei der
noch in Uebung befindlichen öff entichen Stimm-
gebung und der dadurch ermöglichten Kontrole der
Abstimmenden der Fall ; wie denn bei der gegewärtigen
Wahlhandlung sich nur zu ſehr ergiebt , daß die öffent-
liche Abſtimmung wohl für nicht wenige Wähler Veran-
laſung genug iſt, im Sinne der herrſchenden Partei zu
stimmen + oder wenigstens sich der Abſtimmung zu ent-
alten.
; D. Pforzheim, 5. Auguſt. An Stelle des bis-
herigen Zweiten Bürgermeisters Karl Gruner, welcher aus
Mangel an freundlicher Begegnung und Nachsicht von
Seiten seiner Gemeinderaths-Genoſſen auf sein Amt ver-
zicht geleiſtet hat, iſt vorgestern Kaufmann Ludwig Franz-
mann mit 36 von 683 Stimmen gewählt worden. In
politischer Beziehung dürfte daraus weder ein Gewinn
noch ein Verluſt gefolgert werden. Denn, obgleich der
Neugewählte zur national-liberalen Partei zählt, ſo ist
er doch ſo verſtändig, daß er deren Uebertreibuugen und
Verleumdungen, womit ich das Märchen des Bündniſſses
der Demokraten mit den Ultramontanen hauptfächlich be-
zeichnen will, schwerlich billigt.
Unverſchäimte Behauptungen ſtellt übrigens deren
Partei-Organ immerfort auf. So las man jüngjit darin:
der ſtar ke Staat sei den Demokraten ein Dorn im
Auge. Der nationalliberale Schriftſteller vergißt ſcheints,
daß wir Demokraten alle jungen Männer wehrtüchtig
machen wollen, während Preußen nur ein Drittheil
einübt. Der nationalliberale Schriftſteller vergißt ſcheints,
daß jene Staaten am ſtärkſten ſind , welche die Frage
über Krieg und Frieden der Volksvertretung überlaſſen
und sie nicht von der unvera n twortlichen Willkür
eines unv e r antwortl iche n Fürſten abhängig machen.
Der nationalliberale Schriftſteller behauptet ferner: ,die
Demokratee wolle den Staat ruiniren, ſie ſei arm an
poſitiven Vorschlägen, reich an Verläsſterungen.“
Hier besteht doch ein Uebermaß von Frechheit. Denn
daß wir nur aussſchneiden wollen, was f a ul iſt im
Staate Deutschland, daß wir die feierlich zugesagten
Grundrechte für ganz Deutschland begehren, daß
wir Bundesbruch, Landesv e rrat h und Ver-
b rechen gegen die Volkshoheit mit ihrem wahren
Namen bezeichnen , weiß jedermaun, wer nur ein bischen
ſich um ſtaatliche Verhältniſſe bekümmert. Und daß die
Demokratie alle Junterlichteit, wie in Süd,-so in Nords
deutschland zu beseitigen ſtrebt, und deßhalb mit den
Mecklenburgern ſowohl als mit den unglücklichen Unter-
thanen der preußiſchen Nordjunker tiefes Mitleid hegt,
iſt allbetann. Cs liegt daher eine unwürdige An-
maßung in dem nationalliberalen Sätzchen: ,die Demos
kratie hege Liebhaberei für die junkerlich ſt en Klein-
fam. Fallstaff-Schriftſteller hat ſicherlich in der A
B C Schule ein Sprüchlein gelernt: Verläumde ketlich,
s’ bleibt immer was hängen!,, ſtatt das Sprüchlein „Rede
die Wahrheit“ in seinem Gewisſſen zu bewahren.
/\ Konſtanz, 4. Auguſt. Heute saß der Redaks
teur der „Konstanzer Zeitung“, Hr. Ammon, auf der
e.
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