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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 232 - No. 258 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0981

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F L41.



Organ



der deulſchen Vo







J f; S

Iksparlei in





Paden.







Die „Mannheimer Abendzeitung" wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage —
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Betitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.

täglich als Abendblait ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Voſtauſſchlag
Peftellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.







Beuſt und Giskra.
“ H Gs soll alſo doch wahr sein, es steht ja geſchrieben:
die heilige Allianz rückt heran, sie iſt ſchon dae. Aus
Prag meldet man's der „N. Fr. Preſſe“, die ſelbſt nicht
daran glaubt, „durchwegs verbürgt“. Graf Beuſt hat in
Prag erklärt, die Annäherung der drei Regierungen von
Preußen, Rußland und Odfsterreich sei vorhanden, sie habe
jedoch „keinen andern Zweck als die Verbürgung des

Friedens und des monarchiſchen Prinzips für den

Fall, daß der Tod Napoleons IM. in Franktreich eine
revolutionäre Schilderhebung im Geleite haben ſollte."
Einstweilen aber habe er, Beuſt, den Franzoſenkaiſer zu
den liberalſten Konzeſſionen vermocht. Die Franzosen
würden auch in den erſten Tagen des Dezember ~ na-
türlich am 2. © eine ungeheuer liberale Verfaſſung be-
kommen, welche die „weitgehendſten Wünſche befriedigen“
und das Volk mit dem Kaiser „ausſöhnen“ würde.

Nach dieser Mittheilung, welche erſt die Krone der
Beuſt' schen Reiſenovellen bildet, besorgt der öſterreichiſche
Reichstanzler zunächſt den Frieden Europa's, d. h. Ru he
und Ordnung im Innern der Staaten, einer französiſchen
Revolution gegenüber; und dann gibt er den Franzoſen
die Republik mit dem Empereur an der Spitze, zur „Be-
friedigung der weitgehendſten Wünſche." O über diesen
unübertrefflichen Ausgleicher!

Man ſieht an unserer Behandlung der Sache, daß
wir uns zu der angeblichen Schwenkung des Grafen Beuſt
ſehr ſkeptiſch verhalten. Ein so hirnverbranntes Ding wie
eine neue heilige Allianz wird niemals in den Kopf des
klugen Grafen eingehen; unter ihm hat Oeblterreich die
Intereſsen-Politik aufgepflanzt und die wurnſtichige
Tradition ~ etwas sehr ſpät + fahren lassen. Er weiß, daß
ein fortſchreitend liberales Oeſterreich-Ungarn nichts von einem
Pariſer Stoß zu befürchten hätte, daß die Befriedigung
des deutſchen und des ungariſchen Elementes eine
eiſerne Garantie wider alle Gelüste der ,Nationalitäten“

cbildet. Er mag die Republik lieben oder haſſen ~ wir

glauben keines von beiden =-, aber eine französiſche Re-
publik wird ihn nicht erſchrecken, und wenn Cäsar ihn nicht
hinderte, in freundliche Beziehungen zuFranteeich zu treten, ſo
würde der Senat keinStein des Anſtoßes sein. Intereſsen-
politik, die Franz I. vonFrankreich mit dem Sultan aller
Moslemim zuſammenbrachte, würde auch den Grafen Beuſt
gegebenen Falles einer französſiſchen Repulik nähern.
Weit bedentlicher als. Graf Beuſt iſt uns der zislei-
thaniſche Miniſter des Innern, Dr. Giskra , der es
noch immer nicht zu ſtaatsmänniſcher Höhe und Ruhe
bringen kann. Herr Giskra entwickelt eine wahre
Wuth gegen die Arbeiterbewegung; er genirt ſich als

ihrertlärter Feind und tritt ſtets ab irato gegen sie auf. Ein

Staatsmann darf bedenkliche Symptome mit wachſamem
Auge verfolgen, er darf die Strenge der Gesetße gegen sie
anrufen und anwenden; aber er wird ſich ſorgfältig
hüten, Ideen töd ten zu wollen und perſönliche Ani-
mosität durchblicken zu laſſen. ;

Nun ist aber die Bewegung im Schooße der arbeiten-
den Klaſsen von einer J dee getragen, von der Idee der

| Ausgleichung der Lebensstellungen, von der Jdee der

austheileuden Gerechtigkeit. Daß hier wie bei allen ge-
ſellſchaftlichen Reformen Extreme ſich bilden , Erzeſſe vor-
fallen, weiß mit der Zeit jedes Kind. Nur dem öſterreichi-
ſchen Minister des Innern ſcheint dieser Gemeinplatz nicht
geläufig zu sein. Er thut auf gut päpstiſch die Ciſen-
a < e r Beſchlüſſe einfach in den Ba nn und instruirt seine

î HProvinzialſtatthalter dahin, solche Dinge nicht anftommen

pr licher: Er will so etwas nicht hören, das darf nicht

Noch mehr, Hr. Gistra miſcht ſich in den franzöſi-
„ſchen Familienſtreit zwiſchen Napoleon und der Oppoſition,
und während die Umſtände Napoleon gezwungen haben,
mne radikale Preſſe zu dulden und unverfolgt zu laſſen,

greift ihm Hr. Giskra ins Handwerk und verbietet Knall

„und Fall „Le Reveil“. „wegen ſeiner beharrlichen Verfol-

gung einer. der monarchiſchen Regierungsform und den |
Grundlagen der Staatsgeſellſchaft feindſeligen und aufs |

reizenden Tendenz.“
_ n Frankreich ſind bekanntlich alle Kinder ſo gebildet,

franzöſiſch zu verſtehen;, Oeſterreich steht in diesem Punkte

zurück. Wer in Oeſterreich soll durch den französischen
: „Reveil“ verdorben werden,. und wozu der ganze Lärm ?
Hr. Giskra ſteigert offenbar seinen monarchiſchen Zorn
mit der Zeit: Zuerſt belegte er die „Vereinigten Staaten“
mit dem polizeilichen Interdikt; dann plünderte er das







E

Genfer ,„Felleiſen“ ; jezt kommt die Reihe schon an fremde
Sprachen! Wo ſoll das hinaus, und welche Stellung gibt
sich ein öſterreichischer Miniſter der Neuen Aera!

Baoliitiſche Ueberſicht.
: Mannheim, 11. Ottober.

* Sehr bezeichnend iſt es, daß die Wiener Offiziö-
sen gerade die Anwesenheit des preußiſchen Thron-
folg ers iv Wien benußen, um mit beſonderem Nach-
druck den unveränderten Standpunkt der öſterreichiſchen
Regierung zu betonen und alle Unterſtellungen einer en-
geren Verbindung mit Preußen abzufertigen. So em-
pþfängt das „Neue Fremdenbl.“ den Kronprinzen mit ei-
ner Erinnerung an einen früheren freundſchaftlichen Be-
ſuch deſſelben in Wien, 1853, nur „um die JIluſion
oder anderseits die Befürchtung zu beſeitigen, die Anweſen-
heit eines Mitglieds des preußiſchen Königshauſes in
Wien müſ sse eine große politiſche Bedeutung haben.“

Das ,N. Fr.“ fährt fort: . „Wir ſprechen von Befürchs |

tung, weil es nahezu inder öffentlichen Meinung zum
Ariom geworden iſt, eine innige Beziehung Oeſterreichs
zu Preußen als Quelle der inneren Reaktion und des
Zerwürfniſſes mit Frankreich anzusehen.

„Wenn es wirklich unvermeidlich iſt, daß ein intimes
Verhältniß Oeſterreichs zu Preußen einen Gegenſat zu
den guten Beziehungen zwiſchen Oesterreich und Frank-
reich bilden muß, so iſt schon durch diesen Gegenſatz jene
Intimität eine Unmöglichkeit. Denn eine An-
näherung der beiden großen deutſchen Mächte kann nur
im Intereſſe des europäischen Friedens ſich vollziehen;
dieser wäre aber sofort kompromittirt, wenn man in Frank-
reich nur einen Augenblick dem Gedanken ſich hingeben
würde, daß die neue nordiſche Allianz gegen Frantreich
gerichtet ſei.

„Eine Gefahr für den ouxopäiſchen Frieden wäre es
ferner, wenn Preußen aus der Freundſchaſt mit Oeſter-
reich ſit eine Brücke über den Ma in nach. Süds
deutſchland oder sonstig eine Erweiterung des Nordbundes
ableiten wollte. Denn wenn auch Oesterreich beide Augen
zudrücken wollte, so würde es Frantreich nicht ohne den
heftigſten Widerſtand geſchehen laſſen. Die Interessen
Oſsterreichs ſind aber ihrer Natur nach identiſcher mit
denen Frankreichs als mit denen Preußens. Franteeich
würde also bei allen großen Lebensfragen Oesterreich eher
neben sich als gegenüber sehen.“

Das ist wohl deutlich genug und ein trefflicher Kom-
mentar zu der Versicherung La m e y 's, daß der Eintritt
Badens in den Nordbund nur eine Befestiguug des Frie-
dens sein würde.

Aber auch den Befürchtungen einer Wiederkehr der
heiligen Allianz begegnet der Wiener Offiziöse nicht min-
der offen. Er ſagt: „Vielleicht mag man es in Berlin
ernſtlich darauf abgeſehen haben, Oeſterreich in eine Allianz
für Erhaltung des monarchiſchen Syſtems zu verlocken.
Allein Osterreich iſt in ſeinen inneren Reformen so weit
gegangen, daß es von einem Systemwechsel in Franteeich
zu Gunsten der Demokratie nichts zu befürchten hat.
Oeſtertreich kann auch mit einer franzvſiſchen

Republit auf dem beſten Fuße leben; die Iden-

tität der Intereſſen dauert fort, wenn es auch die Regie-
rung gewechſelt haben wird.“

Das Volk im Kanton Aargaudhatmit 26,856 gegen
10,069 Stimmen bewiesen, daß es ein freies Voll iſt
und sein will. Das Voik daſelbſt hat das Referendum
beſchloſſen, oder die Einrichtung, daß dem Volk das Ab-
stimmungsrecht und damit der Entſcheid eingeräumt werde

über die Geſetesvorſchläge, über die wichtigeren Finanz-

heſchlüſſje, sowie auch über andere Beſchlüſſe, wenn im
leßteren Falle der dritte Theil der Großrathsmitglieder es

verlangt. Die Gegner dieſer demotratiſchen, volksthüm-

lichen Cinrichtung hatten die verſchiedenen Einwürfe ge-
macht, auch unter Anderem behauptet, daß der Ultra-
montanismus aus dem Volksrechte Vortheil zöge. Und was
antwortete hierauf das freigeſinnte Volk?

Es ſagte: Ist der Ultramontanismus ein Geſpenſt,

ſo könnt ihr ihm nicht beitommen. It es aber faßbar
| und bös, so ſchictt die Polizei hinter daſſelbe, nämlich ſo-

bald es ſich geſez- und rechtswidrig benimmt. Aber das
erlauben wir nicht, daß dieſem Gespenſt zu Leid oder zu

Lieb dem Gesſammntvolke sein gemeinsames Recht vor-

enthalten werde, das weder von einem Gesſpenste, noch
von einem Glaubensbetenntniſſe abhängt. Und Prote-
ſtanten und Katholiken des Kantons Aargau ſetten

ſich über dergleichen Bedenklichkeiten hinweg und nahmen



mit einander in einer Volksmehrheit von sr der Stimmen
das Referendum an. Die Proteſtanten fürchten sich nicht
vor den Katholiken und die Katholiken nicht vor den
Proteſtanten; ſie wollen zuſammen ein berechtigtes, ein
republikan iſches Volk sein. Das dortige Volk ſagte:

| Es ist ein Tag angebrochen und der sei mein!



Deutſchland.

* Karlsruhe, 8. Okt. Der „Staats-Anzei-
ger“ Rr. 27 enthält: Die Referendäre D. Burmiller
von Offenbach und G. Selb von Mannheim werden in
den Anwaltssſtand aufgenommen; ebenſo K. Beyerle von
Konſtanz. Der Sit der Bauinspettion Emmendingen
wird bis auf Weiteres nach Freiburg verlegt.

* Freiburg, 10. Okt. Am nächsten Dienstag wird
dahier eine Verſammlung der Wirthe des Landes ſtatt-
finden. Dieselbe iſt veranlaßt durch den Gesetzentwurf,
welcher den Kammern vorgelegt iſt und welcher die bis
daher bei dem Wirthschaftsbetriebe beſtehenden Beſchrän-
kungen aufhebt. Es bestehen zur Zeit noch Realwirth-
ſchaſtsrechte, persönliche Wirthschaftsgerechtigkeiten, Rechte
zur Ausübung der Restauration, des Bier- und Brannt-
weinſchanks. Jeder dieser Gattung von Rechten sind be-
sondere Rechte verliehen und da die Realrechte verkauft
und auf andere Häuſer als Eigenthum übertragen werden
konnten, so ſschloſſen sie, namentlich in Städten. einen
größen Werth in sich. Der den Ständen nun vorge-
legte Geseßentwurf hebt die bestehende Beſchränkung
ohne alle Rücksicht auf dieſe Realrechte auf, verlangt zwar
eine Erlaubniß-Ertheilung, die jedoch nicht versagt werden
kann, wenn der darum Nachſuchende nicht in Fällen ſich
befindet, welche bei allen bisher konzessionirten Gewerben
deren Betrieb untersagen, und wenn ein geeignetes Lotal

zum Betrieb der Wirthſchaft nachgewiesen iſte. Die Ern

laubniß wird für den Bezirk der Gemeinde auf lebens-
länglich ertheilt und es iſt dafür eine Taxe zu bezahlen,
die in Orten bis zu. 4000. Seelen. 40 fl, vin 1
10,000 Seelen 80 fl. und über 10,000 Seelen 120
sl. beträgt. Das Gewerbe kann an verſchiedenen Orten
der Gemeinde betrieben werden, jedoch iſt dafür jedesmal
dieſelbe Taxe zu entrichten.

* Aus Baden, 11. Ott. Noch immer ist unser
Gedenkblatt nicht erſchöpft. Heute ſpricht es zu uns in
fünf Urtheilnae. Am 9. Okt. 1849 wurden in Raſtatt
Heinzius aus Frankfurt a. O. und Ploch aus Diel-
heim, jeder zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheile. Am
10. Okt. 1849 wurde Schlag eter, Dragoner, und am
11. Okt. 1849 Strumpfwirker Kunz aus Raſtatt eben-
falls vom Standgerichte zu Raſtatt zu 10 Jahren Zucht-
haus verurtheil. Am ſelben 11. Okt. stand vor dem
Standgerichte zu Mannheim Karl Zöller, Soldat aus
Mannheim. Cinem uns vorliegenden Berichte über die
betreffende Verhandlung entnehmen wir: „Trotdem, daß
demſelben vom Staatsanwalt v. Fr ey d orf eine Haupt-
betheiligung an den Militäremeuten in und um Freiburg
und Verführung seiner Kameraden zum Bruch des Fahnen-
eids nachgewiesen worden war, ſo nahm doch das heutige
Standgericht, wahrscheinlich in Berückſichtigung des jugend-
lichen Alters des Angeklagten (derſelbe iſt nämlich noch
nicht 21 Jahre alt), dennoch von der vom Staats-
anktläger beantragten Todesſtrafe Umgang und erkannte
auf die mildere 10jährige Zuchthausſtrafe.“ .

In der Zweiten Kanuner kommt heute der zwischen
Baden und dem Nordbunde vereinbarte Vertrag über
gegenseitige mil itär iſch e Freizügigkeit zur Berathung.
Der Kommiſssionsbericht gibt zu dem s. Z. von uns be-
anstandeten dunklen Punkte die Erklärung : das Ueber-
einkommen verursacht keinerlei neue finanzielle Opfer;
„ja es könnte im Gegentheil in dem Fall ein Gewinn
daraus entſpringen, wenn recht viele Norddeutsche sich zum

Dienſt in Baden meldeten, weil deſſen ungeachtet der Präün !

senzſtand bei uns unverändert bliebe und in dem Maß
an einheimischer Arbeitskraft gespart würde, als ſtatt der
Unsrigen Norddeutsche eintreten." Wir nehmen hiervon
Akt. Weitere Aufklärung in der Sache wird wohl die
heutige Kammerverhandlung bringen.

In politiſcher Richtung begrüßt die Kommission den
Vertrag als einen „willkommenen Fortſchritl“ nationaler
Bestrebung, „welcher wenigstens für die Ableiſtung der
Wehrpflicht die Mainlinie beseitigt und in Bezug hier-
auf die Gebiete Badens und des Nordbundes in ein einn
ziges verwandelt“. Und hieran knüpft die Kommission
den Wunſch : es möge „die Vereinbarung über die mili-


















 
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