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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. [259] - No. 283 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#1145

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E §

Sonntag, 26. November

HH. Ä Ö

o

11.169.







Hie „Mannheimer Abendzeitung" wird

Anzeigen-Gebühr ; die tinſpaltige Petitzeile 3 kr.,



mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage









bei Lokalanzeigen 2 kr.

s > 65

Organ der deulſchen Volksparlei in Paden.









-. täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Her Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne ioſiauſſci;lag
Bestellungen bei der Expedition 0 1 Rr. 15 in

Mannheim und bei allen Voſtanſtalten.























Die Dinge in Oesterreich.

D. C. Die politischen Verhältniſſe nehmen an vielen
Stellen gleichzeitig eine Wendung, die in Oesterreich eine
beidige Wiederaufnahme der Thätigkeit des Gesammt-

ministeriums dringend wünſchenswerth erſcheinen läßt.

Nach den Tauſend und eine Nacht orientaliſcher Zer-
ſtrerungen erwarten den Kaiser von Osterreich und ſeine
Minister Tauſend und ein Tag europäischer Arbeit.

Die Nachrichten aus Dalmatien bekunden troß
ihres offiziöſßen Deutſch, daß die militäriſchen Bemühungen

zur Dämpfung des Aufstandes still ſtehen. So schwer |

es nun auch iſt, über einen Gebirgstrieg in den Klüften
des Steinlandes Dalmatien zu urtheilen, ſo können wir

während im

meinsame Abneigung gegen die „Verpreußung“ zuſammen-



|

uns doch des Gedankens nicht crrehren, daß die Art, zuführen.
wie dort mit. ein paar Bataillonen vorgegangen wird, | Verpreußung
ganzen Reich alle Truppen verfügbar ſind, ſtaatliche Entwickelung auf breiteſter freiheitlicher Grund-

geführt wurden. Unter diesen Elementen dürfte der eig nt-
liche Ultramontanismus innicht zu hohem Grade vertretenſein.
Durch den Ausfall der letzien Wahlen ist tur klar ge-
ivorden, daß die Verpreußungsbestrebungen der sogenannten

| Fortschrittspartei in Bayern keinen Boden haben ; nicht

aber daß reaktionäre Tendenzen die liberalen überwiegen.
Sobald die Gefahr der Verprenßung beſeitigt iſt, wird
sich dieß zeigen. Es werden dann die liberalen Elemente
von den andern sich trennen. Die Ausscheidung aber
wird um so bälder erfolgen, je mehr die politische Bes-
ivegung das paolitiſche Verständniß reift und je mehr zu
deſſen Reife Beihülfe geleiſtet wird; sie muß und wird
der Volt spartei zu Gute kommen und ihr Genoſſen
Denn diese iſt es allein , welche gegen die
Deutschlands auftritt und zugleich die innere

eine böſe Aehnlichkeit mit der Art hat, wie man 1866 [lage verfolgt.

in Böhmen die Bataillone ſtatt der Regimenter, Brigaden,
Diviſionen an den Feind brachte, d. h. unnütz opferte.
~ Zugleich tritt gerade in den lezten Tagen die Ver-
zweigung des dalmatiniſchen Aufstandes nach Montenegro

nach Rußland und

den glänzenden Farben der Freudenfeſte am Bosporus
und am Nil ist der Anblick wenig gefällig.

Daheim, in beiden Hauptstädten der zwei Reichshälf-
ten sieht's, wenn auch nicht aufständiſch, doch wenig ge-
müthlich, wenig einträchtig aus.

1
1
]
J
|
|

damit in die orientalische Frage hinen. ner ~ jett |
Ein düsterer Hintergrund, auf den man in Peſt und in | einer „verwerflichen Demagogie“ ſpricht ,
Wien mit gleich ernſtem Blick hinschauen wird. Nach | der Jo

|
|

Die Volkspartei in Bayern tri!t , wie überall die
deutsche Volkspartei, für das Volksthum gegenüber dem
Königthum und zunächst dem gewaltsamen , eroberungs-

lustigen Preußens entgegen. Wenn der traurige Renegat J
hinein immer deutlicher hervor, d. h. die Verzweigung vom „Pfälzer Kurier“,

der frühere blutrothe Republika-
<warzweiße Soldſchreiher ~ deßhalb von
so vermag dieß
gemeinten Volkspartei nur zur Chre gereichen.
Und dieser „Sekte“ von Volkspartei wird die Zukunft
gehören, troßdem die bezahlten und unbezahlten Anhänger
und Anbeter der Berliner Gewaltthat heute noch Luſtgelage

c

| feiern. Mit dem Sturz des Miniſteriums Hohenlohe

1

Im deutschen Minister- |

rium iſt offenbar ſtarker Zwieſpalt wegen der Reform des

Wathlgeſezes zum Reichsrath.

Vergebens ſucht man das

zu vertuſchen, und da es vergebens ist, schadet man sich
mit dem Verſuch statt zu nußen. Warum nicht gestehen: |
Jawohl, in so wichtiger Frage gibts Meinungsverſchiedenz |

heiten –? Wo gäb's die nicht?! Und wenn die Minor |

rität ausscheidet, iſt das an ſich ein Unglück ? Seit wann
denn sind Ministerien für die Ewigkeit ?! Vielmehr, wenn
die Uneinigkeit als ſchleichendes Uebel im Stillen fort-

dauert und der Riß immer nur wieder v.rkleiſtert wird,

das iſt ein Unglück, iſt das wahre Unglück. Zumal für
Oesterreich, 1:0 endlich „Zug“ in die Geschichte kommen
muß, damit der feſte Gang der Dinge oben auch in die

1

|

das deutsche Clement bis nach Hadersleben hinauf die

Gemither und in das Streben und Treiben des Volkes

Feſtigkeit bringe.

In letzterer Beziehung ist leider der

alte traurige Stand der Dinge immer noch unverändert.

Von holitiſchem Volksleben nichts.

Seit die Landtage

geſchloſſen sind, iſt die Tagespreſſe allein der Ausdruck
des öffentlichen Lebens und diese Tagespreſſe arbeitet nach

öſterreichischer Art mehr auf den Tag als auf die
Dauer. Mit beſonderem Tadel, nebenbei, ist der alten

„Preſſe" zu gedenken, in der sich eine Sorte des aller- |
gewöhnlichſten Berliniémus breit zu machen ſcheint, ohne

Partei, ohne Programm, ohne Zweck.

Ueberboten wird dieser Mangel an Einheit durch die |
Zerfahrenheit, welche in Veſt herrſcht, in der Regierungs-

Partei so gut wie in der Regierung ſelbſt. Der Peſter
Lloyd tonstatirt die Auflöſung der DeakzPartei, die nur
äußerlich noch loſe zuſammenhängt. Mit Erlangung und
Behauptung des ſtaatsrechtlichen Ausgleiches ſchcint sich
die Kraft dieser Partei und dieſes Miniſteriums erſchöpft
zu haben. Zu einer Reformpolitik, die des Namens
werth wäre, reichts nicht. Man kommt nirgends vor-
wärts. Ob die Magyaren nunmehr Bescheidenheit lernen
und den Werth des deutschen Clements richtiger würdigen?!

Nicht mehr von Deutſchland oder in Deutſchlands Namen der ganzen Expedition herbeiführten.

beberrſcht + gottlob nicht! ~ aber auf deutsche Kultur,
auf deutſche Hülfe bleiben sie angewiesen. Das iſt nach

solcher Geschichte ken Vorwurf; ein Vorwurf wär's, die
Thatsache zu verkennen und ihrer Konſequenz nicht ge-

recht zu werden, indem man dem berechtigten Einfluß

des deuiſchen Elements widerstrebte.
alle einander helfen.



HWMaotlitiſche Ueberſicht.
M ann hei m, 27. November.

* Die Brrichte über den Ausfall der Abgeordneten-

Bayern faſt durchaus ultram onta n geworden. Die mehr

Münchener Süddeutſche Poſt sagt: dem iſt jedoch nicht

ſo.

Die Völker müssen |

1

wird in Bayern die Lage eine andere. Das . .. Groß-
preußenthum, das dort von Hohenlohes Gnade lebt, wie
in Württemberg von Varnbüler, in Baden von Jolly,
wird gründlich erschüttert.
preußung wird abgewandt. Dann ſieht man weiter, thut
den nächsten Schritfk auf freier gewordener Bahn. Auch
in Württemberg – ſagt die „Dem. Korr." — entwickeln
sich inzwiſchen die Dinge. In Bayern etwas Luft, in
Württemberg etwas Luft, das wirtt von dort nach hier,
von hier nach dort . . . und hoffentlich auch nach Baden.
Vielleicht daß sich's bewährt, des Dichters Wort , wenn
Hohenlohe fällt, muß Varnbüler, muß Jolly nach.
Durch die skädtiſchen Wahlen hat in Schleswig

Dänen geschlagen. Will Preußen da oben ehrlich sein
gegen Deutschland , die Deutschen da oben habens ihm
erleichtert. Zeit wär's zu der Ehrlichkeit; denn ohne die
Politik von 1866 hätte es eine „nordſchleswigsche Frage"
für Deutſchland nie gegeben. Einem freien Schleswig-
Holstein gegenüber wäre in tem Grenzſtr ch mit deutſchen

Städten nie von einem Anschluß an Dänemark die Rede







Die nächſte Gefahr der Ver- )





gewesen, und das deutſche Vaterland, welches hinter dem
| I. a. die Einrichtung der Volksschule mit einfachem und

freien Schleswig-Holſtein ſtände, hätte es vollends ohne
Widerspruch behauptet.

Die Nachrichten aus Dalmatien bestätigen, daß
die dritte mit umfassenden Kräften unternommene Erpe-
dition nach Dragali in der allertraurigſten Weise miß-
lungen iſt. General Auersperg, sein Haup quartier
sammt Generalſtav w ren am 18. im Defile von Han
in der größten Gefahr, gefangen genommen oder nieder-
gemetelt zu werden, denn das Hauptquartier war nur
von acht Gendarmen eskortirt! Daraus geht hervor, daß
die Operation, durch w lche das von den Jnſurgenten
beſettte Defile von Han in der Front und im Rücken
gefaßt werden ſollte, mißlang und daß die Inſurgenten
durch den Ueberfall auf das Hauptquartier den Rückzug

Sonſt in O eſtereich ſammelt man Preßanklagen
auf Lager für die nächſten Geſchworenenſitungen. Bis
jezt liegen aufgeſtapelt die Anklagen: gegen die „Zukunft"
wegen Hochverraths, gegen die Arbeiterzeitung „Volks-
ſtimme" wegen Stdrung der öffentlichen Ruhe und gegen
tut „Vaterland“ wegen Gutheißung einer ungeſseglichen

andlung.

Wenn man den Unterſchied zwiſchen Monarchie und
Republik recht plaſtiſch anſchauen will, muß man ihre Fi-
nanzwirthſchaft vergleichen. Heute liegt uns das Bud-
get des Schweizer Kantons Be rn vor, welcher im

tt. Rt ZU tts Lt t tl Ul. jettttu tts
Werke, nämlich
"Vir mum RS | 1,118,256 Fr. für das Erziehungswesen, 1,100,500 Fr..

iporgetommene Partei iſt

eine Vermengung von Elementen, welche durch die ge- für Verzinſung der Ciſenbahnanleihen.

für Schulen und öffentliche
für das Entſumpfungs- und Bauwesen, 887,000 Fr.

Der Ehrenplatz



im Budget nimmt also der öffentliche Unterricht mit dem
ſtärksſten Poſten ein (faſt 16 Proz. der Gesammtausgabe.)
Die öffentlichen Werte erſcheinen mit einem Antheil von
mehr als 28 Proz. Die drei erwähnten Posten machen
somit allein 44 Proz. des Budgets aus. Die übrigen
Hauptpoſten sind : 871,250 Fr. (noch nicht 12?]s Proz.)
für das Militärwesen, 762,500 für das Armenweſsen,
657,917 für das Kirchenweſen, 439,400 für das Juſtiz-
und Polizeiweſen. Zur Deckung der Ausgaben werden
erwartet 6,998,252 Fr. Das Deſizit von 41,175 Fr.'
kann als zeitgemäße Arabeske gelten. Der heabJichtigte
Verkauf von wenig einbringenden Domänen wird eher
einen Ueberſchuß zu Wege bringen.

Am Montage werden die franzöſiſchen Kammern w

zuſammentreten. Dieser Augenblick wird mit Ungeduld
erwartet, um mit Klarheit die Lage beurtheilen zu können.
Das Verlangen der Auslösung des gesetzgebenden Körpers
und sofortige Einberufung eines neuem — ohne Regie-
rungskandidaturen ~ so daß die Stimme des ganzen
Landes sich ebenſo hörbar machen kann, wie die Stimme
von Paris: Dieß wird wohl der nächſte Ruf sein. In-
zwischen taſtet das Regiment wie im Dunkeln nach Stüten
herum. Ein anderes Miniſterium ist nicht zu Stande
gebracht. Die der Presse geſtattete Freiheit beruhigt nicht:
wo dieſe entſchiedten und muthvoll die Bestrafung des
Verbrechers verlangt, der verrätheriſcherweiſe seinen der
Republik geleisteten Cid gebrochen und das Scheußliche
des Verbrechens noch erhöht hat, indem er gleich reißen-
den Thieren die Bürger tödtete , weiche die Republik ver-
theidigten oder im Verdachte ſtan en, ſie zu vertheidigen."
Auch das Einschreiten gegen Soldaten, welche wegen des
Besuchs einer öffentlichen Versammlung nach Algerien ge-
ſchictt wurden, trägt ſchlechte Früchte. Es wurde ſofort
eine Sammlung für dieſelben veranlaßt und gelegentlich
dieses Vorgangs ſchreibt der Sergeant Boichot, unter der
Republik Volksvertreter: Der gehäſſige willkürliche Att , der
die Soldaten betroffen, muß den weniger Klarſehenden die
Augen öffnen, denn er thut nochmais dar , daß die De-
zember- Regierung entschlossen iſt, die Armee außerhalb des
gemeinen Rechtes zu halten, und sie nur zum Instrument
ihrer brudermörderischen Politik zu machen. Aver die
Stunde der Rache naht heran, und ich habe die Ueber-
zeugung , daß im entscheidenden Augenblick die Soldaten,
die alle Söhne von Arbettern sind, begreifen, daß die
Sache des Volkes die ihrige iſt, und sich mit ihren Brü-
dern einigen werden.

Den tſchland.

* Mannheim , 27. Nov.

Gemeinderaths an den Groß en Bürgerausſſch 1 ß
die Organisation der gemischten Volksschule betr. ffeno.
beantragt:





Der Vortrag des

erweitertem Lehrplane gegen das ſeitherige Schulgeld

(2 fl. und 8 fl.) beizubehalten, dagegen die Aufhebung

der katholiſchen Freiſq,ule und Marienſchule zu bes

ſchließen,

b. die einfache Volksſchule mit 6 Jahreskurſen und
. 26 Klasſen, und die erweiterte mit 8 Jahre-turſen und
33 Klassen auszuſtatten, |
c. für jede Klaſſe ein eigenes Schullokal und jeder
Klaſſe einen eigenen Lehrer zn gewähren, im Ganzen
für 58 Lehrer die normativen Gehatite und den Ge-
ſammtaufwand für die Schule mii 52,543 fl. zu be-
willigen.

Es möge dem Gemeinderathe die Ermächtigung
ertheilt werden, einen Fachmann zu beruſen, um das
Schulwesen nach den brſtehenden Geseßzen und Verord-
nungen zu übernehmen und zu dieſem Zwecke den
Aufwand von 2000-2500 fl. als Gehalt zu be-
willigen.

UI. o Herstellung von 8 Schulſälen in beiden Schul-
häuſern erfordert den Aufwand von 7,419;fl. 49 tr.
und stellt der Gemeinderath den Antrag zur Bewilli-
gung von Seiten des Großen Ausſchuſſes, dicſen Auf-
wand aus augßerordentlichen Mitteln mitelit emes |.
Z. zu möglichſt niedrigem Zinsfuße zu riauſirenden
Anlehens zu decken.

Darnatch ſoll alſo die Trennung der Volksſchule nach dem
Geldbeutel der Eltern beibehalten werden; es ſoll au Stelle
des beſeitigten konfeſſionellen Unterſchiedes der des materiel-
len Beſitzes erhalten bleiben. Der große Ausſchuß wird ~
wir wünſchen und hoffen es ~ hierauf nich: eing. hen;
er wird sich nicht herbeilaſſen, die gehäsſ1ge jetzt beſtchende

U.


 
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