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Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und Festtage — täglich als Aben
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Mannheiu
Organ der deutſhen Voll
dblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
bei der Expedition C 1 Nr.
Mittwoch, 17. Märsgz.
sparlei in
Paden.
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Das Staatsbewußtſein.
Sei es, daß die Herrſchaft des Menschen über den
Menschen aus der Autorität, dem Ansehen des Famillien-
und Stammes-Aeltesten, sei es, daß sie aus dem Schutze
oder aus der Vergewaltigung. des Stärkeren hervorgegangen:
zur Erhaltung derselben sind stets Mittel in Wirksamkeit
geſeßt worden, welche auf einen beschränkten Geiſt und ktin-
diſchen Sinn der Menſchen berechnet waren. Außer den
materiellen Vortheilen, mit denen der Mächtigste die Mäch-
tigeren und Einflußreicheren an sein Interesse feſſelte, wur-
den besonders solche Mittel angewandt, welche die menſch-
liche Citelkeit gefangen nehmen. Die aus der Natur des
Menſchen fließende Nothwendigkeit, ſich als Perſönlichkeit
geltend zu machen, ~ eine Nothwendigkeit, in welcher
das Schönſte, Wahrſte und Beſte, was die Weltgeschichte
geſehen, seine Quelle hat, wurde ausgenutzt, um die Men-
schen in den albernſten und einfältigſten Auszeichnungen
eine Jſolche Geltendmachung ihrer Persönlichkeit finden zu
laſſen. Cin Ring durch die Nase, ein Kranz, eine Pfauen-
feder, eine Kette u. s. w. wurden zu Gegenſtänden des
glühendſten Verlangens, für die man ſich ſelbſt in die
Knechtschaft begab und Andere in derſelben feſſeln half.
Für die große Maſſe mußte ſchon die Anregung eines mehr
oder weniger leidenschaftlichen Gefühls genügen. Die Vor
ſtellung des Besſſer-, besonders des Muthiger- und Tapfe-
rerſeins als die Nachbar-Stämme und Nachbar-Völker ist
bis in unſere Zeiten herein ein Mittel geblieben, die Völ-
fer gegen einander zu verhegen und ſie zu den ſchwersſten
Opfern an Gut und Blut, die zugleich Schädigungen an
ihrem Wohlstande, an ihrer Freiheit, an ihrer geistigen
und sittlichen Bildung sind, bereit zu machen. Dies Mit-
tel aber will nicht mehr recht verfangen, seitdem die Loko-
motive die Völker einander näher gebracht hat und diese
anfangen, einander. mehr nach den eigenen Wahrnehmungen
nach. den künstlich in ihnen erregten Vorſtellungen zu
würdigen. :
Da iſt es ein dringendes Bedürfniß geworden, eine
neue Vorstellung zu erfinden und in die Völter hineinzu-
treiben, damit diese ſich noch weiter bereit finden lassen,
auf einander in blinder Wuth loszuſchlagen und die Ruhm-
und Herrſchſucht ihrer Gebieter zu befriedigen. Die Na-
tionalliberalen haben das Verdienst einer solchen Erfindung,
welche ſie „Staatsbewußtſein“ nennen.
Was ſie unter diesem pomphaften Worte verstehen,
haben sie noch nicht offenbart; aber wir können es so weit
deuten, wie sich überhaupt ein unklarer Begriff verständlich
machen läßt. Wir glauben, daß das Wort „Staatsbewußt-
ſein“ das stolze Gefühl bezeichnen ſoll, einem Staate an-
zugehören, der groß und mächtig genug iſt, eine maßgebende
Rolle in der enropäiſchen Politik zu spielen. Selbstver-
ſtändlich wird dies Gefühl immer befriedigender, je größer
und mächtiger der Staat wird. Kriege, Eroberungen und
Macht-Erweiterungen werden alſo zur Bedingung eines be-
friedigteren Volksbewußtseins gemacht.
Für den Einzelnen ist ein solches Bewußtsein geradehin
eine Narrheit, wenn er nicht etwa in hervorragender Weise
an den Staatsgeſchäften Theil nahm. Und ſelbſt in die-
ſem Falle fragt es sich, ob durch seine Thaten ſein Blick
erweiterter, seine Gedanken edler, seine Gefühle reiner und
uneigennüßiger wurden. Wenn nicht, dann beneiden wir
auch ihn nicht um das Bewußtſein, seine Person und
ſeinen Namen mit Thaten verknüpft zu wiſſen, die in der
Geschichte vielleicht mit einem zweifelhaften Urtheile über
ihren Werth berichtet werden. Für die Millionen Einzelner
aber, welche bei den ſogenannten Großthaten der Geschichte
als Werkzeuge dienen müssen, iſt das Bewußtsein, welches
sie daraus gewinnen, ein völlig eitles. Wenn sie die Opfer,
welche ſie an Kraft, Zeit, vielleicht an Gut und Blut für
jene Thaten bringen mußten, für ihren eigenen Wohlstand,
für ihre eigene Bildung und für die Förderung des Glückes
ihrer Mitmenschen gebracht hätten: so würden sie dadurch
jedenfalls eine reichere Befriedigung und die Berechtigung
zu einem ſchöneren und edleren Bewußtsein gewonnen haben.
Jm geſteigerten Maße wird ein ſolches Bewußtſein dem
Menſchen zu Theil, der durch ſein Wirken und Schaffen
die Lebensbedingungen ſeines Volkes oder gar der ganzen
Menſchheit erleichterte, die Mitlel der geiſtigen und ſittlichen
Bitdung ſteigerte, überhaupt den Kultur-Fortsſchritt förderte.
Dazu bedarf es aber keimes großen und möchtigen Staates
und keines nationalliberalen Staatsbewußtſeins. Solche
Männer ſind vielmehr in Deutſchland faſt ausſchließlich
.f en kleineren und llei;.ſten Staatsweſen hervorge-
angett.
als
Demnach muß das „Staatsbewußtsſein“ als ein Schwin-
del erſcheinen, durch den das deutſche Volk auf Kriege und
Croberungen, überhaupt auf auswärtige Händel hingewiesen
werden soll. Unser deutſches nationales Bewußtsein hat
aber tiefere, kräftigere und edlere Wurzeln, als den „Groß-
machtskitzel.“ ?
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 16. März.
* Nur wenn eine anſehnkiche Mehrheit ihn auf den
Thron S p aniens beriefe, werde er die Wahl anneh-
men : Das soll, laut der gestern Abends eingetroffenen
Madrider Depeſche, der Herzog von Montpensier erklärt
haben. Diese Erklärung, falls ſie sich bestätigt, iſt einer
Verzichtleiſtung gleich zu achten, nachdem die Verhandlun-
gen in den Kortes in der Sitzung vom s., in welcher der
Name des Herzogs zum erſten Male laut wurde, ihm ge-
zeigt haben müsſen, daß ſeine Wahl anf eine „ansehnliche“
Mehrheit unmöglich zu hoffen hat. Die s e Thronkandi-
datur wäre demnach abgethan. Jenen Königsmachern,
deren Blicke auf den portugiesischen Fernando gerichtet ſind,
iſt bereits aus ihres Schütlings eigenem Munde angetün-
digt worden, daß er die Krone, ſelbſt wenn ein einſtimmi-
ger Beschluß der Kortes ihm selbe anböte, nicht annehmen
werde. Die tarlistiſche Kandidatur hat keine Aussicht auf
CErfolgl, und einen „Selbſtmord', als welchen Serrano
jüngſt eine Rückberufung Isabella's bezeichnete, wird die
Septemberrevolution noch viel weniger begehren. Was ?
Die vieltauſendstimmigen Hochrufe auf die föderative Re-
publik, die in der gestrigen Madrider Volksverſammlung
die Luft erfüllten, geben Antwort auf dieſe Frage . .
Aus der erwähnten Volksversſammlung hat der Telegraph
außer der Kundgebung der republikaniſchen Gesinnung und
dem ungestört ruhigen Verlaufe der Verhandlungen bisher
nichts berichtet, und wir wisſſen demnach noch nicht, ob die
Demonstration der Abſchassung des stehenden Heeres über-
haupt und der Cinführung eines Miliz-Instituts, oder nur
der Erſezung der Aushebung durch Werbungen ge-
golten hat. Auch die Debatten in der Kortesſizung
vom 12., deren Ausgang wohl die nächjie Veranlaſſung
zu der Volksversammlung gegeben hat, liefern hierüber nur
zweifelhafte Andeutungen, wie der nachstehende Bericht über
dieſe Sitzung zeigt: Zur Diskuſſion gelangte der Antrag
Garrido’'s, „die Vorbereitungen zur Rekrutirung jo lange
aufzuschieben, bis die Kortes entſchieden haben würden, ob
dieſer Bluttribut noch länger auf der Nation lasten Jolle
oder nicht." Garrido vertheidigte seinen Antrag wie folgt:
Die Republikaner verdammten jeden Gewaltatt, der die öffent-
liche Ruhe und Ordnung küöre; ein großes, stehendes Heer,
wie es jezt vorhanden, halte er aber für unnöthig, und
zwar um so mehr, als man es in den großen Städten
konzentrirt habe, während man die karliſtischen und isabel-
liniſchen Aufstände, die an einigen Orten ſtattgefunden
hätten, mit Hilfe der Freiwilligen der Freiheit unterdrückt
habe. Der Redner kam hierauf auf Kuba zu ſprechen;
ſeine Worte brachten eine gewaltige Aufregung in der
Kammer hervor, besonders als er ausrief: „Auch die Vor-
gänge auf Kuba fordern kein bedeutendes Heer, um Die-
jenigen zu fusiliren, die dort für ihre Freiheit kämpfen."
Vom Kamnmerpräsidenten aufgefordert, ſeine Ausdrücke zu
mäßigen, erklärte Garrido, daß er dazu keine Veranlassung
ſehe. Allgemeine, lebhafte Bewegung. Der Redner fuhr
fort,, die Reduttion des Heeres zu verlangen, das man als
ein Werkzeug der Unterdrückung und der Reaktion ansehen
müsse (abermals heftige Bewegung); zwar erkenne er die
Dienste an, welche einzelne Führer zu verſchiedenen Zeiten
der Freiheit geleiſtet hätten, doch müsſe er die ſtehenden
Heere als Feinde der Freiheit bekämpfen, müſse die Aus-
hebungen verdammen, die dem Volke seine besten Söhne
entriſſen, die außerdem durch die öffentliche Meinung des
Landes und die Mehrzahl der liberalen Deputirten ver-
urtheilt würden. Prim antwortete Garrido und warf ihm
dabei vor, das Recht zu Inſurrektionen proklamirt zu haben,
denn seine Worte wären nichts Anderes, als Dieſes. Die
Crekutivgewalt erfreue ſich des Vertrauens der souveränen
Kortes und fürchte weder die Künſte der Reaktion noch die
der Republikaner. Die stehenden Heere seien das einzige
Mittel, um in Spanien die Ordnung aufrecht zu erhalten.
Die Regierung sei übrigens ſelbſt für Aufhebung der Re-
krutirung; man müſſe aber erſt die Art und Weise sſtudiren, wie
man die ſtehenden Heere erſezen könnte. Anstatt 40,000 Mann
zuziehen, um nicht Oel in's Feuer zu gießen und eine
Störung hervorzurufen. Garrido erklärte hierauf, falls
die Regierung auf die Aushebungen verzichte, werde er
mit seinen Freunden und den Provinzialdeputationen dafür
wirken, daß man die nöthigen Freiwilligen. finde. Die
Kortes stimmten nun ab, und der Antrag Garrido's wurde
mit 182 gegen 69 Stimmen abgelehnt.
Allen dagegen erhobenen Widersprüchen gegenüber hält
die „Köln. Ztg." ihre Angaben über ein franz öſiſ <-
italieniſches Bündniß aufrecht. Die Verhand-
lungen sollen ohne Mitwissen der beiden Minſsterien dirtt
zwischen Napoleon und Viktor Emanuel stattgefunden und
in der Mitte des vorigen Monates dahin geführt haben,
daß ein von Florenz aus vorgelegter Vertragsentwurf in
ſeinen Grundzügen von Napoleon gebilligt worden sei. Als
solche Grundzüge bezeichnet die „Turiner Zeitnng“ in ihrer
vorgeſtrigen Nummer die Aufrechterhaliung des Status quo
im Kirchenſtaat bis zum Ableben des Papſtes und die
Ermächtigung der italienischen Regierung, im Falle eines
Kriegsausbruches das päpſtliche Gebiet mit ihren Truppen
zu besetzen.
Das in den früheren Mittheilungen der „Köln. Zeit.!
als der Dritte im französiſch-italieniſchen Bündniß bezeich-
nete Oesterreich soll nach den neueſten Angaben dieses
Blattes an den Paris-Florentiner Kombinationen wohl Ges-
fallen finden, sich aber hüten, an denselben „sich irgendwie
thatſächlich zu betheiligen“, da es ,ein bei Weitem größeres
Intereſſe habe, einen Kampf zwischen Frantreich nebſt
seinem Alliirten gegen Preußen zu begünſtigen, als ſich
ſelbſt den Wechselfällen eines ſolchen Krieges auszuſetzen."
Dieser Kalkul iſt unzweifelhaft richtig ; aber auch ohne ihn
.|ſfonnte nicht bezweifelt werden , daß das , mehr faſt als
jeder andere Staat, des Friedens bedürftige Oesterreich nach
kriegeriſchen Verwicklungen kein Verlangen tragen kann.
Deutſchland.
* Karlsruhe, 16. März. Amtliches. Dem
Privatdozenten Dr. E. W. Benecke in Heidelberg wurde
der Karakter als außerordentlicher Profeſſor in der dor-
tigen philosophischen Fatultät verliehe. Vo m Hofe
meldet die „Karlsr. Ztg." : Die Rekonvaleszenz des Groß-
herzogs hat wesentliche Fortschritte gemacht und es steht
zu erwarten, daß der allmälige aber ſichere Fortgang der
Erholung bald zur vollständigen Geneſung führen wird.
Unter diesen günſtigen Verhältnissen wird es dur Frau
Großherzogin möglich, am 17. d. auf 8 Tage nach Berlin
zu reisen, um der Feier des 73. Geburtsfesſtes des Königs
anzuwohnen.
* Aus
Gr. Verkehrsanstalten, die bekanntlich in M QU
auf öffentliches Andrängen das Mögliche gethan hat, um
Objekte, welche bis dahin im Bahnverkehr die Sicherheit
des Zugsperſonals gefährdeten, zu beseitigen, macht jetzt
die Bediensteten ihrer Verwaltung auf den „hohen Werth
der Pensions- und Lebensversicherungen für sie ſelbſt und
ihre Angehörigen“ aufmerksam. Zugleich wird die ,„badisz
sche allgemeine Versorgungsanstalt“ als zu benüßende An-
ſtalt empfohlen. ~ In dem erſten zu Karlsruhe abge-
haltenen Bürgera bend wurde auch über die Verwersflich-
keit des ſtädtiſchen Oktroy's gesprochen. Dagegen ſträubte
ſich schon im Bürgerabend und später in der Presſſe der
„ſpießbürgerliche“ Geist, der mit in den Bürgerabend hin-
eingekommen war. Man bezeichnete die gegen das Olitroy
vorgebrachten Gründe kurzer Hand als ,ſsehr schwach“. Der
Gegner des Okttroys veröffentlicht nun den Wortlaut der
aufgestellten Gründe, und da es auch noch anderwärts von
Nuten sein dürfte, über diesen Gegenſtand Einiges zu hören,
so laſſen wir den Gegner auch hier aussprechen, die Oktroy-
erhebung sei eine verwerfliche Art der Beſteuerung 1) weil
man das Oktroy nicht fuhle, indem man es zahle, weil
man dieſe Ausgabe nicht ſeparat buchen, nicht zuverläsſig
im Haushalt veranſchlagen könne; 2) weil das Okttroy die
ärmeren Klaſſen der Bevölkerung in stärkerem Verhältnisse
belaſte, als die wohlhabenden; 3) weil die Steuerkaſſe bei
der Oktroyerhebung nur einen Theil von Dem wirklich bes
ziehe, was die Beſteuerten in Folge des Bestehens der
Steuer bezahlen müſſen; 4) weil das Oltroy auch Fremde
treſfe, die ſich zeitweilig innerhalb des Okttroybezirkes auf-
halten; 5) weil die (Erhebung des Oktroys verhältnißmäßig
ſehr koſtſpielig sei; 6) weil die Verhütung jeder Hinter-
gehung unerträgliche ssontrolmaßregeln nöthig mache, bei
Baden, 16. März Die Direktion der
werde die diesjährige Aushebung nur 25,000 Mann betragen.
Der Handelsminiſter erſuchte Garrido, ſeinen Antrag zurück-
nachläſſiger Kontrole aber die Einrichtung zu einer Schule
der Täuſchung und des Bctrugs werde; 7) weil die Ol~