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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 180 - No. 205 (1. August - 31. August)
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I 186.

Sonntag, ß. Auguſt.

18369.









Yanuheimer Abe

_ Organ der deulſchen



zeitung.

Volksparlei in Baden.









Tie „Mannheimer Abendzeitung“ wird mit Ausnahme der Sonntage und Feſttage ~ täglich als
: Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr.,

Abendblatt ausgegeben. –~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

bei Lokalanzeigen 2 kr. Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.















Die Männchen sür Alles. bündeten“ haften seitdem für den preußiſchen Besitzstand, | eine tauſendjährige Geschichte bezeugt es, hat vonJjeher

IV.

Am 10. Juni, 4 Tage vor dem Bruch, wurden den
deutschen Regierungen vom preußischen Kabinet die Grund-
züge einer neuen Bundesverfassung mitgetheil.. Das
Wesentliche und zugleich Entscheidende dieser Grundzüge
bestand in Folgendem: Aus dem bisherigen Bundesver-
bande werden Deutſch - Oesterreich und die deutſchen Be-
ſizungen Hollands , alſo Luxemburg und Limburg , aus-
geſchieden. –~ Sein Vaterland muß größer sein !

Das zur Vereinbarung der neuen Verfassung zu be-
rufende Parlament (schon unterm 9. April als Lockvogel
losgelaſſen), wird nach dem Reichswahlgeſes vom
12. April 1849 gewählt. Seine Beschlüsſſe gelten nur,
wenn seine eigene Mehrheit mit der Mehrheit des (neuen)
Bundestags übereinſtimmt. Das heißt: Die Bundes-
regierung kann niemals überſtimmt werden, sie entſcheidet
in ihrer Mehrheit, als ob kein Parlament vorhanden
wäre!

Die KompetenzderBundesgewalten, nach demVorstehenden
die Kompetenz der Bundesregierungenallein: erstreckt ſichauf :
Zoll und Handel, Maß , Münze, Gewicht , Papiergeld,
Bankwesen, Erfindungspatente, geistiges Eigenthum , Frei-
zügigkeit, Heimathsverhältniſſe, Gewerbebetrieb, Kolonisation
und Auswanderung, Schuß des Handels und der Schiff-
fahrt, Konsulate, das gesammte Ciſenbahnweſen, die Schiff-
fahrt auf gemeinsamen Waſſerſtraßen, Fluß- und Wasser-
zölle, Poſt und Telegraphen , Zivilprozeßordnung und
Konkursverfahren. Mit andern Worten: Der neue
Bundesstaat iſt ein Zoll-, Handels- und Gewerb-Verein,
eine Gemeinsamkeit der materiellen Intereſſen, die ethiſch-
politischen Seiten des Nationallebens ſind streng ausge-
ſchloſſen. Die Bundesverfaſſung reduzirt sich auf eine
Polizeioronung der bürgerlichen Gesellſchaft in Deutſch-
land. Das allgemeine Stimmrecht spielt dabei nur die
Rolle des Aushängeſchildes. :

Der intereſſanten blauen Geſsellſchaft wurde alſo von
Preußen geboten : Das allgemeine Stimmrecht , welches

in den Wind reden ſollte ; ein Parlament bestimmt am §

Veto der Regierungen zurückzuprallen ; Beseitigung der
gesammten ethisch - nationalen Kulturbedürfnisse. Das ist
eine Volksvertretung am Bunde ! So berief sich Catilina
auf die Reichsverfassung !

Wenn aber dem Zoll-, Handels- und Gewerbeparla-
ment geringe Befugniſſe zugetheilt wurden, so behielt der
König von Preußen für ſich deſto größere : Die Kriegs-
marine der Nord- und Oſtſee ~ und eine andere gibt's
nach dem Ausschluß Oeſsterreichs nicht mehr iſt
eine einheitliche unter preußiſchem Oberbefehle. In Krieg
und Frieden iſt Se. Majestät der König von Preußen
Bundesoberfeldherr der Nordarmee (das bayeriſche Kom-
mando der Südarmee übergehen wir, weil davon nach
dem 14. Juni keine Rede mehr sein konnte). Komme
was da wolle, Preußen hat alle Macht nach Außen wie
nach Innen, und mit einer Million Zündnadelgewehre
wird man doch über ein Zoll-, Handels- und Gewerbe-

- Parlament Herr bleiben, wenn dieses etwa Launen be-

tommen solle.. ;
Das preußische Ideal stellte ſich mithin so heraus :
Die bürgerliche Gesellschaft auf den Kultus der materiellen
Interesſſen zu verweisen und über diesen Kultus die
schützende Milärdiktatur aufzupflanzen. Das aber war
gerade das von Bonaparte in Frantreich realiſirte Ideal.
Am 16. Juni , nach geschehenem Bruch, lud die
preußische Regierung die norddeutschen Staaten, von
Mecklenburg, Weimar und Oldenburg tc. e. bis zur
freien Stadt Hamburg zu einem „Bündniß“ auf näher
zu vereinbarenden Grundlagen ein , forderte sie auf, ihre
Truppen auf Kriegsfuß zu setzen und dem Könige von
Preußen zur Verfügung zu halten , item auf Preußens
Einladung zum Parlamente zu wählen; wogegen Preußen
die Unabhängigkeit und Integrität der betreffenden Gebiete
„nach Maßgabe der Grundzüge zu einer neuen Bundes-
verfaſſung vom 10. Juni“ garantirte.

: Alle traten bei mit Ausnahme von Meiningen und Reuß
ä. L. Im Laufe des Juni verſtändigte sich Preußen
mit seinen norddeutſchen Klienten und legte ihnen unterm

A. Anguſt einen Bündnißvertrag vor, der am 18. Auguſt

abgeſchlosen und am 8. September (von Mecklenburg
am 10. September) ratifizirt wurde. Seit dem 10. Sep-
tember 1866 verfügte mithin Preußen über die gesamm-
ten norddeutschen Wehrkräfte, , und die erlauchten „Ver-









auch für den annektirten ! Die dynaſtiſchen Privilegien
ſind + vorläufig – gewährleiſtet, von der Freiheit des
Volkes iſt keine Idee verbirgt.

Tanze also, liebes Norddeutschland, einstweilen um
das goldene Kalb, bis Du gemahnt wirst, Gut und Blut
für Preußens Eroberungen einzuſeten!

Das war das Resultat des kreiſenden Berges , das
waren die Vortheile der „Verbündeten“, das die „Er-
rungenſchaften“ des norddeutschen Volkes, das endlich die
über den Main lockenden Suppentöpfe des pharaoniſchen
Aegyptens! Das allgemeine, geheime und direkte Wahl-
recht erhielt die weltgeschichtliche Aufgabe , dieſes Fürſten-
bündniß und den Löwenantheil Preußens beim Pakte zu
bestätigen ; der Reſt hieß Schweigen , Gehorchen und ~
Bezahlen. ' ;

Us. Nationalverein aber, der Abgeordnetentag erſter,
zweiter und dritter Klaſſe,, ſie waren die Männchen für
Alles , die Herrn v. Bismarck die Kastanien feierlich zu-
sprachen, ſo er ſich mit Blut und Eiſen aus dem Feuer
geholt hatte

Wo ſonſt eine Nation in Verfall gerieth, da ſah man
auch wohl den Servilismus und die Chardtterlosigteit ſich
an den Wagen des Triumphators hängen und sich
höchſtens in der eigenen Erbärmlichkeit berauſchen. Daß
aber die gefeſſelten Sklaven von „Aufschwung“ reden,
von dem Heraufziehen einer neuen beſſeren Zeit, von der
Erhöhung eines Volksthums lallen: dieses Schauſpiel
war den Bürgern des 19. Jahrhunderts aufbewahrt,
und wurde nirgends schmutiger agirt als in Deutschland!

Ja, es hat Zeiten gegeben, wo die Moral und die
Politik sich den Rücken zukehrten, wo der Genius der
Menſchheit fünf grade sein ließ. Aber das ging über
die Köpfe der unmündigen Maſſen hinweg, und erſt
später pflücktten diese die Frucht vergangener Schufterei.
Das Eckelhafteſte aber geſchieht, wenn gange Volkskreise
diplomatisch ſchufteln und dem niedergeworfenen Gegner
höhniſch die lezten Feten der Ehrlichkeit auf den Kopf
jperktti.!... 4.74..,5:36k

Politiſche Uebersicht.
Mannheim, 7. Auguſt.

* In Preuß en erinnert man daran , es ſeien drei
Jahre , daß der König den versammelten Vertretern des
preußiſchen Volkes zurief : „In einträchtigem Zuſammen-
wirken werden Regierung und Volksvertretung die Früchte
zur Reife zu bringen haben, die aus der blutigen Saat,
ſoll ſie nicht umsonst geſtreut ſein, ewachsen müſſen.“ 7-
Das Abgeordnetenhaus erwiderte : „Diese Früchte, davon
ſind wir mit Curer Majeſtät überzeugt, werden nur in
einträchtigem Zuſammenwirken zwiſchen Regierung und
Volksvertretung zur Reife gedeihen. Ohne die Sicherung
und Ausbildung der verfaſſungsmäßigen Rechte des Volkes
werden wir nicht zählen dürfen auf die Huldigung der
Geiſter und Herzen in Deutschland, welche allein der
Macht Haltbarkeit und Dauer verleiht.“

Drei Jahre ſind verfloſſen , ſagt daraufhin die „Kl.
Ztg." ohne daß aus der blutigen Saat eine andere als
die unreife des N o rd bunde s hervorgegangen wäre. .
Die Täuſchungen , denen ſich damals alle Partrien des
Abgeordnetenhauſes ~ mit einziger Ausnahme Johann
Jakoby's –+ hingegeben, wirkten bis tief hinab. Wer
damals der Hoffnung : „ein politisch geeintes Deutſchland“
werde die Folge des erfochtenen Sieges sein , sich nicht
hingab, in den Sieges- und Triumphruf nicht mitein-
stimmte, wurde verhöhnt und faſt als unzurechnungsfähig
erklärt. Nur Johann Jakoby wagte diesem allgemeinen
Rauſch entgegenzutreen und in nüchterner Weiſe der
Wahrheit Worte zu verleihen. Seine damals am 28. August
1866 gehaltene Rede, wird von späteren Geschlechtern
noch mehr als ein glänzendes Denkmal der Wahrheit be-
trachtet und bewundert werden. Ein Denkmal der
trau welches mit prophetiſchem Geiſte die Zukunſt
offenbarte.

Nicht der Volkspartei, nicht der Freiheit, ſagte Jacoby,
kommt der errungene Sieg zu Gute, sondern dem unum-
ſchränktten Herrſcherthum, der Machtvollkommenheit des
obersten Kriegsherrmn. Und dabei kannte Jacoby damals

e. vr. z .; jo || °



| weder die 300,000 X 225 Thaler, noch das sog. eiſerne

Militärbudget. Täuſchen wir uns doch nicht, ſagte Jacoby
ferner, über die politische Bedeutsamkeit kriegeriſcher Er-
folge. Mögen immerhin andere Völker Europa's auf dem
Wege der Gewalt durch eine Art Blut- und Eisenpolitik
zu ihrer staatlichen Einheit gelangt ſein, das deutſche Volk,





allen solchen Cinigungsverſuchen erfolgreich Widerstand
geleistet. HZwangseinheit, Einheit ohne Freiheit iſt eine
Sklaveneinheit, die weder Werth hat, noch Beſtand, am
allerwenigsten aber kann man sie, wie es in der Adresſe
geſchieht, als eine Vorstufe zur Freiheit betrachten. Dauert
in Preußen das bisherige Regierungsſyſtem fort — und
bis jett iſt von einer Veränderung kaum etwas zu mer-

ken, dann würde die Neugestaltung Deutschlands ſiihq ze. .

der früheren Zersplitterung und Ohnmacht nicht anders
verhalten, als wie zu Krankheiten der Tod.

Unter der Ueberſchrift „Hündſpiegel" beſpricht die
„Dem. Korr." den Umstand, daß Bay ern ſeine eiges
nen Hinterladungsgewehre hat, die übrig en ſüddeutſchen
Staaten aber dem Zündnadelgewehre sich unterſtellt haben.
Und hiebei soll es auf einen ganz besondern Punkt noch

ankommen; nämlich darauf , daß Württemberg, Baden.

und Heſſen ihre Munition nicht ſelber machen können,
daß sie die mit dem Zündſpiegel verſehenen Hülsen aus
Preußen beziehen müssen ; daß ſie ſo viel leere Hülſen,
als ihnen Preußen abläßt, mit Pulver füllen können,
mehr nicht! Bayern habe ſich die Möglichkeit offen be-
halten, durch eigene Aktion einmal wieder aus ſeiner
Helotenstellung herauszukommen , während Württemberg
und auch Baden die lette Thüre zugeworfen und den
Schlüſſel vertrauensvoll an Preußen gegeben hätten.

Aus München kommt die Nachricht,, das Zuſtande-
kommen einer ſüddeutſchen Feſtungskommiſſion
sei nun gesichert und könnten die Ratifikationen hier-
über nächſter Tage ausgetauſcht werden.

Der Kommissionsbericht des französi ſ <en Senats
über die Regierungsvorlage, betreffs der zu bewirkenden
Reformen, wird kaum vor dem 12. oder 14. Auguſt er-
folgen können. In dieſem Falle wird die Diskussion erſt
am 17. beginnen. Wenn, wie es möglich iſt, das de-
finitive Votum sich bis gegen den 23. verzögern ſollte,
so wird die Eröffnung der Generalräthe wahrscheinlich
auf den 30. Auguſt verschoben werden, da die Diskussion
des Senats wichtig genug ist, um sie nicht zu unter-
brechen. Nach dem ,Siecle" iſt das Juſtizminiſterium
mit den Vorarbeiten für Ertheilung einer Amnestie be-
schäftigt. Es ſollen die ſchwebenden Preßprozeſſe nieder-
geschlagen und die wegen Preßvergehen ausgesprochenen
Urtheile aufgegeben werden. Die wegen politiſcher
Vergehen Verurtheilten sollen an der Amnestie
nur in sofern Theil haben, als sie ſelbſt darum nachs
ſuchen. Man hat Mühe, an dieſe Einschränkung zu
glauben. Die so verstandene Amnestie wäre keine Amnestie,
sondern eine Gnade.

Aus Florenz wird Wiener Blättern telegraphirt,
daß der mit der Untersuchung über das an dem öſter-
reichiſchen General Graf Crenneville in Livorno verübte
Attentat betraute Appellhof Lucca erklärt habe, daß An-
haltspunkte zu einem Prozeſſe wegen jenes Atteutats richt
vorhanden seien. Wahrscheinlich soll damit geſagt sein,
daß erſchöpfende Beweisgründe gegen die in Folge des
Attentats verhafteten und angeklagten Persönlichkeiten
nicht beigebracht werden können.

Die Biſch öfe der nun nicht mehr Staatskirche von
Irland haben in Dublin eine Zuſammenkunft ge-
halten und einstimmig beſchloſſen, Angesichts der großen
Veränderungen in der Lage der Kirche ſobald als möglich
eine allgemeine Synode zu berufen, in welcher die Geiſt-
lichteit und die Laiensſchaft vollſtändig und gleichmäßig
vertreten sein ſoll.

Deutſchland.

[] Mannheim, 6. Auguſt. Bei der heute Nach-
mittag stattgefundenen Wahl haben die Nationalliberalen
dadurch den Sieg davongetragen, daß man kurz vor
Schluß der Wahlhandlung eine größere Anzahl Militärs
zur Wahlstätte gelangen ließ. . - h

Ob diese nach dem Gesetze wahlberechtigt sind, wird
wohl einer näheren Prüfung zu unterwerfen sein, denn
wahlberechtigt sollen nur sein, alle Staatsbürger, welche
im Wahlorte als Bürger angesesſſen sind, oder daſelbſt
ein öffentliches Amt bekleiden. ;

Wenn man, wie Seitens der herrschenden Partei das
allgemeine Wahlrecht noch bestreitet; wenn man dem noch
beſtehenden Geseße in Bezug auf die sſtaatsbürgerlichen
Einwohner, welche in einem anderen Orte des Landes
Bürger ſind, das Wahlrecht entzieht : ſo ſollte man nach
demſelben Buchſtaben des Geseßes nur solche Staats-
bürger zulaſſen, welche in der That ein „öffentliches Amt“






 
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