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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 127 - No. 152 (1. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#0569

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Organ der deulſchen Volksparlei in



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Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täg
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.



lich als Abendblatt ausgec enen. –~ Der Abonnementzpreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
Beſtellungen bei der Expedition CQ 1 Nr. 15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalen.













Was Bürger drüben können und hüben
könnten.

D.C. Seit Kurzem iſt die Rieſenbahn vollendet, welche

drüben in Amerika den nördlichen Kontinent durchzieht

und die beiden großen Weltmeere miteinander verbindet.
Von allen andern Betrachtungen abgesehen: es hat

etwas Grandioſes, wenn über den Wirrſalen der

Gegenwart die Gestalt der Menschheit ſich aufrichtet und
in dem Wandel des Kleinen und Vergänglichen ihre
ewigen Züge weist ~ so ruhig, so siegesgewiß, ſo tröſtend
groß.. Wenn die Cäsaren nur noch Stoff sein werden
für Würmer und Schulbuben , wenn die Zollern nur
noch den kleinen Raum einnehmen werden von ein Paar
Ziffern und Zeilen in einer Tabelle der Weltgeschichte,
wie jet eiwa eine Dynaſtie aus Alt-Aegypten oder ähn-
liches archäologiſches Zeug , wenn die Rouher und die
Bismarck, die: Louis und die Wilhelm bei Namen zu
kennen als ein Zeichen beſonderer Gelehrsamkeit gelten
wird, dann wird die Menschheit noch des jetzt eröffneten
Weges ziehen, lebensfroh, lebensmuthig, genießend, ſtrebend,
ſchaffend, Herr des Erdballs, für den ſie geboren, Herr des
Alles, deſſen Gesetze sie erforscht und verwerthet.

Ja, etwas Grandiosſes, Erhebendes iſt in ſolchem Werk.
Man muß es leſen, wie von St. Franzisko bis New-
York Tauſende und aber Tauſende auf die Kunde vvn
ſeiner Vollendung harrten und wie in dem Alugentlick,
als der lette Bolzen in die lette Schiene hineinfuhr, das
elektriſche Signal woiderhallte vom ſtillen Meer zum

atlantiſchen Ozean, verkündend die Botschaft dieses neuen

Bundes, und nun in allen Städten ein Gottesdienst des
Fortschritts anhoeb – man muß Dos lesen und sich mit
durchzucken laſſen von dem stolzen Gefühl: „so, nun iſt
auch das Stück Schwere und Ferne überwunden“, um
den Triumph zu verſtehen, den der Menſchengeiſt da
feiert.

Es ist ein doppelter Triumph , wenn man die Ver-
hältnisse erwägt , in denen die Amerikaner dieß Riesen-
werk geſchaffen haben. Ein furchtbarer Krieg, wie ihn
die Welt drüben niemals , die moderne Welt seit einem
halben Jahrhundert nicht gesehen, ist erſt wenige Jahre
vorüber. Ein Bürgerkrieg, der für den Staat eine kolosſale
Schuldenlaſt hinterlaſſen , für die Bürger des Staats die
tiefgreifendsten Beſsißveränderungen bewirkt hat. Noch blutct
das Land an den Wunden , noch tragen die Einzelnen
an den Nachwehen, aber nicht ohne Grund nennen ſich
die Amerikaner ein Volk des Vorwärts (a go-ahead people):
mit der einen Hand bezahlen sie die Schulden der Ver-
gangenheit ab in einem Maße , wie noch nie ein Volk
gethan, und mit der andern arbeiten sie einer Zukunft
vor, deren Verhältnisse sich je länger je weniger an her-
gebrachtem . Maße messen laſſen. Eben noch auf dem
Punkte, zerriſſen zu werden, einigen sie nun auch das
Entfernteſte; was den Norden vom Süden zu trennen
drohte an menschlichem Unverſtand und Unrecht, Das haben
ſie überwunden; was den Westen vom Oſsten schied an
natürlichen Hinderniſſen, Das überwinden sie nun.. Alle
unſere europäiſchen. Begriffe reichen nicht an die Wunder
dieſer Entwicklung ohne Gleichen. Aber gar wohl reichen
ſie dahin, auch aus der Ferne zu begreifen, auf welchem
Grunde der ſtolze Bau ſsich erhalten hat und immer höher
und prächtiger hinansteigt. Nur auf dem herrlichen
Grund der Freiheit iſt Solches möglich.
Nur em Bürgerſtaat vermag Solches zu ſchaffen.

_NMit Pflug und Sichel, mit Schreibgriffel und Rechen-
ſtift, mit Triebrad und Steuerruder war die Republik
der Union Das geworden, was sie iſt; erhalten und ge-
rettet hat ſie sich auf weniger friedliche Weise: mit einem
~ Mordinſtrument. Cin Heer hatte ſie ſich ſchaffen müssen,
um sich zu behaupten in ihrem ä uß er n Beſtande, ein
koſibares , allverſchlingendes Heer. Aber um ſich zu be-
haupten in ihrem i n nern Bestande, hat ſie es abſchaffen
müſſen, dieß rettende Heer, weil es ſonſt ihr Verderben
geworden wäre; und daß sie,, was sie mußte, auch ge-
than hat, Das ist ihr Stolz, ihr Ruhm und Heil.
Und wie hat es Das gemacht, dieß kluge Volt des Vor-
wärls? ! Sagen wir lieber: wie hat sich's gemacht? Denn
Dos iſt an der Klugheit wohl das Klügste, an dem Ruhm
wohl das Rühmlichſte: von s elbſt hat sich’ s gemacht;
nicht eine Stimme hat sich erhoben für Beibehaltung jenes
rettenden Heeres; seine Beseitigung galt ſofort als ſelbſt-
verſtändlich , keine Partei hat mit der Frage ſeiner auch
nur theilweiſen Beibehaltung politisches Kapital zu machen
geſucht; die siegreichen Generale und Offiziere traten ~





als ob's so natürlich wäre, wie's natürlich iſt, — in
die Reihen der Bürger zurück, und zum ersten Mal viel-

leicht, seit die Welt steht, iſt die ungeheuere Gefahr, die |.

für die Volksfreiheit in einem siegreichen Heere liegt, an
einem Staate vorübergegangen, weil das Heer der Union
eben ein Bürgerheer, ein V olk s h eer geblieben war. So
blieb der Charakter des Staatswesens unverändert, so
konnte die Union ſich sofort wieder ihren bürgerlichen
Aufgaben zuwenden , so die Mittel finden zu neuen pro-
duktiven Anlagen im größten Styl. Wohl ist Das ein
feſtgegründeter Bürgerſtaat, der Das übersteht und es ſo

übersteht ; wohl ist Das ein Freiheitsſtaat für die Cwig-

keit, der in ſsiegreicher Bekämpfung eines schweren Uebels,
ja eines menſchheitlichen Fluches nicht einmal in die Ge-
fahr kommt, dem schweren Uebel, ja dem menschheitlichen
Fluche zu verfallen, an welchem die alte Welt darnieder-
liegt. ß .
. Mit welchen Empfindungen uns Das überkomnt,
uns Bürger dieser alten Welt! Es scheint zu uns herüber
wie reicher Glanz in eines Armen Hütte. Kein Junker-
thum, das mit militäriſchem Blendwerk das Volk lockt,
um es desto sicherer zu verderben an Recht und Freiheit!
Kein hochmüthig Offizierswesen, das fich als Herrn der
Schöpfung düntkt. Kein elend Profesſſorenthum und Ad-
vokatenthum, das nun mit einem Mal in ſolchen Mili-
tarismus aufzugehen für seiner Nation Beſtimmung erktlärt:
Nichts von all dem Zeug, mit dem des Schicksals Hohn
das deulſche „Volt der Denker“ so bös heimſucht. Sind
wir gebildeter, sie ſind dafür reichlich soviel geſcheidter !

ind wir gelehrter, sie ſind dafür um ſo weniger verkehrt.

Wie ein Spiegelbild hält das Schickſal dieſes Beiſpiel
der nordamerikaniſchen Union unserer Verkehrtheit entgegen.
Ob auch die Lehre verloren ſein wird? Möchten doch
die fünfzig Lokomotiven von St. Franzisko mit ihrem
Pfeifen jedwedem deutschen Piepmcyer und Erfolgsanbeter
recht deutlich in die Ohren gellen: so laut und herzhaft
verdienſt Du ausgepfiffen zu werden!



Politische Uebersicht.

Mannheim, 16. Juni.

* In Spanien hat am Sonntag die Cidesleiſtung
der Offiziere und Beamten auf die neue Verfaſſung ſtatt-
gefunden. Wenn ſsie nicht wärmer vor sich gegangen ist,
als die Eidesableiſtung der Regierungsmitglieder am 6.,
so muß es ein ſsroſtiger Akt gewesen sein. Damals ist
nämlich, wie jetzt erst bekannt wird, nurvon einem einzigen

der Kortesmitglieder, in deren Gegenwart die Handlung

vorgenommen wurde, der Verſuch gemacht worden , ein
Hoch auf die Verfaſſung auszubringen: seine Stimme
aber ohne jedes Echo geblieben.

In Portugal hat, laut Liſſaboner Berichten, die in
der spanischen Volksverſammlung vom 20. Mai gehaltene
Rede Caſtelar's über die Vorzüge der Republik (man
vergleiche den Artikel an der Spitze unseres gestrigen
Blattes) einen gewaltigen Eindruck gemacht. Acht portu-
giesische Freimaurerlogen ſchmückten ihre Hallen mit dem
Bildniß des begeisterten Redners, enthoben den König
Ferdinand der Präsidentſchaft des Ordens und erklärten
sich für die Republik. Auch in der Armee haben dort
freiſtaatliche Ideen Eingang gefunden, wenn anders ſich
die Nachricht bestätigt, daß das 7. Linienregiment während
der Fronleichnamsprozeſſion in der Hauptstadt Hochrufe
auf die bundessſtaatliche Republik Iberien ausgebracht hat.
Je größer der Widerwille iſt, der sich in Portugal gegen
eine mon arch iſch e iberiſche Union ~ gegen eine Ver-
einigung mit Spanien unter einem gemeinschaftlichen König

trotz aller Lockungen der Anbeter des Einheitsſtaates

kundgibt, desto bedeutsamer sind diese Rufe als ein An-
zeichen, daß die Ueberzeugung von dem Heil republikani-
ſcher Föd e r ation unaufhaltſam weiterdringt. Die Union
durch ein Königthum hat inzwiſchen die letzte ſchwache
Aussicht verloren. Unter den vielen Projekten, auf welche
die spaniſchen Königsſucher bisher gestoßen, hatte ſich be-
kanntlich auch das einer Erwählung des Don Auguſto,
Bruder des regierenden Königs von Portugal, zum König
und eine Vermählung desſelben mit einer Tochter des
Herzogs von Montpensier befunden, wodurch einerseits
die Anhänger Montpenſier's abgefunden, andererseits die
Möglichkeit einer auf dem Wege des CErbganges eintre-
tenden Vereinigung Portugals mit Spanien unter einem
König herbeigeführt werden sollte. Durch die gut aus-
geklügelte Doppelrechnung hat nun der Vater des zum
König und Bräutigam zugleich auserſehenen Prinzen



durch die Erklärung, daß aus der Heirath nichts werden
könne, einen unbarmherzigen Strich gemacht.

Nachdem ersſt kürzlich, wie unsere Leſer wiſſen, ene |

Gemeinde des Kantons Bern durch Verleihung des Ehren-
bürgerrechtes an Ma zz ini den Beschluß der Bundes-
regierung, durch welchen dem italieniſchen Republikaner
der Aufenthalt in mehreren Theilen der Schweizer Re-

publik unterfagt worden, unwirkſam zu machen unter- ,

nommen hat, nehmen nun auch die demokratiſchen Ver-
eine der Eidgenoſsenſchaft die Sache ihres Geſinnungs-
genoſſen in die Hand. Den Anfang hat der Winter-
thurer Verein gemacht, indem er in Anbetracht, daß der
fragliche Beschluß der Bundesregierung „nach den zur
Offentlichkeit gelangten Vorgängen und Erwägungs--
gründen mit einer liberalen Auffaſſung der nationalen
Ehrenpflicht der Asſylgewährung, sowie mit dem republi-z
kaniſchen Gefühl und mit den politiſchen Grundsätzen der
freiſinnigen Schweiz in Widerſpruch zu stehen ſcheint“,
den seine Anschauung thcilenden Mitgliedern der eidge-

nöſſiſchen Räthe den Wunsch ausgesprochen hat, die „ge.

eigneten Schritte zu thun, um den Bundesrath zu den-

| jenigen Mittheilungen und Aufschlüssen zu veranlassen,

welche die öffentliche Meinung der Schweiz im Interesse
der nationalen republikaniſchen Würde und einer hoch-
herzigen Auffaſſung der Schutespflicht gegenüber politiſchen
Verbannten wünſchbar erachten muß.“

Das Zollparlament hat geſtern die ſpezielle Dis-
kusſſion des Gesetzentwurfes über die Abänderungen des
Vereinszolltarifs begonnen und dabei den auf die Zoll-
ermäßigungen bezüglichen Abschnitt der Vorlage, nach Ver-
werfung mehrerer theils auf Zollbefreiungen , theils auf
größere Ermäßigungen gerichteter Anträge, durch unver-
änderte Annahme desselben erledigt. Mit der Zuſtimmung
zur Herabſezung der Eiſenzölle hat das BZollparlament
der bayeriſchen Eiseninduſtrie einen schweren Schlag
versetzt. |



Deutſchland.

* Aus Baden, 16. Juni. In dem Widerſtreite
zwiſchen Volksthum und Bismarckthum , der unſer Land
bewegt, leiſtet der bureaukratiſ he Ap p arat dem
Miniſterium vortreffliche Dienſte. Das Ministerium iſt
national-liberal. Da versteht es ſich bei einer größeren An-
zahl von Beamten und Angestellten von ſelbsſt, ſofort die
ſchwarzweiße Kokarde aufzuſtecen. Andere fühlen ihre
Anhängigkeit so ſehr, daß sie der Meinung werden, sie

müßten gleichfalls in der von oben angezeigten Richtung

sich bemertbar und thätig machen. Di-. Dritten end-
lich, die nicht die Fähigkeit besizken, die Gesinnung wie
einen Rock zu wechſeln, haben auf ihre Stellung ſo viel
Rückſicht zu nehmen, daß sie zum Wenigsten ihre Ueber-
zeugung zurückhallen und auf der Seite des Volkes
fehlen, wohin ſie zählen. Zu dieser Freiwilligkeit kommt
dann die Arbeit auf Befehl. So wird berichtet von Ein-
ſchüchterungen aller Art: daß Gendarmen und Poliziſten
nach den Unterzeichnern der oppositionellen Kundgebungen
spähten, wobei es auf gediente Reſerviſten abgeſehen ſei ;
daß den Soldaten die Kriegsartikel außergewöhnlicher Weiſe
vorgelesen und Ansprachen über die politiſche Bewegung
an sie gehalten worden seien und daß, wie der „Bad.
Beobachter“ erfahren, ein Chef seiner Mannschaft eröffnet
habe, wenn sie in einer Wirthſchaft politiſche Gespräche
führen hörten, welche „gegen die Regierung“ gerichtet

| seien, so sollten sie Diejenigen, von denen Derlei ge-

ſprochen werde, ohne Weiteres feſtnehmen. Was ſollen,
so fragt es sich, dergleichen Maßnahmen bezwecken? Gutes
vermögen sie nicht im Gefolge zu haben, und eine Poli-

“tik, die ihter bedarf, verurtheilt ſich ſelbſt. ~ Der Krieg s-

minister Herr General v. Beyer, iſt am 14. d. wieder
in Karlsruhe eingetroffen und hat, der „Bad. Ldsztg.

zufolge, gestern Morgen dem Herrn Staatsminister Jolly
seinen Besuch abgeſtattet. Der Herr Sta atsminiſter
Jolly war gestern in Mannheim und machte mehrere
Beſuche. Zu einem Feſteſjen, wie in Pforzheim, kam es
nicht. + Wie die „Warte“ vernimmt, iſt der Spital-
fo d in Bretten durch Erlaß des Gr. Staatsmini-
steriums der Verwaltung der politischen Gemeinde über-
geben worden. Seither wurde derselbe durch die betr.
kirchlichen Organe verwaltet. Der künftige Spitalvorstand
ſoll aus ſieben Mitgliedern bestehen : dem Bürgermeiſter,
2 vom Gemeinderath zu wählenden Mitgliedern des Ge-
meinderaths und 4 vom großen Ausschuß aus der Bür-
gerschaft zu ernennenden Vorständen, je 2 Evangeliſchen
und 2 Katholiken. Daß der Gemeinde verſagt bleibt,





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