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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 284 - No. 309 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43993#1237

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E















Die „Mannheimer Abendzeitung" wird mit Ausnahme der Sonntage und
| Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr.,

tut Feſttage ~~ täglich als Abendblatt ausgegeben. ~~
ei Loka









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Badiſcher Landtag.

> QNearlsruhe,
Z weite n. K am.m er . (Schluß.)

Abg. Ki ef er: Baumſtark habe ganz richtig bemerkt,
daß, wer den Zweck wolle, auch die Koſten nicht scheuen
dürfe. Im Allgemeinen beſtehe ja nur eine aktive Dienst-
zeit von 2 Jahren und was darüber hinausgehe, werde
durch den beabsichtigten Anſchluß an Preußen verlangt.

Baden müſje in Deutschland aufgehen, wolle man es
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1 2 Ö
Schärfe gebreche. Lobhudelei für Militarismus ſtehe
ihm fern, doch könne einmal nicht weiter herabgegangen
werden.

Abg. Roßh i rt: Auch er habe ein Herz fürs Volk,
deſſen Anschauu.ng einen materiellen Halt habe ; überall
wehre man sich gegen die übergroße Militärlaſt. Es be-
ſtehe übrigens jett eine vollendete Thatsache, welcher er
Rechnung trage und anders stimme als vor 2 Jahren.
Ungleichheit. in der Präsenz sei aber etwas Mißliches und
es werde ſich vielleicht eine mildere Form auffinden lassen.
Wohl seien die Allianzverträge zu halten. Dieselben ver-
pflichteten aber nur dazu, jeweils eine kriegstüchtige Armee
Lesen nicht aber zu demſelben Maße der Mili-
tärlaſt.
ycnauùug. Lender: Baden erhalte mit 14,000. Mann
FFriedensſtärke den vierthöchſten Prozentſas und wenn er
und ſeine Geſinnungsgenosſſen sich gegen die Vorlage er-
klärten, so ſchieden ſie dabei doch die Sache von der Per-
ſon des Ministers, und hätten hier keine anderen Motive
als Eſchbacher, der das Miniſterium sonst stütze. An Pa-
triotismus gebreche es ſeiner Partei nicht, das werde die
Zukunft zeigen. ,

Abg. Eſch b ach er modifizirt seinen Antrag dahin,
daß das hohe Haus einen der vorgebrachten Ausführun-
gen entsprechenden Wunſch zu Protokoll erklären wolle.

Abg. Lindau waollte anfänglich an der Diskussion
nicht theilnehmen, sieht ſich aber durch die Angriffe Nie-
sers veranlaßt zu erklären, daß man im Land nichts von
deſſen Ansichten wiſſen wolle, denn man erkenne ein finan-
zielles, nationales und politisches Unglück in deren Ver-
wirklichung. Kiefer möge sich an sein glänzendes Durch-
fallen bei den Zollparlamentswahlen erinnern.

Nr-M. v. Beyer gibt Lindau die Verſicherung, daß
Baden im Kriegsfall die Wacht am Rhein zugedacht sei.

Abg. E < har d : Lindau habe mit der ſchneidendſten
Bestimmtheit erklärt, nicht zur national-liberalen Partei
zu gehören; diese gebe dieſelbe Erklärung gegenüber der
Opposition. Immer sehe man hier auf Oesterreich, das
ſich jelbſt weder helfen könne noch wolle. Auch mit
Bahern und Württemberg möge Lindau ſelbſt gehen,
Redner und die Seinigen thäten es nicht, und bewilligten
die angeforderten Gelder troß ihres Wiberwillens gegen
Ausgaben. Vieles ſei ſchon besser geworden, und der
Kriegsminiſter habe die Fortschritte des „Materials“ (d. h.
unſerer Truppen) anerkannt. Redner werde eher ſeinen

20. Dez. 37. Sitzung der :

Plat verlaſsſen, als einem Rückgange seine Zuſlimmung ' auch die dadurch errungenen Vortheile und markten dürfe

vgs Lamey : die nationale Ehre gehe über Alles

geben ; die Offenburger seien eben ſo sſparſam als pa-

|

und das sei auch die Ansicht des Landes. Auch die Ul- |
tramontanen würden, wenn sie am Ruder wären, noch |
Soldaten haben wollen. Gegen den Antrag von Eſch~

j

bacher, der nur billige Rückſicht der Regierung verlange, |

habe er nichts einzuwenden.

Cs wird hierauf Kayſers Antrag abgelehnt und der
des Abgeordneten Eſchbacher angenommen. |

Bei der Spezialdiskussion befürwortet G e rb el den
Beizug der Theologen zur allgemeinen Wehrpflicht, wird
ober von Miniſter Jolly belehrt, daß dieß nicht unter den
Titel „Militärgeiſtlichkeit“ gehöre. Der Kommissionsbe-
richt wünſcht Aufhebung des Invalidenkorps, in das nach
der Zuſage des Kriegsminiſters keine Aufnahmen mehr
sſlattfinden Jollen.

Ferner verlangt Lind au den Bezug von Militär-
bedürfniſſen aus dem Inland (Beyer : dieß ſei reglemen-
tariſche Vorſchrift)h, Kirsner und Roder Rücksicht auf die
Heimath der Sommerbeurlaubten, (Beyer: dieß sei etwas
komplizirt, besonders in Rückſicht auf den Weinbau),
Mühlhäußer vollſtändige Vergütung für Fuhrwerke, (Beyer :
über die gesetzliche Normirung lasſe ſich nicht hinausgehen)
und Lender die Beſeitigung des Thorsſchluſſes, ſowie der
verſchärften Feſtungshaft in Raſtatt, (Beyer : das eine ſei
ihm nicht bekannt und an der ſchärferen Haft ſeien die
vielen muthwilligen Studenten ſchuld).
| Den erbaulichen Schluß bildet die Bewilligung von
| 4,675,8583 fl. pro 1870 und von 4,667,244 fl. pro



Ohne Diskussion wird darauf die Giltigkeit des Kon-
tingentsgeſeßes bis 31. Dez. 1871 verlängert.



* Karlsruhe, 21. Dez. 15. Sizung der Erſten
R het ü Graf Sponeck verliest den Kommiſsſions-

Bericht über Militärbudget und Kontingentsgeset , betont

die zugeſagte Erſparniß von 200,000 fl. und empfiehlt
die Annahme mit. dem von der Zweiten Kammer be-
ſchloſſenen Zuſatz.

Kriegs-M. v. Beyer : wiederholt seine im anderen
Haus gegebenen Auseinanderſeßungen.

Graf v. Berliching en: erkennt zwar die verhält-
nißmäßig außerordentlichen Leiſtungen der Verwaltung
an, bemerkt jedoch: die dem Land aufgebürdeten Laſten
ſeien zu groß und ſpricht die Meinung aus, daß im
Kriegsfall auch die Hälfte der Truppen zur Schlagfertig-
keit Badens hinreichen würden. Redner werde gegen die
Vorlage stimmen ; würde derenGenehmigung aber beliebt,
so möge man wenigſtens 6 Jahre für das Kontingents-
geſeß beſtimmen , denn ein kürzerer Zeitraum laſſe noch
fein Urtheil über desſen Wirksamkeit zu.



V

Geh. Rath Herrmann :: Baden ſei zwar ſouverän
aber nicht ſelbſtſtändig , da es nicht etwa in der Südsee
| liege. Wenn auch die Lasten groß seien, so ſeien es





man nicht, denn die Allianzverträge müßten ehrlich durch-
geführt werden.

Frhr. v. Bo dma nn : beklagt die Nachtheile des ber-
waffneten Friedens, wünſcht Erleichterung des Militärs
durch Urlaub und hofft eine jährliche Erſparniß von
700,000 fl. Für die Vorlage könne er nicht stimmen.

Staats-M. Joll y: wie in der Zweiten Kammer.

Artaria: hält die Vortrefflichkeit der Organiſation
für erwiesen. Besser sei es, viel auszugeben für Gutes
als wenig für Mangelhaftes. Auch würden die jungen
Leute jetzt besser erzogen als seither, was nicht hoch genug
anzuschlagen ſei. !

Prinz Wilhelm : muthet dem Minister keine Er-
ſparniß zu, denn es ſei anerkannt, daß die Anforderungen
auf das Geringſte reduzirt würden. Der Militärſtand
werde durch die Organisation mit dem Bürgerſtande ver-
ſchmolzen und habe bereits ſehr an Achtung zugenommen.
Er gedenke dankend den Bemühungen des früheren Kriegs-
miniſters, der bereits den Anfang gemacht habe; die Hal-
tung der Mannschaft ſei jett ſchon bedeutend beſſer als
früher und nun lasse ſich auch freudiger ins Feld ziehen
als 1866. Von nun an kämpfe man nicht mehr neben
Fremden und nur für deutſche Jntereſſen. Der Adel
möge sich seiner Aufgabe bewußt bleiben; fremde Ein-
miſchung sei noch immer zu besorgen und die Zweite
Kammer sei schon bereits mit gutem Beispiel vorange-
gangen.

Graf v. Berlichingen und Frhr. v. B od mann
verwahren sich darauf , daß ſie Hintergedanken hegten;
der Adel habe jeweils seine Schuldigkeit gethan.

Graf K ageneck: iſt diesmal für die Regierungss
vorlage, da er das Gute dem weniger Guten vorziehe.
Die Leiſtungen des Kriegsminiſters ſeien anzuerkennen.

Prinz Wilhelm: In dem Wehrgeſetß kulminire die
ganze Gleichheit vor dem Gesetß. Er wisse wohl, daß der
Adel immer bereit ſein werde, mit dem Degen in der
Hand zu kämpfen für die Freiheit und Selbſtſtändigkeit
des Vaterlandes. :

Kriegs-M. v. Be y er: will nicht als schlechter Haus-
hälter angeſehen werden, wenn die von dem Freiherrn
v. Bodmann erwarteten Erſparniſſe nicht eintreten. Die
Kompagnieschule dürfe nicht beeinträchtigt werden.

Das Gesetz wird hierauf gegen die Stimmen des
Grafen Berlichingen und Freiherrn v. Bodmann ange-
nommen. Schluß der Sitzung, nachdem in die Komuiſ-
sion für Kinderbeschäſtigung in Fabriken noch die Abgg.
Schupp und Trilſcheller gewählt ſind.



Poritiſche Ueverſicht.
Mannhßheim, 22. Dezember.

* Berliner Telegramme ziehen in Zweifel, daß Frank-
reich förmliche Anträge auf Entwaffnung bei den Na-
binetten gestellt habe; sie nehmen vielmehr an, bezügliche
diplomatiſche Beſprechungen seien erfolglos geblieben. Und
weßhalb auch anders. Sind die Völker doch noch überall
willig genug, den ehrgeizigen und herrſchſüchtigen Plänen





Des Berbrechens Fluch.
(6. Fortſegung.)

_ Der Graf empfing ſeinen Neffen eiſig kalt und mit
einem vornehmen Lächeln wies er seine Zärtlichkeit zurück,
Trotz der warmen Mailuft brannte ein Feuer im Kamin,
an dem der Graf in einen Pelz gehüllt saß und von
Zeit zu Zeit mit einem Haken das Feuer ſchürte.
„Ich habe nicht mehr das innere Feuer, das Du be-
tet begann der Graf spottend, „und leide an einer
rkältung.“

Graf Waldheim liebte ſolch doppeljinnige

j tuch zu nagen. Nur Hedwig's Hand bringt Dir eine

| große Beſikung, und damit Gott befohlen!“ — Mit der
ganzen Hoheit, die dem Grafen eigen war, verabſchiedete
er ſeinen Neffen.

Beſtürzt, keines Wortes fähig, und doch das Herz voll
wilden Zornes, schritt Ewald hinaus. Schon hatte er
einen Fuß auf der Treppe, da hörte er ſeinen Ramen
rufen. Es war Hedwig, die aus einer Seitenthür her-

' austrat und ihm mit mildem, verſöhnendem Lächeln zu-
| flüſterte: „Verzeihe mir, daß Du durch mich leiden mußt;
aber ich gelobe, daß ich Dir freudig jedes Opfer bringe,
welches Du von mir fordern ſollteſt."

Wäre seine Leidenschaft für Anna Dorn nicht ſo ſtür-

Redensarten, und ohne auf das beinahe herzliche Be- | miſch und gewaltig gewesen, Ewald hätte heute in Hed-

dauern seines Neffen zu achten, fuhr er fort: „Mir ist
wirklich nicht wohl, und da Du auch trank biſt, so iſt
es besſſer, wenn wir uns in drei Tagen wieder ſehen.
Uebrigens habe ich mit Vergnügen gehört, daß Du Deinen
Abschied genommen = ich werde alt und ihr Beide, Du

_ und Hedwig, ſollt mich pflegen.“

Ewald wollte etwas erwidern, ſelbſt zur Bitte ſich be-
quemen. „Kein Wort!“ unterbrach ihn der Graf. „Du
haſt drei Tage Bedenkzeit, um zu prüfen, was angeneh-
mer, mein künftiger Erbe und Besitzer eines großen Ver-
mögens zu sein, oder als Lieutenunt a. D. am Hunger-

wig's Augen leſen müssen, daß ihm hier ein Herz ent-
gegenſchlug, so warm, tief und innig, als nur ein Frauen-
herz ſchlagen kann.

Ewald sah zerſtreut auf das junge Mädchen. , Du
biſt gut, ich weiß es wohl, aber helfen muß ich mir allein.“
Er stürmte fort, um ſogleich an Frau Dorn zu ſchreiben
und ihr den Empfang bei seinem Oheim und ſeine pein-
liche Lage zu enthüllen. Seiner Braut wagte er in
dieſer unruhigen, ihn hin und her hetßenden Stimmung
nicht unter die Augen zu treten, und ſo zog er es vor,



zu schreiben.

> BD Gn. - frs~ ed m . _

.



f >

Frau Dorn hatte kaum den Brief ihres künftigen
Schwiegerſohns erhalten, als ſie ſofort ſich entſchloß, nach
Heindorff zu reiſen, um Ewald in dieſen entſcheidenden
Stunden zur Seite zu stehen. Anna mußte die Gattin
Ewald’s werden, der zwar jetzt ein mittelloſer, unbedeu-
tender Menſch war, aber als künftiger Erbe des Grafen

Waldheim ihrer Tochter eine glänzende Zukunft bot. Um . | .
den jungen, verwöhnten Mann mit dem behaglichten. F

Comfort zu umgeben, hatte ſie ſich in Schulden gestürzt,
und deßhalb hing an der Verwirklichung dieser Hofſnung
ihr einzig Glück und ihre ganze Zukunft, und sie mußte
um jeden Preis erreicht werden.

In einem abgelegenen Gaſthofe tehrte Frau Dorn ein;
Ewald, um den heißen Bitten und Vorwürfen seiner

Mutter zu entgehen, ſaß ſtundenlang bei seiner künftigen

Schwiegermutter im eifrigſten Geſpräch.

So waren die drei Tage abgelaufen –~ und weniger
ruhig, als das erſte Mal, trat Cwald seinem Oheim I
gegenüber. Der Graf empfing ihn heut in alter Freun. |
lichkeit, und noch ehe Ewald zu Worte kommen konnte, |
sagte er, die Hand vertraulich auf des Nesfen Schultern
legend: „Nicht war, mein Junge, Du biſt jetzt vernünftig
geworden ?“

„Oheim, haben Sie Mitleid mit mir !“ rief Ewald

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. CO....

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