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Die „Mannheimer Abendzeitung“ wir
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 83 kr.,
bei Lokalanzeigen 2 kr. Beſtellungen bei der Expedition C 1 Nr:
d – mit Ausnahme der Sonntage und Festtage ~ täglich als Abendblatt ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.
Grufz aus der Moldau nach Mannheim.
Aus Jaſſy, 8. Februar, erhalten wir die nachſtehende
telegraphiſche Depeſche :
Den Ausdruck Ihrer Freude über den errungenen Sieg,
die Einführung gemischter Schulen in Mannheim, theilen
auch wir Badenser in weiter Ferne. Hoch den watckern
Bürgern, die dafür stimmten.
C. K eß le r aus Mannheim.
C. Walder aus Heidelberg.
Die politiſche Tagesarbeit.
D.C. Für die Volkspartei, für die Voltssache kommt
Alles auf die politische Tagesarbeit in keinen und kleinſten
Kreiſen an. In vollſtem Einklang mit dem vberſten
Grundsatz unseres Parteiprogramms steht, daß Alles auf
breiteſter Grundlage von unten herauf ſelbſt erarbeitet und
geſchaffen werden muß, was Bestand haben und Virtung
thun ſoll. Das Volksheer der Freiheit muß ſelbſt ererziren,
in so kleinen tattiſchen Körpern es auch sein mag. Die
Cinzelkräste müſſen ihrer ſelbſt ſicher ſein, erſt dann wird
die Partei ihrer Gesanmtkraft ſicher. Alles Parteileben
sonſt steht in der Luft und verſagt die Wirkung beim
erſten Verſuch. Und Das ist eine Erwägung, der ſich
Niemand verschließen sollte, den etwa die Kleinheit des
Kreiſes, innerhalb dessen er seine politiſche Thätigkeit anzu-
fangen oder vielleicht dauernd zu führen hat, mit Unlust
erfüllen will. So abgeſchieden iſt kaum jemals ein Theil
der Bevölkerung, daß sein feſtes Zuſammenhalten nicht auf
die Nachbarſchaft wirkte; so klein kaum jemals ein Kreis
von Bürgern, daß sie nicht feſtgeſchloſſen, bei Wahlen z. B.
einen Kern bilden könnten. Wie bedeutend dagegen und
ſtärkend die Rückwirkung im Ganzen und Großen iſt, wenn
die Kunde von dem Beſtehen vieler noch so kleiner, aber
feſler Kerne ſich verbreitet, und was es vollends der Partei
für ein starkes Gesüge und slarkes Gefühl gibt, wenn ſsie
ihre Kraft, ihre Kräſte richtig geſchäßt zu haben die Probe
des Crfolges macht; Das hat man doch schon an zu vielen
Orten und bei zu vielen Anlässen ſelbſt erlebt, als daß es
einer weiteren Darlegung bedürfte.
Indem wir all’ Dieſes nochmals hervorheben und den
Parteigenoſſen an's Herz legen, müssen wir leider hinzu-
fügen, daß von einer Sieigerung der Parteithätigkeit in
Preſſe und Vereinen heutzutage nicht viel Rühmens zu
machen iſte. Im Verhältniß zu der Größe der Aufgaben,
die das Schickſal slellt, iſt die Steigerung auf keinen Fall.
Mit der Nolh der Zeiten hält das Volt nicht Schritt.
Wenn man akhſchätt, was innerhalb der drei letzten Jahre
z. B. hier im Süden eingeheimſt worden iſt an politiſchem
Fortſchrit, und wenn dieſe Schätzung leider nur allzu-
dürftig ausfällt, dann begreiſt man weniger als daß man
verurtheilt die geringe Rührigkeit der Massen, die ſolche
ſtaailiche Zuſlände bestehen und gehen lassen, wie es Golt
gefält und Preußens Schwert. Einen Erklärungsgrund
freilich gibt's: der iſt aber zugleich ein Erſchwerungsgrund,
was die Lage ſelbſt angeht. Cs iſt der Schlendrian des
alien, des veralteten Parlamentarismus. Bei leidlichen
matericllen Verhältniſſcn hat sich die Maſſe der Bevölkerung,
namentlich der wählenden Bevölkerung, so gewöhnt, mit dem
einen Wahlakt ihre ganze politiſche Pflicht abgethan zu
glauben, daß ie gar nicht darüber hinaus denken. Und doch
krankt gerade der binnenländische Parlamentariemus allmäh-
lich an so bösen Uebelſtänden, vor Allem an einer so un-
heilbaren Unfrueltkarkcit, daß eben seinetwegen ein neues
friſches Leben auf dem Gebiet der kleinen Politik, der poli-
tiſchen Tagesarbeit der Gesammtheit, doppelt dringende
Nothwendigkeit i. Von dem holden Wahnsinn sechsjähri-
ger Legislaturperioden, also sechsjähriger Vertrauensmandate
im Voraus, da doch Menschen und Dinge in ſolcher Zeit
| ſich vielfältig ändern, braucht man nicht mehr zu reden.
Aber wie ſchr alles altparlamentariſchen Lebens Blüthe und
Herrlichteit immer mehr eine Koterie- und Kliquen-Wirth-
ſchaſt geworden iſt, bei der von einem lebensvollen Aus-
druck des Volkswillens, der doch repräsentirt sein soll, kaum
. nech die Rede iſt, bei der das Verhältniß von Wählerschaft
j und Ständehaus sich ziemlich direkt auf den Kopf stellt,
darüber iſt allerdings nech recht viel zu sagen. Man ſehe
nur nach Lerlin und Karlsruhe und München, und man
überſehe Siuttgart auch nicht. Taß in dieſen Formen
die Welt nicht zu retlen iſt, verkennt wohl Nicmand, dem
nech ein Reſt ton ungeltrübtem Hinmmelslicht geblieben.
Tas politiſche Leben muß wicder hinaus auf Markt und
Gassen. In den Schreibſtuben von Ausſchüſſen und Kom-
missionen steht es ſtill; auf den Bänten der Ständehäuſer
ſchläft's ein.
Die Bismarck-Laſſalleaner in Baden.
* Die Fraktion der Anhänger der Lehre Lassalles, die
unter der Führung des Herrn v. Schweiter ſsteht, iſt die
rührigſte. In letzterer Zeit hat sich dieselbe die Aufgabe
gestellt, in Süddeutschland Propaganda für ihre Zwecke und
Ziele zu machen. Wie mitgetheilt wird, hat Hr. v. Schweitzer
am 17. Januar eine vertrauliche Konferenz mit einer An-
zahl seiner Parteigenoſſen zu Frankfurt a. M. gehalten,
in der Agitatoren ernannt wurden, welche Süddeutschland
zu bereiſen haben. Es wurde denſelben zur Pflicht ge-
macht, die Politik ganz aus dem Spiele zu lasſen,
weil Herr v. Schweitzer nicht ohne Grund fürchtet, daß die
ſüddeutschen Arbeiter eben wenig Neigung haben würden,
ſich für die preußische Politik zu begeiſtern, welcher Herr von
Schweitzer zugethan iſt und welche er im Reichstage des
Nordbundes bei der Militärfrage und dem Budget unter-
tützie.
fit Die Herren Bonnhorſt aus Wiesbaden, Hauenstein aus
Offenburg und Kölſch aus Mainz wurden, wie es ſcheint,
ernannt, den Süden Deutſchlands zu bearbeiten. Am 2.
Februar traten dieselben in Mannheim auf. JIhre
Haupttihätigkeit beſtand hier weniger in Klarlegung ihres
Programms und ihrer zu erſtrebenden Ziele, als in An-
griffen auf Personen, welche eben keine Neigung haben,
die Autorität und Diktatur des Herrn v. Schweitzer anzu-
erkennen, und die noch weniger Neigung verspüren, dem
Personen-Kultus zu huldigen, wo es ſich allein um die
Sache, um die wichtige Angelegenheit der Lage der arbei-
tenden Klassen handelt. Wie aber das Auſtreten, so das
Resultat. Das Strohfeuer leerer Deklamationen brannte
nieder; einige Beifallsbezeigungen . . . von dem erweckten
Bewußtsein sür eine gute Sache, von nachhaltiger Wirkung,
nicht die Shur. Ueber das Auftreten der genannten
Herren in Heidelberg liegt uns ein Bericht vor. Um in
Heidelberg zu wirken, war eine Volksverſammlung auf den
3. Februar berufen. Die Versammlung begann um 5 Uhr
und während die Debatte zu Anfang einen ruhigen Gang
behauptete, artete dieselbe zulekt in Aufregung und Durch-
einander aus. Herr Schuhmacher Wirſching wurde mit
dem Vorsite betraut. Herr Hauenstein ſprach hierauf über
die Theorien Laſſalles und Herr Bonnhorſt ſette
auseinander, daß durch die heutige Geseßgebung der Grund-
sat: „Jedem das Seine“ oft auf das Schreiendste ver-
lektt werde, und empfiehlt als Mittel zur Betkäm-
pſung dieſes Zuſlandes die Bildung von Aktbeiterſchaftcn
nach dem Prinzipe Laſsſalles. Herr Jung, vom Albeiter-
verein in Heidelberg, wies nach, daß die Volksschule auf
anderer Grundlage zu organisſiren sei, forderte unentgelt-
lichen Unterricht, bessere Cintheilung der Lehrgegenſtände,
reichere Bildungemittel für den Gewerbeſtand. & Hr. Krü-
ber (Heidelberg), obgle ih mit den Veraystaltern
der Verſammlung bezüglich der Bildung von Ge-
werksgenosſſenſchaften einverſtanden, erklärte sich entschieden
gegen diejenigen, wie sie von Herrn v. Schweitzer empſoh-
len, weil dieſelbe in ihrer strammen Zentraliſation mehr
ſchädlich als nützlich wirken müßten. Redner führte aus,
daß die Perſönlichkeit des Herrn v. Schweitzer keineswegs
derart sei, daß man ihr. unbedingtes Vertrauen ſchenken
könne, und begründete diese Behauptung durch den Hin-
weis auf die Thätigkeit des Herrn v. Schweitzer im nord-
deutſchen Reichstage, wo derſelbe bekanntlich Für die preu-
ßiſche Wehrverfaſſung eingelreten sei und für das ſchwere
Budget geſprochen habe. Redner verwies sodann auf die
Beschlüsse des Nürnberger Vereinslages und der Stuttgarter
Verſammlung von Vertretern der deutſchen Volkspartei und
empfahl dieselben als Grundlage der Bestrebungen der Ar-
beiter. Herr Hauenſtein verſuchte die Aussſührungen Krö-
bers zu widerlegen, nicht aber durch Gründe, sondern durch
Redensarten und . . . Ausfälle, wie Lüge und Verleum-
dung u. s. w. Herr Bonnhorſt suchte ebenfalls den Ein-
druck der Rede Kröbers abzuſchwächen und belrat ebenfalls
das perſönliche Gebiet. Herr Ries, ein Studirender, be-
dauerte, taß die heutige studirende Jugend den Beſtre-
bungen unserer Zeit für Bildung des Volkes sich fexne
halte, und ermahnte zur Eintracht. Herr Kröber wies
durch Vorleſung der betr. Stellen des ſtenographiſchen Be-
richtes über die Verhandlungen des norddeutſchen Reichs-
tages seine Behauptung, dem Herrn von Schweitzer gegen-
über nach und ebenſo energiſch die Vehauptungen des Hrn.
Hauenſtein: daß Bebel und Liebknecht bezahlte öſterceichiſche
Agenten seien, zurück. Er konstatirte, daß Bebel den Verſuch
gemacht habe, die verschiedenen Arbeiterparteien zu vereinigen,
daß dieser Verſuch jedoch an Hrn. v. Schweitzer gescheitert ſei,
wahrscheinlich, weil Hrn. v. Schweitzer die Besorgnißüberkommen
habe, alsdann nicht ferner eine erſte Violine spielen und
die Hände in den Taſchen haben zu können. Mittlerweile,
9 Uhr Abends, hatte sich das Publikum wesentlich geän-
dert, was sich durch fortgeſetztes Lärmen und Unterbrechen
der Redner, die nicht unbedingt den Standpunkt des Hrn.
v. Schweitzer theilten, kund gab. Damit nahm die Leitung
der Verſammlung an Parteilichkeit zu. Herr Jung, welcher
sſich auf die Angriffe des Herrn Bornhorſt und Hauenstein
vertheidigen wollte, wurde so oft unterbrochen, daß derselbe
seinen Vortrag nicht auszuführen vermochte; ſchließlich wurde
demselben durch Herrn Bornhorſt's Eingriff in das Präſis
dium das Wort entzogen, mit der Bemerkung, sein Vortrag
sei langweilig. Herr Kröber konnte, obgleich er ſich zum
Worte gemeldet, dasselbe nicht mehr erhalten, und Herr
Bornhorſt verlas unter großem Lärm eine Resolution, in
welcher nach ein Paar Redensarten zu dem Eintritt in den
allgemeinen deutſchen Arbeiterverein aufgefordert wurde.
Herr Dr. Hecht führte aus, daß die Versammlung insofern
Zweck gehabt habe, als sich gezeigt, daß von keiner Seite
der Nuten der Arbeiterbildungsvereine in Abrede gestellt
worden sei, und er verlange, daß Dies auch in die Resſolusz
tion aufgenommen werden möge. Nun wurden dem Red-
ner von allen Seiten Cinreden gemacht und demſelben die
Weiterrede abgeſchnitten. Die Resolution gelangte hierauf
unter großem Lärm zur Abstimmung und wurde angeblich
von der Mehrheit angenommen. Hiemit schloß die Ver-
ſammlung. .
Politiſche Ueberſicht.
Mannheim, 9. Februar.
* In Bezug auf den Stand der Dinge in Griech en-
l a n d ühernimmt seit geraumer Zeit jeder neue Tag die
penelopeiſche Arbeit, das Gespinnſt seines Vorgängers wie-
der aufzutrennen. Geſtern hatten die Telegraphen gemel-
det, dem griechiſchen Kabinet sei die Friſt zu Ertheilung
seiner Antwort abermals verlängert und in Athen ſei ein
neues Miniſterium endlich gebildet, ja ſchon vereidet wor-
den. Heute verkündet die halbamtliche „Agence Havas“:
eine Friſtverlängerung hat nicht stattgefunden und die Ges
burtswehen des griechiſchen Kabinets ſind noch nicht über-
standen, wenn man auch für „wahrscheinlich“ halten dürfe,
daß das zu erwartende Knäblein Zaimis heißen werde.
Nach weiteren Mittheilungen der gestrigen Pauiſer Regie-
rungsblätter hätte Graf Walewski am 7. in Athen ſein
Reiſebündel geschnürt, in welchem demnach die griechiſche
Antwort auf die Konferenzerkläürung noch keinen Raum
gefüllt hat. Zugleich aber bringt der Telegraph über Paris
die Nachricht, König Georgios trage ſich mit Abdankungss
gedanken und habe bereits erklärt, bei fortdauerndem Wis
derſtand dcr Bevölkerung gegen die Annahme der Kon-
ferenzerklärung die Krone niederzulegen. Ueber London
tömmt dieselbe Meltuug mit dem Zuſatze, daß der König
bereits Vorbereitungen zu seiner Abreiſe angeordnet habe..
Die großpreußiſchen Blätter erheben einen Nothſchrei um
baldige Einſührung eines Bundesprcßgeſezes. Da oben
in Mecklenburg, dem widerwilligen Mitgliede des Nord-
deutschen Bundes, will man dessen Segnungen nicht aner-
kennen, und daß man dort gleichzeitig die bei den Konfiska--
tionsdebatten geſbrochenen W ort e Bismarc> 's einer
vernichtenden Kritik unterzicht: Das iſt nun vollends ein
Gränel in national-liberalen Augen. Der Artikel, in wele_
chem Letzteres geschehen und wegen dessen nun auf Maß-
regeln gedrungen wird. durch welche in Mecklenburg auch ohne
die bis jetzt erforderliche Zuſtimmung der Landesregierung die
preußische Blüthe der Preßprozesse zu fröhlichem Wachsen ge-
bracht werden ſoll, lautet: „Dem frevelhaften Spiel, welches aus
erbärmlichen, kleinlichen, dynaſtiſchen Interessen das Wohl
des Vaterlandes auf's Spiel setzt und die Konſpiration mit
dem Auslande ſelbſt nicht verschmäht, muß ein Ende ge-
macht werden“ ~ ſo ſprach Graf Bismarck im preußiſchen
Abgeordnetenhauſe, und seine Myrmidonen jubelten ihm
„lebhaften Beifall." Auch wir haben gegen keines seiner
Worte etwas einzuwenden, nichts gegen das „frevelhafte
Spiel“, nichts gegen das „erbärmliche, tleinliche, dynastiſche
Interesse“ — aber freilich ſind uns dieſe „erbärmlichen
u. s. w. nicht etwa die der Welfen oder Heſſen, ſondern
die von Graf Bismarck y ertretenen. Er hat
das Wohl des deuiſchen Vaterlandes gründlichſt geopfert,