Freitag, 31. Dezember ;.
1869. ||
Organ der deulſchen Volkspartei in Paden.
Die „'äannhrimer
Abendzeitung“ wird – mit Ausnahme der Sonntage und Fefttage
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 kr., bei Lokalanzeigen 2 kr.
. täglich als Abendblatt ausgegeben. ~ Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poftauſſchlag
Bestellungen bei der Expedition C 1 Nr. ; t
15 in Mannheim und bei allen Poftanſtalten.
J
MCN T
Der leere Thron in Spanien.
Die spanischen ‘Königsmacher werden bei ihren fort-
geſezten Verſuchen, ihrem Vaterlande einen Monarchen
zu verſchaffen, von beständigem Mißgeschicke verfolgt.
Naum daß ſie einen Kartdidaten aufstellen, erklärt dieser,
er bedanke sich für die ihm zugedachte Ehre. Selbst
wenn die Herren in Modrid einen Prinzen schon sicher
in der Hand zu haben glauben, . entſchlupft er ihnen
plözlich und läßt sich beſtens empfehlen. Welche An-
ſtrengungen hat die Regierung nicht gemacht, um der
Nandidatur des Herzogs von Genua die Mehrheit der
Kories zu sichern. Vergebens hielten die republikaniſchen
Blätter, vergebens die Unionisten der Regierung vor, daß
ein Nnabe nicht fähig sei, Spanien Glück und Frieden
zn bringen ; fruchtlos war der Einwand, man wisse ja
noch gar nicht, ob die italieniſche Königsfamilie ihre Zu-
stimmung geben werde. Alle Ermahnungen und Ware
nungen blieben von Seite Serranos und Prims voll-
fländig unbeachtet; sie freuten sich schon so sehr über
das KNöniglein, das sie zu haben glaubten, daß sie aus
Vergnügen einige Todesurtheile an Republikanern voll-
ſtreen ließen ~ ein würdiges Vorspiel der neuen Mo-
narchie. Da wird ihnen ein böſer Streich gespielt. Der
Herzog von Genua macht Schwierigkeiten; s.ine Familie
ſcheint abgeneigt, ihn ziehen zu laſſen; Olozaga bittet
Prim „um Gotteswillen“, nicht mehr von der Sache zu
reden. Man behauptet, Kaiser Napoleon habe in Florenz
von der Annahme des ſpanſſchen Thrones abgerathen,
weil es ihm gefährlich erscheine, daß das Haus Savoyen
auch am Westufer des mittelländiſchen Meeres Fuß faſſe.
Mag dies richtig ſein oder nicht, das gehoffte Königlein
zerrinnt den Madrider Machthabern unter den Händen
und sie ſind abermals rathlos, wie sie die thatſächlich be-
ſtehende Republik beseitigen können.
Gute alte Zeit! Zeit des Abſolutismus und der in
tiefster Ehrfurcht erſterbenden Unterthanen, wo bist Du
hingekommen ? Pensionirte Hofräthe gedenken noch in
stiller Wehmuth deiner ſchönen Tage > ſonſt biſt Du
ſelbſt aus dem Gedächtniſſe der Mitlebenden faſt schon
verſchwunden. Wer das vor vierzig Jahren für möglich
gehalten hätte, Kronen könnten so im Preiſe ſinken, daß
Niemand sie annehmen will! Wer vor dreißig Jahren,
als Carliſten und Chriſtinos ſich in Spanien herum-
ſchlugen und durch ihre Thaten die einzige Abwechslung
in die gräßliche Oede der deutschen Zeitungen brachten,
wer damals gedacht hätte, Spanien könnte in der nächſten /
Generation keinen Nönig finden? Die alten Reaktionäre,
welche ſich in den dreißiger Jahren so lebhaft um Don
Carlos annahmen, daß ſeibſt preaßiſche Exzellenzen, wie
Hr. v. Nagler, in Privatbricfen die Wechſelfälle des ſpa-
r
niſchen Bürgerkrieges beſprachen, dieſe würdigen Herren
würden bor Entſeßzen über die Gegenwart ſterben, wenn |
fie nicht ſchon lange im Grabe lägen.
Die Regierung in Madrid zwar thut das Möglichſte,
um die Monarchie zu erzwingen nd den Beifall der
Konſervativen zu erwerben. Prim erklärte neulich in den
Kortes : Auch wenn der Herzog von Genua entſchieden
ablehnte, die Krone anzunehmen, ja wenn man über-
haupt keinen König fäude, sſo würde darum doch nicht
die Republik eingeführt werden.
Wo u die Prim und Serrano mit aller Gewalt die
Monarchie wieder erwecken wollen, kann eigentlich kein
Menſch mit fünf geſunden Sinnen begreifen. In einem
Lande, in welchem die Monarchie ſo ſchwere Stöße er-
litten hat, wie in Spanien, in dem die republikaniſche
Idee tiefe Wurzel gefaßt hat, iſt das monarchiſ.he System
_ Für die Dauer nicht mehr haltbar. Man kann einen
Nönig importiren und eine Weile durch die Armee ſtüten,
aber er wird ein verhaßter Fremder bleiben undnicht nur
die Demokraten, sondern auch die Unionislen stets gegen
. fich haben. Nach alledem, was seit dem September vo-
rigen Jahres 1n Spanien vorgefallen, iſt dort die mo-
marchiſche Regierungsform nicht mehr möglich.
Der treffliche Caſtelar sagte neulich in einer Sitzung
der Kortes: „Alles läßt sich in politiſhen Dingen im-
proviſiren, nur nicht die Monarchie.“ Das iſt so wahr,
daß man es durchaus nicht widerlegen kann. Das Bei- |
ſpiel Louis Napoleons beweiſt nichts dagegen, denn er |
fußte auf der Gewalt und auf den Ubeberlieferungen des |
erſlten Kaiserreiches, wie dieses ſselbſt auf der Grundlage
des glänzenden Kriegsruhmes. Wenn Prim ich zum
Könige von Spanien machen wollte, so ließe fich das
einſchmuggeln will. Er und Serrano erinnern nachge-
rade in bedenklicher Weiſe an ihren berühmten Landsmann
aus der Mancha. Die Monarchie iſt ihre Dulcinea, zu
deren Ehre sie auf Abenteuer ausziehen, und die Ver-
faſſung auf welche sie sich berufen, mahnt an das Bar-
bierbe>en, das der edle Ritter Don Quixote für den
Helm Mambrins hiell. Cs klingt wie eine Satyre auf
die Regierung, daß der Präsident der Nortes, Sennor
Rivero, den Vorschlag machte, ein Komite zu ernennen,
welches einen Geseßentwurf ausarbeiten solle über die
Art, wie der Nönig von den Kortes zu wählen sei. Die
Nortes nahmen dieſen Antrag an und werden, ſobald
ſie am zweiten Januar wieder zuſammentreten, das be-
treffende Komite wählen. Damit iſt die Nönigsmacherei
auf den langſamſten Weg verwiesen, den es gibt; denn
ſo lange der Geseßentwurf nicht ausgearbeitet, berathen
und angenommen ist, muß der gegenwärtige Zuſtand
der Dinge fortdauern, die höchste Gewalt bei den Kortes
und dem Regenten verbleiben. (N. fr. Pr.)
Palitiſche Ueversich.
Mannheim, 29. Dezember. i
* Zwischen dem No rdbun d e und Baden und
Heſſen ſind die bereits beſprochenen Jurisdiktionsver-
träge zu Stande gebracht. Die Verhandlungen mit
Bahern und Württemberg haben einen ſo ſchnellen Ver-
lauf nicht genommen. Die bayeriſche Regierung hat
zwar ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, über den Ab-
schluß eines ſolchen Vertrages zur gegenseitigen Rechts-
hilfe in Verhandlung zu treten; doch hat ſie noch keines-
wegs den Vertragsgrundlagen, wie sie vom Bundeskanzler
vorgeſchlagen und wie sie von Baden und Hepyen ange-
nommen ſind, ihre Zuſtimmung ertheile. ~ Wie aus
München in gleicher Sache berichtet wird, hatte man
dort und in Stuttgart gehofft, der mit dem Nordbunde
abzuſchließende Jurisdiktionsvertrag werde in gemeinsamen
Berathungen, an welchen sämmtliche deutſche Staatsre-
gierungen Theil nehmen, feſtgeſtelt werden. Aber das
Vorgehen Badens und Heſſens beweiſt. daß es in Ber-
lin anders beſchloſen worden sei und daß man dort be-
abſichtige, mit jedem einzelnen süddeutſchen Staate einen
ſelbſtſtändigen Vertrag abzuſchliegen. Aber bei dem Um-
ſtand, daß die Rechtsverhältniſſe unter den ſüddeutſchen
Staaten ſelbſt nicht völlig geordnet ſind, wird es jetzt
nöthig, daß jeder der paktirenden ſüddeutſchen Staaten
vier formell wie materiell verſchiedene Jurisdiktionsver-
träge (z. B. Baden mit Heſſen, Württemberg, Bayern
und dem norddeutſchen Bunde) abſchliegen mus. Daß
dieses kein Vortheil für die Sache iſt, liegt auf der
Honn.
In Paris hofft man nicht, daß das neue Kabinet
vor morgen gebildet sein werde. Was bis jjett über
deſſen Zusammensetzung verlautet, erweckt kein beſonderes
Intereſſe. Das Letztere richtet sich vielmehr auf eine
radikale Umgeſtalung und werden die vom ,Rappel“
und „Reveil“ gebrachten Notizen über Vorgänge inner-
halb der Armee in ihrem Zuſammenhange auf -die Ent-
wicklung der Dinge eifrig beſprochen. Die politische Be-
wegung, von welcher das Land erfaßt iſt, hat im Heere
lebhaſtes Echo gesunden. Keinem Regimeute in Frank-
reich iſt es bis daher gelungen, die Armee von der Be-
völkerung, der Nation abzuſchliezgen. Wenn der Rekrut
in Frankreich die Uniform anzieht, so erblickt er in der-
selben nicht etwa des „Kaiſers Rock“ ~ ſondern das
Zeichen der bewaffneten Macht Frankreichn. Er iſt ſich
bewußt, einem nationalen, nicht einem monar-
<i ſch en Gefühle zu gehorchen, wenn er in das Heer
eintritt. Für die Armee ſteht Frankreich außer und über
allen Regierungen, wie diese auch immer heißen mögen.
Das Heer Frankreichs kaan sich daher niemals wirtlich
mächtigen Strömungen der öffentlichen Meinung ver-
ſchließgen, es vermag nicht fühllos gegen das zu bleiben,
was das übrige Land in seinen tiefſten Tiefen bewegt.
Dieſe Schlüſſe, sagt die „Fr. Ztg.", werden durch das,
was seit einigen Monaten unter den in Paris und Um-
| gegend stationirten Truppen vorgeht, entſchieden bestätigt.
Alle Militärs vom Soldaten bis zum höheren Offizier
ſind Gegenstand einer regierungsfeindlichen Propaganda.
Iſt auch bis daher das Vorhandensein einer Militäter-
ſchwörung überaus unwahrscheinlich, ſo darf doch als be-
stimmt angenommen werden, daß die Armee an der
geiſtigen Bewegung, welche Frankreich durchzittert, ent-
eher begreifen, als daß er einen unbekannten Prinzen | schieden Antheil nimmt. Die starre und blinde Disciplin
IcCCOom O ep
an dem kaiserlichen Regimente unaufhaltsam vollzieht.
Lutte türkiſch- eg y p ti c e Konflikt scheint neu auf-
vom Vizekönig angeschafften Chaſſepotgewehre und Pan-
zerſchiffe, sowie die Unterordnung der egyptiſchen Armee
und Flotte unter die Befehle eines vom Sultan ernann-
„ ten türkischen Kommandanten.
Außerdem ſcheint die türkiſche Regierung von weiterer
Sorge befallen.
Montenegro und glaubt die Pforte, ſich vorſehen zu
müsſen. So hat sie das Observationskorps in der Sut-
terina auf 12,000 Mann gebracht, längs der monte-
negriniſchen Grenze werden in aller Eile befestigte Thürme
errichtet und mit Geschützen schweren Kalibers armirt.
Bei Mostar, wohin der Sitz des Generalgouvernements
pon Bosnien verlegt worden, wird ein befestigies Lager
Truppen Bosniens (die Baſchi Bozuks) einberufen.
zählung von den Fidschi-Inseln. Ein früherer
Ladenbeſiker aus Melbourne, Namens Lattin, hatte in
Barke Morea eingeschifft, um ſie als Kulis nach Queens-
land zu verhandeln. Ehe aber das Schiff auf hoher
See war, erhoben sich die Inſulaner und tödteten alle
Weißen mit Ausnahme des Steuermanns. Dann ſprangen
Wellen ihren Tod fanden.
Deutschland.
* Mannheim , 30. Dez. Die „Heidelberger
Zeitung" begrüßt das Ergebniß der hieſigen Ortsſchul-
rathswahl und zwar aus g,wirklicher tiefer Abneigung
künstlichen Ständescheidung.!" Das genannte Blatt hält
es aber deßhalb „um so ſchlimmer", wenn ein Theil
seiner (nation al- liberalen) Parteigenoſſen unter die
weil eben die national-liberale Partei im Großen und
Ganzen ſich nicht durchweg auf denselben Boden als die
nur den Gegner kräftige, sondern auch das Prinzip ver-
läugne und damit die eigene moraliſche Kraft ſchwäche;
andernfalls könnte es allerdings pasſiren, daß eines ſchönen
Morgens zum Schrecken der National-Liberalen Mann-
heim und noch manche andere badiſche Stadt über Nacht
demokratiſch geworden wäre . .
heim nicht eintreten ~ einfach, weil Mannheim seit
den braucht.
und Verordnungsblatt Nr. 40 veröffentlicht den Wort-
laut des Geseßzes über die Beurkundung des bürgerli-
der Eh e. Eine gleichzeitig veröffentlichte Verordnung bes
stimmt, daß das Gesetz) am 1. isebruar 1870 in Wirk-
samkeit tritt. Bis zu dieſem Zeitpunkte haben die ſeit-
herngen Standesbeamten + die Ortlsgeiſtlichen und die
Rabbiner = in ihrenBezirken die Geſchäſte der Standes-
beamtung nach Maßgabe der alten Geſeße und Verord-
für das Jahr 1869 hat wie seither am 31. Dezember
sondere Bücher zu führen, und am 31. Januar in der
vorgeſchriebenen Weiſe abzuſchliegen. Die Standesbücher
zeitig vorzulegen.
ud zeilung. Ir ;
iſt mit in dem Zerſetungsprozeß einbegriffen, welcher sich I
Die türktſche Regierung verlangt, einer Konn
ſtantinopeler Korrespondenz zufolge, die Auslieferung der |
Die Spitze derselben kehrt ſich gegen ||
bezogen und endlich sind die ſämmntllichen irregulären
Die auſtraliſch e Poſt bringt eine ſchauderhafte Er-
Fidſchi etwa 280 CEingeborene an Bord der franzöſiſchen |
sie über Bord, um ans Land zurückzuſchwimmen, aber |
nur 30 erreichten das. Gestade, so daß etwa 250 in den
gegen das Syſtem einer ſchon in zarteſter Jugend, ſchon
beim erſten und nothwendigſten Unterrichte beginnenden.
Führung der demotratiſchen Partei gebracht worden sei;
demokratiſche Partei in dieſer Frage gestellt habe. De
„Heidelb. Zig.“ hält es für dingend erforderlich, daß die
hieſige national-liberale Partei nicht zum ztiveiten Male |
einen derartigen Fehler begehe und ſsolcher Weiſe nicht
. Die ,„Heidelb. Ztg.! |
mag sich beruhigen : ihre Befürchtung wird für Mann- |
lauge durchaus demokratisch iſt und es nicht erſt zu wre.
<en Standes und die Förmlichkeiten bei Schlietung
nungen fortzubesorgen. Der Abſchluß der Standesbüche
zu geschehen. Für den Monat Januar 1870 ſind be-
für das Jahr 1869 und jene für den Mont Jauaattme l
1870 sind im Februar 1870 den Amtsgerichten gleiche | |
Die Herrenhuter Brüdergemeinde Königsfeld wurde
zuerſt vom Wehrgeſeße und jetzt von dem oben bezeichree y
ten Geſeze in ihrer Ausnahmeſtellung geſchädig. Die
Beurkundung der bürgerlichen Standesbeamtung wirno |
von ihrem Vorsteher nicht ferner geführt werden könn. Mx
und wohl dem Bürgermeister einer benachbarten Gemeine
.)
" d:!
S 1
P ' s
Z I u rn---.
* L (us Baden, 30. Dez. Das neueſte Geſeßges- |
übertragen. Die Vertrcter der Brüdergemeinde beabſcihe.
. ~ -e