kruten- und Geld-Schaffen.
laoren gehe, für Preußen nicht.
“pt s m d .at rm. ZZ.
__ - » nana.
1869.
Dienſtag, 5. Oktober.
er
\Abendzeituug.
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird - mit Ausnahme der Sonnt
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 kr.,
hei Lokalanzeigen 2 kr. Beftellungen bei der Expedition CQ 1 Nr.
age und Feſttage ~+ täglich als Abendblatt ausgegeben. – De
r Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poftanstalten.
Rede des Grafen von Berlichingen
bei der Adreßdebalte in der Erſten Kammer.
Durchlauchtigſte, hochgeehrteſte Herren! In Ihrer Adreß-
kommisjion hat fich, wie vorauszuſehen gewesen, eine Majori-
tät und eine Minorität gebildet. Die Majorität bestand
aus vier Herren , deren Berichterstatter Hr. Geh. Rath
Bluntschli, die Minorität aus meiner Wenigkeit.
Mit manchem in der Adresſſe bin ich einverſtanden,
mit Vielem nicht; ich habe es aber unterlaſſen , Anträge
auf Abänderung zu stellen, da man nicht einzelne Sätze
herausreißen kann , denn die Adreſſe muß, wie man zu
sagen pflegt, aus einem Guſſe ſein.
Ich hätte auch eine Minoritätsadresse verfaſſen können,
allein ich habe es unterlaſſen, weil ich erſtens wußte, die
Majorität sei gegen mich, und zweitens, weil die Zeit zu
kus war, um ſelbe den Herren noch rechtzeitig zustellen
zu können. . :
Ich stimme gegen die Adreſſe und muß daher auf
den Dank des Herrn Staatsministers verzichten ; auch dem
Wunſche meines verehrten Hrn. Nachbars (Geh. Rath
Bluntſchli), die deutsche Frage mit Stillschweigen zu über-
gehen, kann ich nicht nachkommen, und wenn ich darüber
ſpreche, ſo bitte ich, es nicht als Redſeligkeit meiner Per-
ſon auszulegen, an der ich in der That nicht leide; ſon-
dern zu bedenken, daß auch die Minorität das Recht hat,
ihre Meinung auszusprechen. ]
In diesem h. Hauſe bleibe ich nun allerdings in der
Minorität, allein im Volke wird ein großer Theil meiner
Anſicht sein ; ob der größere oder kleinere, vermag ich nun
allerdings nicht zu sagen.
Ich will nun tieine Anfichten aussprechen.
Die Thronrede behandelt zwei Fragen : die Aeußere
und die Innere. Die Adreſſe muß dieß alſo naturgemäß
auch thun und die Innere Frage muß nach meiner un-
maßgeblichen Meinung wieder in zwei Abtheilungen zer-
fallen, nämlich zuerst die Vorlagen, die uns gemacht wur-
den und die Vorlagen, die man = wenigstens ich ~
noch erwartet hätte, berühren.
Ich beginne mit der Aeußern Frage. Die Thronrede
ſagt mit anerkennenswerther Offenheit, daß seit zwei Jah-
ren in der Frage, welche man die nationale zu nennen
beliebt , nichts geschehen sei. Also dreijähriges Hoffen,
Sehnen, Drängen umſonſt ! .
Diejenigen , welche alſo voraussahen, daß dieser Ein-
tritt in den Nordbund nicht ſo raſch gehen werde , ja
das Drängen nicht billigten, hatten nicht unrecht.
Hätte man die drei Jahre benützt zu einer Vereini-
gung mit den übrigen ſüddeutschen Staaten , ja einen
Südbund geſchaffen, so hätte man etwas Handgreifliches
erreicht. Dieser Südbund hätte nun allerdings andere
Einrichtungen haben müſſen als der Nordbund; wahrhaft
freiheitliche Institutionen , geringe Steuern, und geringe
Militärlaſt u. s. w. Auch wäre dem Südbunde die
ſchöne Aufgabe zugedacht, das Bindeglied zwiſchen Oster-
reich und Preußen zu bilden. Man mag ſagen, was
man will, allein mit Oeſsterreich im Rücken, sind wir,
wenn es uns feindlich gesinnt, was ich nicht hoffe und
wünſche + vollſtändig gelähmt.
In dem Nordbund sehe ich nur eine Verpreußung
der übrigen Staaten, welche durch die unglücklichſte Form,
die es gibt, nämlich die Hegemonie zuſammengehalten
werden. Preußen iſt Souverän; die andern ſind Vaſal-
len. Preußen diktirt; die andern gehorchen. Die Rechte
des Volkes im Nordbunde bestehen hauptsächlich im Re-
uten In der That, es iſt merk-
würdig; in der Türkei streben die einzelnen Länder die
Seiz tsueist abzuſchütten und bei uns will man sie
einführen.
Von dem deutſc< en Beruf Preußens in allen Fällen
bin ich auch nicht durchdrungen. Ich erinnere nur an
die Luxemburger Affaire : für Deutſchland war es eine
Prinzipiensache, daß keine Spanne deutschen Bodens ver-
or Preußen hat ſich in den
lezten Jahren so unendlich vergrößert, daß es ihm nicht
der Mühe werth schien, wegen dem Fetzen Land, wie
tt! Luxemburg zu nennen beliebte, einen Krieg anzu-
angen. G
î_ Mit Freuden konſtatire ich, daß in ganz Deutschland nur
eine Stimme herrſchte, nämlich Luxemburg zu halten.
Man war zu allen Opfern bereit, allein Preußen wollte
U. Ein Beweis, daß preußiſch und deutſch nicht iden-
iſch iſt. :
Es ist Thatſache und die Großh. Regierung wird es
wiſſen, daß bei einem großen Theil der Bevölkerung eine
Abneigung gegen den Eintritt in den Nordbund besteht.
Ich proteſtire im Ramen dieses Theils der Bevölke-
rung, wohl wisſend , daß mein Proteſt eben ſo wenig
nützen wird, wenn es doch beſchloſſen, als das Drängen
der Regierung darnach, denn die Frage wird nicht in
diesem h. Hauſe, nicht in Karlsruhe, sondern in Berlin,
Wien und Paris entſchieden. Ich ſage leider in Paris!
und das iſt es, was mein deutſches Ehr-= und National-
gefühl empört, daß man beim Auslande bitten und bet-
teln muß ; daß das Ausland ſich in unsere Angelegenheit
w s > ss !! "ke Elend T :
pfuſchen.
Preußen ſcheint sich mit der Mainlinie die Hände
gebunden zu haben und das iſt der Unsegen , den die
böſe That begleitet, die Preußen im Jahre 1866 began-
gen , daß es Deutſchland zerstörte, zerriß, uns bei Seite
ſezte, Oeſterreich hinausstieß, ohne ein neues Deutschland
zu ſchaffen. Es vergrößerte Preußen ganz allein. Nun
frage ich ~ iſt das national ? :
Ein einseitiges Vorgehen der Gr. Regierung in dieſer
Frage , d. h. wenn man uns den Vertrag wegen Ein-
tritts in den Nordbund etwa als fait accompli vorlegte,
zur nachträglichen Genehmigung wie ein Handels - und
Schifffahrts-Vertrag mit den Sandwichs-Inseln, müßte
ich geradezu als einen Staatsstreich erklären.
Es kann dies nur mit Zuſtimmung des Volkes geſchehen,
allein die dermaligen Kammern kann ich nicht als Avsdruck
des Volkes anerkennen. Die Nothwendigkeit der Reform
der erſten Kammer wurde ſchon vor zwanzig Jahren aner-
kannt und neuesſtens wieder vor fünf Jahren angeregt.
Was die zweite Kammer anbelangt, ſo bin ich weit ent-
fernt, mich in die Angelegenheiten des andern Hauſes zu
miſchen, ich habe auch vor jedem einzelnen Mitglied zu
viel Hochachtung, als daß ich glauben könnte, es beſäße
nicht das Vertrauen ſeines Bezirkes. Allein ich kann
nur eine Kammer, welche aus direkter und geheimer
Wahl hervorging, als den Ausdruck des Volkes aner-
kennen.
Hat ja die großh. Regierung ſelbſt eine Vorlage auf
Abänderung des andern Hauſes vorgelegt.
Tritt aber die Frage des Eintritts in den Nordbund
heran, ehe die Kammern reformirt ſind und iſt die Zeit
zu kurz, um deßfallſige Vorlagen zu machen, dann iſt
nach meiner Meinung eine Abstimmung des Volkes vor-
zunehmen. Spricht sich die Majorität des Volkes für
den Eintritt aus, nun so ſei es, ich werde mich der Ma-
jorität fügen. Ist es geſchehen, dann protestire ich gegen
jede Einmiſchung des Auslandes. Wir miùſssen zeigen,
daß in Deutſchland die Deutschen Herren im Hauſe ſind
und daß wir uns in unſer Selbſtbeſtimmungsrecht nicht
hineinpfuſchen laſſen. Mit aller Offenheit muß ich aber
erklären, daß, wenn wir einmal in dem Nordbunde ſind,
ich noch einen Schritt weitergehe und gehorſamst um voll-
ständige Annektirung bitte. Für eine solche Karikatur
eines souveränen Staates, wie wir es dann ſein würden,
könnte ich mich unmöglich mehr begeiſtern. Es wäre
ſchade um jeden Mann und jeden Kreuzer, den man
noch für seine Erhaltung opfert. Ich bin ſchließlich
lieber ein Mußbreuße erſter Klaſſe als ein Mußpreuße
zweiter Klaſſe. Indessen ich kann Beides erwarten.
Wir haben ja in Deutschland ſchon manches erlebt!
Wenn ich zunächſt auf meine Familie zurückblicke, so er- ſ
giebt sich ein ſonderbares Bild ; mein Großvater war als
reichsunmittelbar ſelbſt Territorial Herr, mein Vater war
ein Schwabe, ich ein Badenser, meine Söhne werden vielleicht
Preußen, meine Enkel aber hoffe ich, werden Deutſche
werden. Deutsch gedacht haben wir zwar alle und immer.
Bezüglich der Annektirung wird man mir vorhalten,
unsere Freiheit ginge verloren. Nun, ich weiß in der
That nicht, worin unſre großen Freiheiten bestehen.
Graf Bismark, deſſen Autorität gewiß nicht beſtritten
werden wird, hat ja einstens gesagt, der Norden sei uns
zu liberal. Nun, ich muß dabei bemerken, daß ich noch
eine große Portion mehr Liberalität ertrage, als in
Preußen und bei uns ist.
Was die allgem. Volksabſtimmung anbelangt, so
wird man mir entgegenhalten, daß der Volkswille wetter-
wendisch sei , heute ſo und morgen anders. Möglich, daß
es so iſt, allein dies iſt nicht allein beim!Volke, sondern auch
bei den Regierungen. Bedenken wir, welche Syſteme
wir seit 20 Jahren in Baden durchmachten. Welche
Extreme, welche Syſtemlosigkeit! Kein Farbentaſten hat
genug Farben aufzuweisen, um die verſchiedenen Systeme
anzuſtreichen und wenn das Volk characterlos wäre, ſo
wurde es eben von oben herunter <aracterlos gemacht.
Ich wende mich nun zur inneren Frage. Ich konnte
von den Vorlagen noch keine Einsicht nehmen, da ich ſie
erſt gestern Abend erhielt und kann mir daher noch kein Ur-
theil erlauben. Von allen Vorlagen hat mich das Gesetz
gam meisten gefreut, wonach politiſche und ohne Zweifel
alle Preßvergehen den Schwurgerichten überwieſen tverden.
Es iſt dies eine ſolche Nothwendigkeit, daß ich kein
Wort darüber zu verlieren brouche. Auch die Reform
eder zweiten Kammer ist erfreulich, vorausgesetzt, daß ſie
auf dem direkten und geheimen Stimmrecht beruht. Jede
andere Wahlart ist eine Fälſchung der öffentlichen Meinung,
ſagt Graf Bismark. Sie ſehen, durchl. hochg. Herrn, daß ich
das Gute, das aus Berlin kommt, gerne akzeptire , allein
die Freude wird mir nur ſelten zu Theil. Auch die Er-
weiterung der Gemeinde- Autonomie iſt wichtig und ich
hoffe das Aufhören des großen Ausschuſſes und daß der
Bürgermeiſter nicht mehr von der Regierung beſtätigt
werden muß. Von Wichtigkeit iſt auch die Einführung
der obligatorischen Civil-Che und bürgerlichen Standes-
beamtung. Obgleich dem Lande kein direkter Vortheil
daraus erwächſt, werde ich doch dafür stimmen, da ich
nicht einſehen kann, daß Jemand dadurch verkürzt wird.
Bei richtiger Belehrung werden ſich die Gemüther be-
ruhigen. Könnte ich einsehen, daß die Gewisſſen dadurch
mit Recht beunruhigt würden, ſo würde ich dagegen
stimmen, denn die Gewissen anderer sind mir ſo heilig,
als mein eigenes.
Daß die Steuern eingingen iſt richtig. Sie wurden
eben bezahlt, weil die Stände ſie bewilligt und bei uns
ſo viel konstitutioneler Sinn herrſcht, daß man ein-
ſieht, daß, was bewilligt ist, auch bezahlt werden muß.
Daß die Steuern aber freudig getragen werden , dagegen
muß ich proteſtiren. So kann es nicht fortgehen. Die
Napitalſieuer scheint mir die Erhöhung am leichtesfenzn.
tragen, weil der Zinsfuß gestiegen. Ueber die Gewerbe.
ſteuer kann ich mir kein richtiges Urtheil erlauben. Was
aber die Grundsteuer anbelangt, ſo diene ich als trauriges
corpus delicti. Die Güterpreiſe und Pachtzinſe, was
äquivalent mit dem Erträgniß iſt, gingen fast überall zu-
rü> und die Steuer wurde um 838 Prozent erhöht. Es
iſt daher leicht abſehbar, wohin man kommt. Die allge-
meine Wehrpflicht iſt ein Akt großer Gerechtigkeit.
Sie hebt das Selbsibewußtſein der Soldaten , daß Jeder
die ehrenvolle Pflicht hat, das Vaterland zu vertheidigen.
Ueber die Zjährige Dienstzeit aber und das große Mili-
tärbudget herrſcht Unzufriedenheit. Doch davon bei einer
andern Gelegenheit. Nur eines will ich noch bemerken :
Als vor 30, 20 Jahren und noch kürzerer Zeit ſtets die
Stimmen ſich erhoben gegen das Miliärbudget, da hieß
es immer, ja wir möchten recht gern, aber der Bundeen. JH
tag erlaubt es nicht. Der ſelige Bundestag mußte der
Sündenbock sein für Alles. Nun ist er glücklich heimges
gangen und das Militärbudget iſt auf das Doppelte ge-
stiegen –~ ein Beweis, daß Deutſchland seit 1866
ſchwächer geworden , und wir müſſen eben nur für das
Hinausſtoßen Oeſterreichs zahlen. Der selige Abgeordnete
Kirchgeßner hatte Recht, als er vor 8 Jahren in dieſem
Hauſe ſagte : „Der Bundestag brauche nur zu ſterben, um
beklagt zu werden."“ Ich bin gewiß der Letzte, der dem
eligen Bundestag ein Loblied nachſingen will, er war
kein völkerbeglückendes Institut, allein in seiner Defensiv-
kraft war er sehr ſtark, denn er hat uns 50 Jahre den
Frieden erhalten. Ich glaube kaum, daß wir jetzt noch
50 Jahre Frieden haben werden, allein wenn es wieder
zuri Kriege kommt, so hoffe ich, daß auch die deutsche
Nation etwas davon haben wird, denn bis jeht iſt ſie
immer leer ausgegangen. In der Thronrede iſt auch ge-
ſagt, daß die Ernte durchschnittlich gut ausgefallen ſei.
Ich konſt atire dies gern, weil es durch ſchnittli c heißt,
denn der Tabak in der Pfalz iſt total mißrathen; dazu
k ommt dieſes Jahr noch, Dant der preußiſchen Bruder-
ſchaft, die Tabakſteuer. Kalamitäten werden alſo nicht
ausbleiben. In die Adresse gehört dies allerdings nicht,
allein geſagt muß es doch werden.
Zum Glück hängt aber die Ernte nicht von der Re-
gierung ab , sonſt gäbe es am Ende noch eine extra
Ernte für die Ministeriellen.
Ieh komme nun zu den Vorlagen, die ich noch er-
wartet und gewünſcht hätte und zwar
1) Reform der I. Kammer. Wir werden dieſer Tag
f
item. rium r ~ Lt ai .
B A;
t : EGI t UL HZ :: ; . zt HGE . . .. Utz z : z:; zz |
. . . . ! |
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laoren gehe, für Preußen nicht.
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1869.
Dienſtag, 5. Oktober.
er
\Abendzeituug.
Organ der deulſchen Volkspartei in Baden.
Die „Mannheimer Abendzeitung" wird - mit Ausnahme der Sonnt
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 8 kr.,
hei Lokalanzeigen 2 kr. Beftellungen bei der Expedition CQ 1 Nr.
age und Feſttage ~+ täglich als Abendblatt ausgegeben. – De
r Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag
15 in Mannheim und bei allen Poftanstalten.
Rede des Grafen von Berlichingen
bei der Adreßdebalte in der Erſten Kammer.
Durchlauchtigſte, hochgeehrteſte Herren! In Ihrer Adreß-
kommisjion hat fich, wie vorauszuſehen gewesen, eine Majori-
tät und eine Minorität gebildet. Die Majorität bestand
aus vier Herren , deren Berichterstatter Hr. Geh. Rath
Bluntschli, die Minorität aus meiner Wenigkeit.
Mit manchem in der Adresſſe bin ich einverſtanden,
mit Vielem nicht; ich habe es aber unterlaſſen , Anträge
auf Abänderung zu stellen, da man nicht einzelne Sätze
herausreißen kann , denn die Adreſſe muß, wie man zu
sagen pflegt, aus einem Guſſe ſein.
Ich hätte auch eine Minoritätsadresse verfaſſen können,
allein ich habe es unterlaſſen, weil ich erſtens wußte, die
Majorität sei gegen mich, und zweitens, weil die Zeit zu
kus war, um ſelbe den Herren noch rechtzeitig zustellen
zu können. . :
Ich stimme gegen die Adreſſe und muß daher auf
den Dank des Herrn Staatsministers verzichten ; auch dem
Wunſche meines verehrten Hrn. Nachbars (Geh. Rath
Bluntſchli), die deutsche Frage mit Stillschweigen zu über-
gehen, kann ich nicht nachkommen, und wenn ich darüber
ſpreche, ſo bitte ich, es nicht als Redſeligkeit meiner Per-
ſon auszulegen, an der ich in der That nicht leide; ſon-
dern zu bedenken, daß auch die Minorität das Recht hat,
ihre Meinung auszusprechen. ]
In diesem h. Hauſe bleibe ich nun allerdings in der
Minorität, allein im Volke wird ein großer Theil meiner
Anſicht sein ; ob der größere oder kleinere, vermag ich nun
allerdings nicht zu sagen.
Ich will nun tieine Anfichten aussprechen.
Die Thronrede behandelt zwei Fragen : die Aeußere
und die Innere. Die Adreſſe muß dieß alſo naturgemäß
auch thun und die Innere Frage muß nach meiner un-
maßgeblichen Meinung wieder in zwei Abtheilungen zer-
fallen, nämlich zuerst die Vorlagen, die uns gemacht wur-
den und die Vorlagen, die man = wenigstens ich ~
noch erwartet hätte, berühren.
Ich beginne mit der Aeußern Frage. Die Thronrede
ſagt mit anerkennenswerther Offenheit, daß seit zwei Jah-
ren in der Frage, welche man die nationale zu nennen
beliebt , nichts geschehen sei. Also dreijähriges Hoffen,
Sehnen, Drängen umſonſt ! .
Diejenigen , welche alſo voraussahen, daß dieser Ein-
tritt in den Nordbund nicht ſo raſch gehen werde , ja
das Drängen nicht billigten, hatten nicht unrecht.
Hätte man die drei Jahre benützt zu einer Vereini-
gung mit den übrigen ſüddeutschen Staaten , ja einen
Südbund geſchaffen, so hätte man etwas Handgreifliches
erreicht. Dieser Südbund hätte nun allerdings andere
Einrichtungen haben müſſen als der Nordbund; wahrhaft
freiheitliche Institutionen , geringe Steuern, und geringe
Militärlaſt u. s. w. Auch wäre dem Südbunde die
ſchöne Aufgabe zugedacht, das Bindeglied zwiſchen Oster-
reich und Preußen zu bilden. Man mag ſagen, was
man will, allein mit Oeſsterreich im Rücken, sind wir,
wenn es uns feindlich gesinnt, was ich nicht hoffe und
wünſche + vollſtändig gelähmt.
In dem Nordbund sehe ich nur eine Verpreußung
der übrigen Staaten, welche durch die unglücklichſte Form,
die es gibt, nämlich die Hegemonie zuſammengehalten
werden. Preußen iſt Souverän; die andern ſind Vaſal-
len. Preußen diktirt; die andern gehorchen. Die Rechte
des Volkes im Nordbunde bestehen hauptsächlich im Re-
uten In der That, es iſt merk-
würdig; in der Türkei streben die einzelnen Länder die
Seiz tsueist abzuſchütten und bei uns will man sie
einführen.
Von dem deutſc< en Beruf Preußens in allen Fällen
bin ich auch nicht durchdrungen. Ich erinnere nur an
die Luxemburger Affaire : für Deutſchland war es eine
Prinzipiensache, daß keine Spanne deutschen Bodens ver-
or Preußen hat ſich in den
lezten Jahren so unendlich vergrößert, daß es ihm nicht
der Mühe werth schien, wegen dem Fetzen Land, wie
tt! Luxemburg zu nennen beliebte, einen Krieg anzu-
angen. G
î_ Mit Freuden konſtatire ich, daß in ganz Deutschland nur
eine Stimme herrſchte, nämlich Luxemburg zu halten.
Man war zu allen Opfern bereit, allein Preußen wollte
U. Ein Beweis, daß preußiſch und deutſch nicht iden-
iſch iſt. :
Es ist Thatſache und die Großh. Regierung wird es
wiſſen, daß bei einem großen Theil der Bevölkerung eine
Abneigung gegen den Eintritt in den Nordbund besteht.
Ich proteſtire im Ramen dieses Theils der Bevölke-
rung, wohl wisſend , daß mein Proteſt eben ſo wenig
nützen wird, wenn es doch beſchloſſen, als das Drängen
der Regierung darnach, denn die Frage wird nicht in
diesem h. Hauſe, nicht in Karlsruhe, sondern in Berlin,
Wien und Paris entſchieden. Ich ſage leider in Paris!
und das iſt es, was mein deutſches Ehr-= und National-
gefühl empört, daß man beim Auslande bitten und bet-
teln muß ; daß das Ausland ſich in unsere Angelegenheit
w s > ss !! "ke Elend T :
pfuſchen.
Preußen ſcheint sich mit der Mainlinie die Hände
gebunden zu haben und das iſt der Unsegen , den die
böſe That begleitet, die Preußen im Jahre 1866 began-
gen , daß es Deutſchland zerstörte, zerriß, uns bei Seite
ſezte, Oeſterreich hinausstieß, ohne ein neues Deutschland
zu ſchaffen. Es vergrößerte Preußen ganz allein. Nun
frage ich ~ iſt das national ? :
Ein einseitiges Vorgehen der Gr. Regierung in dieſer
Frage , d. h. wenn man uns den Vertrag wegen Ein-
tritts in den Nordbund etwa als fait accompli vorlegte,
zur nachträglichen Genehmigung wie ein Handels - und
Schifffahrts-Vertrag mit den Sandwichs-Inseln, müßte
ich geradezu als einen Staatsstreich erklären.
Es kann dies nur mit Zuſtimmung des Volkes geſchehen,
allein die dermaligen Kammern kann ich nicht als Avsdruck
des Volkes anerkennen. Die Nothwendigkeit der Reform
der erſten Kammer wurde ſchon vor zwanzig Jahren aner-
kannt und neuesſtens wieder vor fünf Jahren angeregt.
Was die zweite Kammer anbelangt, ſo bin ich weit ent-
fernt, mich in die Angelegenheiten des andern Hauſes zu
miſchen, ich habe auch vor jedem einzelnen Mitglied zu
viel Hochachtung, als daß ich glauben könnte, es beſäße
nicht das Vertrauen ſeines Bezirkes. Allein ich kann
nur eine Kammer, welche aus direkter und geheimer
Wahl hervorging, als den Ausdruck des Volkes aner-
kennen.
Hat ja die großh. Regierung ſelbſt eine Vorlage auf
Abänderung des andern Hauſes vorgelegt.
Tritt aber die Frage des Eintritts in den Nordbund
heran, ehe die Kammern reformirt ſind und iſt die Zeit
zu kurz, um deßfallſige Vorlagen zu machen, dann iſt
nach meiner Meinung eine Abstimmung des Volkes vor-
zunehmen. Spricht sich die Majorität des Volkes für
den Eintritt aus, nun so ſei es, ich werde mich der Ma-
jorität fügen. Ist es geſchehen, dann protestire ich gegen
jede Einmiſchung des Auslandes. Wir miùſssen zeigen,
daß in Deutſchland die Deutschen Herren im Hauſe ſind
und daß wir uns in unſer Selbſtbeſtimmungsrecht nicht
hineinpfuſchen laſſen. Mit aller Offenheit muß ich aber
erklären, daß, wenn wir einmal in dem Nordbunde ſind,
ich noch einen Schritt weitergehe und gehorſamst um voll-
ständige Annektirung bitte. Für eine solche Karikatur
eines souveränen Staates, wie wir es dann ſein würden,
könnte ich mich unmöglich mehr begeiſtern. Es wäre
ſchade um jeden Mann und jeden Kreuzer, den man
noch für seine Erhaltung opfert. Ich bin ſchließlich
lieber ein Mußbreuße erſter Klaſſe als ein Mußpreuße
zweiter Klaſſe. Indessen ich kann Beides erwarten.
Wir haben ja in Deutschland ſchon manches erlebt!
Wenn ich zunächſt auf meine Familie zurückblicke, so er- ſ
giebt sich ein ſonderbares Bild ; mein Großvater war als
reichsunmittelbar ſelbſt Territorial Herr, mein Vater war
ein Schwabe, ich ein Badenser, meine Söhne werden vielleicht
Preußen, meine Enkel aber hoffe ich, werden Deutſche
werden. Deutsch gedacht haben wir zwar alle und immer.
Bezüglich der Annektirung wird man mir vorhalten,
unsere Freiheit ginge verloren. Nun, ich weiß in der
That nicht, worin unſre großen Freiheiten bestehen.
Graf Bismark, deſſen Autorität gewiß nicht beſtritten
werden wird, hat ja einstens gesagt, der Norden sei uns
zu liberal. Nun, ich muß dabei bemerken, daß ich noch
eine große Portion mehr Liberalität ertrage, als in
Preußen und bei uns ist.
Was die allgem. Volksabſtimmung anbelangt, so
wird man mir entgegenhalten, daß der Volkswille wetter-
wendisch sei , heute ſo und morgen anders. Möglich, daß
es so iſt, allein dies iſt nicht allein beim!Volke, sondern auch
bei den Regierungen. Bedenken wir, welche Syſteme
wir seit 20 Jahren in Baden durchmachten. Welche
Extreme, welche Syſtemlosigkeit! Kein Farbentaſten hat
genug Farben aufzuweisen, um die verſchiedenen Systeme
anzuſtreichen und wenn das Volk characterlos wäre, ſo
wurde es eben von oben herunter <aracterlos gemacht.
Ich wende mich nun zur inneren Frage. Ich konnte
von den Vorlagen noch keine Einsicht nehmen, da ich ſie
erſt gestern Abend erhielt und kann mir daher noch kein Ur-
theil erlauben. Von allen Vorlagen hat mich das Gesetz
gam meisten gefreut, wonach politiſche und ohne Zweifel
alle Preßvergehen den Schwurgerichten überwieſen tverden.
Es iſt dies eine ſolche Nothwendigkeit, daß ich kein
Wort darüber zu verlieren brouche. Auch die Reform
eder zweiten Kammer ist erfreulich, vorausgesetzt, daß ſie
auf dem direkten und geheimen Stimmrecht beruht. Jede
andere Wahlart ist eine Fälſchung der öffentlichen Meinung,
ſagt Graf Bismark. Sie ſehen, durchl. hochg. Herrn, daß ich
das Gute, das aus Berlin kommt, gerne akzeptire , allein
die Freude wird mir nur ſelten zu Theil. Auch die Er-
weiterung der Gemeinde- Autonomie iſt wichtig und ich
hoffe das Aufhören des großen Ausschuſſes und daß der
Bürgermeiſter nicht mehr von der Regierung beſtätigt
werden muß. Von Wichtigkeit iſt auch die Einführung
der obligatorischen Civil-Che und bürgerlichen Standes-
beamtung. Obgleich dem Lande kein direkter Vortheil
daraus erwächſt, werde ich doch dafür stimmen, da ich
nicht einſehen kann, daß Jemand dadurch verkürzt wird.
Bei richtiger Belehrung werden ſich die Gemüther be-
ruhigen. Könnte ich einsehen, daß die Gewisſſen dadurch
mit Recht beunruhigt würden, ſo würde ich dagegen
stimmen, denn die Gewissen anderer sind mir ſo heilig,
als mein eigenes.
Daß die Steuern eingingen iſt richtig. Sie wurden
eben bezahlt, weil die Stände ſie bewilligt und bei uns
ſo viel konstitutioneler Sinn herrſcht, daß man ein-
ſieht, daß, was bewilligt ist, auch bezahlt werden muß.
Daß die Steuern aber freudig getragen werden , dagegen
muß ich proteſtiren. So kann es nicht fortgehen. Die
Napitalſieuer scheint mir die Erhöhung am leichtesfenzn.
tragen, weil der Zinsfuß gestiegen. Ueber die Gewerbe.
ſteuer kann ich mir kein richtiges Urtheil erlauben. Was
aber die Grundsteuer anbelangt, ſo diene ich als trauriges
corpus delicti. Die Güterpreiſe und Pachtzinſe, was
äquivalent mit dem Erträgniß iſt, gingen fast überall zu-
rü> und die Steuer wurde um 838 Prozent erhöht. Es
iſt daher leicht abſehbar, wohin man kommt. Die allge-
meine Wehrpflicht iſt ein Akt großer Gerechtigkeit.
Sie hebt das Selbsibewußtſein der Soldaten , daß Jeder
die ehrenvolle Pflicht hat, das Vaterland zu vertheidigen.
Ueber die Zjährige Dienstzeit aber und das große Mili-
tärbudget herrſcht Unzufriedenheit. Doch davon bei einer
andern Gelegenheit. Nur eines will ich noch bemerken :
Als vor 30, 20 Jahren und noch kürzerer Zeit ſtets die
Stimmen ſich erhoben gegen das Miliärbudget, da hieß
es immer, ja wir möchten recht gern, aber der Bundeen. JH
tag erlaubt es nicht. Der ſelige Bundestag mußte der
Sündenbock sein für Alles. Nun ist er glücklich heimges
gangen und das Militärbudget iſt auf das Doppelte ge-
stiegen –~ ein Beweis, daß Deutſchland seit 1866
ſchwächer geworden , und wir müſſen eben nur für das
Hinausſtoßen Oeſterreichs zahlen. Der selige Abgeordnete
Kirchgeßner hatte Recht, als er vor 8 Jahren in dieſem
Hauſe ſagte : „Der Bundestag brauche nur zu ſterben, um
beklagt zu werden."“ Ich bin gewiß der Letzte, der dem
eligen Bundestag ein Loblied nachſingen will, er war
kein völkerbeglückendes Institut, allein in seiner Defensiv-
kraft war er sehr ſtark, denn er hat uns 50 Jahre den
Frieden erhalten. Ich glaube kaum, daß wir jetzt noch
50 Jahre Frieden haben werden, allein wenn es wieder
zuri Kriege kommt, so hoffe ich, daß auch die deutsche
Nation etwas davon haben wird, denn bis jeht iſt ſie
immer leer ausgegangen. In der Thronrede iſt auch ge-
ſagt, daß die Ernte durchschnittlich gut ausgefallen ſei.
Ich konſt atire dies gern, weil es durch ſchnittli c heißt,
denn der Tabak in der Pfalz iſt total mißrathen; dazu
k ommt dieſes Jahr noch, Dant der preußiſchen Bruder-
ſchaft, die Tabakſteuer. Kalamitäten werden alſo nicht
ausbleiben. In die Adresse gehört dies allerdings nicht,
allein geſagt muß es doch werden.
Zum Glück hängt aber die Ernte nicht von der Re-
gierung ab , sonſt gäbe es am Ende noch eine extra
Ernte für die Ministeriellen.
Ieh komme nun zu den Vorlagen, die ich noch er-
wartet und gewünſcht hätte und zwar
1) Reform der I. Kammer. Wir werden dieſer Tag
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item. rium r ~ Lt ai .
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