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Mannheimer Abendzeitung: Organ d. Deutschen Volkspartei in Baden — 1869

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No. 27 – No. 50 (2. Februar - 28. Februar)
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„Js. 41.





Donmnerſtag, 18. 7selruar.

er



Organ der deutschen Volkspartei in Vaden.







Die „Mannheimer Abendzeitung“ wird ~ mit Ausnahme der Sonn
Anzeigen-Gebühr : die einſpaltige Petitzeile 3 tr.,

~ täglich als Abendbl

[l q UU Beſtellungen bei

bei roktalanzeigen 2 kr. der Expedition C 1 Nr.

att ausgegeben. – Der Abonnementspreis vierteljährlich Ein Gulden, ohne Poſtauſſchlag

15 in Mannheim und bei allen Poſtanſtalten.













gf und das deutiſche paſſend erachtet, in dem zweiten Theile seiner „Realpolitik“]mut Frankreich, immer innigere Vereinigung der beidersſei-
Großpreußen ) t en Auéfall gegen Frankfurt anzubringen, der den Groß-|[tigen Interesſen“ die beſten Bürgfchaften für die „Sicher-

Frankfurt.

D.C. Viele Jahre, ehe Biemarck sich durch „Blut und
Ciſen“ bekannt machte, wußte man von ihm als tünftigem
„Städtezerſlörer“; er war Bundestagsegeſandter, als er den
Ausspruch that, die Städte müßten vom Erdboden vertilgt

werden. Nach der erfolgreichen Verallgemeinerung , die er
diesem Worte im Jahre 1866 gegeben hat, wo es ihm
gelang, das Vaterland zu vertilgen, treibt er's im Einzel-
nen nun etwas gelinder. An dem deutſchen Jranhurt

macht sein Großpreußen die Probe, daß man eine Stadt
nicht gerade zu v ertilg en braucht. j /

Cine widerſtandslos eingenommene Stadt wird nacl,
Kriegsrecht behandelt, und der Staat des deuiſchen Beruſs
bereichert sich mit Dem, was deutscher Bürgerſinn an ge-
meinnütigen Dingen geschaffen. Das kann wohl nicht
mehr überraſchen. Ist's doch nur ein Nachspiel zu
Größerem.

Vac dieſer Seite hin finden wir wohl für Frankfurt

gerechten Grund zur Klage, zu schwerer Sorge, aber fürſ -

Preußen iſt nichts Ueberraſchendes daran. Ein anderes
Gesicht gewinnt die Sache, wenn man erwägt, wie die
preußiſche Volksvertretung sich bei der Cinkassirung tes
Frankfurter Besites verhalten hat. Die in Rede stehende
Verſammlung hat die Welt allerdings ſchon an Manches
gewöhnt, und es wird uicht leicht ſein, d e n Grad von
Achtung genau zu bezeichnen, bis zu dem ſsie sich hinunter-
zubringen verſtanden hat.

Nichtsdeſtoweniger hätte man meinen sollen, eine so be-
queme Gelegenheit zu billiger Verbeſſerung seines Rufes
würde sich wenigſtens das Bischen Liberalismus nicht ent-
gehen laſſen, was da noch auf einigen Bänken Play hat.
Was für Frankfurt viel iſt, für Preußen iſt's doch nur ein
Tropfen. Was zu retten für Frankfurt als Wohlthat em-
pfunden wäre, ist ſür Preußen zu verlieren doch kaum ein
Verluſt. Auch politiſche Rückſichten schienen diese Hofſnung

zu untersſlüßen. Frankfurt iſt ja die letzte Halteſtation für
den berühmten Kohlen- und Waſſerbedarf; Frankfurt wirkt
nach Süddeutſchland hinein; in den ,wmoraliſchen Erobe-
rungen" von ehedem konnte wieder zur Veränderung ge-
macht wcrden. Auch perſönliche Motive ſprachen für eine

ſolche Haltung. Es siten Leute in der preußiſchen Kam-
mer, die ein gewiſſes Gedächtniß, ein Stück dantbarer Cr-
innerung für Frankfurt haben müßten. Eine Anzahl deut-
ſcher Gewohnheitsredner haben tort jahrelang eine freie
Tribüne gefunden, die sie anderswo nicht fanden, nament-
lich in Preußen nicht. Nationalverein, Abgeordnetentag,
Schützenfeſt ~ ja, außer Waldeck, der immer ſchon zu
großpreußiſch war, um an deutſchen Dingen Theil zu neh-
men, iſt wohl kaum ein Liberaler von einigem Namen, der
da nicht von deuiſchem Volktsgl.> u. s. w. geredet hätte.
Die kühnsten Ergüſſe gegen den zollernſchen Militärismus,
den Polizeiſtaat, den Verfasſſungsbruch, die erhabenſten Flüge
für das „Volk von Brüdern“, die höchſten Schwüre für
das ganze Vaterland, die feierlichſien Verpflichtungen für

preußen ſo nach dem Munde gewesen ift, daß man ihn
hat besonders abdrucken und in vielen Cremplaren in Frank-
furt hat verbreiten laſen. Wenn man bedentt, daß dieser
selbe Roc au Für sein Vereinéorgan und für die ganze Thä-
tigteit seines Vereins jahrelang in Jrantfurt Schutz gefun-
den hat vor Preufen, ſo wird man geſtehcn, daß zu vie-
lem anden Eutin in Deutſc.land mit und ſeit €6 auch
gute Sitte abhanten gctommen iſt. Nimmt man hinzu,
daß bis kurz vor dem Ausbruch des Bruderkriegs die Ro-
> au'sche Wochenſchrift gegen die Poli.it Bismarck eine
Sprache führte, die an ſchneidender Schärfe nichts zu wün-
ſchen übrig lich, ſo hat man noch dazu ein n Beweis, daß
das besſere Ich im Menschen sich nicht ungestraft mißhan-
deln läßt: Treue der Ueberzcugung nimmt im Stc.eiden
auch die Feinheit der Cmpfindung, nimmt Anmuth und
Adel der Ceſinnung mit ſich.

Neben diesen Wortmenschen iſt Bismarca ehrwürdig.

Poiritiſche Ueberſicht.
Mannheim, 17. Februar.
* In England iſt geslcrn turch eine königliche Kom-
mission die dicßjährige Parlamentsſitung eröffnet werden.
Die BVotſchaſt der Königin erwähnt in ihrem erſten Theile
des Umslandes, daß die dieß,malige Vertretung „unter dem
Vortheile einer bedeutend auegetehnten Wahlberechtigung“
g.ewé hlt worden ſei, spricht sodann die Hoffnung auf Frie-
denserhaltung, auf einen glücklichen Erfolg ter Unterhand-
lungen mit ten nordameri'aniſchen Freiſlaaten und auf
Wicdeiberuhigung Neuseclaids aus und ſchließt mit ter
Ankün digung, daß die BVoranſchläge für das kommende
Finanz/ahr eine Verminderung der Lasten des Landes auf-
weiſen. Der zweite Theil der Cröffnungsrede beginnt mit

Irlands eine Aufhebung der Habeas-Korpus-Atkte für die-
ſen Landestheil nicht werde nöthig machen, und bezeichnet
sodann die Frag. wegen einer weiteren Ausdehnung der
Wahlreform, die Häuſcrſtceuer, die Verbcſſerung und Aus-
dchnung des Unterrichtewcſens in Schottland, ſowie die
wirkſamere Verwendung der beträchtlichen Einkünjte der
dotirten Schulen Cnglands zu Crziehungszwecken, die Reri-
ſion der LVantercttgeſeſe und in Jolge hievon die Auſhe-
bung der Schuldhaſt, «andlich die iriſche Kirchenfrage
als die Gegenſtände, zu teren Regelung die Regierung
durch Gesegesvorlagen Gelegenheit geben werde. Aus dem
Wortlaute der Cröffnungsrede heben wir die auf die Wahl-
reform und die Kirckei frage bezüglichen Stellen hervor.
Tie erstere lautet: „Ich empfehle Ihnen, die Art und
Weise, in welcler gegenwärtig die Parlaments- und Ge-
meindewahlen vorgenommen werden, in Unterſuchung zu
ziehen und zu erwägen, ob sich nicht noch fernere Bürg-
ſchaften für deren Ruhe, Reinheit und Freiheit herſtellen
laſſen.“ Ueber tie Reform der Hochtircye ſagt die Köni-
gin: „Die kirchlichen Einrichtungen Irlands werden binnen
tu' zer Friſt unter Ihre Berückſic,tigung gebracht werden,

dem Ausdruck der Hoffnung, daß die gegenwärtige Lage

heit“ Belgiens seien. Die Erhitzung dieses Blattes, welches
mit den vorſtehenden Worten sich bis zu der Drohung
einer Annexion Belgiens versſteigert, wird übrigens nicht
von der gesammten Pariser Tagespresse getheilt. Die „Preſſe
Libre" glaubt, daß dem ganzen Lärmen nichts zu Grunde
liege, als der Wunsch, den absterbenden Chauvinismus zu
beleben, dureh das Vormalen auswärtiger Verwicklungen
das erwachende Freiheitsgefühi nicht aufkommen zu lajſen
und auf diese Weiſe –~ „gute“ Wahlen herbeizuführen.
In der Sache ſelbſt findet die „Presse Libre“ das Vor-
gehen der Regierung und der Kammer in Belgien
ganz gerechtfertigt. „Wäre Frankreich — so bemerkt
sie – ein freies Land, ausgerüſtet mit wirklichen
Freiheiten, dann könnte Belgien es ohne Besſorgniß an-
sehen, wenn eine seiner Bahnen in das Eigenthum einer
französischen Gesellſchaſt übergienge. Von Seiten eines freien
Volkes, welches Herr seiner Geschicke iſt, sind keine gewalt-
samen Annexionen oder brutalen Invaſionen zu fürchten.
Träume territorialer Vergrößerung sind uur die Sache mili-
täriſcher und persönlicher Regierungen. Man begreiſt alſo,
daß die belgische Regierung zu intime Annäherungen mit
dem jetzigen Frankreich fürchtet und vor Allem darauf be-
dach: iſt, ihre Unabhängigkeit sicher zu stellen. Was könn-
ien wir Belgien bringen ? Steuern, die Zentraliſation, die
adminiſtrative Allmacht und die Laſt eines erdrückenden
Militärkontingents. Belgien will unabhängig bleiben, weil
es frei iſt) es fürchtet uns, weil wir es noch nicht ſind,
Nichts kann einfacher, natürlicher und logischer sein !“ Auch
das „Avenir“ und noch einige unabhängige Blätter ſtellen
ſich auf Belgiens Seite. Vie dem Miniſterium und dem
Buonapartismus ergebenenBlätter ſtoßen dagegen in ihren
geſlrigen Nummern wiederholt ins alarmirende Horn. So
vor Allem die „Franee"n. In einem ,Das französiſche
Gefühl“ überſchricbenen Artikel sagt dieß Hofblatt : „Man
glaubt in der letzten belgiſchen Angelegenheit die Hand
Preußens zu ſehen. Cs iſt nothwendig, daß das Ausland
erfahre, Hrantreich sei dieses ungewissen, prekären Zuſtandes
unserer auswärtigen Angelegenheiten müde. Dieser Zuſtand
der Ungewißheit, welcher alle Interessen beeinträchtigt und
alle Gemüther aufregt, iſt wahrhaft unerträglich. Cs ist
Zeit, daß man ihm ein Ende mache.“ Der „Public“ ſagt:
„Es gibt teine belgiſche Frage, aber eine hochwichtige volls-
wirtsſchaſtliche Frage, welche unnöthiger Weiſe vom belgisz
schen Ministerium aufgeworfen worden iſt. Wir wiſſsen
nich , ob sie durch gerechtfertigte Repreſalien Frantreichs
beantwortet werden wird, oder durch den Sturz des bel--
gischen Ministeriums.“ Die „Patrie“ und andere verwandte
Blätter ſtimmen in en Tadel ein.

So arm an dpaolitiſchen Thatſachen, so reich iſt der
heutige Tag an Gaben aus dem unerschöpflichen Füllhorn
der Dementis. Die Nachricht von einem auf die griechi-
sche Angelegenheit bezüglichen Rundſchreiben Rußlands
an seine Vertreter im Auslande wird von Paris aus; die
Nachricht von einer militärischen Promenade des Schah's von

eine Politik des Rechts und der Sittlichteit, gepaart mit[und die grſesgeberiſche Thätigkeit, welche zu deren ſchließ-|Perſien in der Richtung gegen Bagdad wird von Peterss
dem vernichtendſten Spott gegen den ſo ſchändlichen wiellicher Feſtſtelung notywendig iſt, wird die größten Anfor-ſburg aus als unwahr bezeichnet; aus Preußen kömmt die

unverſtändigen „Großmachtstißel‘“ — nach Frankfurt hatte
ſich alles Das geflüchtet, und noch kurz vor dem Ausbruch
des Bruderkrieges den Schutz der Stadt Frankfurt genossen.
Wo waren ſie jezt die Herren ? Die Bennigsen, Miquel,
Schulte u. ſ. w., wo waren sie? ,Das Herz vergesſen“
oder gar – zum ersten Mal, seit die Welt steht ~ die
Zunge ?! War denn gar keine Erinnerung mehr in ihnen,
daß der letzte Akt, durch den die noch freie Stadt der Zorn
des Mächtigen auf ſich geladen, dis Parteinahme, wenn
auch nicht für ihre Personen, doch für die Freiheit ihrer
Ueberzeugungen geweſen? Oder aber war der Name Frant-
furt eine gar zu ſtarke, gar zu beschämende Erinnerung
grade für sie an all’ die Rechts- und Freiheitsworte, die ſie
dort verpfändet so oft, und von denen wahr geworden auch

nicht eines?!

Es steht ohne Beispiel: in Frankfurt redselig, über
Hrankfurt ſchweigsam, für Frankfurt ſtumm. So mag es
denn wenigstens die legte deutſche Stadt gewesen sein, die
dieſe Männer ſich zum Verderben werden läßt. So möge
der bloße Name Jrankfurt fortan hinreichen, daß das
î deutſche Bürgerthum seine Thore und Hallen ihnen ver-
ſchließt, die aufzunehmen zur Gefahr noch Undank bringt.

Cin besonderes Vort verdient bei dieser Getegenh.it ein
augenblictlich nicht denſetben Kre.ſen, ab r dcrſelben Rich-
lung angehöriger Mann, der frühere Redakteur des natio-

derungen an die Weisheit des Pa lamen s ſt.llen. Ich bin
überzeugt, daß Sie in der Fortführung des Werkes Ihr
Augeamerk auf jcdes von ihm etwa betcoffene und berech-
tigte Intereſſe richten werden und daß Sie sich durch das
beständige Ziel werden leiten laſſen, die Wohlfahri der Re-
ligion dur.h die Grundſitze gleichmißiger Gerechtigkeit zu
fordern, das ungetheilte Gefühl und die Anrechte Ir ands
auf die Scite der Treue und des Gesetzes zu bringen, das
Andenken früheren Haiders zu verwiſchen und die Symp.-
t,i.e1 eines liebevollen Volkes zu pflegen.“

In dem Zeitungskampfe, der sich in Frankreich
aus Anlaß des neuen Helgiſchen Eiſ-nbahngeſezes gegen
Belgien und Preußen erhoben hat. steht das junge Cin-
SousB att „Le P up e“ in erſter Reihe. Dieke Zeitung,
deren politiſche Gedanken, wie ver „Temp“ brrichtet, ,sich
fters mit denen des Staatszoberhauptes begegnen,“ erin-
nert daran, daß die französische Regierung „das Gefühl.
der nationalen Ehre“ habe und ſich in ihrer Politik der
„Mißigung“ ſehr erschwert fi nden würde, ſob 11d Belgien
„durch in Syſtem ſchlechten Verfa rens die Empfi 1dlichkeit
des französſiſchen Volkes oder gar den Verdacht erwecken
würde, das Werkzeug oder der Vorpaoſten irgend w lcher
Feindseligkeit gegen Frankreich zu ſ.in.“ Hieran knüpft das
imperia iſtſſ(,e Blatt die Mahnung an Regierung und
Volt in Belgien, sich die Lage der Dinge genau anzuſthen,



Verſicherung, daß man in ,gut unterrichteten“ Kreiſen
Berlins von einer angeblich beabsichtigten Erſeßzung des
jetzigen Ministers des Innern, Graf Eulenburg, durch den
Oberpräsidenten in Kassel, Herrn v. Patow, nichts wiſſe; aus
Spanien endlich liegen Andeutungen vor, laut welchen die
in Galizien zum Vorſchein gekommenen ,sozialiſtiſchen Ban-
den“ sich in einen Haufen von Bauern verwandeln, die
ein Kloſtergebäude in Brand gesteckt haben.



Deutſchland.

/. Heidelberg, 16. Febr. Die Agitation für Ein-
führung gemischter Schulen nimmt hier erfreulichen
Fortgang. Cite hezügliche Eingabe an den hieſigen Ge-
meinderath bedeckt sich mit zahlreichen Unterschriften hieſiger
Einwohner aller Stände. Wie wir hören, hat in der gleichen
Ang legenheit gestern Abend eine Berathung im katholischen
Kasino stattgefunden. ..

* Aus Baden, 17. Febr. Unter der Ueberschrift:
„Neu- Bad iiſch es“ erzählt uns die „Frankf. Zeitung“
recht al te und all d e kannte Dinge. Freilich werden
dieselben in unſerm Lande mit Rüchkſicht auf den §. 631a
des S rafgeſeßzbuches nur selten oder beſſer nur äußerſt
vor ichtig berührt und b.spro hen, und wenn auch vielleicht
Land dar. ber einig iſt: das Ministerium Jolly



das ganze

f s; §
nalvereinlichen Organs, Hr. v. Rochau. Dieſer hat es fir un zu der Erkennt.üiß zu kommen, daß „gute Beziehungen stehc ſehr vereinzelt da und habe anßer einigen Lakaien




 
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