Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

DOI Artikel:
Die Zulassung von Frauen zu den Kunstakademien
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0416

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Werkstatt der Kunst.

Heft 50.

^2

an und für sich auf Kunstakademien zugelassen werden.
Wenn solche Bedenken vorlägen, so würde es nicht zu ver-
stehen sein, warum bereits auf mehreren Akademien, in
Kassel und Königsberg, die Frauen zugclassen
sind. (Sehr richtig! links.) Ich bin der Auffassung, daß
es kein genügender Grund ist, die Frauen in Berlin und
Düsseldorf von den hervorragenden Instituten auszuschließen
lediglich deshalb, weil die Räumlichkeiten unzureichend sind.
Wenn die Räumlichkeiten nicht ausreichend sind, muß inan
die entsprechenden baulichen Aenderungen vornehmen. Ich
möchte dafür eintreten, daß der Antrag der Regierung zur
Erwägung überwiesen wird in der Richtung, ob es nicht
tunlich ist, diese baulichen Aenderungen so zu treffen, daß
auch die Frauen zu den Kunststudien zugelassen werden.
Strosser-Breslau, Abgeordneter (kons.): Ich möchte
Sie bitten, bei dem Beschluß der Kommission zu bleiben.
Die Petition ist in der Unterrichtskommission sehr eingehend
erörtert worden. Es sind von seiten der Vertreter der
Königlichen Staatsregierung alle die Gründe angeführt
worden, die es untunlich erscheinen lassen, dieser
Petition jetzt eine Berücksichtigung zuteil werden zu lassen.
Ich will nur darauf Hinweisen, daß die Kosten, die da-
durch entstehen, in gar keinem Verhältnis stehen würden
zu dem, was etwa erreicht werden könnte. Deshalb bitte
ich Sie dringend, dem Antrag der Kommission (Ab-
lehnung. — Red.) stattzugeben.
ZNünsterberg, Abgeordneter (freis. Ver.): Ich weiß
wohl, die Gründe, die der Herr Kollege Strosser angeführt
hat, sind bereits früher hier im Hause ebenso wie jetzt in
der Kommission zur Geltung gebracht worden. Ich habe
selbst hier drei- oder viermal bei Beratung des Etats des
Kultusministeriums diese Sachen zur Sprache gebracht und
habe nur insofern einen Erfolg erreicht, als in der Tat
den Frauen ein erweitertes Studium in Berlin möglich
gemacht worden ist. Ich will auf die Sache jetzt nicht des
näheren eingehen. Ich bin der Meinung, daß es nicht
damit abgetan ist, wenn hier in dem Kommissions-
bericht gesagt wird, daß im allgemeinen die Frauen nicht
die Begabung haben, die zu großen Leistungen befähigt.
Bis jetzt weiß das kein Mensch, bis jetzt haben die
Frauen noch zu wenig Gelegenheit dieser Art gehabt, ihre
Ausbildung durchzuführen. Ich halte eine solche Prämisse
nicht für richtig.
Andererseits stehe ich auf dem Standpunkt, daß nicht
erwiesen ist, wie ebenfalls nach dem Kommissionsbericht,
ich glaube, als Ausführung des Staatskommissars gesagt
ist, daß die Prüfung in den Akademien der Künste für
Männer so streng gewesen sei, daß dadurch die Gewähr
gegeben sei, daß nur hervorragende Künstler dort ausge-
bildet werden.
Innerhalb der Künstlerkreise und weiter Kreise von
Sachverständigen ist gerade die entgegengesetzte Meinung
verbreitet, daß die Aufnahmebedingungen zu leicht
seien, und daß auf den Akademien der Künste
eine große Zahl von jungen Leuten fest gehalten
und belehrt werde, die durchaus nicht auf die
Akademie gehören. Würde nach dieser Richtung eine
strengere Sichtung vorgenommen werden, so würde wahr-
scheinlich auch für Frauen Raum sein, ohne daß der Staat
gleich Millionenkosten sich zu machen braucht. Ich halte
deshalb den Antrag des Herrn Kollegen Ernst auf Er-
wägung für durchaus berechtigt und bitte Sie, in diesem
Sinne zu beschließen.
v. Ditfnrth, Abgeordneter (kons.): Meine Herren,
ich möchte doch auch den Gründen derjenigen, die in der
Kommission auf Uebcrgang zur Tagesordnung votiert haben,
Gründen, die nicht allein finanzieller Art sind, Ausdruck
geben. Es ist in der Kommission zu in Ausdruck gebracht
worden, und verschiedene Mitglieder der Kommission sind
dem beigetreten, daß es auch aus sachlichen Gründen
sich nicht empfehle, den Frauen den Zutritt zu den großen
Kunstakademien in Berlin und Düsseldorf zu eröffnen. In
der Kommission wurde den iin Bericht abgedruckten Aus-

führungen des Regierungskommissars durchaus bei-
getreten, welche darauf Hinweisen, daß viele Damen sich
nur aus Liebhaberei mit der Kunst beschäftigen, ohne
genügendes Talent, und daß daher sehr viele dilettantische
Elemente sich gerade in Berlin und in Düsseldorf in die
Kunstschulen drängen und damit das ernste Studium dort
unter Umständen herabdrücken würden. Es wurde ferner
aus der Kommission selber darauf hingewiesen — ich darf
den Passus wohl hier verlesen:
„Die Notwendigkeit des Kunststudiums der Frauen
werde von diesen selbst sehr überschätzt; die Frauen
seien keine maßgebenden Beurteiler über die künstle-
rischen Fähigkeiten ihrer Töchter. Vielmehr herrsche ge-
rade auf diesem Gebiete eine zweifellose Ueberproduktion
geringwertiger Ware. Das Kunstproletariat habe
gerade unter den Frauen einen erschreckenden
und bedauerlichen Umfang angenommen."
Ls wurde dann nach meiner Anschauung mit Recht die
Befürchtung ausgesprochen, daß gerade hier in Berlin, wo
es eine große Anzahl unbeschäftigter junger Mädchen und
Frauen gibt, gerade die nicht genügend künstlerisch Veran-
lagten sich in großer Anzahl in die Kunstakademie drängen
würden, und daß es den Dilettantismus und auch ein
weibliches Kunstproletariat befördern würde, wenn man
hier die Königlichen Kunstschulen ihnen unbeschränkt er-
öffnete. Es wurde auch weiter darauf hingewiesen, daß
für die wirklich starken Talente, die sich durchsetzen wollten,
sowohl in Berlin wie in Düsseldorf genügend Gelegenheit
gegeben sei, auch außerhalb der Kunstschulen die
nötige Ausbildung zu erwerben. Aus diesen sachlichen,
nicht aus finanziellen Gründen allein, würde es sich nicht
empfehlen, dem Anträge stattzugeben.
Wir stehen auch jetzt auf demselben Standpunkt und
müssen auch heute noch es als wünschenswert bezeichnen,
daß über die Petition zur Tagesordnung übergegangen wird.
Miinsterberg, Abgeordneter (freis. Ver.): Ja, meine
Herren, starke Talente haben nie und nimmer die
Akademien gebraucht. Es haben sehr große Künstler
die Akademien nicht gebraucht, sie sind nie auf Akademien
gewesen, oder haben ihr Lebenswerk gegen die Akademien ge-
schaffen. Große Künstler sind nicht nur ohne Akademien groß
geworden, sie haben vielmehr erst die Akademien groß gemacht.
Das also ist sür mich kein Argument.
Das andere Argument, das der Herr Abgeordnete
v. Ditfurth aus dem Kommissionsbericht vorgeführt hat,
hat viel größeres Gewicht: daß der Dilettantismus auf den
Akademien keinen Raum haben soll. Aber das, meine
Herren, kann ich für mich in Anspruch nehmen, daß ich
hier bei mindestens vier Beratungen, wenn ich über die
Sache gesprochen habe, das als erstes Petitum hingestellt
habe: aller strengste Prüfung und kritische Sichtung
bei der Aufnahme. Mir ist in dieser Beziehung nichts
widerwärtiger als aufgeputzter, sich blähender Dilettantis-
mus. Der Dilettantismus hat seine große Be-
rechtigung im Kun st leben, er soll aber in seinen
Grenzen bleiben. Eine Akademie, die ihre Schuldigkeit
tut, würde dem Werte der Akademie und ihrer Leistungen
entsprechend durch strengste kritische Prüfung bei der Auf-
nahme dieser Gefahr vorbeugen, ganz in demselben Sinne,
wie Bruno Paul in der Kunstschule des Kunstgewerbe-
museums es macht, der seit Beginn seiner Amtsführung
eine sehr strenge kritische Sichtung mit einein
Numerus clausus dort herbeigesührt hat, so daß
auch nach dieser Richtung hin einem Ueberwuchern des
Dilettantismus vorgebeugt wird. Also an geistigen Mitteln,
dein Ueberwuchern des Dilettantismus vorzubeugen, fehlt
es nicht, wenn man nur den ersten Schritt tun will, auf
diesen: Gebiet, wo die Begabungen bei den Geschlechtern
ziemlich gleich verteilt sein mögen, den Beschluß zu fassen,
beide Geschlechter auch gleichmäßig zu berücksichtigen.
Ich bleibe dabei, daß in diesem Falle die Ueberweisung
zur Erwägung sür die Königliche Staatsregierung das
richtige ist.
 
Annotationen