Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

DOI article:
Edel, Edmund: Kunst, Kultur und Reklame
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0528

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
52^ Die Werkstatt der Kunst. Heft 38.

war gerade gut genug, um dem fabrizierten Artikel
ein Geleitbild mitzugeben.
wir jüngeren hatten es damals sehr schwer.
Aber unserer Kraft und unserem unverwüstlichen
Humor gelang es, die große Bresche in die chine-
sische Mauer zu schlagen, mit der sich die Kauf-
mannschaft umgeben hatte.
Recht hat Bombart: Humor im Dienste der
Reklame, das heißt, Humor irr Verbindung mit
der Kunst, wo sind wir heute? Nachdem der
Kaufmann einige Jahre lang es sich hat schmunzelnd
gefallen lasser:, daß man seine Hosenträger an der
Anschlagsäule verulkte und gerade durch diesen Rlk
das Publikum zwang, sich die Marke und den
Namen im Gedächtnis zu behalten, besinnt sich
derselbe Kaufmann plötzlich darauf, daß seine
verehrten Hosenträger doch ein zu hehres
und heiliges Objekt wären, als daß sie durch
einen Witz profaniert werden könnten. Und mit
dem ihm erbeigentürnlichen Pathos sucht er nach
eirrer Ausdrucksweise, die diesem Witz gerade ent-
gegengesetzt ist. Die lieben alten Allegorien, die
süßen Gretchen und die ernsten Brunhilden ver-
schwanden, und die sezessionistisch frisierten Seerosen -
fräuleins traten in die Erscheinung, und wild-
blickende Sphinxe und Ueberweiber müssen
sich dazu hergeben, um in die Welt hinaus-
zuposaunen, daß Meyers Kuhmist der beste ist.
Kunst und Reklame sind heute eng miteinander
verbunden. Die Seerosenfräuleins und die Sphinxe
sind in den meisten Fällen von Künstlerhand her-
gestellt, und man merkt, daß die letzten zehn Jahre
eine gute Reklamekunstschule hervorgebracht haben.
Aber der Humor, meine Herren! wo bleibt der
Humor? Man sagt von mir, daß ich über eine
kleine Dosis davon verfüge. Ich möchte aus der
Schule plaudern und es an dieser Stelle offenbaren,
daß man es mir oft sauer genug gemacht hat im
Laufe meiner langen Tätigkeit als Plakatmaler,
meinen Humor zu behalten, sowohl als Mensch,
wie auch auf den Plakaten selbst. Es ist äußerst
schwer, den deutschen Kaufmann davon zu über-
zeugen, daß ein Witz mehr wirkt wie das schönste
Bild. Und wenn man heute keine Plakate mehr
von mir sieht, so liegt der Grund darin, daß nicht
mir der Humor ausgegangen ist, sondern unserer
deutschen Kaufmannschaft. Augenblicklich ist es öde
an den Anschlagsäulen (nicht, weil von nur keine
Plakate dort zu sehen sind, denn ich freue mich
stets, wenn ich auch bei anderen Witz entdecke).
Von den Plakaten und aus den Inseraten blickt
eine festgefrorene Pathetik auf die Vorüber-
eilenden, und wenn nicht irgendeine geschmackvolle,
gutkomponierte Schrift hervorsticht, kümmert sich
kein Mensch um alle diese roten, blauen, grünen,
weißen und gelben Flecken, denn es ist nichts dabei,
was das Publikum hypnotisiert, oder was ihnen
in die Augen springt. Ein Witz, eine Dummheit,
eine Frechheit meinethalben veranlaßt uns, wenn

wir mit der Elektrischen oder im Automobil vorüber-
sausen, einen Augenblick unsere Blicke auf die
Säule zu werfen, wir haben keine Zeit, uns mit
der Ergründung des tiefen Sinnes zu beschäftigen,
den ein geistvoller Kunstmaler mit krausen Linien
und subtilen: Farbenempfinden uns orakelt, damit
wir nach einer Stunde darauf kommen können,
daß die Schreibmaschine aus der Fabrik des Herrn
Soundso eine sichtbare Schrift hat. Lin geradezu
klassisches Beispiel für diese Kunstreklamepathetik
hat die wiener Sezession geliefert mit ihrer werk-
stättenästhetik, die so kulturell ist, daß sie für das
weitergehen der Kultur überflüssig erscheint, was
nützt uns die Kunst im Dienste der Reklame, wenn
sie nicht praktische Dienste erweist, was nützen
uns künstlerische Plakate, wenn sie kein Mensch
lesen kann. And deshalb bin ich dafür, daß sämt-
liche Verbände deutscher Kaufleute einen Kongreß
zusammenrufen und eine Resolution aufnehmen,
man sollte unseren guten Humor wieder in
sein Recht ein setzen. Ich will ihnen ein Heer
von jungen und älteren Malern zusammenbringen
mit gutem Können und Talent.
Aber ich möchte nicht, daß es meinen Kollegen
ebenso geht, wie mir viele Jahre hindurch, da ich
jedesmal, wenn ich den: Verleger einer großen
Berliner Zeitung die Skizzen zu dem Monatsplakat
brachte, grausame Kämpfe ausfechten mußte. Ich
focht für den Humor, und er konnte sich trotz der
Erfolge, die die vorhergehenden Plakate hatten,
von der bei ihm im tiefen Innern schlummernden
Liebe für das jo genannte „Schöne" nicht los-
machen.
Die Kunstmaler werden Herrn Sombart keine
Zustimmung und Dankadresse übersenden für die
lobenswerte Erwähnung, die er ihrer getan. Sombart
verkennt vollständig die Verhältnisse. was ist
heutzutage ein Kunstmaler, einer, der Oelbilder
malt und in: günstigsten Falle jedes Jahr ein Bild
auf der Ausstellung hat? Ein Kunstmaler ist
heut noch ein größerer Luxusartikel, wie er-
es früher gewesen ist, denn früher brauchte
man ihn wenigstens noch zum porträtieren und zu
Gesellschaftsdckorationen. Heute, wo die Porträt-
photographie eine unerhörte Höhe erreicht hat und
ein Kerl, der einen Aeroplan steuert, oder ein
anderer Kerl, der auf einen: s20 ?8. Auto durch
die wüste Gobi gesaust ist, von der Gesellschaft
höher eingeschätzt wird als ein akademischer Kunst-
maler mit sechs goldenen Medaillen, hat dieser selbe
Kunstmaler natürlich nut Freuden sich auf das Feld
zurückgezogen, das ihn: die Industrie eröffnet hat.
Und es ist kein trauriges Zeichen der Zeit, wenn
arme, hungernde Künstler (ich variiere Sombart^
ihr Können gegen kargen Lohn einen: beliebigen
Insektenpulverhändler zur Verfügung stellen
müssen, nur ist es nicht immer nötig, daß dieses
Insektenpulver in Schönheit angepriesen wird, denn
der betreffende Fabrikant kann unmöglich von uns
 
Annotationen