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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Roth, Hermann: Die Halbjahrhundertfeier der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0554

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550

Die Werkstatt der Kunst.

Heft §<0.

unter seinem Schutz die Allgemeine Kunstgenossen-
schaft das Jubiläum feiern konnte. Der Prinzregent
sprach der Kunstgenossenschaft seine Anerkennung und
wünsche aus und herzliche Ovationen wurden ihm beim
verlassen der Ausstellung von feiten der Künstler zuteil.
Nicht nur der Erneuerung alter freundschaftlicher
Beziehungen, der Auffrischung schöner Erinnerungen
diente das Beisammensein der deutschen Künstler, son-
dern auch der Arbeit. Die Einleitung dazu war
der erwähnte geistvolle Vortrag Berthold Riehls;
darauf sprach Kunstmaler William Pape aus
Berlin über die Errichtung von Lrholungs-
und Altersheimen für deutsche Künstler. Ls
ist ein sozialpolitisch gesunder Gedanke, den er da
vertrat. Er führte aus, daß, wenn von den 3000
Mitgliedern der Genossenschaft jedes nur lOO Nlk.
gäbe, 300 000 Mk. gewonnen wären, mit denen sich
schon etwas erreichen ließe, zudem wohl auch auf
Legate und Geschenke, vielleicht sogar auf die Ueber-
lassung eines leerstehenden Schlosses zu rechnen wäre.
Sn Wahrheit fehlt es in Deutschland nicht an solchen
nutzlos gewordenen Besitzen, die bei solcher Verwen-
dung eine ideale Bestimmung erfüllen könnten. Herr
Pape schlug vor, zunächst drei solche Heime zu er-
richten^ eines an der See, eines im Harz oder im
Thüringer Wald und eines in den bayerischen Bergen.
Der Referent ging von dem Standpunkte aus, daß
die Zahl der nervenleidenden Künstler, besonders der
Maler und Graphiker, einen sehr hohen Prozentsatz
stelle, der Künstler ein wirkliches Ausspannen nicht
kennt und Studienreisen mit ihrer unregelmäßigen
Lebensweise ihm keine eigentliche Erholung bieten.
Hier können die Erholungsheime Hilfe schaffen. Das
Zustandekommen solcher Wohlfahrtseinrichtungen wäre
die schönste Frucht des Künstlertages. Der Vortrag
fand bei den leider nicht allzu zahlreichen Zuhörern
lebhaften Beifall. Prof. Schmidt-Stuttgart verwies
auf ein erfolgreich bestehendes Lehrerinnenheim in
Friedrichshafen und hält es durchaus für kein beson-
deres Wagnis, wenn eine so große Körperschaft sich
ein derartiges Heim gründet; man brauche ja nicht
gleich an drei zu denken. Notwendig sei es, daß die
Künstlerschaft aus sich selbst heraus dieses Werk
schaffe. Kunstmaler Gstermayer-München gab
dem gleichen Gedanken Ausdruck und verwies bezüg-
lich der Altersversorgung auf die bestehenden Ver-
sicherungsanstalten und auf die segensreich wirkenden
Unterstützungsvereine der Künstler, von denen z. B.
der Münchener mit reichen Stiftungen bedacht worden
sei. Die Künstler sollten sich mehr und mehr auf
eigene Füße stellen, und diejenigen, die etwas zu ver-
erben haben, an ihre Berufsgenossen denken. — Ls
wäre sehr zu begrüßen, wenn der Anregung Papes
die Tat folgte.

Dem Arbeitstag ging ein Festabend im Künst-
lerhaus voraus, mit einem sinnigen Spiel von Kart
Söhn, zu dem der hier lebende Komponist Pott-
gießer eine stimmungsvolle Musik geschrieben hatte.
Hans Frahm hatte eine Wandeldekoration geschaffen.
Sie führte von Düsseldorf bis Bingen - eine präch-
tige Rheinreise. Die kostümierten Gruppen, die Künstler
der verschiedenen deutschen Gaue in der nach-bieder-
maierschen Modetracht jener Zeit, die Winzertänze,
der Festzug der Germania, das gab zu dem von
nationalem Empfinden getragenen Texte prächtige Bilder.
Genau wie vor fünfzig Jahren machte den Schluß
ein Kellerfest. Damals war es im alten pschorr-
keller, diesmal beim Augustiner, und wie vor fünfzig
Jahren König Ludwig I. zu den Künstlern kam, so
Heuer sein hochsinniger Sohn Luitpold. Hier gabs
nun etwas wie „angewandte Kunst", lebendig ge-
wordene Meisterbilder. Line stilvolle, entzückende und
in Farben schwelgende Eingangsdekoration leitete zu
den Gruppen über, die unter den alten Baumbeständen
des Kellers da und dort sich gebildet hatten. Da
waren Schwarzwälder in echten Kostümen nach Knaus,
auf der Alm famose Defreggergestalten, alt und jung,
an denen der Meister selber, der bis zum frühen
Morgen blieb, seine Freude hatte. Die Landsknechte
nach Wilhelm Diez hatten sich unter einem Zelt auf
Stroh gelagert, die Pferde fraßen friedlich an der
Krippe, es wurde abgekocht, gesungen und getrunken.
Dort in dem Haidehaus der vorgeschobene Posten mit
Zietenhusaren und Friederizianischen Grenadieren, das
war ein echter Menzel von entzückendem Reiz! Dann
der Schmierenzirkus, ein ins Leben übertragener Paul
Meyerheim, Oberländer mit lustig wirkenden Kame-
runern, Ludwig Richter mit seinem lebkuchenverkleideten
Hexenhäuschen, Schwind mit dem Klausner waren zu
finden. Und ein Idyll von unvergleichlichem Reiz
war der Spitzweghof. Auf die bestehenden alten
Bauten hatte Josef Frank in Gestalt von Dachfenstern
und Giebeln malerische Zutaten aufgesetzt. Dazu echte
Altmünchener Figuren, die Krinolinendamen und die
Herren Gevatter, echt aber auch die Stimmung. Die blieb
dem Feste treu, unbekümmert des Defizits, das diese
einzigartige Veranstaltung heraufbeschworen. Froher
Leichtsinn gehört ja mit zur Lebensart des wahren
Künstlers, die hoffentlich auch bei den fernsten Jubiläen
noch die gleiche sein wird. Hermann Roth.
* *
München. In Anerkennung des schönen Ver-
laufes des Künstlertags der Allgemeinen Deutschen
Kunstgenossenschaft hat Z. Kgl. Hoheit der Prinzregent
Luitpold dem ersten Vorsitzenden des Hauptausschusses,
Prof. w. Löwith, die Prinzregent Luitpold-Me-
daille in Silber verliehen.
 
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