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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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Uhde-Bernays, Hermann: Die Neuordnung und die Neuerwerbungen der Alten Pinakothek in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0024

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NEUORDNUNG UND NEUERWERBUNGEN DER ÄLTEN PINAKOTHEK

Durchgangsfaal der holländifchen Meifter (Saal IV) keinen anderen Mittelpunkt erhalten
können als Cornelis de Vos’ nüchternes Familienbildnis. Im Saal der frühen Italiener
dürfte fpäterhin Palmezzano an Stelle Garofalos treten, auch der Saal van Dycks mit den
fchlimmen Vertikalen der Rahmen auf der linken Seite, die Spanier und fpäten Italiener
erwarten noch entfprechende Änderungen. Die Einrichtung eines englifchen Kabinetts und
daran anfchließend eines folchen für Franzofen und ihre Genoffen im 18. Jahrhundert
bedeuten wiederum eine glückliche Neuerung.

Durch die Erlaubnis, aus dem Befifs der bayerifchen Filialgalerien Ergänzungen nehmen
zu dürfen, wofür diefen Sammlungen aus dem ins Depot der Pinakothek gewanderten
Material überreicher Erfalj zuteil werden foll, konnte Tfchudi verfchiedene bemerkenswerte
Stücke nach München bringen. Vor allem ift zu begrüßen, daß das unbequem erreichbare
Schleißheim einige feiner Trophäen abgibt: Lukas Cranachs Kreuzestod, der den Meifter
als echten Jünger der fränkifchen Schule zeigt, Tintorettos Kreuzigung und Gonzaga-
Zyklus, Bouchers Mädchenakt und die ausgezeichnete Landfchaft von Hubert Robert, das
angeblich von Velasquez ftammende Reiterbildnis des Herzogs von Olivarez, nunmehr
endgültig dem Schwiegerfohn des Künftlers Mazo zugewiefen, ein außerordentlich leben-
diges Stilleben des Jan Fyt, das Strandbild von Morland, das Selbftbildnis und ein wei-
teres Familienbildnis des erft neuerdings beachteten Hofmalers Georg de Marees (1697
bis 1776), eines vorzüglichen Vertreters der Münchener Porträtkunft im 18. Jahrhundert.
Hierzu hat Tocques, eines Lieblings von Diderot, Porträt des Pfalzgrafen Michael von Zwei-
brücken treten können (bisher im Nationalmufeum), und indem Goudreaux und Vivien
von dunkler Wand herabftiegen, um ihrer Bedeutung gemäßen Platj zu erhalten, ift eine
ganz neue Gruppe von Künftlern, die zum Teil bisher in der Pinakothek nicht vorhanden
waren, gebildet. Durch Jan Polacks „Stifter von Benediktbeuren“ werden die alte Mün-
chener Schule, durch J. Cornelisz Beweinung und die hl. Conftantin und Helena die zweite
Periode der holländifchen Schule, durch Teile eines Jüngften Gerichts, von einem drama-
tifchen unbenannten Meifter, ihre Frühzeit, durch Baffanos Madonna, Tintorettos „Maria
hat den beften Teil erwählt“ und einige unbedeutendere Stücke die italienifchen Schulen
ergänzt. Aus dem Depot, dem reiche Nahrung gegeben wird, kommt eine kleine fran-
zöfifche Landfchaft des 18. Jahrhunderts, die auf den ftolzen Namen Rubens getauft ift.

Begreiflicherweife hat Tfchudi in der kurzen Zeit, die ihm für die Umordnung zur Ver-
fügung ftand, nur flüchtig die vielen falfchen Bezeichnungen revidieren können. Aber
auch hier ift fein und feiner Mitarbeiter Wunfch nach Befferung erfichtlich. Die von jeher
zweifelhafte Pieta des Quinten Matfys trägt immer noch diefe unrichtige Bezeichnung, und
fie ift nicht das einzige Bild, deffen Standeserhöhung zurückgenommen werden muß. Da-
für hat die Verkündigung des van der Goes (114) die allgemeine Zuweifung in die Schule
des Dirk Bouts, das angebliche Appianbildnis mit der fpäteren Signatur Burkmairs (219)
eine gleich allgemeine „kölnifch“ erhalten. Die bisher als holländifch geltende Tafel mit
der Legende der hl. Antonius und Paulus (124) wird fchon derKoftüme wegen als „fran-
zöfifch“ bezeichnet — fie ftammt vielleicht aus Burgund—, die hl. Ambrofius und Ludwig
(1027, 1028), die Ludwig I. in Neapel erworben hat, find „katalanifch“, die Altarflügel
des Anton von Worms (66, 67) jeßt Werke Georg Leinbergers, das Bildnis des Georg
Weiß vom Meifter der Holzhaufenbildniffe (299) trägt den Namen Conrad von Kreuznach,
den Dr. Braune jüngft gefunden hat, der traditionelle Honthorft: „Chriftus im Tempel“
(301) wird nach H. Voss als „fizilianifch“, der fchöne Edelmann (1298), den Antonio Pereda
gemalt haben follte, nach Schmidt als „vlämifch“ beftimmt. Erfreulicherweife ift auch der
fchon von Morelli angezweifelte kleine Correggio „Satyr in Landfchaft“ (1094) nunmehr

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