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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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1. Heft
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Uhde-Bernays, Hermann: Die Neuordnung und die Neuerwerbungen der Alten Pinakothek in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0026

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NEUORDNUNG UND NEUERWERBUNGEN DER ALTEN PINAKOTHEK

Kreuzesform angeordnet ift wie Raffaels fpafimo), eine ausgezeichnete Vorftellung von
der Bedeutung des vielgenannten Künftlers. Freilich ift es ein Wagnis, ein derartig modern
fprechendes Bild zwifchen die berühmten Murillofchen Knaben zu hängen. Auch Guardis
„Feft im venezianifchen Damenftift“ darf in Zukunft Anfpruch darauf machen, zu den
wertvollen und eigenartigen Stücken der Pinakothek zu zählen: man fühlt fich vor diefem
fkizzenhaft hingeworfenen Meifterwerk mit dem überzeugenden Eindruck des gefüllten
Ballfaales voller Bewegung, Leben und Licht gar an Menzels befte Kompofitionen erinnert.
Gainsboroughs Porträt und Goyas Stilleben ftehen den eben genannten Bildern nicht nach.
Letzteres, vollbezeichnet mit kühn gefchriebener Signatur, zeigt Goyas Können auf einem
befonderen Gebiet, das gerupfte Huhn und die Fifche in der Pfanne, unübertrefflich in
ihrer Naturwahrheit, weifen Goya hier neben Chardin und Hogarth den Plaß an. Das
ernfte Gelehrtenbild von Gainsborough würde auf der englifchen Ausftellung in Berlin
nicht unterdrückt worden fein. Es gehört mit der perfönlichen Prägnanz der Gelehrten-
pofe, der reizvoll zur Charakterifierung verwendeten Umgebung, den ruhigen Farben, zu
den wenigft theatralifchen und darum fchönften Arbeiten des bisher in der Pinakothek
fehlenden großen Engländers.

Gefchenke und Leihgaben ftellen fich ans Ende der langen Reihe. Edlingers feiner
Mädchenkopf (Gefchenk des Herrn von Back, abgebildet und von A. Goldfchmidt befchrie-
ben in den Monatsheften für Kunftwiffenfchaft, Jahrg. I, S. 869) tritt erfreulich neben
das große männliche Repräfentationsporträt des gleichen Münchener Meifters. Antolinez’
„armer Maler“ (Gefchenk des bekannten Münchener Sammlers S. Röhrer), in dem wohl
nicht ohne Grund ein Porträt des wenig bekannten Spaniers zu fehen ift, zeigt diefen
mehr als auf dem anderen von ihm ftammenden Bild im gleichen Saal als Schüler des
Velasquez. Rembrandts Studie aus feiner frühen Jugendzeit „David überbringt das Haupt
des Goliath“ (Leihgabe der Herren Th. und W. Heinemann), erft im'vergangenen Frühjahr
entdeckt, ift durch verfchiedene Abbildungen bekannt geworden. Aufgehängt unter Pieter
Laftman, zeigt es die Abhängigkeit und die wundervoll zu künftlerifcher Eigenart fich er-
hebende felbftändige Kunß des Meifters. Als Jahreszahl der Ausführung ift nunmehr end-
gültig 1631 anerkannt.

Die Vielfeitigkeit und der Reichtum diefer Neuerwerbungen geben mit der Neuordnung
für die;Gefchichte der Münchener Pinakothek dem fcheidenden Jahre 1909 einen außerordent-
lich wichtigen Rang. Die Furcht, aus Sorge für die „Tradition“ der berühmten Sammlung
ihre äußerliche Zufammenfeßung zu ändern, die manchen anderen abgehalten hätte, kennt
Tfchudi nicht. Vielmehr hat er, eben aus Sorge für die Tradition, die erhalten wird nicht durch
möglichft konfervative Schonung, fondern durch eine würdevolle Anpaffung an die Forde-
rungen der fortfehreitenden Kunftentwicklung und -erziehung, die alte Pinakothek wieder
zu einem Befiß gemacht, deffen fich München mit uneingefchränkter Freude rühmen darf.
Noch ift die leßte und definitive Änderung nicht vollzogen, die Tfchudi und mit ihm alle
Freunde der alten Pinakothek fordern. Hoffentlich wird es nicht lange mehr dauern, bis
zu dem Augenblick wo ihm die Mittel gewährt werden, ganz frei zu handeln. Große Pläne
befchäftigen feinen Geift.

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