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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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Voss, Hermann: Die falschen Spanier
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0028

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DIE FÄLSCHEN SPANIER

ÄNTONIO ÄMOROSI, Schlafendes Mädchen Galerie Sdiieißheim

italienifchen Maler des 17. Jahrhunderts find entwertet, und es ift immer noch beffer,
irgend einen unbekannten fpanifch klingenden Namen an ein gutes Bild des Seicento zu
hängen, als unverblümt zu Jagen: es ift ein Procaccini oder ein Mola u. dgl.

Ich will in diefen kurzen Zeilen nicht verJuchen, für jene Umwertung aller Werte —
auch der händlerifchen — Stimmung zu machen, die ohnehin auf die jetzige Flauheit
folgen wird wie die Trän' auf den herben Zwiebel; ich führe nur ein paar Beifpiele an,
die, glaube ich, genügend für fich felber fprechen werden. Das klaffifche Land der „fal-
schen Spanier“ ift England. Was dort in den Privatgalerien alles als „Velazquez“ und
zumal als „früher Velazquez“ hängt, würde genügen als Material für ein kleines fecen-
tiftifches Bilderbuch, in dem keine Schule zu kurz käme.

Ein charakteriftifcher Fall ift das „Schlafende Mädchen“ von „Velazquez“ der Sammlung
Leatham. Man würde ficherlich Zeit und Mühe verlieren, wollte man den Autor der Ät-
tribution überzeugen, daß das nach allen Indizien kein Velazquez und überhaupt kein
Spanier fein kann. Zufälligerweife exiftiert ein Hinweis fchlagendfter Art darauf, daß die
Wiege des reizvollen Gemäldes nicht Spanien, fondern Italien ift. Die Schleißheimer Ga-
lerie befitjt nämlich ziemlich das gleiche Bild, nur mit der richtigen alten Bezeichnung:
Antonio Ämorosi. Der Name diefes Künftlers ift fo unbekannt, daß die Benennung von
vornherein das größte Vertrauen weckt, und in der Tat stimmt dann das Gemälde ftiliftifch
mit den authentifchen Bildern in Rom, Stockholm und anderorten überein. Der Künftler,
um 1660 bei Äfcoli Piceno geboren, nach 1736 geftorben, war ein Schüler des Giufeppe
Ghezzi in Rom und, obwohl in feinen ernfthaften großen Bildern kein bedeutender Meifter,
doch fehr eigenartig und reizvoll in Genreftücken diefer Art.

Beide Gemälde variieren das gleiche Thema; was in ihnen abweicht, fällt auf den
erften Blick auf und bedarf alfo keiner Hervorhebung. Von den beiden Faffungen möchte
jene in Schleißheim die anmutigere, gefälligere fein; der Kontur ift weicher und das Ge-

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