Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0029
DOI Heft:
1. Heft
DOI Artikel:Voss, Hermann: Die falschen Spanier
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DIE FALSCHEN SPANIER
ANTONIO ÄMOROSI (nicht Velazquez), Schlafendes Mädchen Sammlung Leatham
wand bedeckt die etwas harte Verkürzung des Oberfchenkels auf dem Bilde der Samm-
lung Leatham.
Dem Sujet nach gehört in eine ähnliche Kategorie wie dies fchlafende Mädchen der
Dudelfackfpieler, den die wundervolle Galerie in Althorp Houfe als Velazquez befifet. In
dem Velazquezbande der „Klaffiker der Kunft“, wo das intereffante, rätfelhafte Bild unter
den pieces douteuces abgebildet ift, wird an die Schule des Frans Hals gedacht, wohl
wegen des Sujets. Ich wüßte fonft fchlechterdings nicht, was auf Hals hinführen follte.
DerMeifter diefes Dudelfackfpielers ift nun ein Mann, der der Kunfthiftorie bisher über-
haupt nicht anders als durch ein paar ältere Notizen bekannt ift. Sigismondo Coccapani,
ein Schüler des Ludovico Cigoli, gehört dem toskanifchen Seicento an; feine Haupt-
fchöpfung ift ein Affresco in dem erften Kreuzgang von S. Marco in Florenz, das durch
feinen frifchen, urwüchfigen Realismus fcharf von den Dutjendleiftungen der Bofchi,
Ferrini, Vanni, Roffelli ufw. abfticht. Dem gleichen Künftler find in der Galerie Corfini
zwei tüchtige Gemälde, Samfon und Delila sowie jael und Sifera zugewiefen, die im Stile
gut mit dem Fresco zufammengehen. An gleicher Stelle befindet fich unter der unver-
ftändlichen Bezeichnung „Jacopo Ligozzi“ ein höchft auffälliges, von bedeutender künft-
lerifcher Kraft zeugendes Genrebild, das ich unbedenklich Coccapani zuweife. Mit diefem,
übrigens in großen Dimenfionen gehaltenen Gemälde ftimmt wieder der Dudelfackfpieler
in Althorp Houfe fo auffällig überein (man vergleiche die Hände, die Form der Äugen,
der Nafe und den Äufpuß), daß ich kaum für möglich halte, daß der Maler ein anderer
als Coccapani war. Ändere fichere Werke des Meifters find ein Deckenbild in Cafa
Buonarotti, Florenz (Ällegorifche Darftellung) und Fresken an der Decke einer Kapelle in
S. Michele e Gaetano, die leider fo gut wie unerkennbar find. Zu dem Hauptwerke, der
Lünette in S. Marco, bewahrt die Sammlung der Uffizien und der Louvre Vorzeichnungen.
Nach einem guten älteren Stich der Uffizienzeichnung ward unfere Abbildung angefertigt.1
Die Szene ift die, daß ein armer Edelmann die vorgebliche Armut zweier Kirchenbettler
1 Die Angabe diefes Stiches: Giovanni da S. Giovanni inv. e del. ift irrtümlich. Baldinuccis
Angabe muß als durchaus zuverläffig angefehen werden.
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ANTONIO ÄMOROSI (nicht Velazquez), Schlafendes Mädchen Sammlung Leatham
wand bedeckt die etwas harte Verkürzung des Oberfchenkels auf dem Bilde der Samm-
lung Leatham.
Dem Sujet nach gehört in eine ähnliche Kategorie wie dies fchlafende Mädchen der
Dudelfackfpieler, den die wundervolle Galerie in Althorp Houfe als Velazquez befifet. In
dem Velazquezbande der „Klaffiker der Kunft“, wo das intereffante, rätfelhafte Bild unter
den pieces douteuces abgebildet ift, wird an die Schule des Frans Hals gedacht, wohl
wegen des Sujets. Ich wüßte fonft fchlechterdings nicht, was auf Hals hinführen follte.
DerMeifter diefes Dudelfackfpielers ift nun ein Mann, der der Kunfthiftorie bisher über-
haupt nicht anders als durch ein paar ältere Notizen bekannt ift. Sigismondo Coccapani,
ein Schüler des Ludovico Cigoli, gehört dem toskanifchen Seicento an; feine Haupt-
fchöpfung ift ein Affresco in dem erften Kreuzgang von S. Marco in Florenz, das durch
feinen frifchen, urwüchfigen Realismus fcharf von den Dutjendleiftungen der Bofchi,
Ferrini, Vanni, Roffelli ufw. abfticht. Dem gleichen Künftler find in der Galerie Corfini
zwei tüchtige Gemälde, Samfon und Delila sowie jael und Sifera zugewiefen, die im Stile
gut mit dem Fresco zufammengehen. An gleicher Stelle befindet fich unter der unver-
ftändlichen Bezeichnung „Jacopo Ligozzi“ ein höchft auffälliges, von bedeutender künft-
lerifcher Kraft zeugendes Genrebild, das ich unbedenklich Coccapani zuweife. Mit diefem,
übrigens in großen Dimenfionen gehaltenen Gemälde ftimmt wieder der Dudelfackfpieler
in Althorp Houfe fo auffällig überein (man vergleiche die Hände, die Form der Äugen,
der Nafe und den Äufpuß), daß ich kaum für möglich halte, daß der Maler ein anderer
als Coccapani war. Ändere fichere Werke des Meifters find ein Deckenbild in Cafa
Buonarotti, Florenz (Ällegorifche Darftellung) und Fresken an der Decke einer Kapelle in
S. Michele e Gaetano, die leider fo gut wie unerkennbar find. Zu dem Hauptwerke, der
Lünette in S. Marco, bewahrt die Sammlung der Uffizien und der Louvre Vorzeichnungen.
Nach einem guten älteren Stich der Uffizienzeichnung ward unfere Abbildung angefertigt.1
Die Szene ift die, daß ein armer Edelmann die vorgebliche Armut zweier Kirchenbettler
1 Die Angabe diefes Stiches: Giovanni da S. Giovanni inv. e del. ift irrtümlich. Baldinuccis
Angabe muß als durchaus zuverläffig angefehen werden.
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