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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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Braun, Edmund Wilhelm: Porzellangalanterien aus der Sammlung Dr. Paul v. Ostermann - Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0042

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PORZELLÄNGÄLÄNTERIEN AUS DER SAMMLUNG v. OSTERMANN

träglich hinzugefügter war, den irgend ein Porzellan-Hausmaler oder ein Emailmaler auf
Beftellung ausgeführt hat.

Eine weitere künftlerifch allerdings wenig bedeutende aber fachlich intereffante Wiener
Arbeit ift ein Flakon in Form eines zufammengeklappten Tafchenmeffers, der gleichzeitig
auch als Pfeife verwendbar ift. Die Porzellanmaffe und die mageren kleinen Streublumen
verweifen fie mit Beftimmtheit in die Zeit um 1740—45. Leider ift das Modell weder in
der Wiener Zeitungslifte von 1746 noch in den Verzeichniffen der folgenden Jahre erwähnt.

Als eine fichere und charakteriftifche Ludwigsburger Arbeit (um 1770) erweift [ich das
zierliche Scherenetui mit den der fchwäbifchen Fabrik eigenen auf niedrigen Bäumchen
fixenden Vögeln in reliefierten Rocaillefeldern, fowie kleinen Infekten; auch die etwas
unreine grauweiße Maße bezeugt diefe Provenienz. Die Ludwigsburger Gefchirrmalerei
weift häufig denfelben Dekor, wie das Scherenetui, auf. Ich verweife z. B. auf die Ab-
bildung 1014 in Wanner-Brandts Album über Ludwigsburger Porzellane.

Die drei Nymphenburger Dofen der Sammlung Oftermann waren bei der im Sommer
1909 zu München veranftalteten Ausftellung von „altem bayerifdienPorzellan“ vertreten.
Sie find alle drei durch Form und Dekor gleich wichtig und intereßant. Die Doppeldofe
um 1770 (Münchner Katalog 191), in der Geftalt eines ßachgedrückten Fäßchens ift mit
dem von einigen Servicen uns bekannten Nymphenburger Buketts bemalt. Die beiden
Deckel tragen auf den Außenfeiten in ßachem Relief, Jagdftücke in Landfchaft, die mit dis-
kreten Farben gehöht find, einerfeits einen Hund, der zwei Hirfche ließt, andererfeits vier
Rüden, die eine Sau geftellt haben. Gerade Jagdfujets waren in Nymphenburg fehr beliebt,
wie die zahlreichen meift unbemalten Figuren und Gruppen ähnlichen Inhalts beweifen. Die
Innenfeiten des Deckels zeigen ein buntgemaltes Schäfer- und Liebespaar in Landfchaft.

Die zweite langgeftreckte koßerförmige Dofe mit reliefiertem dickglafierten Korbßecht-
mufter (O-Ziermufter) um 1775 (Münchner Katalog 188), führt auf den Außenfeiten wie-
derum bunte Buketts. Bedeutfam ift der bunte Dekor der Innenfeite des Deckels, eine
temperamentvolle Gefellfchaft von fechs Männern und Frauen vor der Fefttafel fißend, in
holländifchem Koftüm. Um 1780—85 ift die korbförmige ovale Dofe mit reliefiertem
Korbßechtmufter (Münchner Katalog 125) zu feßen, die auf Deckel und Bodenßäche je ein
ausgepartes, mit goldgehöhte Reliefrocaillen eingefaßtes glattes Feld trägt. Sie find, ebenfo
wie die Leibung, die zwei größere und zwei kleinere folcher Felder trägt, mit kleinen
bunten figuralen Landfchaften bemalt. Die Darftellung auf dem Deckel gibt die Anficht
der Stadt Würzburg, während die anderen Landfchaften nicht nach irgend einem Natur-
vorbild, fondern wohl nach den damals beliebten kleinen Stichvorlagen ausgeführt wurden.
Im Deckelinnern ift das bunte Porträt des 1779—1795 regierenden Würzburger und Bam-
berger Fürftbifchofs Franz Ludwig von Erthal gemalt.

Angereiht fei diefen Nymphenburger Dofen eine gleichfalls im Münchner Katalog (1922)
befchriebene Ansbacher ovale Dofe mit vergoldeter Silbermontierung, die in reliefierten
goldgehöhten, reichen Rocaillerahmen kleine purpurrote Kriegsfcenen trägt. Die gleich-
falls purpurrote Darftellung im Deckelinnern veranfchaulicht die Beichte und Abfolution
eines fterbenden Soldaten auf dem Schlachtfelde.

Jedenfalls haben die um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu Meißen beliebten purpur-
roten Kampf- und Gefechtsfcenen in der Art des Rugendas die Vorbilder für diefe Malereien
gebildet, aber fie find ftiliftich ganz anders geartet als die fächfifchen, und anderer-
feits gibt es gerade in Ansbach aus der Zeit um 1770, als die Dofe dekoriert worden
fein wird, zahlreiche Gefchirre mit der dortigen Marke, die ganz verwandte Dar-
ftellungen aufweifen.

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