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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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2. Heft
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Landsberger, Franz: Anton Graff 1736-1813: zur Ausstellung bei Eduard Schulte
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0073

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ANTON GRAFF 1736—1813

fatten Farben des blauen, grünen, roten Sammets der Röcke. Das Äntlife leuchtet, die
Äugen haben fchimmernden Glanz, die Stirn bekommt durch reiche Beimifchung von
Weiß ein glänzendes Äusfehen, und auf Äuge, Nafe und Kinn wird mit Glanzlichtern
nicht gefpart. Der Mund hat noch die Schwingung des Rokoko, er ift leicht wie zum
Sprechen geöffnet, die Mundwinkel ein wenig nach aufwärts gezogen, der ganze Aus-
druck ift auf ein Gemifch von Geiftigkeit, Sinnlichkeit und Bonhommie gebracht.

Ganz allmählich läßt diefe Farbenfattheit nach. Es ift bemerkenswert, daß er fich feit
1783 der Silberftiftzeichnung zuwendet; hier werden die Köpfe meift im Profil gegeben;
die Linie beginnt fich neben den malerifchen Mitteln zu behaupten. Leider fehlen hier
die Winterthurer Werke, und da auch das Bild aus dem herzoglichen Schlöffe von Sagan
nicht vorhanden, fo ift kein größeres Gruppenbild zu fehen, an dem man die Kompofitions-
kraft des Malers meffen könnte. Der inhaltlich „bedeutende“ Zug drängt fich vor und
macht aus manchem, fo aus den feifenblafenden Knaben, ein Genrebild. Einflüffe von
Greuze und Reynolds fpielen hinein; letzterer gibt dem Bildnis Forfters (Äbb. 5) und dem
angeblichen der Frau Graff ein nicht ganz wahr wirkendes Pathos. Die Frauen er-
fcheinen „in weißer arkadifcher Hülle“ (Goethe 2. Epiftel); doch wird die Tracht noch
durch einen hellblauen Gürtel und eine Schleife im Haar belebt; das Rokoko gibt den
Kampf nicht fo leicht auf.

Einige Bildniffe aus den neunziger Jahren im Befife der Leipziger Handelskammer —
fie ftecken in einem häßlichen Rahmen, wie in einer goldenen Wanne — zeigen den
Sieg der neuen Richtung an. Dem warmen, farbigen Sammet ift das ftumpfe Tuch
gefolgt; der Hintergrund wird dunkelbraun gehalten. Das Jabot hat fein Spifeenwerk
verloren; die offene freimütige Jacke macht dem zugeknöpftem Gehrock Plajj, der
durch die großen Äuffchläge noch gewichtiger wirkt. Auch das Zöpfchen mit der fchönen
Schleife fehlt. Die Kopfwendung ift noch vorhanden, aber fie wirkt nicht mehr fo her-
ausfordernd. Der Körper wird länger, die Hände wagen fich hervor, oft ift die Rechte
mit ruhiger Würde in den Rockfpalt gelegt. Die Phyfiognomie wird ernfter; will man
aber heiteres Wefen darftellen, fo wird aus dem früheren feinen Lächeln ein breiteres
Lachen. Das Bildnis Chodowieckis (vor 1800), der mit maffigem, ftumpf konturiertem
Körper, welcher das Bild mächtig füllt, gegeben ift, zeigt, wie fehr die Grazie des Rokoko,
die Farbenglut des Sturmes und Dranges einer farbenarmen Klarheit, die oft bis zur
Plumpheit geht, gewichen ift.

Das Bildnis der Frau Chodowiecky, feit 1755 verheiratet1 und 1785 geftorben, fetjt
Vogel, wohl auf Grund des Todesjahres, vor 1785 an. Ich glaube, daß es erft Ende der
neunziger Jahre, als Pendant zu dem Bildnis ihres Mannes, und alfo erft nach ihrem
Tode entftanden ift. Als Vorbild hat gewiß die kleine Elfenbeinminiatur Chodowieckis
gedient. Kaemmerer, der diefe Miniatur in feinem Chodowiecki-Buche abbildet (Äbb. 171),
glaubt, daß fie nach dem Graff fehen Bilde gefertigt fei, aber ich vermute, daß das Ver-
hältnis umgekehrt liegt. Alle Veränderungen, die Graff getroffen hat, laffen fich durch
den neuen Gefchmack erklären. Da die Miniatur in Berliner Befiß ift (bei Frau Ä. Has-
linger), fo entfchließt man fich vielleicht, fie zum Vergleich mit auszuftellen.

Nach 1800 bis 1813 erfcheinen die Älterswerke des Meifters. Ein Zurückgehen der
Kraft ift nicht zu bemerken, obgleich der Künftler augenleidend wurde; manche Porträts,
wie das des Oberberghauptmanns von Trebra, gehören zum Beften, was er gefchaffen.
Hier ift alle Routine, alles falfche Pathos gefchwunden; nichts wird in das Porträt hinein-

1 und nicht 1755 geboren, wie der Katalog angibt.

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