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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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2. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0085

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SAMMLUNGEN

Hemmniffe im Wege ftanden, find die Änderun-
gen faft ausnahmslos als fehr glückliche zu be-
grüßen. Das Umhängen von Bildern erfolgte
nach äfthetifchen und wiffenfdiaftlichen Gefichts-
punkten. Man [teilte zufammen was nach Schule
und Epoche hiftorifch zueinander gehört und
deshalb miteinander notwendigerweife harmo-
niert. Durch Schaffung neuer Galeriefäle war
es auch möglich geworden, allen wertvolleren
Stücken die ihnen gebührenden guten Plätze zu
geben. Einige Meifterwerke, wie Simone Mar-
tinis und Lippo Memmis wundervoller Altar,
wurden aus dem überftarken Lichte und der
ungleichwertigen Umgebung des Corridors in
die Säle übertragen, wo fie unter ihres Gleichen
und in milderen Lichte zu befferer Wirkung
kommen. Durch diefe Maßnahme ift eine Art
Scheidung zwifchen Schau- und Studienfammlung
erreicht. Der Durch fchnittsbefucher wird [ich nun
mit einem Gang durch die Säle begnügen können,
wo er faft ausnahmslos Werke findet, an denen
er [ich ohne Heuchelei freuen kann.

Der zweite Punkt der „protefta“ richtet fich
gegen Neubenennungen. Hier hat die Galerie-
verwaltung nichts weiter getan, als daß fie Ver-
säumtes oder Aufgefchobenes nun mit einem
Schlage erledigte, d. h. fie brachte die Ausfagen
der Cartellini unter den Bildern mit den Reful-
taten der Kunftforfchung der lebten Jahrzehnte
in Einklang. — Was den dritten und fchwerften
Vorwurf anbelangt, die Befchädigung der Bilder
durch Reinigung, fo handelt es fich um nichts mehr
als um den Verluft des noch immer fo beliebten
Galerietons, um die Entfernung von Schmuft und
fchlechtem Firniß. Gerade das Moroniporträt,
auf das fich die Angreifer berufen, macht die
Anklage zu nichte. Erft jefet, wo der kühle
filberig graueTon des Bildes wieder zum Vorfchein
gekommen ift, erkennt man den ganzen Wert
diefes Stückes. Vielleicht wäre der Zorn der
Florentiner Künftlerfchaft gelinder, wäre derRe-
ftaurator kein Tedesco.

Die Vorzüge, die nun die neue Aufteilung
der Künftlerbildniffe vor der früheren voraus
hat, find ganz elementarer Art, beffere Beleuch-
tung und mehr Pla^; anftatt in vier Zimmern
mit Seitenlicht hängen die Bildniffe je^t in neun
Räumen mit Oberlicht, wobei allerdings zu be-
merken ift, daß die Sammlung dank dem Eifer
der Mufeumsleitung nicht unwefentlich in den
lebten Jahren bereichert wurde. Andererfeits
hat man einige Pfeudokünftlerbildniffe, wie die
angeblichen Giorgione- und Giambellinoporträts
hier ausgefchieden und der Hauptfammlung ein-
verleibt, fo daß der Flächeninhalt doch wohl
kein fo fehr viel größerer geworden ift. Jeden-
falls find die Wände nun nicht mehr wie im

unteren Stockwerk bis an die Decke mit den
Porträts gepflaftert. Die Bilder hängen in er-
träglichen Abftänden und auch nicht zu hoch.
Vielleicht hätte man noch dies und jenes angeb-
liche Künftlerporträt ausfondern können, ficher-
lich das Bildnis eines laut Infchrift achtzehn-
jährigen Jünglings von Georg Pencz vom

Jahre 1544 und das bekannte Jünglingsporträt
von Sarto.

Ich will nicht verhehlen, daß die Sammlung
auch in ihrer Neuaufteilung bei mir kein Ent-
zücken hervorruft. Aber ich meffe die Schuld
nicht der Galeriedirektion, fondern der Unifor-
mität des Materials bei. Neun Zimmer voll Bild-
niffe, Bildniffe, Bildniffe, noch dazu faft ausfchließ-
lich Halbfiguren, faft alle mit der Palette in der
Hand und faft alle mit dem fcharf fixierenden
Porträtiftenblick find nun mal fchwer zu genießen.
Auch an dem wiffenfchaftlichen Wert folcher
Sammlung möchte ich zweifeln. Aber fie exi-
ftiert nun einmal, fie ift ein Kuriofum, eine der
Florentiner Sehenswürdigkeiten und fo wird man
fie weiterleben laffen müffen. Die befteEntfchul-
digung wird eine pathetifche fein, die von einer
Ruhmeshalle der europäifchen Malerei fpricht.

Nun einen Überblick über die Säle: Der erfte
beherbergt Deutfche, Franzosen, Spanier und
Engländer des 16.—18. Jahrhunderts. Dürer ift
mit einer guten Kopie des schönen frühen
Selbftporträts im Prado vertreten, es folgte ein
fpätes Cranachfelbftbildnis, die wunderbare Hol-
bein-Zeichnung, ferner die Bildniffe Elsheimers,
Sandrarts, Mengs und der Kaufmann. Frank-
reich ift durch das merkwürdig modern aufgefaßte
Selbftporträt Bourgignons, durch die pomphaft
auftretenden Herren Rigaud und Largilliere, durch
Charles Lebrun, Mme. Vigee-Lebrun u. a. re-
präfentiert, Spanien durch Ribera und Velasquez,
England durch Lely, Kneller, Reynolds, Romney.
Der zweite Saal gehört den Vlamen und Hol-
ländern. Die Reihe beginnt mit Antonis Mor,
es folgen die beiden ftolzen Rubensporträts, der
fehr fympathifche Jordaens, ein flauer van Dyck
und Suftermans, drei Rembrandtbildniffe, von
denen das eine aus der fpäten Zeit des Meifters
ganz kürzlich durch Vermehren von Schmutz
und Übermalung glücklich befreit wurde, das
höchft originelle Selbftbildnis Gerard Honthorfts
und Godfried Schalkens in der üblichen Kerzen-
beleuchtung. Im dritten Saal beginnen die Ita-
liener und zwar mit den Florentinern. Ein
Kuriofum ift die breite Tafel aus dem Anfang
des 15. Jahrhunderts mit den Bruftbildniffen
Gaddo, Taddeo und Angelo Gaddis, die vor
einigen Jahren durch Volpi den Uffizien gefchenkt
wurde. Der Bildnisfammlung nunmehr einver-
leibt und in diefem Saal aufgeftellt ift das etwas

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