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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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5. Heft
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Hermens, Willibald: Religiöse Darstellungen von Baudouin: zur französischen Ausstellung der Berliner Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0184

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RELIGIÖSE DARSTELLUNGEN VON BAUDOUIN

Der Salon des Jahres 1767 brachte von ihm zugleich mit dem für Poiffon de Marigny,
den Bruder der Pompadour beftimmten „Coucher de la Mariee“ unter Nr. 75 „huit petits
tableaux en miniature, representant une suite de la Vie de la Vierge“ und unter Nr. 76
„le premier feuillet du volume des Epitres et Evangiles commandes pour le service de la
chapelle du Roi par M. de Fontanieu, conseiller d'Etat, intendant general des meubles de
la Couronne“. Die letztgenannten Epifteln- und Evangelienbücher, deren Beftellung wohl
durch die frühere Tätigkeit für die allmächtige Favoritin und durch die Zulaffung zur
Akademie vorbereitet war, find erft geraume Zeit nach dem Tode Baudouins (+1769) von
feinem unbedeutenden Mitarbeiter Le Barbier vollendet und nach Verfailles abgeliefert
worden; Bouchot, der fie in den Bänden 8896 und 8897 im Fonds latin der Parifer
Nationalbibliothek wieder entdeckte, hat ihnen den oben erwähnten und hier mehrfach
benutzten Auffaß der Gazette des Beaux-arts („Baudouin peintre religieux“) gewidmet.
Mit je zwanzig großem und kleinern Gouachen von Baudouins Hand gefchmückt, müffen
die beiden Bücher als größtes und wichtigftes Dokument feiner Kunft betrachtet werden.

Aber das Marienleben des Salons, die acht kleinen Bilder in Miniatur? Bouchot neigt
zu der Annahme, es handle fich um die Folge aus dem Befitz der Madame de Pompadour,
die dem Künftler jetzt wieder zur Verfügung geftanden habe, oder doch um eine Wieder-
holung davon; dagegen läßt fich immerhin einwenden, daß die Kompofitionen dann
wenigftens fchon drei bis vier Jahre alt (vielleicht aber noch viel älter) gewefen wären,
was den Gepflogenheiten des Salons kaum entfprochen hätte. Von anderer Seite ift be-
hauptet worden, die acht Miniaturen von 1767 feien auf Elfenbein gemalt und für die
Nachfolgerin der Pompadour, die Gräfin Dubarry beftimmt gewefen1; die Unterlagen für
diefe Erklärung find mir nicht bekannt. Aber wie dem auch immer fei, jedenfalls ift in
der wiedergefundenen Bilderferie imBefiße des Herrn v. Goldammer für diefe literarifchen
Überlieferungen endlich ein fachlicher Anhalt gegeben; und man kann wohl ohne den
Anfchein einer Übereilung den Schluß ziehen, den die Herren im Louvre denn auch ge-
zogen haben, daß die vorliegende Folge, deren Authentizität keinem Zweifel unterliegt,
wenigftens mit einer der genannten Darftellungen des Marienlebens von Baudonin iden-
tifch ift.

Für eine genauere Datierung fehlen vorläufig freilich noch die Anhaltspunkte. Kupfer-
ftiche nach den Blättern, von denen ich mir einige Aufklärung verfprach, habe ich nicht
finden können, und es ift möglich, daß folche nie exiftiert haben; wie die Befprechungen
des Salons zeigen, hatten die Zeitgenoffen desKünftlers für diefe Arbeiten durchaus nicht
das Intereffe wie für feine profanen Malereien. Der Vergleich mit den breiter und flotter
gemalten Miniaturen für die königliche Kapelle würde den Schluß auf frühere Entftehung
des Marienlebens rechtfertigen, wenn hierbei nicht Unterfchiede des Formats uud der Auf-
gabe mitfprächen: die Parifer Bände find erheblich größer als die in Berlin ausgeftellten
Gouachen, und in ihrer Ausftattung wechfeln Vollbilder, Kopfleiften, culs de lampe ufw.

Die Goldammerfchen Miniaturen haben alle eine Größe von gut 10X6 cm und find
in Gouachetechnik auf Velin gemalt — entfprechend der Angabe im Katalog der vente
Pompadour. Hie und da find kleine Farbftückchen abgeblättert; doch wird nur zweimal
bei dunkleren Flächen (in der Verkündigung und der Weihnacht) der Eindruck dadurch
ein wenig geftört. Die minutiöfe Unterfuchung auf etwaige Reftaurationen ift durch die
Art der Aufhellung augenblicklich fehr erfchwert; bemerkt habe ich nichts derart.

Die Serie umfaßt folgende Darftellungen: 1. das Opfer Joachims und Annas (?), 2. die

1 So auch W. v. Seidlifz in dem Artikel des Thieme-Beckerfchen Kiinftlerlexikons.

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