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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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7. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0285

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VERMISCHTES

fteckenden Farbflechte, fondern um noch andere
Merkmale alter Kunfttechnik, welche an den
Farben der Büfte hervortreten. Da liegt in dem
Gezweige der Roccellafubftanz eine Beimifchung
von Krapp in groben Kernern und Brocken; da
liegt im Blau des Gewandes Smalte in ebenfo
unförmlichen großen fchlecht verriebenen Stücken.
Die Verwendung der Farben entfpricht auch dem
alten Malverfahren, während es der modernen
Kunfttechnik fremd ift. Äber man kann natür-
lich, wenn es nur auf eine Ausrede und nicht
auf Beweife ankommt, auch hier fagen, daß
Lucas, dem die alten Methoden der Malerei zu
feinen „Nachbildungszwecken“ alle bekannt ge-
wefen feien, auch diefe Eigentümlichkeit der al-
ten Kunft nachgeahmt habe.

Wie fteht es aber dann mit dem Medium?
Das alte Malmedium der Renaiffancezeit ift aus
der Malerei feit dem Ende des 17. Jahrhunderts
verfchwunden. Die fpäteren Zeiten, die Maler
des 18. Jahrhunderts, fowie die der gegenwär-
tigen Zeit haben es vergeblich wieder zu er-
finden gefucht. Hat Lucas als der einzige in
diefer langen Zeit diefes Medium gekannt und
auf der Büfte angewendet? Darüber fchweigen
die Anhänger der Fälfchungstheorie! Und doch
liegen die Farben der Büfte in einem hell-
weißen, im durchfallenden Lichte transparenten
Bindemittel, welches bei 200facher Vergrößerung
körnig erfcheint, und welches mit dem Malme-
dium der Alten in allen genannten Eigenfchaf-
ten völlig übereinftimmt. Auf dem leßten inter-
nationalen kunfthiftorifchen Kongreß in München
(September 1909) habe ich diefes Medium an
einem blau gefärbten Fragment eines Bildes
des Bafaiti unter dem Mikrofkope gezeigt. Es
waren mehrere Hundert Kunfthiftoriker zugegen.
Verfchiedene Delegierte, Fachgelehrte (aus Frank-
reich, Italien, Ungarn ufw.), die fich mit Spezial-
unterfuchung von Gemälden befaffen, haben das
Präparat gefehen. Keiner hat die kunfttechnifche
Bedeutung diefes Mediums verkannt.

Neben diefem felben Medium des alten Mei-
fters habe ich das Bindemittel des Blau der
Florabüfte unter dem Mikrofkope zum Vergleich
ausgeftellt und zwar vor den Profefforen der
Weimarifchen Kunftfchule und jüngftin Berlin vor
zahlreichen Künftlern. Die Ubereinftimmung ift
vollkommen anerkannt. Von allen Einwänden,
welche Dr. Pauli gegen das Alter der Büfte er-
hebt, bleibt alfo, wenn man von rein fubjektiven
Argumenten, die fich einer objektiven Beurtei-
lung entziehen, abßeht, nur der Hinweis auf
die englifchen Zeugen übrig. Äber diefe Herren
können |tch irren! Jedenfalls muß jemand, der
ficher geben will, den Wert diefer Äusfagen
nach den objektiven Beobachtungen an der

Büfte meffen. Wenn verfchiedene Gegenftände,
auf welche jene Zeugen hingewiefen haben, im
Innern der hohlen Büfte gefunden worden find —
ich habe davon keine genaue Kenntnis — fo
handelt es fich hier um Dinge, welche vielleicht
für die Gefchichte und die Schickfale der Büfte
von Wert find, für ihre Entftehung aber, da
fie ja mit dem Werke felbft nicht zufammen-
hängen, nichts ausfagen können. Die einzigen
für den Naturforfcher wichtigen Punkte in den
Äusfagen der Zeugen berichtet Pauli im Ber-
liner Tageblatt. Danach hat der jüngere Lucas
Herrn Dr. Pauli mitgeteilt, daß für die Flora
Kerzen-Wachs der 40er Jahre, wahrfcheinlich
mit Beimengung von gelbem Ocker verwandt
fei, und daß die Farben mit Terpentin ange-
rieben worden feien. Das Wachs ift nun aber
unter dem Mikrofkop rein weiß. Gelber Ocker
befindet fich in demfelben nicht, denn die Ton-
erdeteilchen müßten, da fie undurchfichtig find,
unter dem Mikrofkope hervortreten.

Was die Änreibung der Farben mit Terpentin
angeht, fo bleibt die Farben fchicht der Florabüfte,
wenn fie tagelang in abfolutem Alkohol oder
in Äther gelegen hat, vollkommen intakt und
im Zufammenhange. Waren die Farben mit
Terpentin (natürlich dem alten venezianifchen
Terpentinöl — denn der moderne Terpentin eig-
net fich überhaupt nicht zum Binden von Färb-
ftoffen) angerieben, fo müßten fie in den ge-
nannten Mitteln, da fowohl Alkohol abfol. als
auch Äther nicht allein den Terpentin, fondern
auch feine Ältersveränderungen (Harze, Colo-
phonium ufw.) auflöfen, zerfallen, was, wie
gefagt, nicht der Fall ift.

Wir fehen alfo, daß von dem objektiven In-
halt der „Zeugenausfagen“ nicht viel übrig bleibt.
Die Polemik gegen das Alter der Büfte und
gegen meine Unterfuchungen, welche diefes Älter
beweifen, haben teilweife wenigftens Formen
angenommen, welche bei der Diskuffion wiffen-
fchaftlicher Fragen fonft ungebräuchlich find. Ich
betrachte aber die Äuslaffungen der Preffe, fo-
weit fie meine Unterfuchungen, welche auf rein
fachlichem Boden ftehen, betreffen, als nicht gegen
meine Perfon, fondern gegen das Mikrofkop
gerichtet, welches ßch, manchen Forfchern un-
willkommen, in den Floraftreit hineingemengt
hat. Ich meine, diefes Inftrument, dem wir die
größten naturwiffenfchaftlichen Entdeckungen ver-
danken, hat es nicht nötig, die Berechtigung
feiner Äusfagen zu motivieren.

Nach diefen Ausführungen erübrigt es fich auf
die „Antwort“ Paulis einzugehen, in der im
wefentlichen nur zu lefen ftand, die Herren Kiß-
ling und Rählmann hätten für kunfthiftorifche
Beweisführung „nicht das richtige Verftändnis“

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