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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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8. Heft
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Fischel, Hartwig: Die Ausstellung schwedischer Volkskunst und Hausindustrie im K. K. Österr. Museum für Kunst und Industrie in Wien
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DIE AUSSTELLUNG SCHWEDISCHER VOLKSKUNST UND HAUSINDUSTRIE

verftorbene Ärtur Hazelius den Äußerungen der
volkstümlichen Traditionen nach und verftand
es, nicht nur die fo fchwer zugänglichen mate-
riellen Hilfskräfte feinem Lebenswerk zuzufüh-
ren—man hat ihn darum den „größten fchwe-
difchen Bettler“ genannt — fondern auch das
Wertvollfte unter dem damals noch Vorhandenen
zufammenzutragen und in höchft lebendiger und
anregender Form aufzuftellen, fo daß feine Lei-
tung für alle fpäteren volkskundlichen Samm-
lungen vorbildlich und von keiner noch über-
troffen wurde.

Äus diefen Schüßen hat Dr. Salin, fein Nachfol-
ger, eine kleine Auswahl textiler Gegenftände der
Äusftellung eingefugt. Es find darunter Beftand-
teile der Trachten, welche durch Spißenarbeiten,
Stickereien und diarakteriftifche Tuch-Applika-
tionen, fowie auch durch einige ganze Koftüme
vertreten find. Wertvoller und eigenartiger
noch find die Behänge, gewebten, geftickten und
geknüpften Teppichftücke, in denen eine charak-
teriftifche nordifche Note hervortritt. Die Innen-
räume des fchwedifchen Bauernhaufes, befonders
ein zentraler mit Oberlicht verfehener Mittel-
raum, erhalten bei feftlichen Änläffen einen rei-
chen textilen Schmuck, der oft an die Stofftapeten
des Mittelalters anklingt. Von befonderer Schön-
heit find hier gobelinartige Webereien mit teils
figuralen, teils der Pflanzenwelt entftammenden
ftreng ftilifierten Motiven, die oft auf fchwarzem
Grund, in fein zufammenftimmenden Tönen fehr
diarakteriftifche und gefchmackvolle Wirkungen
erzielen. Diefe Webereitechnik ift es auch, welcher
die fchwedifche Frauenwelt großes Intereffe ent-
gegengebracht hat; die Maler und Architekten
haben Einfluß auf die Entwürfe genommen und
den modernen Arbeiten eine immer felbftändigere
Richtung gegeben. Leider ift man dabei auch fo
weit gegangen, fehr komplizierte Erfcheinungen,
wie etwa gekräufelte Wellen einer bewegten
Wafferfläche mit ihren Spiegelungen oder das Spiel
der Baumfchatten, in einer verfchneiten Wald-
gegend darftellen zu wollen; durch diefen Natu-
ralismus hat man fich zu weit von der gefunden
Bafis entfernt, welche den alten Arbeiten eigen
ift. In neuefter Zeit ift man jedoch wieder zu jener
ftrengen Einfachheit der Flächenwirkung zurück-
gekehrt, die der Technik und dem Material, fo-
wie dem Zweck der Behänge weit beffer ent-
fprechen. Es finden fich fehr gute moderne
Arbeiten unter den Geweben, welche eine fiebere
Beherrfchung der dekorativen Wirkung zeigen.
Die einfachen Stickereien der Bauern aufLeinen-
ftoffen und die Durchbruch (ä jour)-Arbeiten an
Wäfcheftücken, Tüchern ufw. gehören zu den
verbreiteren Leiftungen der fkandinavifchen
Volksarbeiten. Sie find in größerem Maßftabe

ausgebildet worden und wurden unter anderem
auch in einer großen Ältardekoration und in Arbei-
ten vorgeführt, die eine dekorative Verwertung
der Durchbruchtechnik in Verbindung mit Flach-
ftickerei und Spißen zeigen. Von großem Reiz
ift eine Reihe von dekorativen farbigen Seiden-
ftoffen, die durch Flachftich mit linearen, geome-
trischen Motiven gefchmückt und als Behänge
charakterifiert find. Die gute farbige Wirkung
und der einfache, der Technik entfprechende
Ornamentcharakter, zeigen die befte Fortbildung
guter alter Traditionen. Jene Wirkung, welche
die Bauern bei ihren Pölftern und Behängen
durch derbe Wollftoffe mit kräftigem ficherem
Linienfchmuck erzielten, ift dort mit vornehmerem
Material und in größeren Dimenfionen nicht
minder ficher und tüchtig erzielt worden. Solche
Leiftungen geben einen erfreulichen Beweis da-
für, wie aus den fcheinbar primitiven und rohen
volkstümlichen Leiftungen ftammende Anregungen
bei vornehmeren und höher ftehenden Aufgaben
glücklich weiter entwickelt werden können.

Die Äusftellung gab aber auch einen Einblick
in die gediegene und fachkundige Art der För-
derung heimifcher Kräfte, durch welche fo gute
Refultate erzielt wurden. Da fah man, welche
Sorgfalt auf die Auswahl und Behandlung des
Materials auf die Schulung des Gefchmacks und
der Technik verwendet werden. Man fah, welch'
hohesGewicht auf dieVerwendung der alten Tier-
und Pßanzenfarben zum Echtfärben der Wolle
verwendet wird, wie Indigo, Krapp, Cochenille
wieder herangezogen werden. Ändererfeits zeigte
die große Zahl von Schulen, die zumeift privaten
Urfprung haben und über das ganze Land ver-
breitet find, welche Äusbildungsgelegenheiten
geboten find. Es find vielfach von Hausinduftrie-
Vereinen gegründete, unter künftlerifcher, zumeift
weiblicher Leitung flehende Fachinftitute, welche
in den verfchiedenen Diftrikten fpezielle Arbeiten
pflegen. So die vortrefflichen Haute-lisse-We-
bereien in Schonen, die Klöppelfpißen in Dale-
karlien. In Mora fleht Anders Zorn, der aus
jener Gegend flammt und dort fein Haus er-
richtet hat, als Anreger einer bedeutenden Haus-
induftrie, in Ehren. Dort werden auch fpezielle
Kurfe über das Färben mit pflanzlichen Farb-
floffen (von Frl. B. Larffon) abgehalten. In Lekfand
wirkt Guftav Änkarcrona, in Ärvika der Maler
G. Ä. Fjaeftad anregend und befruchtend. Die
fchwedifchen Künftler find häufig in den Pro-
vinzen angefiedelt und fördern das Kunflge-
werbe, indem fie felbft darin tätig find. Mit dem
Einrichten des eigenen Heims, das auf nationalen
Traditionen aufgebaut wird, beginnt zumeift
diefe Tätigkeit und fie erweitert fich durch die
Bildung lokaler Pflegeftätten heimifcher Tech-

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