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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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8. Heft
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Denkmalpflege und Städtebau
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0330

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DENKMALPFLEGE UND STÄDTEBAU

über feine Grünflächen den Verkehrsknoten auf
dem Potsdamer Plaß löfen zu helfen. Bruno
Schmiß gibt einen fchönen, leider völlig un-
durchführbaren Entwurf für die ganze Gegend:
der Leipziger Plaß erhält einheitliche Faffaden
wie Wertheim, am Potsdamer erhebt fich auf
dem Joftyfchen Grundftück als Point de Vue der
Leipziger Straße ein monumentaler, vielftöckiger
Turmbau, begleitet auf den feitlichenGrundftücken
von hochgetürmten Bauten mit antiken Portiken.
Die Idee, daß folche Wandungsrefte eines Ver-
kehrsplaßes nur pharusartig behandelt werden
können, ift ja fchon jeßt in dem neuen Sichen-
haus verwirklicht. Änfchließend an diefe mo-
numentale Gruppe ift das freigewordene Gelände
des Potsdamer und Änhalter Bahnhofs neu auf-
geteilt. Ä. E. B.

CINQUEUX Die hiefige Kirche ift auf Ver-
anlaffung der Stadtverwaltung in die Luft ge-
fprengt worden, da pe baufällig war und die
Gemeinde die Mittel zu ihrer Erhaltung nicht
aufbringen wollte. Darüber ift im ganzen Lande
zwifchen den Klerikalen und Äntiklerikalen ein
heftiger Streit entbrannt. Maurice Barres ver-
langte in der Kammer ein Gefeß zum Schuß der
Kirchen und bewies an Beifpielen, daß die In-
ventarifierung der Landeskunftdenkmale nicht
ernft und gründlich durchgeführt werde.

LONDON Vor dem Eingang zu Heinrich VIII.
großem Hampton Court Palaft bei London wird
jeßt ein Stück des ehemaligen Burggrabens aus-
gegraben, der dem mannigfach veränderten Palaft
(Wren ließ die zwei Obergefchoffe des großen
Torhaufes abtragen) wieder etwas mehr von
der Bedeutung und dem Charakter alter Zeiten
zurückgeben wird. Und über ihn wird wieder
die fchöne, auch ausgegrabene Steinbrücke füh-
ren, die Heinrich VIII. 1535 erbauen ließ, und
die feit 1700 unter Schutt begraben lag. F.

MÄNTUÄ Hier wurden auf die Konfolidie-
rung des ehemaligen herzogl. Palaftes 30000 Lire
verwendet und ungefähr 17000 Lire aufReftau-
rierung der mittelalterlichen Bafilika S. Lorenzo.

Br.

PÄRIS Das Schloß Kerjean ift vom franzöfifchen
Staat angekauft worden um es als National-
denkmal zu erhalten. Schloß Kerjean liegt weit-
ab von den großen Heerftraßen, nicht fehr
entfernt von Saint-Pol-de-Lion und bildet eins
der bedeutendften Denkmäler der Bretagne. Die
Baulichkeiten des Schloffes, die fich hinter ge-
waltigen Wällen verbergen, bedecken ungefähr
eine Fläche von einem Hektar und 60 Är. Da

es in Frankreich nur ein einziges Schloß gibt,
das ein noch größeres Gelände umfaßt, nämlich
Verfailles, fo erfcheint die Bezeichnung von
Kerjean als das bretanifche Verfailles nicht un-
berechtigt. Diefer Riefenbau geht auf das fech-
zehnte Jahrhundert zurück. Damals faßte der
Kanonikus Hamon Le Barbier den Plan zu
diefem großen Werk. Man nimmt an, daß
das Schloß zwifchen 1560 und 1590 vollendet
worden fei. Obwohl zum Teil verfallen, im-
poniert die Anlage noch heute durch ihre groß-
artigen Dimenfionen und die gewaltige Ge-
famtanlage. Der franzöfifche Staat beabfichtigt
das Schloß zu reftaurieren und darin ein bre-
tonifches Kunftgewerbemufeum einzurichten.

O. G.

ROM Die Demolierungsarbeiten am Palazzetto
Venezia fchreiten fehr rafch vorwärts. Schon ift der
Zinnenkranz zum größten Teile den Spißhacken
zum Opfer gefallen und die Decken des erften
Stockwerkes laßen den Himmel fehen. Es ift
fymptomatifch, daß fich im leßten Momente doch
noch italienifcheStimmen erhoben, welche denPa-
lazzetto zum Teil erhalten wißen wollten. Aber
fie kamen leider zu fpät, denn die Konventionen
waren fchon unterfchrieben, die Arbeiten ver-
geben und fo wird der Anfang des 20. Jahr-
hunderts in Rom mit einem Akte des Vandalis-
mus begonnen, der nicht fobald feinesgleichen
hat. Wahrlich, unfere Zeit braucht auf frühere
Jahrhunderte nicht mehr verachtungsvoll herabzu-
fehen! Bei den Demolierungsarbeiten hat fich
herausgeftellt, daß der Garten des Palazzetto
direkt auf mittelalterlichen Häufertrümmern ruht.
Bei der Erbauung des Palazzetto nahm man fich
nicht die Mühe, diefe niederzulegen, fondern
verfchüttete pe lieber. Daraus erklärt fich auch
die Niveaudifferenz zwifchen dem Straßenpßafter
und dem Garten, die faft drei Meter beträgt.
Während der Palazzetto niedergerißen wird, wer-
den fchon an der Via degli Äftalli die Funda-
mente für den Neubau gelegt. Man mußte bis
in eine Tiefe von beiläupg zehn Metern gehen
und dann noch Pfähle einrammen. Hierbei ge-
riet man auf antike große Subftruktionen, die
nur in geringer Breite ausgegraben kein deut-
liches Bild ergeben. Vielleicht handelt es fich
hier um den im Liber pontipcalis erwähnten
Porticus ante ecclesiam S. Marci oder um die Villa
Publica, die jedenfalls in diefer Gegend lag.
Einzelfunde find bisher nur in geringem Maße
gemacht worden. Man fand Refte von farbi-
gem Marmorfußbodenbelag, dann mittelalterliche
Töpfe und einen fragmentierten Ziegelftempel, in
dem ein CI. Secundinus als Fabrikant genannt
wird. Einen Schluß kann man aus diefen Fun-

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